Als im April 1992 der Krieg beginnt, ist Tijan Sila nur zehn Jahre alt, doch bis heute kann er sich an den Geruch von gezündetem Sprengstoff erinnern. Während Sarajevo in Flammen steht, wird aus dem Jungen, der er damals war, ein junger Mann. Er streift durch die Ruinen der ausgebombten Stadt und sammelt Dinge, die von den Geflohenen und Gestorbenen zurückgeblieben sind, um sie auf dem Schwarzmarkt gegen Essen zu tauschen. Er lernt zu überleben, und er akzeptiert die grausame neue Normalität, doch zu welchem Preis?
Seine Geschichte ist eine Geschichte des Unerwarteten. Sie erzählt davon, wie Dichter zu Mördern werden und Mörder zu Helden. Sie erzählt von Menschen, denen jede Menschlichkeit jäh genommen wurde, und von den Spreißeln, die der Krieg im Hirn jedes Überlebenden hinterlässt.
Tijan Sila was born in Sarajevo (1981) in the former Yugoslavia , where he spent his childhood. During the siege of the city in the Bosnian War, he fled with his family and came to Germany in 1994. He grew up in Landau in der Pfalz . As a teenager, he played guitar in the punk band Atlas Lanze.
Sila studied German and English at the Ruprecht-Karls-University in Heidelberg . His autobiographical debut novel Tierchen unlimited was published in 2017.
In 2018, the novel Die Fahne der Wünsche followed , about an apathetic teenager who grows up in a fictional totalitarian regime. In May 2021, the novel Krach was published , in which Sila processes his youth in the Palatinate province and the punk scene of the late 1990s.
In 2023, Sila published the autobiographical book Radio Sarajevo with Hanser Blau , the second literary examination of the Bosnian civil war and escape after his debut . In the afterword, Sila explains that the book is an attempt to create a monument to his generation of war children: "In Bosnia, my parents' generation is called the 'uprooted' or the 'uprooted'. But my generation has no nickname, we are the forgotten ones. I also wrote this book to counteract forgetting." The book received positive reviews and made it onto the SWR bestseller list in spring 2024.
Together with his wife Lena Schneider, he wrote the children's book Lila Leuchtfeuer: Geh nicht nach Nimmeruh! , which was published by Beltz & Gelberg in 2024. It was illustrated by Ariane Camus.  Sila has published essays in Die Zeit , taz and Freitag . He lives with his wife and their daughter in Kaiserslautern. In addition to writing, he works as a German teacher at a vocational school and is part of the punk band Korrekte Drinks.
*The surname Sila (Bosnian for “strength”, “power”) is a stage name . ______ Tijan Sila kam 1981 in Sarajevo zur Welt und emigrierte 1994 mit seiner Familie nach Deutschland. Er studierte Germanistik und Anglistik in Heidelberg. Heute lebt er in Kaiserslautern, wo er als Lehrer an einer Berufsschule arbeitet. Im Frühjahr 2017 erschien sein Debütroman »Tierchen unlimited« bei Kiepenheuer & Witsch, 2018 folgte »Die Fahne der Wünsche«. Er hört Punkrock, seitdem er als Kind das Video zu dem Ramones-Lied »I wanna be sedated« gesehen hat und ist Gitarrist der Punkband Korrekte Drinks.
Tijan now Winner of the Ingeborg Bachmann Prize 2024 - YAYYYYYYYY!!!!! When the war arrived in his hometown of Sarajevo in 1992, Tijan Sila was ten years old. His autobiographical novel "Radio Sarajevo" depicts true events that he and his friends experienced in the burning city, including marauding soldiers, rocket fire and an everyday violence that had been smoldering in former Yugoslavia for a long time until it culminated in the war.
The text focuses on the three friends Tijan, Rafik and Sead, who grow up during the war. They roam through ruins, fight looters and swap porn magazines for sweets with soldiers. Despite different ethnic backgrounds and class origins, the boys stick together, although the adult world sets a different example for them
Music already played a saving role in Silas' last novel, Krach. In "Radio Sarajevo", the young Tijan is constantly looking for a radio or batteries to be able to listen to music that helps him survive.
The war, the novel says, is never over for those who were there - and that applies to both those who fled and those who stayed. Tijan Sila and his parents came to Germany in 1994. The book hints at the long-term effects the war had on the family as well. The author plans to tell this story in a second part.
"Radio Sarajevo" is a haunting, moving novel that sensitively and intelligently tells a story of unimaginable violence and its effects from a child's perspective. Tijan Sila should get the attention of literary prize juries with this confident, important text.
Da musste sich der Autor etwas von der Seele schreiben und sagt dies auch im Nachwort: In Bosnien wird die Generation meiner Eltern die „entwurzelte“ oder die „ausgerissene“ genannt. Meine Generation aber hat keinen Spitznamen, wir sind die Vergessenen. Ich schrieb dieses Buch auch, um dem Vergessen etwas entgegenzusetzen. Dabei geht es nicht nur um Tijan Silas Erlebnisse in Sarajevo während der serbischen Belagerung, sondern auch das schwierige Verhältnis zu seinen Eltern.
