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Der goldene Handschuh

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Dieser phantastisch düstere, grell komische und unendlich traurige Roman ist der erste des Autors, der ohne autobiographische Züge auskommt. Ein Strunkbuch ist es trotzdem ganz und gar. Sein schrecklicher Held heißt Fritz Honka – für in den siebziger Jahren aufgewachsene Deutsche der schwarze Mann ihrer Kindheit, ein Frauenmörder aus der untersten Unterschicht, der 1976 in einem spektakulären Prozess schaurige Berühmtheit erlangte. Honka, ein Würstchen, wie es im Buche steht, geistig und körperlich gezeichnet durch eine grausame Jugend voller Missbrauch und Gewalt, nahm seine Opfer aus der Hamburger Absturzkneipe „Zum Goldenen Handschuh“ mit.


Strunks Roman taucht tief ein in die infernalische Nachtwelt von Kiez, Kneipe, Abbruchquartier, deren Bewohnern das mitleidlose Leben alles Menschliche zu rauben droht. Mit erzählerischem Furor, historischer Genauigkeit und ungeheurem Mitgefühl zeichnet er das Bild einer Welt, in der nicht nur der Täter gerichtsnotorisch war, sondern auch alle seine unglücklichen Opfer. Immer wieder unternimmt der Roman indes Ausflüge in die oberen Etagen der Gesellschaft, zu den Angehörigen einer hanseatischen Reederdynastie mit Sitz in den Elbvororten, wo das Geld wohnt, die Menschlichkeit aber auch nicht unbedingt. Am Ende treffen sich Arm und Reich in der Vierundzwanzigstundenkaschemme am Hamburger Berg, zwischen Alkohol, Sex, Elend und Verbrechen: Menschen allesamt, bis zur letzten Stunde geschlagen mit dem Wunsch nach Glück.

255 pages, Hardcover

First published February 26, 2016

66 people are currently reading
1739 people want to read

About the author

Heinz Strunk

27 books241 followers
The musician, actor and writer Heinz Strunk (legal name Mathias Halfpape) was born in Hamburg in 1962. His memoir "Meat is my Veg" has sold half a million copies. It has since been adapted into a prize-winning radio play, an operetta at the Hamburger Schauspielhaus and also a feature film. "The Golden Glove" topped the bestseller lists for months and was nominated for the Leipzig Book Fair Prize 2016. In autumn 2016, he received the Wilhelm Raabe Prize. Strunk is a founding member of the cult comedian trio "Studio Braun" and had his own television show on VIVA.

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1,111 (26%)
4 stars
1,728 (41%)
3 stars
897 (21%)
2 stars
309 (7%)
1 star
97 (2%)
Displaying 1 - 30 of 230 reviews
Profile Image for Phils Osophie.
188 reviews772 followers
May 23, 2017
Was ist 'Der goldene Handschuh'? Ein Tatsachenroman? Eine Charakterstudie? Ein Abziehbild des Grauens? Eine Satire, die jegliche Grenzen des guten Geschmacks überschreitet? All das, und doch nichts davon, ist dieses Buch.

Ich weiß gar nicht was ich sagen soll und weiß nicht mal, ob ich das Buch wirklich gut fand. Deswegen gebe ich vorerst 3 Sterne.

Schreibstil hochinteressant, Handlung quasi nicht vorhanden, Szenarien grauenerregend ekelhaft. Es war einfach wirklich nur ekelhaft.

Ich bin schockiert, angewidert, enttäuscht, traurig und verwirrt. Ein Buch, dass definitiv noch besprochen werden muss.
Profile Image for Sarah Kallus.
316 reviews197 followers
June 19, 2017
Wenn ich mit dieser Rezension fertig bin, werde ich wohl selbst nicht mehr ganz verstehen, warum das Buch von mir eigentlich vier Sterne bekommt. Vielleicht aber doch!
Kurzum sei gesagt: Wenn man dieses Buch als das nimmt, was es ist, nämlich ein Milieuroman, dann ist er grandios. Und das steht außer Zweifel, denn Strunk hat eine absolut kranke und verquere Psyche eines bereits in der Kindheit physisch und psychisch geschädigten Menschen aufgezeigt und uns mit diesem Buche nahegebracht. Schonungslos wie sonst kaum einer.
Wir begleiten den Serienmörder Fritz Honka, der tatsächlich existiert hat und in den Siebzigern seine Morde begangen hat. Milieutaten, wie man es nannte, denn viele Menschen waren wohl der Ansicht, dass es an der Tagesordnung oder zumindest beinahe normal war, in dieser Gesellschaftsschicht Morde zu begehen oder mal kurz den Verstand zu verlieren.
Wenn man dieses Buch liest, könnte man der selben Ansicht erliegen, denn das, was dort abgeht, ist wirklich unter aller Kanone und jeder, der in diesen Strom gerät, könnte wohl dazu fähig sein, jemanden umzubringen. Wahrscheinlich dann auch noch zugedröhnt wie sonst was.
Vom Stilistischen her, der sprachlichen Ebene, war die Figur des Fritz Honka unglaublich gut dargestellt. Gut im Sinne von 'passend' und 'authentisch', so schlimm das auch ist. Der Wahnsinn in ihm war greifbar, so greifbar, dass man wirklich Angst vor diesem Menschen bekam. Angst aber eher, weil man eben in diesem Buch auch die Gedanken von ihm mitbekommt und die waren nun wirklich mehr als krank.
Allgemein bestand das ganze Buch aus jeder Menge Perversitäten, Fäkalsprache, Kraftausdrücken, mehr als nur animalischen sexuellen Trieben, Gewalt und lauter abstoßenden, primitiven, ekligen und widerwärtigen Gedanken. Vor allem aber kranke Gedanken. So krank und abstoßend, dass ich mich kaum wage, etwas zu zitieren.
Aber man muss hier auf einiges gefasst sein und dieses Buch ist weder etwas für Kinder unter 18 noch etwas für zarte Gemüter. Man muss eine hingesaute, asoziale Sprache abkönnen und das hier unter diesen Umständen irgendwie noch als Kunst ansehen können.
Denn das Buch ist keinesfalls schlecht, im Gegenteil. Es ist ein Meisterwerk, wie authentisch Strunk hier ein, den meisten von uns fremdes Milieu, beschreibt. Deswegen auch die vier Sterne.
Es war abstoßend aber auch interessant. In einer Form fesselnd und gleichzeitig wieder kaum zu ertragen. (: Super, wenn ein Schriftsteller das hinbekommt.
In dem Wissen, dass Strunk auch Entertainer und Humorist ist, fand ich auch, dass das Buch eine amüsante Spur hatte. Doch das, was als lustig-überzogen klingt, ist wohl tatsächlich der wahre Alltag eines so tief gesunkenen Menschen, wie es sich hier in dieser Berliner Zone abspielt.
Profile Image for Anika.
967 reviews317 followers
May 20, 2019
Heinz Strunk gehört zu den Autoren, von denen man sich das Werk am besten selbst vorlesen lassen muss - daher also eine unbedingte Hörbuchempfehlung für die Autorenlesung (es gibt wohl auch noch ein Hörspiel, aber das kann ich nicht beurteilen).

