„Ich war angefressen. Mein ganzes Leben lang hat mir meine Mutter weisgemacht, dass es ihr schlecht ging. Drei Tage vor dem Tod kam sie mit der Neuigkeit daher, dass es ihr gut ging. Es musste ein Irrtum vorliegen." Mit liebevoll grimmigem Witz erzählt Wolf Haas die heillose Geschichte seiner Mutter, die, fast fünfundneunzigjährig, im Sterben liegt. 1923 geboren, hat sie erlebt, was Eigentum bedeutet, wenn man es nicht hat. „Dann ist die Inflation gekommen und das Geld war hin." Für sie bedeutete das schon als Armut, Arbeit und Sparen, Sparen, Sparen. Doch nicht einmal für einen Quadratmeter war es je genug.
Wolf Haas is the author of nine books in the bestselling Detective Brenner mystery series, three volumes of which have been made into popular German-language films. Among other prizes, the Brenner books have been awarded the German thriller prize and the 2004 Literature Prize from the City of Vienna.
Wolf Haas, bekannt vor allem für seine Brenner-Krimis, zuletzt „Müll“, befeuert in „Eigentum“ das aufblühende autofiktionale Genre. Im harten, schnellen Präsenz schreibt er nicht über, sondern gegen den Tod und das Sterben, hier, von dem Tod von dem Tod der Mutter seines Ich-Erzählers, die er im Altenheim besucht und zu diesem Anlass ihr Leben Revue passieren lässt:
Aber ich hab keine Zeit. Ich will das hinschreiben, solange sie noch lebt, danach möchte ich mich nicht mehr damit beschäftigen. Das heißt, ich hab keine Zeit, ich muss es schnell hinschreiben, womöglich lebt sie nur noch ein paar Tage (tatsächlich nur noch zwei), dann möchte ich diese verdammten Geschichten auch endlich begraben, was geht es mich an, dass ein Mensch, den ich nicht gekannt habe, sein kleines Lechn immer wieder gegen ein größeres Lechn getauscht hat.
Auf sehr wenig Seiten, 160 an der Zahl, hetzt der Ich-Erzähler zwischen Friedhof, seines eigenen, ehemaligen Zuhauses, zwischen Kirche, Hotel und Altenheim, um noch die letzten Stunden mit seiner Mutter zu verbringen. Die Mutter, die zuerst ein wenig wie viele Mütter der 1920er Generation wirkt, erhält auf den Seiten zunehmend störrischen und anarchischen Charakter, der gegen das Dorf, gegen die Menschen, überhaupt, also, wie sie sagt, gegen ‚la gente‘ gerichtet ist:
Die Leute, das war die unüberschaubare Masse aller Menschen, die meiner Mutter etwas angetan hatte. La gente. (Ich lernte gerade Spanisch aus Angst vor dem geistigen Verfall, der einen angesichts des Elternsterbens erfasst. La gente. Die Leute als teuflischer Massensingular, als vielköpfiges Ungeheuer, das gefiel mir. La gente wollte ein Rad. Aber bezahlt hat la gente nicht.)
Intensiv und mitreißend aufersteht diese Mutter in „Eigentum“ von den Toten, denn dass sie stirbt, steht bereits von der ersten Seite an fest. In Vorbereitung auf eine Poetologie-Vorlesung entwickelt der Ich-Erzähler also eine Möglichkeit, implizit, durch Literatur und in der Literatur, Lebendiges über den Tod hinaus lebendig zu halten. Hier seine Mutter:
Da hab ich nie gewusst, soll ich Zivil anziehen oder soll ich die Uniform anziehen. Uniform wär halt eine Hose gewesen, gell. Da hab ich eine Hose gehabt. Wir haben Skihosen gehabt. Und so blousonartige Janker. Halt so aus grauem Loden. Waren aber ganz fesch. Und so eine Kappe, so eine Schirmmütze, wie sie es heute haben. Ja und dann bin ich gegangen bis Hinterthal hinaus und durch Hinterthal durch und dann hinaus bis zum Thunhäusl, und da bin ich dann einmal auf der Bank gesessen, weil ich schon so müde war.