Dieses Buch hat mehr therapeutische als literarische Ziele. Dies muss man meiner Meinung nach bei seiner Einschätzung berücksichtigen. Es erzählt den Wandel von einem Kind, dem alles Bevorstehende als Wunder erschien zu einem Teenager, der fühlte, dass zu leben vor allem bedeutete, Grauen auszuhalten. Für mich war dieses Buch ein Gewinn, da ich mich in die Lebenswelt eines 10 – 12jährigen Jungen, der in einer patriarchalischen Gesellschaft aufwächst, hineinfühlen konnte. So die gesteigerte Bedeutung des Selbst und der (männlichen!) Freunde, und die fehlende Empathie gegenüber seinen Eltern, Mädchen und Opfern des Krieges. In solch einer Gesellschaft und unter solchen Umständen werden Jungs dazu erzogen „stark“ zu sein und keine Schwäche zu zeigen. Die fehlende Schule und Zuwendung der Eltern lassen die Jungs zusätzlich verwildern. Glücklicherweise ist die Familie gerade noch rechtzeitig nach Deutschland geflohen, wo Sila eine friedlichere und empfindsamere Umgebung trifft, die es ihm offensichtlich ermöglicht hat in Land und Sprache anzukommen, so dass er heute als Lehrer an einer deutschen Schule sein täglich Brot verdient. Dass seine Eltern nie richtig angekommen und letztendlich am Exil zerbrochen sind, kommt zur Sprache, wird aber nicht ausreichend thematisiert. Meine Eltern hatten den Krieg zwar überlebt und doch vernichtete er sie am Ende. Vielleicht der Stoff für ein weiteres Buch.
Wenn der „Blumenbumser“ mit hardcore Krisenerlebnissen, an straffer Leine, ohne Raum zum Atmen, um die Wette eifern muss. Alltagssprache, in kurzen, anspruchslosen Sätzen. Hier erzählt einer wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Diese Sprache wird mit Bedeutungszuschreibungen versiegelt. Egal ob er von Wörtern oder Redewendungen berichtet, von Fragen die aufkommen, Verhalten von Personen, Dinge über die man selber nachdenkt – nichts darf offen im Raum stehen bleiben. Selten wird durch Erzählen und Veranschaulichungen, durch Gesten und Handeln der Personen etwas aufgezeigt bzw. geklärt. Der Erzähler kommentiert jedwede Szene und hängt ihr ein „Preisschild“ an. Selbst rhetorische Fragen werden vom Erzähler beantwortet. Erzählen durch Leerstellen, die Lücken? Fehlanzeige. Da das Buch nun mal äußerst knapp gehalten ist und Herr Sila meint, trotzdem einen Wust an Ereignissen und Szenen dort unterzubringen, kommen nicht mehr, als kurze aufleuchtende Blitze, die rein informativ wirken, dabei rum. Er nimmt sich überhaupt keine Zeit Dinge auszuerzählen. Er will es scheinbar auch nicht, denn nur so, durch dieses enge Korsett, der Verknappung, dem atemlosen durch die Ereignisse rasen, den humoristischen Kommentaren, kann er emotionale Distanz zu all den Schrecken bewahren. Das Buch ist eine einzige Tagesschausendung ohne die Biederkeit der Sprecher. Tiefe, das Erfassen der Tragweite, Aufbau des Schmerzes, Reflexionen, nicht möglich. Das gibt der Stil und und die Sprache nicht her. Das Imaginäre wird nicht zugelassen. Der Geist des Lesers wird geblockt und in den kurzen Situationen festgehalten, herumgerissen und in die nächste geschickt. Mit all den Unaussprechlichkeiten zu arbeiten, wird direkt abgeschnürt.
Das letzte Drittel öffnet sich der Text etwas mehr. Er lässt mehr Bilder durchgleiten, die Ordnung an der alles aufgehängt wird, lockert sich ein wenig. Dennoch fließt es nicht. Dafür bleibt es zu fragmentarisch. Das Buch ist dafür viel zu kurz geraten.
Wer ein gutes Buch über Trauma abscheulicher Ereignisse und klebstoffschnüffelnde Straßenkids belesen möchte, das literarisch zu überzeugen weiß, dem sei Tanz der Teufel empfohlen.
Zudem ist das Hörbuch äußerst schlecht eingesprochen und schält die Unzulänglichkeit der Sprache und des Stils heraus. Onkel Poppoff's Erzählstunde. Schon bitter solch eine Assoziation, im Kontext von Krieg. So will ich kein Buch über das Grauen lesen, das sich bewusst davor versperrt, Filter der Distanz darüber legt und mich zudem zu keinem Zeitpunkt zu unterhalten bzw. intellektuell oder emotional zu kitzeln wusste.
Unverbindliches aus dem Nähkästchen-Plaudern über Krieg, Flucht und Traumaverarbeitung. Mehr eine Skizze, ein Brainstorming, aber kein Werk gegen das Vergessen.