Strunk erzählt hier, grob umrissen, die Lebens- und Leidensgeschichte von Fritz "Fiete" Honka, einer sogenannten "gescheiterten Existenz", der in den späten siebziger Jahren als Frauenmörder zu zweifelhaftem Ruhm gelangte. Leidensgeschichte deshalb, weil Strunk (der für seine Recherche exklusive Akteneinsicht erhielt) Honka von innen nach außen krempelt, ihn von seiner schweren Jugend, seinen ständigen Abstürzen, seinen Süchten und seinem Wahn so echt und nahbar erzählen lässt, dass man fast mit ihm leidet. Und das trotz seiner Perversion, seinem Hang zur Gewalt und seiner offensichtlichen sonstigen Gestörtheit - der man ist alkoholkrank, gewissermaßen lebensmüde und einfach kaputt. Und er ist bei weitem nicht der Einzige, denn neben Honka tummeln sich im "Goldenen Handschuh", der titelgebenenden 24-Stunden-Reeperbahn-Klitsche, allerlei zerbrochene, verwahrloste, abgestürzte Menschen, die den letzten Rest (sofern vorhanden) von Glück, Stolz, Würde und Lebenswille mit Bier und Schnaps wegspülen.

Den Gegenpunkt setzen die Kapitel, die von einer fiktiven reichen Reederfamilie in drei Generationen berichten - feine Leute der Hamburger Oberschicht dem Anschein nach, aber innerlich genauso verrotet wie die Kneipendauergäste. Ein schöner Kontrast, der mehr und mehr verblasst.

Das klingt alles sehr traurig, unappetitlich und unangenehm, aber Strunk schafft es, sich allen diesen Charakteren mit Respekt zu nähern, und sie "echt" erscheinen zu lassen - hier ist niemand übermäßig karikiert oder eines Witzes wegen ins Lächerliche gezogen. Das Buch ist an vielen Stellen witzig, durchaus - aber nicht auf Kosten der kaputten Typen, sondern wegen ihnen und/oder aus der Situation heraus. Es sind die Lebensweisheiten, die nur so an einem verdreckten Tresen entstehen können, es sind die Sprüche und Spitznamen, die nur in so einer Kaschemme das Licht der Welt erblicken können. Kurzum: Es ist eine äußerst stimmige Milieustudie - fast schon zu stimmig, denn das leichte Unwohlsein und der leichte Ekel beim Hören verschwinden nie ganz.

Ich kann dieses Hörbuch nur empfehlen, aber nicht ohne Warnung: Einige Szenen sind wirklich hart, die Sprache grundsätzlich rau und derbe, die Gewalt und Perversionen teils sehr extrem. Mich persönlich hat das nicht allzu schlimm belastet oder geschockt (was auch immer das über mich aussagen mag...), aber ich kann verstehen, warum dieses Buch durchaus kontrovers behandelt wurde. Für mich überwog am Ende das Gefühl guter, wenn auch "harter" Unterhaltung. Mein Freund und ich haben es, nachdem er mich eingeholt hatte, gemeinsam zu Ende gehört - und schlagen uns jetzt immer mal wieder wechselseitig die Lebensweisheiten von Käpt'n Kuddel und Bruder Siggi um die Ohren.
Profile Image for Mellers.
27 reviews9 followers
April 18, 2024
Wahnsinn, wie ein Buch so toll geschrieben sein kann und es gleichzeitig so unerträglich ist, es zu lesen.
Profile Image for Steffi.
1,121 reviews270 followers
June 24, 2017
Es geht hier eigentlich kaum um Serienmorde. Die sind nur die Spitze des Elends, das uns hier geboten wird. Wie der Titel nahelegt, geht es um die Gestalten, die in der Kneipe Der goldene Handschuh verkehren. Menschen,  die ganz unten angelangt sind oder von Anfang an keine Chance hatten. Die nur noch vor sich hinvegetieren, um den nächsten billigen Schnaps abzugreifen oder gegen Sex ein Dach für die nächste Nacht zu erkaufen. Und das obwohl sie so ausgezehrt und am Ende sind, dass sie das Gegenteil von attraktiv sind. Ständig sticht einem beim Lesen der Geruch von Alkohol, Krankheit, Scheiße und Erbrochenem in der Nase.

Gut gefällt mir auch, dass Strunk dieses Milieu kontrastiert mit einer reichen Familie, in der Krankheit, moralische Verdorbenheit und Geilheit nicht weniger ausgeprägt sind. Es riecht wohl nur besser, und sieht besser aus. Aber einige der Männer fühlen sich ebenfalls von der Atmosphäre des goldenen Handschuhs angezogen.

Es wundert einen am Ende kaum noch,  dass Dauerdelirium und Demütigungen zu Gewaltexzessen führen.

Eine Zumutung und zugleich ein spannendes Buch, das viel mehr leistet, als nur die Geschichte des Serienmörders Fritz Honka zu erzählen!
Profile Image for Gavin Armour.
612 reviews127 followers
October 23, 2019


Serienmörder sind so eine Sache. Man kann in der Kriminalliteratur und auch im Film schon von einem eigenen Genre, zumindest einem Sub-Genre, sprechen, wobei sich die Serienmörder im Film eher in Horrorfilmen herumtreiben. Der Typus ist im Laufe der vergangenen 20, vielleicht 30 Jahre immer weiter verfeinert und nach und nach zu einer Kunstfigur geworden. Allen voran Hannibal Lecter, Thomas Harris´ Schöpfung, ein Kannibale mit außergewöhnlichem Geschmack, wurden sie geradezu hofiert. Intelligent, intellektuell und ästhetisch anspruchsvoll, nehmen sie unter den Mördern eine Sonderstellung ein. Was kann man der Figur des Serienmörders also noch hinzufügen, ohne in die Falle des Klischees zu tappen? Und was erst kann man den wenigen deutschen Serienmördern abgewinnen?