„Eigentum“ in seiner Verve und Fröhlichkeit, in dem nicht-endenden Erinnerungs- und Vergegenwärtigungsversuch zählt viele literarische Momente sein eigen, wo die Figuren aus dem Schatten treten und lebendig werden. Der direkte Dialog, als Ansprache, geht als literarisches Mittel auf. Leider bleibt „Eigentum“ eine Fingerübung. Es ist schlicht zu kurz. Es wiederholt das Wenige zu oft, und es gibt der mehr und mehr sich herauskristallisierenden Marianne Haas zu wenig Raum, viel zu wenig im Vergleich zu dem, den sie durch die widerborstige Art, mit der sie gelebt hat, verdiente, als dass „Eigentum“ rundweg überzeugend und abgerundet wäre. Sie stirbt. Das war’s, und da hilft auch kein lockerer Spruch.
Es ist kein "Buch gegen den Tod" wie Elias Canettis gleichnamiges Fragment. Es ist auch keines über die Trauer wie „Unzertrennlich“ vom Ehepaar Yalom. Es ist aber auch keine süffisante Abkanzlung wie Christian Krachts „Eurotrash“ vom Altwerden der Mutter. Wolf Haas „Eigentum“ sitzt zwischen allen Stühlen und hinterlässt so, den vielleicht nicht schlechtesten Eindruck, einfach zu hastig geschrieben worden, und deshalb zu kurz geworden zu sein.
Sehr persönliche Beschreibung des Abschieds von der schwierigen Mutter und der Wiedergabe ihrer Lebensschilderungen. Der Ton ist anders als in den Brenner-Büchern, aber dennoch als Haas-typisch erkennbar. Gelegentlich nervt die Redundanz ein wenig, auch wenn ich erkenne, dass die Wiederholungen bewusst eingesetzt werden: das immer wieder und wieder Erzählen der Mutter und die ewig gleichen Themen, um die sie kreist.
Mich hat die Geschichte besonders deshalb berührt, weil auch meine Eltern tot sind und ich noch lange keinen Frieden mit ihnen gemacht habe, obwohl ich ihre unerfreulichen Lebensgeschichten kenne (mehr recherchiert, erahnt, rekonstruiert als erzählt). Sie suchen mich immer noch in (Alb)Träumen heim, sind über den Tod hinaus in der Lage mir mein Leben zu erschweren. Wenn ich irgendwann so weit bin, werde ich noch einmal nach diesem Buch greifen und das Versöhnliche darin für mich annehmen.
Darüber hinaus haben mir aber natürlich die Friedhofimpressionen gut gefallen. Und als Haas erzählt, dass seine 1923 geborene Mutter nach dem Krieg als Servierkraft viele Jahre in der Schweiz arbeitete, fiel mir ein, dass meine Tante (geb.1928) mit 19 Jahren ebenfalls eine Weile (als Zimmermädchen) in der Schweiz arbeite. War das ein verbreitetes Phänomen in der Nachkriegszeit, habe ich mich gefragt und will dieser Frage nachgehen.
Es sei das Beste bisher, sagt A., dank der ich Wolf Haas vor über zwanzig Jahren kennengelernt habe, das Beste von allem, was er bisher geschrieben hat, sagt sie und drückt mir das Buch in die Hand. Nicht immer stimmen ihre Lektüreeinschätzungen mit den meinen überein und „Junger Mann“ hätte fast zu einem Schisma in der Lesegruppe geführt, aber das Buch ist dünn und einmal angefangen mache ich nur noch eins: lesen, lesen, lesen.
Drei Tage hat die 95jähre Mutter des Autors noch zu leben. Das kann er natürlich nicht wissen als die drei Tage beginnen, doch als er mit dem Schreiben des Buches beginnt weiß er das wohl. Und So erinnert er den Leser immer daran wie viele Tage, Stunden es noch sind. Und der Autor erinnert sich an die Erzählungen der Mutter und er lässt sie auch selbst nochmal zu Wort kommen. 1923 geboren und die Inflation kam. Das Geld war nichts mehr wert und alles war hin. Sparen, sparen, sparen heißt es und am Ende hat es die Mutter nicht zu einem Eigentum gebracht. Dabei wohnt sie ganz schön im Altenheim, das früher die Klinik war, in der sie ihre Kinder zur Welt gebracht hat.
