Bürgerliche Mütter, bürgerliche Töchter: ein bitterböses Porträt zweier Frauen-Generationen Elisabeth, 58, versucht würdevoll zu altern. Ihr gutbürgerliches Leben ist am ehesten charakterisiert durch das, was sie alles nicht getan hat: sie hat nicht studiert und nicht gearbeitet, sie hat ihre Kinder nicht vernachlässigt und ihren Mann nicht mit dem Künstler Jakob betrogen, sie hat der Schwiegermutter nicht die Stirn geboten und stellt noch immer nicht den Anspruch, ins Grundbuch der Jugendstilvilla eingetragen zu werden. Mit Zynismus und verhaltener Selbstreflexion beobachtet sie das Altern der Frauen um sie herum. Und sie beobachtet ihre Kinder, vor allem Franziska, 35, die zu Wutausbrüchen neigt, mit den Anforderungen der Gesellschaft an ihre Mutterrolle hadert und die theoretische Gleichberechtigung von Mann und Frau im Alltag nicht einlösen kann. Auch sie hat ihre Visionen nicht verfolgt, weder beruflich noch privat, und begnügt sich mit einem fast fertigen Studium und einem fast geliebten Mann. Es scheint, als habe sich dieser zahnlose Feminismus von einer Generation an die nächste vererbt. Gertraud Klemm, die mit einem Kapitel aus diesem Roman den Publikumspreis in Klagenfurt gewann, schildert eine gesellschaftliche Situation, in der mit viel »ja – aber« die wichtigen Entscheidungen verschoben und verhindert werden, und ihr Blick auf die Lage ist gnadenlos, bissig und (aus Verzweiflung?) wahninnig komisch.
3,7 Sterne. ... und ja, da ist durchaus eine Art Heimatbonus enthalten.
Die Geschichte der beiden Frauen betrifft mich in gewisser Weise ganz konkret, entsprechend habe ich mich über so mache bissige Formulierung sehr gefreut.
Und der Kampf gegen das Alter war ebenso voller kluger Beobachtungen.
Trotzdem wurde es mir im mittleren Teil des ohnehin nur schmalen Büchleins etwas zu langatmig, manches Klischee ein wenig zu breit ausgewalzt.
Aber ich mochte den Sprachduktus sehr, die Art, wie in langen Satzgefügen trocken und punktgenau mit ironischem Augenzwinkern ausgeteilt wurde.
der roman hat mich mit einem merkwürdig-nachdenklichen gefühl zurückgelassen. kurz davor hab ich "bodentiefe fenster" von anke stelling gelesen und die beiden romane drehen sich zum teil um gleiche inhalte: mutterschaft, zurechtkommen mit den (eigenen) erwartungen an eine selbst und die angst, irgendwie stets unzufrieden und unerfüllt zu bleiben im eigenen leben. erzählt wird aus zwei perspektiven: zum einen aus der tochterperspektive (auktorial erzählt und intern fokalisiert), zum anderen aus der mutterperspektive (ich-erzählerin). als leserin verfolge ich also generationenübergreifenden er_leben und die jeweils (altersspezifischen?)aufkommenden themen,die sie beschäftigen. bei der mutter elisabeth kreisen die gedanken v.a. um das thema älter werden (die körperlichen veränderungen werden sehr eindrücklich beschrieben, pensionierung des mannes und wie sich das (gemeinsame und individuelle) leben dadurch verändert). die tochter franziska beschäftigt vor allem ihre rolle als mutter und die dadurch entstandenen veränderten lebensbedingungen und perspektiven, aber auch themen wie begehren und sexuelle lust, frustration_en werden thematisiert. deutlich wird: alles hängt zusammen; eine entscheidung für etwas ist auch immer eine entscheidung gegen etwas und die heterosexuelle beziehung ist noch immer geprägt vom muster: papa geht arbeiten, mama bleibt zu hause und leistet reproduktionsarbeit, stellt ihre beruflichen ziele hinten an. und der druck, kinder zu kriegen und in der mutterrolle aufzugehen, besteht ungebrochen - es entstehen risse und die sind wichtig. weil ängste, wut auf die verhältnisse und die "alternativen" verablisiert werden müssen.immer wieder, damit sich biografien nicht immer wiederholen von generation zu generation. gerade in hinblick auf "bodentiefe fenster" von anke stelling fällt mir eigentlich nur ein, dass sich mensch lösen "muss" (jaja..die erwartungen) von den wünschen, vorstellungen und hoffnungen, die andere an uns herantragen. aber wie genau das geht, das muss jede_r wohl für sich rausfinden. und das mag ich auch an "aberland": gertraud klemm bietet ihren protagonissten keine lösungen, sie lässt sie empfinden und beschreiben und aushalten. für "happy end" gibt es keine garantien.
Ich bin über Mareike Fallwickl zu Gertraud Klemm gekommen; ich weiß nicht mehr, ob bei Instagram, wo Mareike Fallwickl regelmäßig andere feministische Autorinnen empfiehlt und deren Bücher bespricht, oder über einen Kommentar von Gertraud Klemm auf dem Einband oder am Anfang eines der Bücher von Mareike Fallwickl.