Heinz Strunk, vor allem durch seinen Roman FLEISCH IST MEIN GEMÜSE (2004) einem breiteren Publikum bekannt geworden, geht eine radikal anderen Weg, als seine amerikanischen und britischen Kollegen, und nimmt ich in seinem Roman DER GOLDENE HANDSCHUH (2016) eines Serienmörders an, der in den 1970er Jahren in Hamburg, im Umfeld der Reeperbahn, sein Unwesen trieb – Fritz Honka, genannt „Fiete“. Doch sind es weniger Honkas Taten – er brachte zwischen 1970 und 1974/75 vier Frauen um, deren Leichen er zerstückelte und teils in der Umgebung seiner Wohnung in Hamburg-Ottensen ablegte, teils in seiner Wohnung deponierte, wo sie schließlich durch Zufall bei einem Wohnhausbrand entdeckt wurden – , die Strunk interessieren, sondern das Umfeld, aus dem dieser stammt, das Milieu, in dem er sich bewegte und vor allem die Frage, ob diese Taten milieugebunden sind, also Folgen gewisser sozialer Bedingungen, oder aber eher allgemein menschlichen Abgründen und menschlicher Verkommenheit geschuldet.

Dennoch oder trotz dieses Ansatzes, ist sein Roman vor allem eine Milieu- (und darin eine Sprach-) Studie geworden. Sehr genau beschreibt Strunk jene Kneipe, die seinem Roman den Titel geliehen hat, jenen „Goldenen Handschuh“, wo sich Honka regelmäßig herumtrieb und wo er – neben jeder Menge Alkohol, den er in enormen Mengen konsumierte – auch die Frauen traf, die er als Opfer seiner sexuellen Machtphantasien, aber auch als Opfer seiner Gewaltphantasien, auserkoren hatte. Wobei „auserkoren“ wohl dass falsche Wort ist, da so, wie Strunk diese Entwicklungen beschreibt, die Bekanntschaften eher zufällig waren und vor allem darauf beruhten, daß selbst jemand wie Fritz Honka – durch einen fürchterlichen Unfall in seiner unglücklichen Jugend verunstaltet – hier Menschen, vor allem Frauen, treffen konnte, die noch tiefer gesunken waren, als er selbst. Gelegenheitsprostituierte, harte Trinkerinnen, Menschen am unteren Rand der Gesellschaft. Leichte Beute. Hilflos in einer Gesellschaft, die ihnen kein Gehör schenkte und die sie nicht interessierte.

Strunk enthält sich lange jedweder Beschreibung von Honkas Taten. Es sind Andeutungen, die den Leser ahnen lassen, daß da mehr hinter der Fassade dieses Mannes voller Selbsthass lauert, als es zunächst den Anschein hat. Der Gestank in der Wohnung, gelegentliche Einsprengsel, die von früheren Taten künden, aber nur schwer einzuordnen sind, wenn man Honkas Geschichte nicht kennt. Erst auf den letzten 30, 40 Seiten, wenn im Hirn dieses Mannes eine Eskalation stattfindet, geht auch Strunks Text mit und wird expliziter, wobei der Autor sich auch dann noch zurückhält und niemals an der Gewalt ergötzt.

Strunks Stil ist ein weitestgehend dokumentarisch-nüchterner. Zumeist aus Honkas Perspektive beschreibt er episodisch ein Leben zwischen Alkoholexzessen, halbherzigen Versuchen, sich und dieses Leben zu ändern, Menschen und Bezugspersonen, die es aber sehr schwer machen, einen wirklichen Ausbruch, eine wirkliche Veränderung herbei zu führen. So zurückhaltend Strunk bei der Beschreibung der physischen Gewalt ist, die Honka diesen Frauen antut, so wenig zurückhaltend ist er sowohl bei der Schilderung des Drecks und Unrats in den Straßen St. Paulis, im „Goldenen Handschuh“, vor allem aber in der Sprache der Gäste, die dort verkehren, als auch dem Dreck in den Hirnen dieser Menschen. Verrohung, Zynismus, fehlende Empathie und auch fehlendes Selbstmitleid bei übersteigertem Sentiment beherrschen diese Leute. Ihre Sprache – ein Gemisch aus Schimpfwörtern, Sprichwörtern, Merksätzen und gestammelten Kalenderweisheiten – spiegelt die Leere in ihrem Innern wider. Dieser Sprache schenkt Strunk einen Großteil seiner Aufmerksamkeit.

Dieses Milieu, das zu beschreiben zunächst durchaus herablassend anmutet, wird konterkariert durch eine Parallelhandlung, in der drei Generationen einer Reedereifamilie zumindest skizzenhaft portraitiert werden. Der Großvater ein Alt-Nazi, der Sohnemann ein verkommener Trinker und Draufgänger, der die Firma in den Sand gesetzt hat, der Enkel ein vom Dreck der Hurenmeile Reeperbahn faszinierter Halbstarker – diese Familie der gehobenen Hamburger Elbvororte ist um kein Deut besser, als jene, die im „Goldenen Handschuh“ verkehren und wohin es zumindest einen Teil dieser Pfeffersäcke ebenfalls zieht. Und sei es nur, um das Elend zu begutachten, den „Abschaum“ zu betrachten, sich abzusetzen. Oder – vielleicht? – weil man hier Menschen trifft, denen man sich insgeheim verbundener fühlt, als man es sich eingestehen will?

Strunk bietet das Panorama einer Gesellschaft unter den spezifischen Bedingungen einer Stadt wie Hamburg. Diese Gesellschaft wirkt vollkommen enthemmt, zugleich verklemmt, Frauen werden hier nahezu in allen Kreisen und Schichten als eine Ware wahrgenommen, Männer sind hier fast schon Tiere, trieb- und instinktgesteuert. Daß Fritz „Fiete“ Honka dabei noch einmal eine Sonderstellung einnimmt, weil er schließlich aus den Gedanken, die in allen diesen Hirnen zu schlummern scheinen, Taten erwachsen lässt, fällt kaum mehr auf und wird von Strunk geschickt in seine Beschreibung einer sozialen Situation und eines historischen Kontextes – der Krieg ist gerade einmal 25 Jahre her, als die Handlung einsetzt und bei vielen noch sehr gegenwärtig – verwoben. Honka mag unter diesen Menschen eine Ausnahme sein, doch gemessen an seinem Werdegang – der Vater früh im KZ weil er ein Kommunist war; der Sohn fortgegeben und bei mehreren Familien aufgewachsen, teils unter fürchterlichen Bedingungen; die Flucht aus dem Osten (Honka stammte aus Leipzig); das extrem mangelhaft ausgeprägte Selbstwertgefühl aufgrund des mißgestalteten Äußeren; möglicherwiese mindere Intelligenz und eine nie erkannte Psychopathologie, die Hass auf Frauen und Größenwahn einschließt – muten seine Taten nicht wirklich außergewöhnlich an.

