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Postkoloniale Mythen: Auf den Spuren eines modischen Narrativs. Eine Reise nach Hamburg und Berlin, Leipzig, Wien und Venedig

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Die deutsche Kolonialgeschichte währte ganze 35 Jahre. Erst 1884 begann das Deutsche Kaiserreich, auf dem afrikanischen Kontinent sogenannte Schutzgebiete zu errichten, verlor diese aber bereits 1919 an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs.
Mit dem Ende des Kolonialismus jedoch, so wollen uns postkoloniale Aktivisten und ihre universitären oder musealen Stichwortgeber weismachen, kamen Ausbeutung, Kunstraub, Versklavung und Rassismus keineswegs zu einem Ende. Sie leben angeblich im postkolonialen Zeitalter fort, nur raffinierter. Da gibt es viel wiedergutzumachen.
Mathias Brodkorb hat sich auf den Weg begeben und die Hotspots der postkolonialen Wiedergutmachung im deutschsprachigen Raum aufgesucht, die ehemaligen Völkerkundemuseen. Statt ihrer Aufgabe des Sammelns, Bewahrens, Erforschens und Ausstellens nachzugehen, sind sie vorrangig mit der Verfertigung des eigenen guten Gewissens beschäftigt. Zu diesem Zweck werden nicht nur Fakten verschwiegen, die nicht ins Bild passen, sondern mitunter auch historische Dokumente verfälscht. Viele Museen sind zu »Ideologiemaschinen« geworden um den weißen Westen einer ewigen Schuld zu überführen.

396 pages, Kindle Edition

Published May 7, 2025

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Mathias Brodkorb

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August 3, 2025
Mathias Brodkorb präsentiert hier eine Studie über verschiedene, vor allem den deutschen Kolonialismus betreffenden, Narrative und Sachverhalte, die mit aller Sorgfalt und Quellensicherheit durchgeführt geworden zu sein scheint. Das Buch folgt, nach einem Expose, ethnologisch-historischen Ausstellungen in fünf Städten: Leipzig, Berlin, Wien, Hamburg, Venedig; ist so trotz teils sehr detailierten Ausführungen auch erzählerisch schön eingerahmt. An der Stelle ist auch die (farbige) Bildgestaltung zu erwähnen, die jeden nur keinen trockenen Eindruck hinterlässt. Genauer Handelt der Text von a) den so genannten postkolonialen Mythen, wie der sehr verquerten Debatte um die Beninbronzen; b) der Selbstwahrnehmung von ehemals völkerkundlich genannten Museen. Nicht ohne persönliche Meinung und, wenn auch oftmals affektiertem, Augenzwinkern legt der Autor seine Argumente überzeugend dar.

Über das Zustandekommen der "Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft" (DOAG) und auch der deutschen Zone in Kamerun erfährt man differenziertere Einblicke als anderswo, allerdings meiner Meinung nach zu distanziert in Teilen. Ein wiederkehrendes Motiv ist, dass die teils brutalen sowie oft in langen Kriegsanstrengungen befindlichen afrikanischen Kulturen als außerhalb der deutschen Verantwortung gesehen werden; die Kolonialherren werden zwar für ihre Fehltritte und direkt gesagt auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit gerichtet, nur alles darüber hinaus entziehe sich ihrer Macht. Es wird nicht wirklich in Betracht gezogen, ob das als "Teile und Herrsche" die Deutschen mitverantwortlich für diverse Clangewalt machte, oder ob mehr (sich selbst auf die Fahnen geschriebene) humanistische Bildung dort nicht Wunder bewirkt haben könnte, zumal in diesem Buch gerne auf die zivilisierenden Leistungen der (auch anderen) Kolonialmächte hingewiesen wird. Will sagen: eine gewisse Apologetik kann der Text nicht von sich weisen, trotz aller historischen Faktizität.
Der einzige wirkliche Streitgegenstand ist meiner Meinung nach die sehr verfehlte philosophische Einschätzung, sei es im Kapitel "Das Postkoloniale Narrativ" oder durch die Museenbesuche verstreut. Gerne werden Personen oder Konzepte als "postmodern" benannt, wobei Ich unterstelle dass dies hier in der vulgären Verballhornung als "anything goes" Relativismus einiger französischer Akademieaffen verstanden (oder zumindest billigend in Kauf genommen) wird. Weder wird der Begriff zufriedenstellend geklärt - jeder der versucht, postmoderne Philosophie zu verstehen wird wissen wie unsinnig es ist, "die" postmoderne Philosophie überhaupt ohne 100 Seiten Begriffsdiskussion zu definieren - noch sinnvoll eingesetzt. Auch dass anscheinend ein anderer Philosoph beim Verfassen geholfen hat, scheint mir hier nicht besonders schlüssig. Dieses Unverständnis schlägt einem auch bei der fast schon komischen Behandlung von "Narrativen" und dem Konzept von multiplen Blickrichtungen auf die Wahrheit entgegen; der Autor scheint in seinem gemeisterten Reich der historischen Faktizität zu verweilen, die interpretativen Aspekte scheinen ihm fremd und lächerlich, wenn nicht sogar primitiv (mit "Animismus" um sich schmeißen verfehlt die Debatte um sentimentalen Wert vollkommen).

Dass dieser postkoloniale Zeitgeist zumindest bei einigen wenigen Eliten fast so vorzukommen scheint, wie meiner Meinung nach schlecht vom Autor recherchiert oder verstanden, ist dann schwierig einzuordnen. Doch "an Ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen", wobei der Autor schön einige wirklich wahnwitzige Wiedergutmachungsgebahren präsentiert, welche in der deutschen bis italienischen ethnologischen Museumsszene en vogue sind. So lächerlich und schlicht skurril diese Symbolakte sind, der Autor hätte trotzdem hier etwas den reaktionären Zeitgeist antizipieren können, welcher sofort elitäre Dekadenz, woke Identitätsverirrungen oder sogar neovölkischen Totalitarismus vermutet. So wichtig diese wenig gehörte Stimme in der deutschen postkolonialen Debatte meiner Meinung nach ist, so sehr hat das alles Moderation und Abgrenzung von dem kindlich-dummen Kulturkampf verdient.

Alles in allem faktisch sehr aufschlussreich, interessant und nicht beanstandbar. Teilsweise zu kurz gedacht in ethisch-moralischen Betrachtungen, egal ob aus heutiger oder damaliger Perspektive. Leider hat der Text einen sehr fragwürdigen philosophischen Gehalt, der zur Affektgeneration zu dienen scheint. Wenn dieser Teil anders oder richtig umgesetzt worden wäre, und mehr zur Moderation und Besinnung in der Debatte aufgerufen worden wäre, könnte Ich das den wichtigsten und bisher besten Beitrag in der Restitutions-/Postkolonialismusdebatte nennen.
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