Inhalt: 1/5 Sterne (Brainstorming ohne roten Faden) Form: 2/5 Sterne (gut lesbare Sprache, aber voller Phrasen und Klischees) Komposition: 1/5 Sterne (keine) Leseerlebnis: 2/5 Sterne (kurz und bündig, schmerzlos)
Gegen das Vergessen schreiben, so schließt Sila sein eigenes Buch, das von sich nicht behauptet ein Roman zu sein und auch, in der Tat, nicht im entferntesten einer ist:
„In Bosnien wird die Generation meiner Eltern die »entwurzelte« oder die »ausgerissene« genannt. Meine Generation aber hat keinen Spitznamen, wir sind die Vergessenen. Ich schrieb dieses Buch auch, um dem Vergessen etwas entgegenzusetzen.“
Die Frage, die sich nun stellt, ballt sich im „auch“ zusammen, was also noch? Die Szenen, die Sila aneinanderreiht, schneidet er, wie er selbst sagt, wie ein Dokumentarfilmregisseur zusammen. Das muss nicht uninteressant sein. Das kann sogar literarische Verbindlichkeit erzeugen, muss aber nicht:
„Sowohl als Schüler wie auch später als Lehrer (ich unterrichte seit fünfzehn Jahren an Berufsschulen) wurde ich immer wieder zur Schulleitung vorgeladen und mit Disziplinarverfahren bedroht, weil ich mich irgendwem gegenüber im Ton vergriffen hatte. Wer weiß schon, woran das liegt? Vermutlich am Krieg, wie irgendwie fast alles in meinem Leben.“
„Radio Sarajevo“ genau gelesen, konzentriert, lässt nur einen einzigen Schluss auf den Ich-Erzähler zu, er weiß nicht, was er erzählen und warum er es erzählen will. Er sucht. Er forscht. Er gräbt in seinen Erinnerungen, findet aber nichts und behält meist nur Fragen, Unsicherheiten, Fragmente einer Spur zurück, die sich nicht wieder zusammensetzen lassen. Sein Text berichtet von einem zerstörten Gedächtnis, von einem Trauma, das so stark in die Sprache hineingefahren ist, dass es kohärente, in sich geschlossene Szenen abbricht, auflöst und ins Fragwürdige verwischt:
„Unser neues Klassenzimmer war jenes Schlittschuhgeschäft, in das Ermin eingebrochen war – erst vor einem Jahr, doch wie alles andere, das vor dem Krieg stattgefunden hatte, kam es mir vor wie ein Ereignis aus einem anderen Zeitalter. Mir ist bewusst, dass dieser Satz fast immer fällt, wenn Menschen ihre Erinnerungen an einen Krieg aufschreiben. Er fällt fast immer, weil er wahr ist.“
Sätze wie diese fahren ins Leere. Der Ich-Erzähler verdeckt seine Unfähigkeit, die Erinnerung lebendig werden zu lassen, in der Notwendigkeit von Phrasen, die fallen, weil sie wahr seien. Wahrheit jedoch als dynamisches Konstrukt einer narrativen Geste erreicht der Text nicht. Er bleibt leider platt, performativ, weil der Ich-Erzähler sich die Maske eines Pausenclowns aufsetzt. „Radio Sarajevo“ zeigt mit seinem Titel an, was der Text ist, eine Art Radiosendung, in der sich hier und da ein Moderator einschaltet, hier und da etwas erzählt, von sich, von der Welt, in der jedoch die Hauptsache eben die Musik bleibt, die von den Worten nur unterbrochen wird. Was in „Radio Sarajevo“ also fehlt? Die Musik:
„Die Herzen meiner Freunde waren durch den Krieg zu verwildert, als dass zartere Samen in diesem Dickicht hätten keimen können.“
Voller Klischees, eingeübter Phrasen, voller Fragmente und sich selbst kommentierender Gags, die stets nur „auf Bosnisch“ lustig seien oder zumindest sich reimten, erreicht der Text keine Intensität.
„»Pisse, Muschi, Kopfnuss – stinkt alles, stinkt alles, stinkt!« Auf Bosnisch reimt sich das.“
Wer sich dem Trauma literarisch explorativ nähern will, dem sei Tatjana Gromačas „Die göttlichen Kindchen“ ans Herz gelegt. Tijan Silas „Radio Sarajevo“ ist bloßes Gedudel in der Art von Necati Öziris „Vatermal“ und dem schelmisch-episodenhaften Fabulieren eines Ivo Andrić in „Die Brücke über die Drina“, die als Lose-Blatt-Sammlung weder sprachlich noch inhaltlich noch szenisch überzeugt.
"Sobald geschossen wurde, verkroch sich mein Geist. Ich hörte auf zu denken, fühlte weder Angst noch Langeweile, hoffte nicht auf Frieden ... ich fühlte weder Hunger noch Durst, ich wünschte mir nichts mehr ..."
Tijan Sila erzählt in seinem neuen Buch über seine Jugend im während des Bosnienkrieges belagerten Sarajevo. Er schreibt berührend, offen und verletzlich. Er schreibt über den Kampf um Ressourcen wie Brennholz oder Nahrung. Er schreibt über alte Freundschaften, die durch Flucht zerreißen, über Kriminelle, die zu Kriegshelden und später zu Verrätern werden. Und er schreibt über die Deformationen, die der Krieg hinterlässt - an Familien, Kindern, Beziehungen und Freundschaften. Er erzählt auch vom kleinen Glück, dem Musikhören mit einem gefundenen Transistorradio und dem Tauschhandel von Sexheftchen für Zigaretten oder Süßigkeiten mit UN-Soldaten.
Zum Ende hin wird durch die Flucht vom Krieg nach Deutschland noch ein positiver Punkt gesetzt. Die Dämonen des Krieges aber bleiben, was durch vorausblickende Passagen im Text bereits angedeutet wird.
"Du kannst es dir wahrscheinlich nicht vorstellen, aber der Krieg hat niemals aufgehört." "Du irrst dich ... ich weiß genau, was du meinst."
Das Buch hätte sich auch gut auf der Longlist des deutschen Buchpreises gemacht. Eigentlich hat es nur einen echten "Mangel": es ist recht kurz, ich hätte gern mehr gelesen von der Zeit in Sarajevo.
In diesem autobiografischen Roman erinnert sich Tijan Sila an seine Kindheit.
Der Jugoslawienkrieg bricht Anfang der neunziger Jahre aus und genau in diesem Moment weint der damals elfjährige Junge für fast zwanzig Jahre seine letzten Tränen. Er errichtet eine Mauer um sich herum, um diese Angst, den Terror und den Tod , alles ständige Begleiter, irgendwie zu ertragen bzw. nicht nur körperlich sondern auch mental zu überleben.