Man denkt beim Lesen dieser Annäherung an die Mutter auch immer mal wieder an die eigene Mutter. Die zu einer ähnlichen Zeit geboren auch die Geschichten hatte, die sich ewig wiederholten. Wobei durchaus der Eindruck entsteht, dass die Mutter, um die es hier geht wesentlich erzählfreudiger war. Oder gibt es auch hier Auslassungen, von denen der Autor nichts weiß? Immerhin erinnert sich sein Bruder manchmal ganz anders als er. Die Mutter jedoch erscheint als Persönlichkeit, aus der in der heutigen Zeit mehr hätte werden können. Wie bedauerlich und schade für diese Generation, die von einem unnützen Krieg und dummen Kriegsherren ausgenutzt und missbraucht wurde. Nur mit den Menschen konnte die Mutter nicht so gut.
Mit leichten aber doch eindringlichen Worten schildert der Autor die letzten Tage mit seiner Mutter. Wie sie doch etwas tüdelig geworden ist, nicht mehr so viel Interesse hat, immer wieder einnickt. Gerade das lässt ihm Zeit, sie mit seinen Worten zwar, aber doch mit ihrem eigenen Tonfall die wichtigsten Stationen ihres Lebens Revue passieren zu lassen. Das ist wirklich sehr gelungen. Man fühlt mit der alten Dame, die ja auch mal jung war. Und wie schon gesagt, wird auch der Gedanke an die eigene Mutter wieder geweckt. Dieser Roman ist ein liebevolles Denkmal an eine Mutter, die mit ihren Ecken und Kanten beschrieben wird und obwohl vielleicht nicht von jedem geliebt, doch eine größere Anzahl von Menschen positiv beeinflusst hat.
Es gibt für mich kaum sprachlich befriedigendere Lektüre als Wolf Haas Bücher. Haas’ Gabe mit Sprache zu spielen, sein Humor und seine Präzision im Formulieren sucht seinesgleichen. Mehrfach musste ich, trotz des berührenden Themas des Buches, beim Lesen laut auflachen. Ein Buch über Abschied nehmen, über schwierige Verhältnisse (sowohl im Äußeren als auch im Zwischenmenschlichen), das berührt, aber nicht deprimiert.
Was ist von einem Leben zu halten, das in der ersten eigenen Wohnung endet, in einer Zweiquadratmeterwohnung - dem Grab? Viel, wenn wir Wolf Haas Glauben schenken. Der Autor erzählt berührend, ironisch und mit viel Humor vom Leben und Sterben, vom Glück und Leid seiner Mutter. Das hat so manche Längen, führt aber auch zu genialen Gedanken wie diesen: "Jung ist man, solange man seine Verwandtschaft alle paar Jahre bei einer Hochzeit trifft, alt ist man, wenn man sich nur noch bei Begräbnissen sieht. Dazwischen ist die Phase, wo alle mit allen zerstritten oder zumindest in Daseinskämpfen aufgerieben sind, weshalb man sich gar nicht begegnet. Kein Problem, man sieht sich ja ohnehin spätestens beim Begräbnis."
Wolf Haas, Eigentum könnte wie der autofiktionale Roman von Oskar Maria Graf auch Das Leben meiner Mutter heißen (beides als "Roman" verkauft - warum schämt sich das deutschsprachig Verlagswesen so sehr, ein Buch mit biografischen Erzählungen nicht so zu nennen?). Wie jede Biografie erzählt diese indirekt Geschichte: Weltgeschichte, Gesellschaftsgeschichte, die Geschichte des Erzählers. Aber weil dieses Buch Haas geschrieben hat und nicht Graf, ist es natürlich ganz anders - unter anderem viel, viel kürzer.
Das Buch setzt drei Tage vor dem Tod der greisen Mutter ein mit der Überraschung des Ich-Erzählers, dass seine Mutter sagt, es gehe ihr gut. Das hat er bis dahin noch nie von ihr gehört, immer war alles schlimm und schlecht.