Auch ist er dieser Honka weit entfernt von jenen literarischen Serienmördern, die als Hochbegabte gesellschaftliche Konventionen und Moralvorstellungen in Frage stellen. Seine Taten sind eher Gelegenheitsverbrechen aus Verlegenheit. So wird das vermeintliche „Monster von der Reeperbahn“, der „Jack the Ripper von St. Pauli“, als den sich Honka manchmal wohl selbst ganz gern sah, eher ein Killer von der traurigen Gestalt, der kaum weiß, wie ihm geschieht und was es mit sich und seinen Bedürfnissen auf sich hat. Folgerichtig mißtraut Strunks Honka sich ununterbrochen selbst, macht sich klein, verachtet sich für seine Willensschwäche und begehrt doch immer wieder gegen dieses Schicksal auf.

Ohne gleich von Mitleid sprechen zu wollen, muß man doch konstatieren, daß es Strunk wirklich gelingt, trotz aller sprachlichen Derbheit, trotzt der gnadenlosen und oft kühlen Beschreibung dieser Figuren, Gerechtigkeit walten zu lassen, indem er sie nie der Lächerlichkeit preis gibt, ihnen Würde lässt, ohne, auch das sei gesagt, ihnen wirklich zugetan zu sein.

So liegt ein schon kalter Blick auf einer Wirklichkeit, die so vergangen gar nicht scheint, auch wenn Strunk hier aus einer scheinbar fernen Vergangenheit erzählt, aus Milieus, die es so vielleicht kaum mehr gibt, zumal heute eine Kneipe wie „Der Goldene Handschuh“ längst – nicht zuletzt durch einen Roman wie diesen und mehr noch vielleicht durch den daraus resultierenden Film von Fatih Akin – zu Kult erklärt wurde, sich Klassen, Schichten und Milieus längst unentwirrbar vermischt haben und es diese Abgeschiedenheit von allgemeiner gesellschaftlicher Beobachtung, die für einen Mörder wie Fritz Honka auch Schutz bot, nicht mehr gegeben ist.

Heinz Strunk hatte für die Recherche zum Roman Zugang zu Gerichtsakten, die bis dato nicht freigegeben waren, außerdem kennt er sowohl den „Goldenen Handschuh“ als auch das Milieu, das ihn umgibt, aus eigener Anschauung. Entstanden ist so eine manchmal packende, gelegentlich ekelerregende, immer sehr genaue Beschreibung und Erzählung menschlicher Abgründe. Daß diese Beschreibung schließlich aber auch redundant ist, sollte nicht unerwähnt bleiben. Wirklich zu durchdringen vermag der Autor die Figur Fritz Honka nämlich nicht. So bleibt bei aller Akkuratesse in den Details doch immer auch ein Beigeschmack, daß hier eine Hamburger Legende von einem Hamburger aufgegriffen, durchaus analysiert, jedoch auch befeuert wird, wenn auch ex negativo.
Profile Image for Natascha.
776 reviews100 followers
February 23, 2019
Ich war schon lange nicht mehr so froh darüber ein Buch beendet zu haben und frage mich mittlerweile auch, ob ich es nicht besser gewesen wäre es vorzeitig abzubrechen. Dabei haben mich die extremen Gewaltdarstellungen und die teilweise wirklich ekelhaften Szenen weniger gestört als die pure Langeweile die sich bei mir ab etwa der Hälfte eingeschlichen hat.

Anfangs sicher eine sehr interssante Milieustudie, die mir einen Einblick in eine Gesellschaft gegeben hat die mir mehr als unbekannt ist. Doch reicht es für mich nicht aus auf 250 Seiten immer wieder von den selben Saufgelagen zu lesen die nur durch gewalttätige Sexpraktiken und Erniedrigungen in allen erdenklichen Formen unterbrochen werden. Bei mir schlich sich dann doch sehr schnell der Eindruck ein, dass es dem Autor mehr ums schockieren als um die Darstellung dieser Gesellschaftsschicht ging.

Zudem ergaben die Abschnitte über die Industriellenfamilie für mich wenig Sinn. Wenn hier der einzige Zweck darin bestand aufzuzeigen, dass gewalttätige Gedanken, Alkoholexzesse und Unzufriedenheit sich nicht auf eine soziale Schicht beschränken hätte man das auch wesentlich kompakter darstellen können.