Seine Eltern sind ebenso aufs Überleben fokussiert und ihren beiden Kindern keine große Stütze. Anstatt zu sprechen, zu trösten und zu lieben geht vor allem vom Vater immer mehr Gewalt aus. Auch Rafik und Sead , Tijans Jugendfreunde, werden von ihren Vätern geschlagen. Dies dient wohl dazu, die Jungs abzuhärten und nicht verweichlichen zu lassen…. Bald gibt es auch für die drei Jungs einen Kriegsalltag. Um die Zustände irgendwie aushalten zu können, schwindet zusehends die Unbekümmertheit und schlägt um in Perspektivlosigkeit. Rafik und Sead sondern sich von Tijan immer mehr ab. Betäuben ihren Schmerz auf andere Weise….
Zu Hause nehmen die Streitereien der Eltern immer mehr zu. Beides Akademiker, erfahren im Umkreis immer mehr Ausgrenzung. Gerade der Vater , auch körperlich eher zum Kämpfen ungeeignet, verteidigt nicht wie andere Väter und Männer sein Land. Es herrscht Neid und Missgunst als er, als Angestellter von Hilfskräften, nun zusätzlich Nahrungsmittel erhält, die anderen Familien verwehrt bleiben.
Tijans Eltern beschließen , dass sie mit Tijan und seinem sieben Jahre jüngeren Bruder fliehen müssen, da die Kriegshandlungen massiver und das Leben dort immer gefährlicher werden. Sie entscheiden sich für Deutschland als Fluchtort.
Der Autor selbst erzählte, dass die Flucht, die eigentlich die Rettung für die Familie sein sollte, letztlich die Eltern -in Deutschland angekommen- physisch und psychisch erkranken ließ.
Das Buch konnte er erst schreiben, als sowohl seine Mutter als auch sein Vater in Deutschland verstarben.
Dieses dünne Buch steckt voll von traumatischen Erinnerungen des Autors. Mich hat es berührt und die ganze Zeit habe ich daran gedacht, dass es eine schreiende Ungerechtigkeit ist, dass nicht alle Kinder auf dieser Welt in Frieden aufwachsen können.
Allein der Gedanke daran, seinen eigenen Kindern keinen Schutz bieten zu können, sie an den Krieg zu verlieren oder sogar selbst als Eltern Gefahr zu laufen während kriegerischer Handlungen sein Leben zu verlieren und die Kinder als Waisen zurückzulassen , lässt mich erschaudern und ständig grübeln.
Dieses Buch ist brandaktuell und Realität für viele Tausende Familien auf der Welt, die nicht das Glück hatten in einer freien, friedlichen Region der Erde aufzuwachsen.
Wann hört der Hass auf? Wann hört der Terror auf? Wann hört es auf, dass all dies vielen Menschen schon seit Kindheit an eingebläut wird?
Zu häufig bleibt man rat- und hilflos zurück und kann nur helfen, wo es möglich ist. Kann dazu beitragen, dass die eigenen Kinder liebevoll, tolerant und ohne Hass auf andere Menschen großgezogen werden. In der Hoffnung, dass irgendwann der Respekt und die Menschlichkeit überwiegen werden.
♥️
This entire review has been hidden because of spoilers.
In Radio Sarajevo berichtet der Autor Tijan Sila von seinen Kindheitserinnerungen aus der Zeit der Balkankriege - er erzählt vom plötzlichen und schwer nachvollziehbaren Verlauf der Kämpfe, vom Alltag mit Gewehrfeuer und Gewalt, von Kindern, denen Schreckliches widerfahren ist und die irgendwie versuchen sich mit ihrer ungewissen Situation und ihren Erlebnissen zu arrangieren.
Die beste Bezeichnung für diesen Text wäre für mich wohl ein Erlebnisbericht, der Weiteres zwar teilweise anschneidet, aber nicht weiter ausführt. Beispiel hierfür ist etwa Silas Auseinandersetzung mit dem Schicksal seiner Eltern, die es nach der Flucht nach Deutschland nicht geschafft haben, sich eine wirkliche neue Existenz aufzubauen. Das schwierige Verhältnis zu den Eltern ist zwar Thema, es bleibt aber auch einiges (absichtlich) unerzählt; persönlich fand ich das etwas schade, da ich durchaus fand, dass hierfür im Buch noch Platz gewesen wäre.
Die geschilderten Erlebnisse waren für mich sehr eindrücklich. Man hat gemerkt, dass hier jemand von Dingen berichtet, die selbst erlebt wurden. Es gab durchaus Teile, bei denen ich wirklich schlucken musste, gerade auch vor dem Hintergrund der Konflikte, die gerade stattfinden und bei denen ähnliches passiert. Insofern halte ich den Bericht von Tijan Silan für sehr wertvoll.
Sprachlich ist das Ganze eher einfach gehalten. Mich hat das nicht besonders gestört, vor allem auch, da ich eine zu ausgeschmückte Sprache für diese Art von Text als eher unpassend empfunden hätte. Es wird viel offen gelassen, es ist kein Buch, in dem es darum geht, die genauen Zusammenhänge der Konflikte darzulegen. Es ist eher eine Aneinanderreihung einzelner Szenen und Erinnerungsstücke, was manchen Lesenden vielleicht stören könnte. Für mich hat es den Text eher authentischer gemacht und obwohl er eher kurz war, empfand ich alles zum großen Teil als ausreichend.
Persönlich bin ich sehr froh, dass Tijan Sila seine Erinnerungen in diesem Buch mit mir geteilt hat - ich werde definitiv noch ein anderes Buch von ihm in die Hand nehmen.