Die erzählte Zeit bleibt bei den drei Tagen, nimmt sich noch zwei zusätzliche bis zur Beerdigung. Darin wechselt Haas unmarkiert zwischen seinem eigenen Erleben (Besuch der Mutter im Heim, Spaziergänge ins Dorf und zu dem Haus, in dem er aufgewachsen ist) und den Erzählungen seiner Mutter (auch ohne Markierung klar am mundartlichen Duktus erkennbar und an den immer wieder eingeflochtenen "nit" und "gell"). Er gibt ihre Lebenserinnerungen so wieder, wie sie sie wieder und wieder erzählt hat, offensichtlich ohne eigene Nachrecherche oder Verifizierung, oft sagt sie "weiß ich nicht genau": Arme Kindheit in Österreich unter vielen Geschwistern, Versuch einer Ausbildung, Unterbrechung durch Krieg, danach Beruf, Arbeit in der Schweiz, Schwangerschaft, Rückkehr ins Dorf - vieles kann sie nicht einordnen, kennt keine Hintergründe. Dadurch bleibt viel offen. Klar zutage kommt der schwierige Charakter dieser Frau, ihr Eigenbrötlertum, ihre Menschenfeindschaft. Sich selbst ordnet Haas als Kind darin kaum ein, lässt die Erzählung die Geschichte seiner Mutter sein.
Es ist der erwachsene Haas um die 60, der in der Echtzeit-Erzählebene sichtbar wird: Dessen Gedanken immer wieder zu der blöden Poetik-Vorlesung zurückkehren, die er noch vorbereiten muss. Der sich in linguistischen Überlegungen verliert, sich fragt, warum er eigentlich Bücher schreibt, der sich nicht allzu ernst nimmt - eine typisch Haas'sche Stimme.
Das Ergebnis ist ein Büchlein, das Zeit einfängt, Orte und ein paar Menschen darin. Und das mir mal wieder bewiesen hat, dass Typisierung und Einordnung von Menschen immer löchriger werden, wenn man sich mit einer ganz konkreten Biografie beschäftigt.
Wolf Haas ist bekannt für seine Brenner-Krimis, die ironische Brechung, eine gewisse Rotzigkeit. In Eigentum sind alle diese Qualitäten lesbar - aber das Objekt der Betrachtung ist kein abgehalfteter Ermittler, sondern die eigene Mutter. Deren Stimme gibt Haas viel Raum, natürlich gefiltert durch seinen eigenen Autorenstil und die Sohn-Perspektive.
Das ist eine etwas irritierende, aber durchaus interessante Mischung. Am Ende fehlte mir aber etwas: Während einige Beobachtungen mir wirklich nahe gingen, habe ich sehr wenig über Haas Verhältnis zu seiner Mutter erfahren. Er setzt ihr ein gelungenes Denkmal als Schriftsteller, doch die sprachliche Distanz wird nur ganz selten aufgebrochen.
Vielen Dank für das Leseexemplar an Verlag und Netgalley. Ich werde noch etwas über das Buch nachdenken, aber einen großen emotionalen Eindruck hat es nicht hinterlassen.
Über den Tod der eigenen Mutter zu schreiben, ist eine Gradwanderung. Wolf Haas ist dabei niemals kitschig, und nur selten zynisch. Dafür immer sprachlich äußerst präzise. Insgesamt sehr berührend, auch wenn der Autor es gar nicht darauf anlegt.
S. 47 Hier breche ich ab, es ist kein Buch zu dem ich Zugang finde. Mich nerven die Wiederholungen. Da es aber wirklich nur mein Empfinden ist bewerte ich das Buch nicht.
Mich hat das Buch sehr berührt. W.Haas setzt sich in diesem Buch mit dem Leben seiner Mutter und dem Erleben seiner Mutter auseinander. 1923 geboren, ein Leben in Armut, harter Arbeit und ohne ein zu Hause. Ein fremdbestimmtes Leben als Eigentum/ für das Eigentum der Anderen. Sehr viel spannende kulturelle und geschichtliche Einblicke.
Ein berührender Mutterroman... über das Erinnern, das Erzählen und wieder und wieder Erzählen... komponiert wie ein Musikstück aus wiederkehrenden Motiven... ein Lesegenuss...
