Lee, 18, träumt von einer Zukunft als Polizistin. Doch ein einziger Moment verändert In Notwehr verletzt sie einen Jungen, der ins Koma fällt – und stellt fest, dass er nur helfen wollte. Als der Junge erwacht, entsteht eine zarte Liebe, doch seine Eltern erstatten Anzeige. Im Spannungsfeld von Jugendstrafrecht und Erwachsenwerden stellt der Roman die Was bedeutet es, jung zu sein – und wer entscheidet, wann wir erwachsen sind? Ein hochaktuelles Buch in einer präzisen Sprache, die ihresgleichen sucht.
Kaum ein Buch hat mich und meine Tochter so heftig durchgeschüttelt wie dieses. Normalerweise hänge ich ja gerne in Thrillern ab, wo alles ein bisschen überzogen wirkt – aber hier? Bäm, das sitzt. Christina Erbertz schmeißt uns mitten in eine Situation, die man niemandem wünscht: Lee will helfen, dann eskaliert es in Sekundenbruchteilen, und plötzlich steht ihr ganzes Leben Kopf. Meine Tochter hat beim Lesen ständig gefragt: „Papa, was hättest du gemacht?“ – und ganz ehrlich: keine Ahnung. Vermutlich Mist gebaut.
Wir haben die Kapitel teilweise im Wechsel gelesen und uns dann darüber gestritten, ob Lee jetzt cool gehandelt hat oder einfach kopflos war. Und genau da liegt die Stärke des Buches: Es macht dich nicht zum Zuschauer, es drängt dich mitten ins Dilemma. Ich wollte Lee manchmal schütteln, meine Tochter fand sie eher mutig. Buddyread-Diskussionen deluxe.
Der Schreibstil ist schnörkellos, fast frech, so direkt wie ein Schlag in die Magengrube. Kein Gelaber, keine unnötigen Schleifen – das zieht dich durch wie ein Krimi, aber mit Herz und Hirn. Und ja, das Herz klopft doppelt, sobald der Junge aus dem Koma erwacht und plötzlich mehr im Raum steht als nur Schuld und Strafe. Ich habe an einer Stelle laut gelacht, meine Tochter hat mich dafür angeguckt, als wäre ich verrückt.
Was hängen bleibt? Dieses Buch ist unbequem ehrlich. Es zeigt, dass Erwachsenwerden kein geplanter Spaziergang ist, sondern eher ein Sprung ins kalte Wasser. Für uns beide war klar: „Stein schlägt Papier“ hat sich in unser Regal geprügelt wie ein Klassiker. Und wir haben lange nach dem Ende noch weiterdiskutiert – was für mich das beste Zeichen ist, dass ein Buch richtig was kann.