3,5* Tijan Sila verarbeitet im Buch, einer Mischung aus Roman und Dokumentation, sein Leben und Überleben im Bosnienkrieg und spürt den Gründen für die Flucht nach, die seinen Eltern kein Glück brachte.
Aus einer Erwachsenenperspektive erinnert sich der Autor an die Ereignisse und versucht dabei wieder in die Haut des Kindes zu schlüpfen. Für mich hat das lapidare, oft emotionslose Erzählen der Ereignisse und deren Auswirkungen funktioniert, es hat mich erkennen lassen, wie der Krieg das Leben der Kinder verändert, nicht nur Entbehrungen schafft, sondern alle Menschen ringsherum verändert.
Ich habe mich nie ernsthaft mit dem Zerfall Jugoslawiens und den damit verbundenen Kriegen auseinandergesetzt. Mit verständnislosem Entsetzen habe ich aus der Ferne wahrgenommen, dass ehemalige Nachbarn sich plötzlich gegenseitig umbringen. Tijan Sila erläutert keine politischen Hintergründe und geschichtlichen Ursachen. Es wird noch nicht einmal klar, was an der nahen Front tatsächlich passiert. Und doch habe ich plötzlich besser verstanden, aus welcher Situation heraus der Krieg entstand, besonders, wie der Zusammenhang zwischen einem Männlichkeitsbild, das den Wert eines Menschen nach dessen Stärke bemisst, und einem zerfallenen Staat ist.
Schwächen hat das Buch für mich gegen Ende. Das Leben in Deutschland wird angerissen, aber das Buch hört auf, ohne dass die Hintergründe für das Scheitern der Eltern klar werden. Aber auch die Sprache ist teilweise unentschlossen zwischen einer kindlichen und der erwachsenen Sicht. Im Nachwort erläutert der Autor seine Absicht, gegen das Vergessen anzuschreiben. Diesen Zweck erfüllt das Buch, das keine Helden und Gewinner kennt, aber Auswirkungen auf viele Kinder- und Erwachsenenleben hat.
Tijan Sila beschreibt den Ausbruch des Jugoslawienkrieges aus seiner damaligen Perspektive als 11jähriger. Zwischendurch verweist er als erwachsene Erzählerstimme in die Zukunft. Das habe ich als gut miteinander verbunden empfunden . Allerdings machte er mich dadurch neugierig auf die weitere Entwicklung in Deutschland und ich frage mich, ob der Verlag die Entscheidung getroffen hat, zwei Bücher zu verlegen. Sprachlich fand ich es sehr gut, nicht so originell wie der letzte Roman Krach, aber wieder wunderbar beobachtet. Und zum Inhalt: beklemmend aber Herr Sila hat es geschafft trotz aller Grausamkeit ,die Menschen so warmherzig und humorvoll zu beschreiben. Es hat mich sehr berührt, wie alleine gelassen und auf sich gestellt die Kinder waren.
176 Seiten über die Kriegserlebnisse eines Kindes zu schreiben und mich nicht einmal zu berühren. … vielleicht ist der Text zu sehr an der Oberfläche, findet keine Worte für das Erlebte, vielleicht ist dieses Gefühl der Abtrennung und Taubheit genau das, was das Trauma ausmacht, vielleicht bin ich zu abgestumpft und meine Bewertung sagt mehr über mich als den Text aus? Ich weiß es nicht, daher versöhnliche 3 Sterne.
Tijan Sila'nın Saraybosna Radyosu, Bosna Savaşı'nda 10 yaşında olan bir çocuğun gözünden savaşı ve o dönemde yaşananları anlatan otobiyografik bir roman. 1981 doğumlu Sila, 1991 yılında Yugoslavya'da yaşanan savaşı, düşen havan toplarını, -15 derecede ısınmaya çalışan ailesini, uyuşturucu batağına düşen arkadaşlarını, okulda yaşadıklarını kendine has bir üslupla anlatıyor. Yazarın buradaki en büyük başarısı ''Bakın biz ne acılar çektik.'' diyen bir tarzdan uzak, sırf radyosunda müzik dinleyebilmek için pil arayan çocukluğunun heyecanını olduğu gibi aktaran dilinde gizli.
Savaşın ortasında büyümekte olan bir erkek çocuğun anıları, kişisel olanın ne denli politik ve toplumsal olduğunu da bir kez daha gözler önüne seriyor. Doğdukları topraktan her şeyi bırakarak Almanya'ya göç eden Tijan'ın anne ve babasının yaşlılıklarına dair yaşananları da ajite etmeden, olduğu gibi aktarması beni çok etkiledi. Saraybosna Radyosu'nu bazı yönlerden Lea Ypi'nin çok sevdiğim ''Özgür: Her Şey Parçalanırken Büyümek'' kitabına da benzettim.
Yaşanan acıları bir ajitasyon malzemesine çevirmeden, edebi lezzetini kaybetmeden anlatabilen yazarları çok seviyorum. Bu kitap da bu yıl okuduklarım içinde en sevdiğim kitaplardan biri oldu.
Als Spotify Hörbuch gehört, gelesen vom Autor, der in diesem kurzen Roman seine eigene, berührende Geschichte - das Aufwachsen im Krieg und die Migration nach Deutschland - verarbeitet und dabei mal wieder beweist, dass er einfach ein toller Erzähler ist.
"Nella postfazione, Sila spiega che il libro è un tentativo di creare un memoriale per la sua generazione di figli di guerra: "In Bosnia, la generazione dei miei genitori è chiamata 'sradicata' o 'fuggitiva'. Ma la mia generazione non ha soprannome; siamo i dimenticati. Ho scritto questo libro anche per contrastare questa dimenticanza""
("Tra i circa 11.000 morti nella città assediata c'erano almeno 1.600 bambini: su "Radio Sarajevo", Tijan Sila racconta la storia della guerra in Bosnia e della fuga dal punto di vista di un bambino.")
