Das Heldenlied von Kudrun, das nach seiner Hauptfigur benannt ist, folgt vor allem in der Form der Strophen sehr eng seinem Vorbild, dem Nibelungenlied. In der Figur der bedrängten, leidenden und doch immer auf Versöhnung bedachten Kudrun selbst entwirft der Text aber ein konsequentes Gegenbild zur gnadenlosen Rächerin Kriemhild.
Books can be attributed to "Anonymous" for several reasons:
* They are officially published under that name * They are traditional stories not attributed to a specific author * They are religious texts not generally attributed to a specific author
Books whose authorship is merely uncertain should be attributed to Unknown.
Der Inhalt ist sehr interessant und facettenreich gestaltet. Es gibt eine große Vielfalt an Charakteren mit den unterschiedlichsten Darstellungen von Männlich- und Weiblichkeit.
Diese Komplexität des Inhalts zeigt sich auch gattungstechnisch. Denn inhaltlich ist es nicht klar in den Heldenepos einzuordnen, auch wenn die formalen Kriterien stimmen.
Die Komplexität des Textes hat allerdings auch ihre Schattenseiten. Denn die vielen Namen sind äußerst verwirrend. Zum einen die mehrfache Vergabe des selben Namen bei mehreren Figuren der Geschichte, zum anderen, dass viele der Namen auch mit dem gleichen Anfangsbuchstaben anfangen. Man verliert – neben den Hauptprotagonisten – sehr schnell den Überblick, wer eigentlich wer ist.
Außerdem sind die für den Heldenepos typischen Langzeilenstrophen sehr leserfeindlich und stören besonders durch den Aufbau der Sätze darin den Lesefluss. Natürlich wurde dieser Heldenepos ursprünglich auch gesungen und mündlich überliefert und hatte daher eine andere Form als ein heutiger Lesetext. Allerdings ist es trotzdem anstrengend und teils auch nervig zum Lesen, was den Lese-Spaß deutlich drückt. Außerdem bezweifle ich, dass man damals bei einem so komplexen Text tatsächlich den Durchblick hatte, wenn er zusätzlich nur gesungen wurde und man so nicht einmal zurückblättern konnte, um nach zu schauen.
Gesamt: 3,4🌟
---------- English version:
The content is very interesting and multi-faceted. There is a great variety of characters with the most diverse representations of masculinity and femininity.
This complexity of the content is also evident in terms of genre. In terms of content, it cannot be clearly categorized as a heroic epic, even if the formal criteria are correct.
However, the complexity of the text also has its downsides. The many names are extremely confusing. On the one hand, the multiple use of the same name for several characters in the story, and on the other, the fact that many of the names begin with the same letter. Apart from the main protagonists, it is very easy to lose track of who is who.
In addition, the long-line stanzas typical of the heroic epic are very reader-unfriendly and disrupt the flow of reading, especially due to the structure of the sentences. Of course, this heroic epic was originally sung and passed down orally and therefore had a different form than a modern reading text. However, it is still exhausting and sometimes annoying to read, which makes it less enjoyable. I also doubt that you could really understand such a complex text back then in the Middle Ages if it was only sung and you couldn't even flip back to look it up.
Warnung, ich urteile hauptsächlich wieder aus eine modernen Perspektive, weil's dann irgendwie lustiger ist :) What a ride. Also diese Familie erlebt so viel Drama, da könnte glatt eine Netflix-Show draus gemacht werden. Moment, das hat sich vermutlich jemand im Mittelalter auch gedacht, aber weil es zufällig noch keine Streaming-Dienste gab, musste eben ein Heldenlied her, wohoooo, nehmen wir!