In "Eigentum" berichtet Wolf Haas persönlich, nah und schonungslos aus dem Leben seiner Mutter, einer schwierigen Frau, welche zu Lebzeiten stets etwas zu meckern gehabt hatte und nun kurz vor Schluss doch zufrieden zu sein scheint. Dabei begleiten wir den Erzähler nicht nur durch die letzten Tage seiner Mutter, sondern lernen diese kompromisslose Überlebenskünstlerin in verschieden Rückblenden und Erzählungen kennen.
Der Roman überzeugt mit herrlich-fiesen und bitterbösen Sprüchen, Witzen und Wortgefechten in einem doch so ernsten Setting. Um es mit den ähnlichen Worten des Autors zu sagen - es klingt nach Dur, ist aber eigentlich Moll. Haas schafft es, so dunkle Themen auf eine spielerische, freche aber auch liebevolle Art und Weise einzufangen. Sprachlich wunderbar ansprechend und greifbar gestaltet, erwachen die Figuren beim Lesen förmlich zum Leben, bewegen und machen nachdenklich. Was haben unsere Großeltern und Eltern in ihrem Leben bisher erlebt? Was wissen wir, was bleibt verborgen? Und nicht zuletzt, wie geht man mit dem Tod eines engen Angehörigen um, was bleibt zurück, woran erinnert man sich und war am Ende doch alles so schlimm?
Alles in allem ein großartiges Buch zum Lachen und Weinen, eine klare Empfehlung für nachdenkliche und tiefe Lesestunden und ganz bestimmt ein Buch, welches man nicht nur einmal lesen möchte.
Das wäre echt nicht nötig gewesen. Gegen Ende hab ich mir noch gedacht: "OK, dafür hat das Buch zumindest einen zweiten Stern verdient." Mir fällt aber jetzt schon nicht mehr ein, wofür...
Ich habe vorher noch nie etwas von Wolf Haas gelesen, aber das wird sich wohl ändern müssen, denn dieses hier ist ein sehr gutes Buch, bewegend, fast magisch eindringlich mit seiner genau erhörten Sprache und seiner Spiralförmigkeit bis hin zum letzten Satz. Große Empfehlung.
Ein kleiner Juwel! Wolf Haas verabschiedet sich von seiner Mutter indem er ihre letzten Tage begleitet, auf seine Jugend zurückblickt und ihr Leben noch einmal reflektiert. Der kurze Text ist natürlich sprachlich wunderbar geschrieben, geht (gefühlt) sehr offen und ehrlich mit der Familiengeschichte um und hat diese leise Ironie und den typischen Witz, der dem Tod durchaus den Stachel zu nehmen weiß. Sein wahrscheinlich recht sicher persönlichstes Buch und für mich auch eines seiner besten!
4,5 ⭐️ Diese wunderbare Hommage an die eigene Mutter mit unzählig vielen sprachlichen und stilistischen Höhepunkten vollführt einen gelungenen Balanceakt zwischen Komik und Tragik sowie zärtlichen und enervierenden Erinnerungen. Dabei strotzt sie nur so vor Nostalgie, Biss und ganz viel Gefühl, ohne jemals kitschig zu werden. Toll, toll, toll!
Die fast 95-jährige Mutter des Ich-Erzählers liegt im Sterben. Dem Erzähler bleiben zwei Tage, ihr Leben zu erzählen und über die Mutter und sein Verhältnis zu ihr zu reflektieren. Was schwer und ernst klingt, kommt mit einer erstaunlichen Leichtigkeit daher. In einem kurzen Roman ("Lass weg, Haas!") mit einer gehörigen Portion Humor gelingt dem Autor diese Hommage an seine Mutter.