Für mich leider eine viel zu einseitig erzählte Geschichte die sich schlussendlich doch auf dem bekannten Charakter des Fritz Honka ausruht und dadurch vorhandenes Potenzial verschenkt.
Profile Image for yexxo.
906 reviews27 followers
January 10, 2017
Wie tief Menschen sinken können, macht sich die/der DurchschnittsbürgerIn meist kaum klar. Ab und zu sieht man solche geschlagenen Existenzen auf der Straße, gelegentlich kreist eine Gruselmeldung durch die Medien, wenn verwahrloste, auch alkoholkranke Menschen aus ihren Wohnungen geholt und in eine Klinik gebracht werden. Man schaudert sich dann wohlig beim Anblick dieser häßlichen, teils abstoßenden Gestalten und ist glücklich über das eigene, im Vergleich dazu doch schöne Leben. Doch was in diesen Menschen vorgeht, wie sie leben und fühlen, bleibt unbekannt, denn wer will schon zu solchen Personen in Beziehung treten?
Heinz Strunk hat es gewagt und das Soziotop der Gaststätte 'Zum goldenen Handschuh' Mitte der Siebziger detailliert beschrieben. Hier finden sich die, die vom Alkohol bereits so zerstört sind, dass ein 'normales' Leben unerreichbar ist. Kriegsveteranen, Verlassene, Behinderte - aber auch Mancher aus der scheinbar so gut situierten Gesellschaft, wo Vieles nur Schall und Rauch ist. Allen gemeinsam ist, dass sie saufen um zu vergessen, um sich besser zu fühlen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Fritz Honka, ein erbarmungswürdiger Mensch, der zeit seines Lebens fast nur grausam misshandelt und verstümmelt wurde. Wenn er nicht arbeitet, säuft er bis knapp zur Bewusstlosigkeit im goldenen Handschuh, sodass es ihm noch gelingt, gelegentlich ein weibliches Wesen abzuschleppen, das noch weiter unten in gesellschaftlichen Skala steht (ja, das geht.) Älter sind sie, häßlich wie die Nacht und bar jeden Selbstvertrauens. Er misshandelt, missbraucht und versklavt sie, um sich selbst eine Stufe höher zu stellen.
Daneben steht die Beschreibung einer alteingesessenen, ehrwürdigen Reedersfamilie, deren Glanz jedoch lange zurückliegt. Mittlerweile herrscht nur noch Gleichgültigkeit und Heuchelei und selbst der materielle Reichtum ist nur noch ein Trugbild. Der Senior ist zerfressen von Hass und Wut und wartet nur noch auf den richtigen Augenblick, um dem Allem Ausdruck zu verleihen. Sein Sohn, in einer gleichgültigen Ehe gefangen, verwaltet in der familieneigenen Reederei nur noch den Mangel und gibt sich im goldenen Handschuh regelmäßig dem Suff hin. Und sein Schwager, ein erfolgreicher lediger Rechtsanwalt, ist ein ebensolcher Alkoholiker wie Fritz Honka, von dem ihn lediglich unterscheidet, dass er ein schöneres Zuhaus und mehr Geld hat und damit besseren Alkohol und schönere Frauen bekommt.
Kein sehr symphatisches Personal, das man in dieser Geschichte vorfindet. Und doch gelingt es Heinz Strunk, Mitgefühl für Fritz und die anderen Stammgäste im goldenen Handschuh zu wecken. Denn letzten Endes wollen sie nichts weiter, als ein bisschen Liebe und Respekt und wären mehr als glücklich, einen Menschen an der Seite zu haben, neben dem sie am Morgen aufwachen könnten. Es ist ein vulgäres, ordinäres und grausames Buch, und trotzdem gibt es immer wieder auch Szenen zum Lachen oder bei denen ich völlig gerührt war.
Auch wenn sich das Ganze liest, als käme es von einem anderen Stern, sollte man sich klarmachen, dass wir sooo weit davon nicht entfernt sind. Wie es sich der Jüngste der Reedersfamilie denkt, als er das erste Mal im goldenen Handschuh ist: 'Wieviel davon steckt auch in mir, in jedem?...Werde ich auch so, wenn ich nur lange genug hier sitze?'
Profile Image for Prusseliese.
427 reviews19 followers
June 7, 2025
Wahnsinn. Das Ekel- und Gewaltlevel ist hier eine 10/10. Und dennoch: Heinz Strunk schafft es, dass man dran bleibt und lesen will.
Profile Image for Tim.
32 reviews11 followers
September 19, 2017
An sich eine wirklich geniale Milieustudie, welche verdammt realistisch umschrieben wurde. Ich wollte immer wissen wie es weitergeht und ob die verschiedenen Handlungsstränge und Charaktere letztendlich aufeinandertreffen oder warum so viel neben dem eigentlichen Protagonisten erzählt wurde. Am Ende bleibt leider einiges offen, trotzdem lässt das Buch einem sehr bedrückt und nachdenklich zurück, denn durch die Härte und Realität, kann das Buch wirklich überzeugen.
Profile Image for nettebuecherkiste.
684 reviews178 followers
July 8, 2016
Deutsche Rezension unten

Brilliant book about the German serial killer Fritz Honka, who frequented Hamburg's infamous bar "Der Goldene Handschuh" in the seventies. Strunk shows the reader how a human being can become a monster, brilliantly depicting the milieu of the lowest tiers of society. Beware - very graphic and rather disgusting details!

Hamburg in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts: In der Kneipe „Zum Goldenen Handschuh“ trinken Menschen vom Rand der Gesellschaft, oft bis zur Besinnungslosigkeit: Das Lokal hat 24 Stunden täglich geöffnet. Unter ihnen der Werftarbeiter Fritz Honka, genannt Fiete – immer auf der Suche nach Frauen, jedoch leicht entstellt, lassen sich nur alte, obdachlose Prostituierte mit dem Alkoholiker ein. Er nimmt sie in seine Wohnung mit, beherbergt sie eine Weile, dafür will er Sex und die totale Macht über die Frauen, die seine Brutalität nur aus purer Not erdulden. Irgendwann überschreitet er jedoch eine Grenze, als eine Frau nicht spurt, wie er das will, er schlägt jetzt nicht mehr nur zu, sondern tötet in einem Wahn aus Hass.

Ich war vorgewarnt, als ich dieses Hörbuch gekauft habe, wusste, es ist zeitweise widerlich, schwer zu ertragen. Dennoch war ich neugierig – und bereue nicht, das Buch gehört zu haben. Ja, es ist wirklich widerlich, ekelhaft, Heinz Strunk zeigt uns schonungslos, wie verwahrlost und verkommen der Mensch sein kann, sowohl im physischen als auch im seelischen Sinne. Beim Essen sollte man dieses Buch nicht lesen. Fritz Honka wurde Gewalt angetan und er übt sie irgendwann selbst aus, scheitert immer wieder an Versuchen, ein „ordentliches“ Leben zu führen, was ihn immer tiefer in die Spirale aus Suff, Hass und Gewalt treibt. Ebenso roh und gewaltgeladen ist die Sprache, die Sprache der untersten Hamburger Gesellschaftsschichten, was jedoch nicht bedeutet, dass das Buch gänzlich ohne sprachliche Brillanz auskommt – die Fäkalsprache ist gekonnt durchsetzt mit Stilmitteln wie Alliterationen, was einen faszinierenden Effekt hat. Der Frauenmörder Fritz Honka ist der Anti-Held des Romans, doch immer wieder springt Strunk auch in eine ganz andere Gesellschaftsschicht, die der fiktiven Reederfamilie von Dohren. Während uns Strunk also vor Augen führt, wie aus einem Menschen ein regelrechtes Monster wird, zeigt er uns anhand der Mitglieder dieser wohlhabenden Familie, dass Verzweiflung und Verkommenheit keinesfalls auf einen niedrigen sozialen Status beschränkt sind. So wird das Buch zu einem Meisterwerk, zwingt uns, die Welt aus den Augen dieser Verkommenheit zu sehen und das Verbrechen nicht zu entschuldigen, aber zu verstehen.

Das macht den Roman zu einem wirklich lesenswerten Buch, das im Leser lange nachwirkt.