Wir verfolgen also die Genealogie der Hegelingen, angefangen mit Ger und Ute. Die, sowie ihr Sohn Sigebant (, dessen Frau übrigens auch Ute hieß, weil why not) haben aber eher weniger 'Screentime' und ab der dritten Generation mit Hagen, dem "Vâlant aller künige" (Str.196,4) kommt die ganze Fete erst ins Rollen. Der wird nämlich auf einem Hoffest von einem Greifen entführt, während alle anderen sich von einem Streetperformer bespaßen lassen. Tststs, also wirklich. Naja, aber Hagen hat wohl mit Proteinpulver zugesetzte Muttermilch bekommen, denn der Gute überlebt mehrere Jahre in der Wildnis, beschützt drei Prinzessinnen und metzelt dann seine Greifen-Kidnapper um. King. Das stieg ihm aber auch vielleicht ein wenig zu Kopf, da er, nachdem er wieder zurück zu Mama und Papa kommt und eine der Prinzessinnen (,bei denen irgendwie niemand weiß, wie alt die genau sind, aber auf jeden Fall älter als Hagen, #SiegmundFreudfreutsich,) namens Hilde heiratet und selbst Vater einer Tochter wird, zum ultimativen overprotective, Brautvater wird, der jeden, der sein Baby nur anschaut, um die Ecke bringen lässt. Ach, seine Tochter heißt natürlich auch Hilde und ist die allerschönste Frau wo gibt. Hagen genehmigt nur demjenigen seine Tochter zu heiraten, der ihm selbst ebenbürtig ist. Dies zu zeigen, gelingt tatsächlich Hetel aus Tenelant, der durch einen Hinterhalt Hagen bedrängt und Hilde zur Frau erhält. Aber an dieser Stelle kurz eine Anmerkung: Hetel schickt seine treuen Vasallen in Hagens Land und lässt sie auskundschaften sowie Kontakt zu Hilde aufnehmen. Darunter ist auch Horant, nicht gerade von schlechten Eltern und unfassbar begnadeter sowie talentierter Sänger. Den findet Hilde auch nicht wirklich unknorke und gerade da habe ich gehofft (sorry, not sorry), dass Horant den Tristan macht. Ich weiß, es hätte aus vielerlei Gründen (, die mir egal sind,) absolut nicht gepasst, aber ich hätte so dafür gerooted. Verbotene Liebe ist viel spannender, hallo. Aber das ist jetzt an der Stelle auch unfair von mir, ich bin der größte Tristan-Ultra. Weiter im Skript.
Hetel und Hilde werden Eltern von Kudrun und Ortwin und wie es so sein musste, ist Kudrun selbstverständlich wieder die schönste maget und begehrteste Bachelorette, um die sich gleich 3 Könige reißen: Siegfried, Hartmut und Herwig. Alle drei werden von Hetel abgewiesen, Herwig zeigt aber wahrlich commitment und schafft es (ähnlich wie Hetel selbst damals bei seiner waghalsigen Brautwerbung) durch einen geschickten, nächtlichen Hinterhalt Kudrun, die außerdem für ihn Partei ergreift, für sich zu gewinnen. So. Da könnte man doch eigentlich einen Riegel vorschieben und "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute" sagen (abgesehen davon, dass man das schon nach Hagens Rettung hätte sagen können, aber hey, wir sind hier in der Heldenepik, es darf ja nicht zu einfach gehen) können. Aber Pustekuchen. Die winzigen Egos von Siegfried und Hartmut haben den Korb nämlich nicht gut überwunden und so zieht Siegfried in den Krieg gegen Herwig, seinen größten Konkurrenten und Hartmut nutzt die Ablenkung, fällt bei den Hegelingen ein und entführt Kudrun auf Empfehlung seiner Mami Gerlint, aka das Schwiegermonster, die es im Buche steht. Hartmut, der Hund, ist den Größteil von Kudruns 13 jähriger Entführung in irgendwelche Kriegszüge mit anderen, aber unbekannten Herrschern verwickelt und lässt zu, dass seine Mutter Kudrun zu ihrer persönlichen Wäscherin degradiert, die sogar ihren