Und was soll ich sagen: Ich mochte „Aberland“ noch mehr als die bisher gelesenen Bücher von Mareike Fallwickl, obwohl ich diese auch schon sehr mochte, und ich bin froh, dass ich auf Gertraud Klemm aufmerksam gemacht wurde.
Mir gefiel der Schreibstil sehr (Sätze, die zum Teil mehrere Seiten lang sind), der Zynismus, die präzisen Beobachtungen der nicht funktionierenden Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe der jüngeren Hauptfigur, und auf jeden Fall auch die ganzen skurrilen österreichischen Begriffe (Gertraud Klemm ist Österreicherin, ebenso wie Mareike Fallwickl): so bringt z.B. der Ehemann einer der Hauptfiguren seine Hemden und Anzüge zum Reinigen in „die Putzerei“.
Ein ausgezeichneter Roman. Zwei Frauen, Mutter und Tochter, beide weit weg von ihrer Selbstverwirklichung und deswegen unglücklich. Sie fühlen sich allein gelassen und unverstanden. Sie haben Träume aufgegeben und sich damit abgefunden. Elisabeth, die Mutter, beschäftigt der unerwartete Tod ihrer besten Freundin und Lebensstütze, mit der sie sich ein lesbisches Liebesverhältnis hätte vorstellen können. Dazu kommt die Pensionierung ihres Mannes, der sie immer wieder mit jüngeren Frauen betrügt, sowie der Tod der dementen Schwiegermutter. Franziska, die Tochter, fühlt sich gefangen in einem Leben mit Mann und Kind, ohne eigene Karriere und sie fühlt sich allein gelassen und überfordert mit den Aufgaben im Haushalt und der Kindererziehung. Auch eine kurze Affäre mit einem wesentlich älteren Künstler (pikanterweise auch ein enger Freund der Mutter!) ändert nichts an ihren Selbstzweifeln. Die Dissertation, an der sie schon so lange bastelt, wird zum verzweifelten Versuch, über das Leben wieder selbst zu bestimmen. Das alles geschrieben mit einem guten Schuss Selbstironie und Zynismus und in einem Stil, der einen reinzieht - einfach wunderbar zu lesen und wirklich schade, dass das Buch es nicht von der Longlist auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat. Sehr empfehlenswert!
Aberland ist gut geschrieben, wenn man sich erst mal an die Endlossätze gewöhnt hat, die die Seiten entlangmäandern. Ich wollte das Buch auch mögen, vielleicht hauptsächlich deswegen, weil es von Leuten empfohlen wurde, deren Meinung ich schätze. Ziemlich bald hatte ich aber das unangenehme Gefühl, dass ich es mit einem typischen österreichischen Text zu tun habe - unsympathische Figuren voller Selbstmitleid, Selbstekel und tiefer Unzufriedenheit mit ihrem eigentlich eh okayen Leben. Vor allem die jüngere Frau, Franziska, ist eine unfassbar anstrengende Figur, der niemand - schon gar nicht die unbedarften Männer in ihrem Leben - jemals irgendwas recht machen kann. Man muss ja mit Charakteren nicht befreundet sein wollen, aber irgendwas müssen sie an sich haben, damit man an ihrem Schicksal Anteil nehmen möchte. Hier ist das nur in Spurenelementen der Fall.
Herrlich bissige Satire über das Leben zweier gutbürgerlicher Frauen aus zwei verschiedenen Generationen, deren Leben doch erschreckend ähnlich abläuft – sowohl Mutter als auch Tochter stecken ihr eigenes Leben für Kind und Ehemann zurück. Offen bleibt, ob sich die Jüngere der beiden doch, wie ursprünglich geplant, davon lösen kann. Das Buch zeigt vor allem gut, wie schnell man sich auch als vermeintlich emanzipierte Frau schneller als man denkt und ohne es so ganz zu realisieren in einer traditionellen Geschlechterrolle findet, sobald man ein Kind bekommt.
Im Vergleich zum thematisch ähnlichen, ebenfalls auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2015 stehenden, "Bodentiefe Fenster" enthält dieser Roman mehr Substanz. Handwerklich gut geschrieben war es aber die Verschränkungen der Perspektiven (Mutter, Tochter), die durch die zwei Erzählstränge an manchen Stellen entstand, die mir besonders gut gefielen (z.B. der Blick der Mutter auf die Tochter). Lesenswert, wenn auch kein Muss.
In Aberland stellt Getraud Klemm dem Leser zwei Frauen vor, die in ihrem Leben an einem Punkt des Stillstandes angekommen sind. Von da an begleiten wir sie über ein Jahr lang, von Muttertag zu Muttertag.
Franziska ist eine junge, gebildete Frau, die, jetzt wo ihr Sohn einigermaßen aus dem Alter raus ist, wo er 24/7 ihre Aufmerksamkeit benötigt, endlich ihre Doktorarbeit beenden möchte. Wäre da nicht ihr Mann, der unbedingt ein zweites Kind haben möchte.
Elisabeth, Franziskas Mutter, ist bereits in Pension und versucht mit den verschiedensten Mitteln ihren Körper jung und hübsch zu halten, doch merkt sie, dass diese Oberflächlichkeit nicht ihr eigentliches Problem ist.