Gli abitanti di Sarajevo lavano i vestiti nel fiume Miljacka nell'agosto del 1993, con la Biblioteca nazionale bruciata sullo sfondo.
F*, this is so good (the book came out only a few days ago). I have inhaled it. I don't claim to know much about war and I am convinced that only people who experienced war really know war.
But even then, few of those who 'know' war, can write about war without resorting to cliches and stylized versions, maybe because war intimidates them into making a moral or philosophical argument rather than dealing with the actual contradictory mess that is war (and the whole human condition). (it's a bit like 'love' in this sense.)
Maybe dealing with war in this abstract and removed manner is also part of the reason why many people have no moral reservations about sending heavy weaponry into far away conflict zones, forgetting that there are real people living through this war in some shitty flat without windows, listening to music and doing other real people things. Only when looking at war in this abstract way can there be 'humanitarian wars' and 'precision airstrikes'.
Anyway, this fairly slim autobiographical book about the war in Bosnia in the early 90s in some residential area in Sarajevo is so pleasantly unpretentious and doesn't try too hard. In some way, this kind of understatement exposes the inhumane brutality that is war and what it does to the human soul (not only on the frontlines but here in the book in a child's family and group of friends in residential Sarajevo) even more. The book's softness in tone contrasts with the horrors and misery that unfold in a way that is deeply unsettling - a way we should feel about any war, conflicted and unsettled, there is no 'just war' and there is no war that we should support or prolong: war is always hell, manifested forever in the souls and bodies of real people.
»Das ist die Geschichte meiner Kindheit und meines Kriegs.«
Tijan Sila ist zehn Jahre alt, als in Sarajevo 1992 die ersten Bomben fallen und in seiner Heimat der Krieg beginnt. Er lernt zu überleben und während die Stadt in Flammen steht, wird aus dem Kind ein Jugendlicher. In »Radio Sarajevo« teilt Sila seine Geschichte mit uns.
Fragmentarisch und autofiktional erzählt Sila uns von den Jahren im belagerten Sarajevo während des Bosnienkriegs bis hin zur Flucht nach Deutschland. Auf gerade mal 172 Seiten vermittelt er sehr eindringlich, wie der Krieg aus der Perspektive eines Kindes wahrgenommen und erlebt wird. Jahre voller Angst, Gewalt, Wut, Hunger und Kälte. Aber ebenso geprägt von Freundschaft, Zusammenhalt und vom Erwachsenwerden. 1994 kommt Sila mit seiner Familie als Kriegsflüchtling nach Deutschland. Doch während der Körper zumindest physisch in Sicherheit ist, tobt der Krieg im Kopf weiter, lässt sich nicht so einfach vergessen. Was macht Krieg mit einem Menschen?
»Radio Sarajevo« ist ein wichtiges Zeitzeugnis. Intensiv, roh und bildgewaltig erzählt uns Sila seine Geschichte - Es die Geschichte einer Kindheit, einer belagerten Stadt, eines Kriegs. Und doch könnte es die Geschichte von so vielen Menschen sein. Der Bosnienkrieg forderte rund 100.000 Tote. Während der mehrjährigen Belagerung von Sarajevo starben allein über 11.000 Menschen. Zwischen 1992 und 1995 kam es zu schrecklichen Kriegsverbrechen und Völkermorden, die zu den grausamsten seit Ende des Zweiten Weltkriegs zählen.
Episodenhafte Beschreibungen des Krieges in Bosnien aus der Sicht des Autors. Er beschreibt aus seiner Perspektive die Geschehnisse während der Angriffe auf die Stadt Sarajevo aus dem Blickwinkel eines etwa 10-12-jährigen Jungen. Teils heitere Momente teils sehr bedrückende Erlebnisse von ihm und seinen Freunden und seiner Familie. Rückblickend wird auch der Umgang der Eltern mit den Kindern gezeigt, der durchaus von völlig selbstverständlicher Gewalt geprägt ist, obwohl die Eltern dem akademischen Milieu stammen. Das Buch endet mit der Ankunft in Deutschland und den ersten Erfahrungen in der Schule dort.
Mir hat das Buch gut gefallen, die Erlebnisse sind weder durchgehend schwarz noch weiß geschildert. Wie der Krieg zum Alltag wird, it für das Kind ganz normal. Der Autor erklärt die Ursachen und den Verlauf des Krieges nur sehr kurz und oberflächlich, das hätte ich persönlich noch interessant gefunden.
Wegen Krankheit als Hörbuch gehört. Ich hatte irgendwann entweder einen Podcast oder eine Radiosendung mit dem Autor als Gast gehört und das Buch direkt auf meine Leseliste gesetzt. Leider bleibt das Ganze zu oberflächlich und auch zu flax erzählt. Vieles wird nur angerissen und verschwindet wieder. Vielleicht erklärbar durch das Aufreißen des Traumas beim Schreiben, es ist ja wohl autobiographisch.