eigenen Körper als Besen umfunktionieren soll. Nice Job, Hartmut. Entführst eine Frau, die absolut keine Lust auf dich hat und lässt sie bei deiner Hexe von Mutter, die sie mieser als mies behandelt. So macht man es, hast recht, so kriegt man Kudrun rum. To be fair, er meinte zu Gerlint, sie solle gnädig sein, damit Kudrun ihn nicht hasst, aber kontrolliert hat er das zerrrroooo. Was hat es ihm also gebracht. Anyways, zurück zur Hauptfigur. Kudrun hat nur 2 Vertraute am Hof (Ortrun, Hartmuts Schwester und Hildeburg, eine der Prinzessinnen von der Hagenepisode ??? also ernsthaft, kann das sein?) und ist in ihrer Rolle als Wäscherin tatsächlich sehr aufgegangen, obwohl diese Arbeit ihrem Stand absolut unwürdig ist. Nach einer kurzen Unterweisung wird sie schließlich zur besten Wäscherin an Ludwigs/Hartmuts/Gerlints Hof und wäscht sich auf den ersten Platz. Trotzdem schämt sie sich offenbar für diese Diffamie und versteckt sich vor ihrem Bruder und Ehemann, während diese sie (ENDLICH) retten. Ich checke, dass die erst mal keine Ritter mehr hatten, weil gefühlt alle am Wülpensand verreckt sind und die Kinder erst mal ausgewachsen sein mussten. Aber 13 Jahre Märtyrium? :( Oh mannomann, das ist sooo lang.
Btw, was ich so lustig fand: Kudruns plötzliche "Zusage" für Hartmut. Die Frau hält ihn 13 Jahre hin, erfährt dann von ihrer baldigen Rettung, weswegen sie richtig cocky wird, ihre Grenzen testet und so tut, also wäre sie auf einmal umgestimmt. Gerlint, die Wölfin, wittert schon Böses, aber Hartmut ist todesglücklich und hinterfragt das überhaupt nicht, der Loser. Das musste ich jetzt mal loswerden.
Trotzdem gab es, anders als im Prätext des Niblungenlieds, ein mehr oder weniger Happy End, für das Kudrun nicht unverantwortlich ist und dafür: Chapeau! Idk, ob ich nach 13 Jahren Erniedrigung noch so kulant wäre. Aber gerade das macht den Texte ja auch spannend. Ich fand das Epos cool und es hat Spaß gemacht, es zu lesen und darüber im Seminar zu sprechen. Freue mich auch vor allem auf die letzten sechs âventiuren, die wir noch besprechen. Ans NL kommt es jedoch nicht ran (, Vergleich passt zwar, aber come on, ist schon unfair) und ich glaube, dass ich (bis jetzt) höfische (Artus-)Romane präferiere, einfach, weil dort die Erzähler mehr eingreifen und ihren Senf dazugeben. Das war hier in der Kudrun gar nicht so, weil sich der Erzähler stark im Hintergrund hielt und der Fokus vor allem auf den Dialogen lag. Eigentlich mag ich das auch, weil es in die dramatische Richtung (,aber natürlich nicht wie im herkömmlichen, aristotelischen Drama,) geht und ich liebe dramatische Dichtung. Aber in meiner bisherigen mediävistischen Lesereise gefällt mir vor allem dieses Einmischen und Kommentieren des Erzählers so gut und das war hier eben stark reduziert. Dafür gab es andere Vorzüge! Alles in allem, hat der Text mir gefallen und ich denke, dass man mit diesem Votum mein semi-professionelles Review gut abschließen kann.
Es hätte eigentlich mehr Sterne verdient, aber streckenweise bin ich leider überhaupt kein Fan der Übersetzung.
Es waren sehr spannende Brautwerbungsgeschichten, wobei es in meinen Augen schon zu sehr in Richtung Höfischer Roman geht. Ein Ende á la Nibelungenlied hätte ich diesem Happy End vorgezogen. - Wobei ich natürlich nicht weiß, ob das nicht genau Sinn und Zwecke war, um ein starken Gegensatz zu Kriemhild zu ziehen. Da müsste man den Autor (oder die Autorin) fragen :)
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