Was wäre, wenn nicht stimmt, was wir über Fußball dass trotz aller Anstrengungen von Trainern, Managern und Spielern, den Zufall unter Kontrolle zu bringen, nicht selten die Falschen oben in der Tabelle stehen und nicht die Richtigen absteigen.
Wenn wir also die Falschen loben, statt die Richtigen zu kritisieren. Wenn Real Madrid die Champions League ein paar Mal zu viel gewonnen hätte und Pep Gardiola ein paar Mal zu wenig. Wenn wir nach einem Bundesligaspiel zwar tolle Theorien über »Angstgegner« aufstellen oder über »den Lauf«, den eine Mannschaft gerade hat, weil wir nicht wahrhaben wollen, wie zufällig viele Ergebnisse in Wahrheit sind? Und welche Konsequenzen hätte das?
Christoph Biermann hat sich auf die Suche nach dem Zufall begeben und mit Trainern, Managern, Vereinsbesitzern und Mathematikern gesprochen. Er hat dabei Erstaunliches herausgefunden, das unseren Blick auf den Fußball verändern wird und wie wir über die Magie des Spiels sprechen.
„Die Tabelle lügt immer: Über die Macht des Zufalls im Fußball“ von Christoph Biermann Stellen Sie sich vor, Sie würfeln eine Sechs, und ein ganzes Stadion voller Menschen analysiert daraufhin 90 Minuten lang Ihre „überragende Handgelenkstechnik“. Genau in diesem absurden Dilemma steckt der Fußball, wie Christoph Biermann in seinem klugen und herrlich respektlosen Buch zeigt. Wir huldigen Trainern als taktischen Halbgöttern, nur weil ein abgefälschter Ball vom Innenpfosten ins Tor sprang statt wenige Zentimeter daneben. Biermann legt die Axt an die Wurzel unseres sportlichen Weltbildes: Die Tabelle ist kein heiliges Urteil der Gerechtigkeit, sondern häufig nichts weiter als das Ergebnis einer betrunkenen Statistik. Aus probabilistischer Perspektive ist Fußball das grausamste Spiel der Welt, weil die Stichprobe lächerlich klein ist. Ein einziges Tor entscheidet über Aufstieg oder Ruin, über Genie oder Wahnsinn. Biermann rechnet vor, dass selbst Vereine wie Real Madrid oft eher statistische Ausreißer sind als Beweise höherer Fußballvernunft – Produkte eines Systems, das Würfelglück hartnäckig mit Schicksal verwechselt. Wer bisher glaubte, sogenannte „Angstgegner“ seien ein psychologisches Phänomen, lernt hier: Meist handelt es sich schlicht um Regression zur Mitte. Wenn wir das nächste Mal über den „Lauf“ einer Mannschaft philosophieren, müssten wir eigentlich ehrfürchtig über Standardabweichungen schweigen. Philosophisch gelesen ist das Buch eine bittere, aber heilsame Zumutung. Es konfrontiert uns mit der Unerträglichkeit der Kontingenz. Wir Menschen lieben Narrative und verabscheuen die Vorstellung, dass Erfolg häufig kein Verdienst, sondern ein Würfelwurf ist. Biermann demontiert den Mythos der Kontrolle: Selbst ein Pep Guardiola kann trotz mathematischer Perfektion am Zufall scheitern. Der Fußball erscheint hier – wie das Leben – als chaotisches System, in dem wir Ordnung nur halluzinieren, um nachts ruhig schlafen zu können. Unterm Strich ist Die Tabelle lügt immer ein ebenso witziges wie tiefgründiges Buch für alle, die verstehen wollen, warum Christoph Kramer „die pure Tiefe“ spürt, während der Rest noch über die Abseitsfalle streitet. Nach dieser Lektüre schaut man kein Spiel mehr, ohne dass im Hinterkopf leise flüstert: „Eigentlich müsste es 1,47 zu 0,82 stehen.“ Ein Muss für alle, die bereit sind, die tröstliche Illusion der Tabelle gegen die unbequeme Wahrheit des Zufalls einzutauschen – auch wenn es weh tut. Vielleicht ließe sich Fußball erst dann als wirklich „gerecht“ bezeichnen, wenn der Zufall selbst fair entlohnt würde: Wenn ein unerwarteter Sieg gegen eine astronomisch reiche Mannschaft nicht dieselben drei Punkte brächte wie ein Pflichtsieg unter Gleichen, sondern ein Vielfaches davon – proportional zum finanziellen Gefälle, das überwunden wurde. Solange aber David und Goliath im Tabellenwerk mit identischen Zahlen abgegolten werden, bleibt die Liga weniger ein moralisches Tribunal als ein hübsch sortierter Zufallsgenerator. Genau darin liegt, wie Biermann zeigt, ihr Reiz – und ihre Unaufrichtigkeit zugleich.
Tabelle lügt? Nochmal durchatmen — und plötzlich wirken die ganzen Sonntagsgespräche über »Charakter«, »Willen« und »der Lauf« ziemlich dünn. Christoph Biermann nimmt den Fußball nicht auseinander, sondern entlarvt ihn ein bisschen: als Mischung aus Können, Kalkül — und einer gehörigen Portion Zufall. Das ist kein trockenes Zahlenwerk, sondern eine Reise durch Kabinen, Chefetagen und Formeln, die überrascht, wütend macht und lächeln lässt.
Besonders stark: wie Biermann Experten-Stimmen und Mathe zusammenbringt, ohne in Statistik-Gewäsch zu ersticken. Stattdessen gibt’s Anekdoten von Leuten, die Entscheidungen treffen müssen — und dann die nüchterne Wahrheit, wie oft der Zufall die Bühne betritt. Da sitzt plötzlich das Gefühl im Nacken, dass man so manches Lob an die falschen richtet und manchen Trainer zu Unrecht verteufelt.
Beim Lesen poppt immer dieser kleine, boshafte Gedanke auf: Hätte der Schiri nur anders gepfiffen, stünde die Geschichte jetzt völlig anders da. Und das ist genial, weil das Buch einem beibringt, genau hinzuschauen — aber nicht, um Kausalitäten zu erzwingen, sondern um Demut vor dem Unvorhersehbaren zu lernen. Fußball bleibt Magie, Biermann zeigt nur, wie oft die Rakete zufällig ins Netz segelt.
Kritik? Auf hohem Niveau: Manchmal könnten manche Kapitel noch knackiger sein, ein paar Graphen weniger, ein gutes Beispiel mehr. Trotzdem — wer seinen Blick auf das Spiel schärfen will und dabei unterhalten werden will, liegt hier goldrichtig. Nach dem Lesen wird kein Einwurf mehr wie zuvor klingen.
Kurz: Ein schlauer, frecher Blick hinter die Kulissen einer unberechenbaren Liga. Für Taktiknerds und Sonntagsphilosophen gleichermaßen ein Muss — und ein Buch, das nach dem Lesen noch lange nachhallt.
This is a book about randomness in football (soccer). Everybody who has played the game and everybody who is watching knows that randomness plays a big role, but it was and is not much talked about. The author addresses this topic and looks for explanations, and he describes how the situation is gradually changing. The book is based on discussions the author has had with sports data analysts, coaches, players, mathematicians, statisticians, and his own experiences as a sports journalist.
The style of writing is clear and entertaining, and besides being a book about a sport, it can also be regarded as an excellent popular science book. After all, randomness is not an easy concept, and the author does a good job in explaining how it works in football, how the professionals involved try to deal with it, and that it will not go away.
Maybe, in a future edition, the author could include a chapter on what can be learned from Australian football, a game that is higher-scoring than soccer, but otherwise very similar.