Zum Hörbuch: Heinz Strunk liest sein Buch selbst, mit offensichtlicher, nun, „Begeisterung“ ist wohl das falsche Wort, aber er lebt sein Buch. Ein wenig muss man sich an seine Sprechweise gewöhnen, doch dann wird man von ihr mitgerissen. Verschiedenen Personen gibt er ganz individuelle, sehr zum Milieu passende Stimmen, den Dialekt setzt er perfekt um.
Profile Image for Steph.
177 reviews
January 11, 2019
Ja, dieses Buch ist widerlich, bösartig, grotesk und definitiv nichts für schwache Gemüter, aber es ist so unglaublich großartig. Ein sprachlicher Hochgenuss! Diese Leichtigkeit und sprachliche Gewandheit mit der Heinz Strunk erzählt steht im totalen Gegensatz zum Thema und zu den Dingen die er beschreibt. Und genau das macht es so einzigartig. Selten habe ich solch einen Spaß daran einen Text zu lesen um der Sprache willen. Und ja, tatsächlich wollte ich kurzeitig abbrechen, weil es teilweise so widerwertig ist, doch ich bin froh weiter gelesen zu haben. Dieses Buch ist einfach dermaßen unterhaltsam und ein großes Stück Literatur.
Profile Image for Laura.
128 reviews3 followers
September 29, 2017
3.5 Sterne

Abgesehen davon, dass es so Sau Mega Ekelhaft ist, .. und das die Tatsache, dass das alles wirklich passiert ist, alles nochmal schlimmer macht,.. war es unterhaltsam und gut geschrieben und wirklich elendig traurig.
Profile Image for Nadine.
136 reviews
November 20, 2024
Hilfe. Hiernach will ich was Schönes lesen.
Profile Image for Bine.
803 reviews111 followers
March 28, 2019
Ich komme mir komisch dabei vor, diesem Buch die volle Sterneanzahl zu geben, doch ich kann nicht anders. Ich fand es einfach nur außergewöhnlich. Dass der Autor es bewerkstelligt hat, ein so authentisches Buch zu schreiben, ist eigentlich bedenklich…
Der Schreibstil war einfach nur auf den Punkt. Unglaublich, wie man in dem Kopf von Fritz Honka sitzt und sein Leben und seinen Geist schonungslos erlebt. Man findet sich in einer Welt wieder, die (hoffentlich) so unfassbar weit von der eigenen entfernt ist… Und dann doch wieder nicht, wenn man bedenkt, dass sich das alles in Mitten einer deutschen Metropole abspielt.
Ich mag es sehr, dass der Autor Fritz Honka an sich und weniger seine Taten charakterisiert hat. Er erzählt eigentlich das davor. Und so wenig Handlung, wie ich in einigen Rezensionen gelesen habe, hat das Buch eigentlich nicht. Zuweilen habe ich mich gefragt, ob das alles wirklich so drastisch gewesen ist, wie Strunk es beschreibt. Die Entstellungen der Menschen, der Suff, das Benehmen, der Dreck… Nachdem ich eine Doku über Fritz Honka gesehen habe, kommt mir das Buch an einigen Stellen doch etwas überspitzt vor – oder positiv ausgedrückt überillustriert. Wobei man letzteres durch Stilistik durchaus rechtfertigen kann.
Worüber weniger geredet wird: Fritz Honka ist hier nicht der einzige Protagonist. Schließlich heißt das Buch „Der goldene Handschuh“. Und so dreht es sich um die verschiedensten Menschengruppen, die sich früher oder später in die Mileukneipe verirren. Auch dadurch kam nie das Gefühl auf, dass man sich in irgendeiner Weise über dessen Klientel erhebt. Man saß vielmehr unter ihnen. Ob man wollte oder nicht.
Alles in allem ein außergewöhnliches, ein krasses und mutiges Buch. Doch vor allem ein trauriges. Denn wer längere Zeit im Goldenen Handschuh verbringt, dem scheint nicht mehr zu helfen zu sein.


Außerdem fiel es mir schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Es war einfach nur faszinierend.
Profile Image for pauline.
152 reviews61 followers
January 19, 2024
2.5
„[…] [D]as kam nicht von meiner Seele. Nein, aus der Seele nicht! Denn sie ist nicht mit mir groß geworden. Sie ist mit mir klein geblieben.“

Ich habe dieses Buch teils gehört (gesprochen von Heinz Strunk höchstpersönlich) und teils gelesen. Mit dem Schreibstil kam ich gut zurecht, ich wusste die derbe Sprache einzuordnen, denn Strunk hat mit seiner Sprache das erreicht, was er wollte. Nämlich ein erschreckendes, abartiges und leider realistisches Bild des Milieus der 70er Jahre schaffen (nicht, dass ich Erfahrung hätte).
Die Sprache ist da, um zu schockieren und wenn man über diesen Schockfaktor hinweg sieht, bleibt leider nicht viel übrig.

Vielleicht bin ich mit den falschen Erwartungen an dieses Buch heran gegangen, doch ich hatte erwartet, die Fakten des Lebens des Serienmörders Fritz Honka näher gebracht zu bekommen. Ist das passiert? Unzureichend. Statt der Nebenschicksale, deren Sinngehalt ich bei bestem Willen nicht greifen konnte, hätte ich mir mehr Information zu Honka gewünscht.
Zwei Seiten über die Vergangenheit dieses zutiefst gestörten Mensches reichen leider nicht aus, um sich mit "biografischen Zügen" zu schmücken. Drei Sätze zu den begangenen Morden reichen leider nicht aus, um die Machenschaften dieses Serienmörders greifbar zu machen.

Was ich nicht sage, ist dass der Charakter des Fritz Honka speziell in diesem Buch nicht authentisch war. Sein Kampf gegen sich selbst, gegen seine menschlichen Abgründe, war tragisch zu lesen. Leider aber nicht das, was ich mir von dem Buch gewünscht hätte.
Profile Image for Wortmagie.
529 reviews80 followers
September 18, 2018


„Der goldene Handschuh“ ist ein Tatsachenroman des Autors Heinz Strunk, der den Serienmörder Fritz Honka in den Mittelpunkt stellt. Honka war in den 1970er Jahren in Hamburg aktiv und ermordete mindestens vier Frauen, deren Leichen durch Zufall entdeckt wurden. Seine Opfer waren gescheiterte Existenzen ohne soziales Netz, weshalb niemand sie als vermisst meldete. Honka gabelte sie in den übelsten Kneipen im Bezirk St. Pauli auf, darunter auch das Lokal „Zum goldenen Handschuh“. Er wurde im Juli 1975 verhaftet und im Dezember 1976 zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Das Gericht ordnete eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik aufgrund verminderter Schuldfähigkeit an. Er starb 1998. Zu Recherchezwecken erhielt Strunk Einsicht in Honkas Prozessakten, die bis dahin verschlossen im Hamburger Staatsarchiv lagerten. Der daraus entstandene Roman ist eine von Kritikern gelobte Milieustudie, die mir von einem Kollegen empfohlen und ausgeborgt wurde.