(english below) Aufgrund meines großen Interesses am Thema und der vielen positiven Resonanz, die das Buch hervorgerufen hat, war meine Vorfreude unheimlich groß. Wahrscheinlich gingen damit auch zu hohe Erwartungen einher, ich konnte die Begeisterung nämlich nicht teilen. Der Autor hat mich schon relativ schnell nahezu verloren, indem er zu Beginn mit in meinen Augen billigen Klischees um sich wirft. Das ändert sich zum Glück im weiteren Verlauf, hat aber, so befürchte ich, meinen Blick sehr kritisch werden lassen. Sprachlich finde ich den Roman etwas bieder, was mich nicht weiter gestört hat, da ich eine direkte und nachvollziehbare Sprache durchaus zu schätzen weiß. Die Versuche, an manchen Stellen mehr stilistische Tiefe einzubringen, sind meines Erachtens nicht geglückt. Das wirkt dann eher wie gewollt, aber nur so halb gekonnt. Die große Stärke des Buchs liegt für mich in der Authentizität des Erzählten. Tijan Sila schließt sich nicht dem vor allem in Deutschland weitverbreiteten Narrativ des Zusammenhaltes der Stadtbevölkerung an. Dass es sich dabei um eine romantische Verklärung der damaligen Realität handelt ist klar, dass man sich rückblickend aber gerne damit schmücken will ebenso nachvollziehbar. Davon ist in Radio Sarajevo keine Spur, schonungslos und hässlich beschreibt er die kriminellen Machenschaften im belagerten Sarajevo. Dadurch habe ich gerne weitergelesen.
Due to my great interest in the topic and the many positive responses that the book has received, I was really looking forward to it. This probably led to overly high expectations, as I couldn't share the enthusiasm. The author almost lost me relatively quickly by throwing around what I thought were cheap clichés right at the beginning. Fortunately, this changes as the novel progresses, but I'm afraid it made me very critical. In terms of language, I found the novel a little bland, which didn't bother me too much, as I really appreciate direct and comprehensible language. In my opinion, the attempts to introduce more stylistic depth in some passages were not successful. It seemed like trying a bit too hard. For me, the strongest part of the book lies in its authenticity. Tijan Sila does not go along with the widespread narrative of the solidarity of the urban population. It is clear that this is a romanticised glorification of the reality of the time, but it is also understandable that people would like to use it in retrospect. There is no trace of this in Radio Sarajevo; he describes the criminal doings in besieged Sarajevo in an unsparing and ugly way. That's why I enjoyed reading on.
„In Bosnien wird die Generation meiner Eltern die »entwurzelte« oder die »ausgerissene« genannt. Meine Generation aber hat keinen Spitznamen, wir sind die Vergessenen. Ich schrieb dieses Buch auch, um dem Vergessen etwas entgegenzusetzen.“
Ein sehr besonderes Buch, das auf eindrückliche Weise deutlich macht, was es für ein Kind bedeutet, im Krieg aufzuwachsen. Hat mich sehr berührt und nachdenklich gemacht. Bisher kannte ich von Tijan Sila nur seinen Text, mit dem er den Ingeborg Bachmann Wettbewerb gewonnen hat. Nachdem mir der schon sehr gut gefallen hatte, bin ich sehr froh, nun auch eines seiner Bücher gelesen zu haben.
„Jeder von uns trank einen Schluck, dann sagte Sead: »Du kannst es dir wahrscheinlich nicht vorstellen, aber der Krieg hat niemals aufgehört.« »Du irrst dich«, sagte ich. »Ich weiß genau, was du meinst.« Irgendwo in der Dunkelheit rief ein Muezzin zum Nachtgebet.“
Autor Tijan Sila ist 1993 aus dem umkämpften Sarajevo geflohen und nach Deutschland gekommen. In diesem autobiografischen Roman erzählt er von der Zeit davor, als die ersten Schüsse im April 1992 fielen war er gerade zehn Jahre alt. Zunächst verschanzen sich alle vor den Einschlägen, doch schließlich lernt man, mit dem Krieg als Alltag zu leben. Tijan durchstreift mit seinen Freunden die Gegend, ein kleines, rotes Radio als Tor zur Welt. Doch schleichend setzt mehr und mehr der Niedergang, die Verrohung ein.
Ein aufwühlender Roman, in dem der Autor niemanden verschont und nichts verklärt, auch nicht die Probleme innerhalb seiner Familie. Er erzählt rückblickend aus den Augen eines Heranwachsenden vom Alltag des Krieges unverstellt, ohne Pathos oder Schönfärben. Eine eindrucksvolle Geschichte über das, was der Krieg aus den Menschen macht.
Es tut mir fast leid, aber ich fühle mich von dem Buch emotional überhaupt nicht angesprochen. Für mich ist das eher eine schlechte Coming oh age Geschichte, oder noch eher die Jugenderinnerungen, die häppchenweise hingeworfen werden. Ja, hinter all dem findet ein furchtbarer Krieg statt. Doch die meisten geschilderten Episoden hätten sich auf anderer Ebene ebenso abspielen können. Es gibt kaum Reflexionen des erwachsenen Tijan, und offensichtlich beschäftigt ihn die Frage, warum seine Eltern denn unbedingt nach Deutschland wollten weit mehr, als die Fragen um den Krieg, seine Hintergründe oder was später daraus wurde.
Eine Art Tagebuch/Rückblick über das Aufwachsen im Krieg/ehemaligen Jugoslawien. Die Einblicke sind sehr persönlich, die Sprache alltäglich. Das wurde hier an manchen Stellen kritisiert, ich finde es passend, denn es macht den Roman/Autobiografie authentisch, und gerade bei solchen Texten finde ich so etwas immer wichtiger als einen prägnanten Stil. Mir persönlich war der Roman dennoch etwas zu kurz; ich hätte gerne mehr Einblicke in das Leben in Deutschland nach der Flucht bekommen, das wurde leider nur auf den letzten Seiten angeschnitten und sonst nur sehr leicht angeteasert. Ansonsten stützt sich eher weniger auf die politischen Hintergründe, was aber zu erwarten war. Ich finde das bei diesem Buch nicht störend, eben weil Tijan Sila selbst ja erst zehn Jahre alt war, als der Krieg ausbrach und von seinen eigenen Erfahrungen berichtet. Insgesamt etwas kurz, aber sehr lesenswert und interessant, gerade weil ich das Gefühl habe, über Bosnien relativ wenig zu wissen, auch kulturell.