Der Roman behandelt die Alltagsprobleme der beiden Frauen und ist dabei nur allzu treffend. Trotz der langsamen Erzählweise bleibt der Leser doch gefesselt und möchte mehr über diese Leben erfahren, die doch nicht viel anders sind, als das eigene.
Der Roman Aberland von Gertraud Klemm erzählt die Geschichten von Franziska und ihrer Mutter Elisabeth.
Elisabeth ist 58 Jahre alt, ihr Mann, der sie ein Leben lang finanziell versorgt und gleichzeitig ständig betrogen hat, ist gerade in den Ruhestand getreten und ihr Leben ist ziemlich eintönig und langweilig. Gut abgesichert, immer angepasst, merkt sie doch die Leere, die sie umgibt. Sie hat im Leben nie etwas gefordert, daher hat sie auch wenig bekommen. https://vereinbarkeitsblog.de/rezensi...
In fünfzehn alternierenden Kapiteln und einer makellos schönen Sprache erzählt Gertraud Klemm in Aberland die Lebensgeschichten einer Mutter und ihrer Tochter im Spannungsfeld zwischen persönlichen Ambitionen & deren Scheitern, zwischen der Suche nach der perfekten Familie & deren schaler Realität, zwischen Kinder-Wunsch & Kinder-Haß, und von den Versuchen, sich aus den scheinbar zementierten Verhältnissen zu befreien. Literatur auf der Höhe der Zeit: dieses Buch swingt - sprachlich, melodisch, rhythmisch. Großartig.-
Das Thema klingt gut, das Setting stimmt. Aber leider machen mich diese nicht enden wollenden Spaghetti-Sätze fertig. Gott, ist es denn so schwer mal einen Punkt zu setzen? Das ist wie jmd zuhören zu müssen, wo man nie weiß, ob er jetzt fertig ist oder noch was kommt, und worauf er eigentlich hinaus will. Daher hab ich da auch nicht fertig gelesen.
KLEMM, Gertraud: "Aberland", Graz Wien 2015 Bei einem Literaturforum habe ich sie lesen gehört. Darauf habe ich dieses Buch gekauft, obwohl es nicht ihr Hauptwerk ist (Herzmilch). Zwei Frauenfiguren werden im Aberland vorgestellt. Die 58jährige Mutter und ihre Tochter. Sie stellen unterschiedliche Generationen dar. Die Mutter, die nicht studiert hat und nicht gearbeitet hat. Nur für die Kindererziehung und den Mann da war. Die Tochter, die selbst Karriere machen will und trotzdem um Gleichberechtigung kämpft. Dem Roman haftet Feministisches an. Die Männer kommen schlecht weg. Sie sind die fehlerhaften. Klemm ist eine gute Erzählerin. Ein leicht zu lesender Roman, der Situationen und Lebensweisen von heute festhält. Für uns, die wir heute Leben und uns manches veranschaulicht wird, was Realität ist, was wir aber nicht wahrhaben wollen und für die nächsten Generationen eine Zeitzeugendokumentation. „So viele verdächtige Rufzeichen, als wäre man beim Lesen schon schwerhörig.“ (Seite 38) „Wären nicht die Kinder, das Alter wäre ein dunkles Tal. Es sind die Kinder, die einen ablenken vom Selbstmitleid, das so schrittweise, aber dogmatisch gekommen ist wie der Wechsel oder di grauen Haare.“ (Seite 61) „Ein gutes Drittel der Frauen ist gut in Form gehungert, bei einem weiter Drittel halten hungern und essen einander die Waage, und das letzte Drittel hat sich ohne Widerstand aus der Form gefressen.“ (Seite 89) „Mit 50 wurde noch getanzt, nicht sehr engagiert, aber doch, man konnte die Jugend der 40er noch spüren, die Kinder waren gerade erst flügge geworden und schämten sich für ihre tanzenden Alten. Mit 60 ist wirklich das letzte Molekül Jugendlichkeit raus.“ (Seite 129)
Puh. Das erste Buch im Neuen Jahr ist von einschneidender Wahrhaftigkeit. Klemm bringt so viele unausgesprochene und noch nicht einmal gedachte, aber unterschwellig in uns brodelnde Wahrheiten übers Muttersein, Familienbande und Altwerden auf den Punkt, dass ich das Buch nach den ersten Seiten am liebsten wieder zur Seite gelegt hätte. Meiner guten Laune wegen. Ging aber nicht, weil zu gut geschrieben. Ihr Blick auf das Altern der Männer zeigt leider deutlich mehr Gnade, was ich ein bisschen gemein (und schade) finde. Nach soviel eiskalter Wahrheit brauche ich jetzt dringend wieder Fiktion. Und einen Rotwein.
I didn't really like this book. That doesn't mean it's not a good book. Just that I didn't particularly like it, with sentences that never ended, punctuated only by the occasional comma. Passages related to the female anatomy that I am tempted to describe as pornographic. It is an interesting portrait of two women in two generations, mother and daughter. But I found it difficult to read and was glad when I was finished.