Komische Tragödien, tragische Komödien. Die unvergleichlichen Mini-Dramen von Max Goldt. Einer der jungen Menschen (flüsternd) Die armen alten Leute! Husten den lieben langen Tag Schleim und haben von nichts eine Ahnung. Ein Kartenspieler Die armen jungen Leute! Müssen noch bis circa 2080 leben, und zwar in häßlichen, styroporgedämmten Häusern, und den ganzen Tag auf irgendwelche Displays glotzen! Es sei denn, sie laufen beizeiten vor ein selbstfahrendes Auto. Zweiter Kartenspieler Oder sie machen sich bis 2080 Vorwürfe, weil ein verrückt gewordenes selbstfahrendes Auto ihr Kind nicht in die Schule, sondern zum einsam gelegenen Haus eines Kinderschänders gefahren hat! Alle Der arme Kellner! Kriegt wahrscheinlich nur 6 Euro 50 pro Stunde und muß im Morgengrauen noch Gratiszeitungen austragen, um seine wegen starkem Übergewicht arbeitsunfähige Frau satt zu kriegen.
In wenigen Sätzen verwandelt Max Goldt lineare Comic-Strips in komplexe kleine Dramen mit ironischem Tiefgang. Das macht er sprachlich so gekonnt, dass man nach jeder Seite den imaginären Hut ziehen möchte. Andere Autoren haben Gedichte, er hat Dramoletten, die auf ein paar Seiten ihr geballtes Dramenpotenzial entfalten. Was bedeutet dieses Frikadellenwort denn eigentlich? Bilder darf man auf jeden Fall nicht erwarten. Dafür aber eine Beschreibung, die jegliche Visualität obsolet macht. Dafür hat er sich seine eigenen Comic-Strips vorgeknöpft, die unter anderem für das Satire-Magazin Titanic entstanden sind.
Überhaupt betreibt er eine sehr bildhafte, nichtsdestotrotz hocheloquente Sprachakrobatik. Neidlos gesteht man ihm einen sehr eigenen, ungelesenen Schreibstil zu. In "Räusper" vereinen sich 30 sehr kurze Geschichte zwischen zwei knallorangenen Buchdeckeln zu einem Spontanangriff auf den eigenen vertrockneten Humor. Hipster, die zwangsrasiert werden, Dialog zwischen Kakteen und unerbittlicher Sonne oder eine überraschend inspirierende Alte. Was als nächstes durch die Goldt-Mangel gezogen wird, hat man garantiert nicht erwartet. Dabei sind es eigentlich nur überspitzte Alltagsbeobachtungen, die man so schon irgendwie mal selbst gemacht hat.