Wolf Haas gehört wohl zu den erfolgreichsten Schriftsteller*innen Österreichs, sein flapsiger Humor begeistert nicht nur Leser sondern auch Liebhaber der Verfilmungen seiner Romane. Beim Abgesang auf die eigene Mutter erscheint mir dieser Stil nun nicht angebracht, vergleiche ich den Roman mit den vielen erschienen Elternromanen, so vermisse ich die Auseinandersetzung mit der eigenen Emotionalität, das schmerzhafte Erleben des Ablebens der Eltern, auch wenn das Verhältnis zu ihnen ein getrübtes, gestörtes etc. war. Es entsteht bei mir der Eindruck, als wolle sich Haas dem emotionalen Stress des Abschiednehmens durch das wortspielerische und stilistische Geblödel (und weil das durchaus gelungen ist, habe ich auch 3 und nicht bloß 2 Sterne vergeben) entziehen. Schade, das lässt den Autor für mich ungreifbar erscheinen. Interessant allerdings in Zusammenschau der vielen biografischen Aufarbeitungen der Elternverluste, bei denen ja auch immer Elternbiografien erzählt werden, dass es sich meiner Erinnerung nach immer um Aufstiegsgeschichten handelt, also die Eltern meist noch in ärmeren, auch bildungsferneren Umgebungen aufwuchsen als es die schreibenden Kinder nun leben. Und so gesehen ist es wieder interessant die Geschichte einer Frau zu lesen, die Zwischenkriegszeit als Kind in ärmsten Verhältnissen in der Gegend um Saalfelden erlebte, die Dreißigerjahre des vorigen Jahrhunderts in der Schweiz als Serviermädchen, den Krieg dann in Österreich und Deutschland im Arbeitsdienst. Die Nachkriegszeit wird dann eher nur gestreift, klar bleibt, dass die Hoffnung auf Aufstieg zu den Landeigentümern der Mutter nicht gelang. Zusatz 1.3.2024: Neue Chance für den Roman, ist jetzt für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Da hat sich der Hanser-Verlag ordentlich angestrengt.
Die Lektüre des neuen Romans von Wolf Haas hatte für mich seine Höhen und Tiefen, wie ein kurzer Ritt auf einer Sinuskurve. Eingangs hat mich der etwas makabre Humor direkt neugierig gemacht und ich war gespannt, wie es dem Autor gelingt, humorvoll über den Tod der eigenen Mutter zu schreiben, ohne dabei die Grenzen des guten Geschmacks zu übertreten. Dabei blieb er stets respekt- und liebevoll. Dennoch stellte sich bei mir bald Ernüchterung ein. Nachdem mir der Humor anfangs noch zusagte, kam er mir dann recht schnell sehr altbacken vor und das Lesevergnügen war etwas getrübt. Je mehr die Belustigung nachließ, desto stärker wurde in mir die Gewissheit, um was für eine rührende Hommage an die Mutter des Autors es sich hier handelt. Die Schilderungen über das aufregende und teils tragische Leben der Mutter halten sich ausgesprochen gut die Waage, zwischen Einfühlsamkeit und Humor. Die anfängliche Sorge, es könne hier phasenweise in Spott ausarten, bewahrheitete sich keinesfalls. Am Ende wurde mir aber auch das dann wieder ein bisschen langweilig.
Es handelt sich hier um ein ausgesprochen persönliches Werk, was es für Fans von Wolf Haas oder seiner anderen Bücher sicherlich zu etwas ganz Besonderem macht. Das kann ich für mich persönlich nicht behaupten, dennoch hat mir das Buch gefallen und bei gerademal 160 Seiten fallen dementsprechend auch die Längen sehr kurz aus!
Wolf Haas beschreibt in „Eigentum“ das Leben seiner verstorbenen Mutter. Der Titel passt ironischerweise sehr zum Inhalt des Buches. Ich habe wegen der teilweise tragischen Zustände ihres Lebens mit einem sehr bedrückenden Lesegefühl gerechnet, jedoch war das Buch überraschenderweise mit viel Humor verpackt. Dabei wurde Wolfgang Haas aber nie respektlos. Für mich war das mal was Anderes, da ich generell Bücher bevorzuge, die viele Emotionen beinhalten. Dennoch fand ich das ganz erfrischend. Leider konnte mich das Buch trotzdem im Gesamten nicht überzeugen. Vieles wiederholt sich, was als Stilmittel vielleicht durchaus passend ist, aber für mich führte das dazu, dass ich mich fast zwingen musste, weiterzulesen. Außerdem habe ich leider nicht so wirklich was aus dem Buch mitnehmen können. Es hat mich weder unterhalten noch habe ich irgendwelche neuen Erkenntnisse daraus ziehen können.