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Ohnmacht des Völkerrechts: Die Rückkehr des Kriegs und der Menschheitsverbrechen | 80 Jahre Nürnberger Kriegsverbrecherprozess - und die Folgen

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Syrien, Ukraine, Ist das Völkerrecht am Ende? Gilt das Recht des Stärkeren?

Mit den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg nach dem 2. Weltkrieg begann ein neues Kapitel in der Geschichte des Völkerrechts. Und nach dem Kalten Krieg schien die regelbasierte Weltordnung realistisch. Doch die Wirklichkeit im frühen 21. Jahrhundert ist eine andere, nicht erst seit Russlands Einmarsch in die Ukraine. Auch Israels Reaktion auf das Massaker vom 7. Oktober wirft Fragen auf. Christoph Safferling, internationaler Experte für Völkerrecht, zeichnet den Weg von 1945 bis heute nach und benennt doppelte Standards und blinde Flecken gerade auch der deutschen Politik. Seine Bilanz ist ernüchternd, sein Appell Gerade Deutschland muss die völkerrechtlichen Standards einfordern. Das Recht verträgt keine Kompromisse.

269 pages, Kindle Edition

Published October 16, 2025

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December 21, 2025
Die Illusion der Moral und das Primat der Macht
In seinem Werk zieht Christoph Safferling eine ernüchternde Bilanz über mehr als 80 Jahre Völkerrecht – von den moralischen Hoffnungen der Nürnberger Prozesse bis zur gegenwärtigen Realität fortdauernder Menschheitsverbrechen. Geopolitisch begreift Safferling das Völkerrecht nicht als stabiles Normensystem, sondern als fragiles Arrangement, das in einer zunehmend multipolaren Welt zwischen den Interessen von Großmächten wie den USA, Russland und aufstrebenden Akteuren aufgerieben wird. Schonungslos legt er die doppelten Standards offen, die entstehen, wenn völkerrechtliche Prinzipien selektiv angewandt werden – streng gegenüber den Schwachen, flexibel gegenüber den Mächtigen.
Die Sicht des Gorgias: Das Recht des Stärkeren
Legt man die Philosophie des Gorgias – insbesondere die von Kallikles im platonischen Dialog „Gorgias“ vertretene Position – zugrunde, erscheint Safferlings Diagnose der „Ohnmacht des Völkerrechts“ nicht als historischer Betriebsunfall, sondern als Ausdruck einer tieferen Ordnung. Für Gorgias ist das positive Recht (nomos) eine Erfindung der Schwachen, um die Starken zu zähmen. Die Gegenwart scheint diese Perspektive zu bestätigen: Von der Ukraine bis zum Nahen Osten zeigt sich, dass das „Recht der Natur“ (physis) weiterhin gilt – jenes Recht, nach dem der Stärkere herrscht und sich nimmt, was er nehmen kann.
Safferlings Analyse der völkerrechtlichen „blinden Flecken“ lässt sich in diesem Sinne radikalisieren: Das Völkerrecht erscheint weniger als Instrument der Gerechtigkeit denn als rhetorische Waffe. Wer über Macht verfügt, definiert, was als „Menschheitsverbrechen“ gilt – und wer sich dafür zu verantworten hat. Die Nürnberger Prozesse markieren aus dieser Perspektive keine moralische Stunde Null, sondern den paradigmatischen Fall von Siegerjustiz: den Moment, in dem militärische Überlegenheit in rechtliche und moralische Deutungshoheit übersetzt wurde.
Geopolitische Konsequenzen: Der Rückfall in die Machtpolitik
Safferling beschreibt überzeugend den Übergang von einer kurzen Phase regelbasierter Ordnung zu einer Welt harter Machtkonkurrenz. Während er insbesondere von Deutschland ein kompromissloses Festhalten an völkerrechtlichen Standards einfordert, würde ein Gorgias-Schüler darin vor allem ein Zeichen politischer Ohnmacht erkennen. Moralische Appelle eines Staates, der nicht bereit oder fähig ist, seine Interessen notfalls mit physischer Gewalt zu sichern, bleiben in einer anarchischen Weltordnung folgenlos. Das Recht mag keine Kompromisse vertragen – doch ohne das Schwert fehlt ihm die Durchsetzungskraft.
Ein notwendiges Dokument der Desillusionierung
Safferlings Buch ist ein präziser und unbequemer Weckruf für all jene, die an die selbsttragende Kraft des Völkerrechts glauben. Zugleich bestätigt es – zumindest implizit – die alte Einsicht der Sophistik: Recht wirkt nur solange, wie es die bestehenden Machtverhältnisse spiegelt. Verschieben sich diese, bricht die moralische Fassade ein. Zurück bleibt jener harte Kern globaler Politik, den Safferling mit analytischer Klarheit freilegt. Ein unverzichtbares Buch für alle, die die Kluft zwischen dem Wunsch nach einer gerechten Weltordnung und der brutalen Realität der Macht verstehen wollen.
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