Nachdem Tijan Sila in seinem Coming-of-Age-Roman “Krach” autofiktional von seiner Jugend in der pfälzischen Provinz erzählt, von Punkbandproben und Schlägereien mit Nazis, widmet er sich nun in “Radio Sarajevo” dem vorangegangenen und tief prägenden Kapitel seines Lebens: dem Bosnienkrieg, den er als 10- bis 12-Jähriger in Sarajevo miterleben musste.
Die Bombardements beginnen im Jahr 1992 und das Land versinkt im Chaos. Sila erzählt von Ressourcenknappheit, Hunger und Krankheit, aber auch von der Abenteuerlust, von der die drei Freunde Rafik, Sead und Tijan ergriffen werden. Auf ihren Streifzügen durch die zerstörte Stadt sammeln sie Nützliches von Toten oder Geflohenen auf - seien es Pornoheftchen, die sie bei UN-Soldaten gegen Süßigkeiten tauschen, oder ein kleines Transistorradio, das Tijan wie seinen Augapfel hütet, auch wenn er kaum Batterien dafür auftreiben kann.
Auf nicht einmal 200 Seiten wird der Leserin die ganze Hölle des Krieges vor Augen geführt aus Sicht derer, die gar nicht aktiv an Kriegshandlungen beteiligt sind, sondern nur überleben wollen. Der Krieg nistet sich in jeden ein und treibt seine schrecklichen Blüten - so ziehen Streit und Gewalt in den Alltag der Eltern Tijans ein und auch im Exil ist ein glückliches Leben für sie außer Reichweite gerückt. Manchmal nur andeutungsweise, in Dialoge oder Nebenbemerkungen gepackt, erfahren wir, was der Krieg mit den Menschen vor Ort macht, wie alles zerbricht, was gestern noch galt und Zusammenhalt und Solidarität selten, manchmal unmöglich wird. Angst, Gewalt, Egoismus stehen an der Tagesordnung und auch der mit Müh und Not aufrechterhaltene Schulunterricht kann die Jugendlichen nicht mehr vor dem Absturz bewahren.
Der Autor beschreibt das Unvorstellbare unglaublich eindrücklich und erzählt vom Aufwachsen und sich Durchschlagen in einer belagerten Stadt aus einer kaum gehörten Innensicht. Für mich hätten manche Umstände gerne noch ausführlicher sein können und noch mehr Aspekte aufgenommen werden dürfen. Allerdings beherrscht es Sila auch grandios, wuchtige Aussagen mit wenigen Worten zu transportieren. Ein unglaublich bereicherndes und mächtiges Buch, dem ich sehr viele LeserInnen wünsche.
Vielleicht sind die beschriebenen Eigenheiten seiner bosnischen Familie zu nah an meiner eigenen Realität, vielleicht sind die ausgesprochenen und unausgesprochenen Gedanken zu nah an meiner eigenen Gefühlswelt - mit dieser emotionalen Nähe ist das Buch eine 5/5
Ich kann mir aber vorstellen, dass ohne das Gefühl des Erkennens in Sprache, Haltung und Kultur unterschiedliche Bewertungen entstehen können!
„In meiner Muttersprache schimpft man häufiger und ausführlicher als in der deutschen. Man tut es, um Denkpausen zu füllen, um über Unsicherheiten hinwegzutäuschen, oder um wie Mihailo eine Aussage zu bekräftigen.”
Ich habe es als Hörbuch gehört (gelesen vom Autor selbst) und war direkt gefesselt und eingenommen von der Geschichte. Habe es daher in einem Rutsch durchgehört :) Einmal mehr bin ich nach dieser Lektüre unendlich dankbar dafür, den Krieg nur aus den Nachrichten zu kennen.
Tijan Sila schildert hier seine Kindheitserinnerungen an den Jugoslawienkrieg, vom Ausbruch bis zur schlussendlichen Flucht der Familie nach Deutschland. Immer mal wieder muss man sich vor Augen führen, dass hier keine Geschichte erzählt wird, sondern Erlebnisse geschildert werden. Was mich allerdings mit einem meisten, und das auch nachhaltig, schockiert hat, war das geschilderte Leben in Jugoslawien VOR Ausbruch des Krieges. Die Gewaltbereitschaft innerhalb und außerhalb der Familie, im alltäglichen Leben. Dieses Buch wird noch lange nachhallen.
die ersten kapitel fühlen sich sehr bruchstückhaft an, vielleicht ein stilmittel idk, aber zum ende verdichtet es sich. sprachlich find ich’s sehr eingängig und liebe alle bosnischen sprich/schimpfwörter!!!
Eine autobiografische Erzählung über die Kindheit des Autors in Bosnien-Herzegowina während des Krieges und wie er nach Deutschland kam. Sie gibt Einblicke über das Leben und das Sterben. Doch sie plätschert so ein bisschen dahin. Es gibt sicherlich einiges Schmerzhafte, Schwere, das der Autor ausgelassen hat. Das fehlt mir ein bisschen. Das wären wahrscheinlich die Ereignisse gewesen, die an den Leser*innen gerüttelt und gezerrt hätten. Das hätte ich lesen wollen. Solche Bücher müssen m.M.n. wehtun. Dieses hier ist leider überwiegend oberflächlich geblieben.