Fritz Honka ist ein Frauenmörder. Innerlich verkommen und äußerlich entstellt, findet er seine Opfer am untersten Bodensatz der Gesellschaft. Er ist ein Verlierer, der von einem besseren Leben träumt und seinen verstörenden Fantasien nicht entkommen kann. Er weiß, er ist ein Säufer, ein bedauernswerter Tropf, eine Niete. Doch Frauen lassen sich selbst für einen wie ihn auftreiben. Die Verlorenen. Die Verzweifelten. Diejenigen, die längst nicht mehr auf bessere Tage hoffen. In der Hamburger Kneipe „Zum goldenen Handschuh“ geht Honka auf die Jagd. Dort kreuzen sich die Wege aller sozialen Klassen. Arm und Reich trinken Schulter an Schulter, Jung und Alt begegnen sich in den ranzigen Schatten der schäbigen Kaschemme. Im „Handschuh“ ist das Elend zu Hause. Und es ist kein Privileg der Unterschicht.

„Der goldene Handschuh“ ist ein literarisches Experiment, dessen zweifelhafter Reiz meiner Meinung nach in der starken, unerwarteten Bindung an den tragischen, grenzwertigen Protagonisten liegt. Heinz Strunk porträtiert Fritz Honka, genannt Fiete, als ganz und gar abstoßenden Mann mit widerlichen Neigungen und Fantasien, der von Beginn an zu Grausamkeiten gegenüber Frauen tendiert. Er ist Alkoholiker und ein Sozialversager, wie er im Buche steht. Sein Umfeld ist ebenso degeneriert wie er selbst, seine Stammkneipe „Zum goldenen Handschuh“ ein Moloch menschlichen Elends und Scheiterns. Der Vorhof zur Hölle. Dort ist mal jemand auf einem Barhocker gestorben und niemand hat es gemerkt. So weit, so scheußlich. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie entsetzt ich war, als ich beobachtete, dass Fritz Honka an meinem Herzen zupfte. Ich hatte Mitleid mit ihm! Heinz Strunk nötigte mir Mitgefühl für einen brutalen, ekelhaften Frauenmörder auf! Ich musste feststellen, dass mich die Charakterisierung seines Protagonisten als jämmerliches Würstchen keineswegs kaltließ. Schriftstellerisch ist das ein beeindruckender Geniestreich. Ich drückte Honka während seines Versuchs, vom Alkohol loszukommen, die Daumen und als das nicht funktionierte, erwischte ich mich dabei, auf irgendein Erfolgserlebnis für ihn zu hoffen, sei es nun eine heiße Nacht mit der Putzfrau seiner Arbeitsstelle oder die Verwirklichung seiner abartigen Fantasie von zwei Frauen. Ich wünschte ihm Glück, ich wünschte ihm Befriedigung, obwohl er es nicht verdiente. Ich erforschte meine Emotionen und fand eine erschreckende Bereitschaft, mich auf Honka einzulassen. „Der goldene Handschuh“ ist ein provokantes Buch, weil Heinz Strunk darin die Beziehung zwischen Leser_in und Protagonist ungeniert in Frage stellt. Wie weit darf Sympathie gehen? Für mich ergab die Lektüre, dass meine persönliche Schmerzgrenze sehr hoch angesetzt ist. Ich habe durch diesen Roman etwas über mich selbst gelernt: meine Fähigkeit, Mitleid zu empfinden, wird durch drastische, schockierende Schilderungen nicht beeinträchtigt. Die Hauptfigur kann abscheulich wie Fritz Honka sein, drückt der Autor oder die Autorin geschickt meine Knöpfe, kann ich trotzdem mit ihr fühlen. Heinz Strunk gelang dieses Kunststück, weil er sich auf jeder Seite des Romans um Authentizität bemüht. Ich fühlte mich nicht manipuliert, ich sah der ehrlichen Realität der Hamburger Kneipenszene der 70er Jahre ins Auge, die Strunk durch einen direkten, unzensierten Schreibstil illustriert. Der „Handschuh“ ist ein Schmelztiegel, ein Knotenpunkt, den man vielleicht als deprimierendes Wartezimmer für Suchende beschreiben kann. Was die einzelnen Akteure in der Kaschemme suchen, ist natürlich sehr unterschiedlich: Ablenkung, Zuflucht, ein Bett für die Nacht, ein wenig Gesellschaft. Daher überraschte es mich nicht, dass fast alle auftretenden Figuren, auch diejenigen, die standesgemäß weit über so einer Kneipe rangieren, irgendwann dort aufschlagen. Am Rande der Gesellschaft ist eben immer Platz. Um es mit Tolstoi zu sagen: „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich“.

„Der goldene Handschuh“ ist ohne Zweifel ein interessantes Buch, weil es Leser_innen herausfordert und sie vor die Frage stellt, wie viel Zuneigung sie sich für einen verabscheuungswürdigen Protagonisten erlauben. Es ist eine ungeschminkte Milieustudie, die den Mikrokosmos der Hamburger Kneipen im Dunstkreis der Reeperbahn in all seiner Hässlichkeit abbildet. Nicht schön anzuschauen, aber ehrlich und echt. Intellektuell schätze ich sehr, was Heinz Strunk mit diesem Roman zu demonstrieren versucht, ich kann jedoch nicht behaupten, dass mir die Lektüre Freude bereitet hätte. Obwohl sich beim Lesen eine gewisse Faszination des Grauens einstellte, empfand ich das Buch insgesamt als zu trostlos. Daher empfehle ich „Der goldene Handschuh“ an experimentierfreudige Leser_innen, die sich gern selbst beobachten und nicht allzu zart besaitet sind. Betrachtet es als mentale Übung, um eure eigenen Grenzen auszuloten.
Profile Image for Paget.
18 reviews14 followers
February 23, 2020
This book is dark, brutal, disgusting, funny and tragic - a disturbing portrayal of a world in which people seemed robbed of humanity and lost beyond recall.

Hamburgs red light district in the 1970s. The broken, the washed out, the scum of society is hanging out in "The Golden Glove ", a notorious Hamburg drinking den. Among them Fritz Honka, the infamous serial killer who killed four prostitutes between 1970 and 1975.

This story dives deep into the disturbing world of alcoholism, abuse and violence. Sometimes it is almost to much to endure.
Profile Image for Mäy.
7 reviews2 followers
July 18, 2025
Aika rajua tekstiä, kun jopa mulle itselleni teki välillä tiukkaa syödä samaan aikaan kirjaa lukiessa, mikä ei yleensä ole mulle ongelma.. 😅🆘 kaikessa karuudessaan todella viihdyttävä teos ja välillä nauroin ihan vedet silmissä joillekin kohdille kun ne oli niin tragikoomisia👹💀
Profile Image for Robi.
34 reviews
January 8, 2023
Achtung: Milieu-Roman in schonungsloser Sprache, gespickt mit Perversitäten und Fäkalsprache.

Mir gefielen die "Studien" über heruntergekommene Existenzen im Umfeld der Hamburger Reeperbahn & des Serienmörders Fritz Honka, ein dickes Fell ist beim Lesen dennoch unerlässlich.
Profile Image for Hendrik.
440 reviews112 followers
March 16, 2016
Mehr als einmal überkam mich während des Lesens ein spontaner Kotzreitz. Kaum verwunderlich, angesichts der im Kopfkino ablaufenden Bilder, in Siff und Suff lebender menschlicher Restexistenzen. Eine tiefere Stufe der Verwahrlosung, als die, auf der sich die Gäste des Goldenen Handschuh wiederfinden, ist kaum vorstellbar. Die eigentlichen Mordtaten von Fritz "Fiete" Honka, sind dabei nur die Spitze des sich darbietenden Grauens. Den Gegenpol bilden die Mitglieder einer piekfeinen Reederfamilie aus den besseren Hamburger Kreisen. Die stinken zwar nicht, sind aber innerlich absolut verrottet. Die Geschichte rund um den Serienmörder Honka, erzählt Heinz Strunk auf ausgezeichnet plastisch-drastische Art und Weise. Ein wirklich irrer Mix aus Ekel und Komik.
Profile Image for bialettibruder.
37 reviews31 followers
February 9, 2021
Aus Erinnerung bewertet. Möchte inhaltlich jetzt gar nichts vorwegnehmen, die meisten wissen wahrscheinlich ohnehin worum es geht bzw. man kann es auch relativ schnell rausfinden - auch dass das Buch wahrscheinlich nix für eher zart besaitete Seelen ist. Fand’s damals wirklich sehr gut, aber ist sicherlich trotzdem noch ein Stück weit ein nischiger Milieuroman. Hängt bei mir irgendwo zwischen 4 und 5 Sternen, aber runde auf, weil ich natürlich als Hamburger (wie sollte es anders sein) auch eine gewisse Schwäche für die Charakterstudien der Gäste in den klassischen Kiezkaschemmen usw mitbringe. Ganz abseits von all dem grausamen Zeug in dem Roman, der wirklich (erschreckend) authentisch geschrieben ist - deswegen 5 Sterne approved von mir.
Profile Image for LiA.
364 reviews
January 31, 2019
Keine Handlung, disparate Szenen ohne Zusammenhang, abschreckend, ekelhaft, triste. Auch wenn der Autor im Nachwort aufzählt, wen er denn so gelesen hat - Bukowski etc. - entsteht bei ihm leider keine Literatur. Seine Figuren bleiben Schablonen, und es ist vermutlich eher ein Verkaufsargument, Fritz Honka zum Protagonisten zu machen. Warum die Hamburger Schickeria da immer wieder reinrutscht, ist mir auch nicht klar geworden. Ich las das Buch in Vorbereitung auf eine Filmbesprechung - Fatih Akin stellt „Der goldene Handschuh“ bei der Berlinale vor. Ich hoffe, er entfernt sich weit von der Vorlage.
Profile Image for Lisbeth.
81 reviews11 followers
May 18, 2021
"Der goldene Handschuh" stand bereits sehr lange ungelesen bei mir im Bücherregel, bevor ich ihn jetzt endlich zur Hand genommen habe. Und nach der Lektüre kann ich sagen: Vielleicht war seine Zeit trotzdem einfach noch nicht gekommen. Dieses Buch macht es einem nicht leicht — und ganz sicher kann ich sagen, dass es nicht für jeden und auch nicht für jede Lebenslage geeignet ist.

Doch der Reihe nach: In dem Roman von Heinz Strunk geht es um das Leben des realen Serienmörders Fritz Honka, der in den Siebziger Jahren in Hamburg sein Unwesen getrieben hat. Seine Opfer lernte er im "Goldenen Handschuh" kennen — eine Bar am Hamburger Berg in St. Pauli.

Die Geschichte taucht in die Abgründe der Gesellschaft ab. Heinz Strunk erspart einem keine Details. Er hat die Akten des Falls genau studiert. Es geht um Vergewaltigungen, Misshandlungen, abscheulichste Gewaltfantasien und teils wirklich ekelhafte Episoden aus dem Leben der Trinker*innen-Szene, die in der Bar zusammenkommt. Für mich war es manchmal schwer erträglich, mit der Lektüre fortzufahren. Die Schonungslosigkeit ist beeindruckend, aber auch echt abstoßend.

Ich schätze den Stil von Heinz Strunk grundsätzlich: Die Sprache ist derbe und schmucklos, die Erzählweise trotz allem nicht ohne Witz. Beim Lesen habe ich sofort seine Stimme im Ohr. Das Hörbuch ist sicher eine gute Alternative für alle, die das Hören dem Lesen vorziehen.

Aber ja, man muss vorher wissen, worauf man sich einlässt: "Der Goldene Handschuh" ist eine Geschichte ohne Helden, ohne intelligente kriminologische Aufklärung und ohne die sonst so wohltuende Genugtuung am Ende, dass die Welt, eine bessere wird, wenn der Verbrecher erstmal gefasst wird. Das Gute kann in der Welt, die Heinz Strunk uns hier zeigt, gar nicht siegen. Wenn es denn überhaupt existiert, dann hat es keine Chance gegen Suff und Armut.

Mir persönlich fiel es schwer, mich in diese Welt einsaugen zu lassen. Ich war am Ende des Buches sehr froh, wieder rauszusein. Daher meine zum Schluss doch eher durchschnittliche Bewertung.
Profile Image for Sus anna .
93 reviews20 followers
September 18, 2019
Das Buch.. was soll man sagen, verstörend, ekelhaft, interessant. Ich hab es mir anders vorgestellt, der Teil mit dem morden erst gegen Ende. Davor lange Vorgeschichte, wie Honka zu dem wurde, was er war. Das Buch war gut, aber man brauch schon etwas stärkere Nerven, wenn man es lesen möchte. Es gibt viele abartige Beschreibungen, die man sich gar nicht vorstellen mag. Was mich aber dann doch jetzt mal reizt, einmal in den goldenen Handschuh zu gehen und mir das genau anzusehen, wie es da heute wohl noch abgeht. Vielleicht dann beim nächsten Trip nach Hamburg.
Profile Image for SusanneH.
511 reviews39 followers
May 31, 2025
Als Hörbuch gelesen vom Autor.
Schwer zu ertragen.
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