In seinem neuen Buch ›Das Beste, was wir tun können, ist nichts‹ erzählt der preisgekrönte Schriftsteller Björn Kern, wovon wir alle träumen: Mehr Zeit, weniger Arbeit, mehr Leben. Wunderbar komisch und charmant schildert er seinen ganz eigenen Abschied von Fleiß und Tatendrang hin zu mehr Gelassenheit.
»Früher war ich effizient, leistete sogar Multitasking. Eine scheußliche Fähigkeit, die einem noch fragilen Nichtstun schnell Schaden zufügt. Es kam vor, dass ich links das Kind auf dem Arm hielt, während ich rechts die Maus bediente, dabei aber telefonierte. In meinen dunkelsten Stunden kaufte ich bei Tchibo ein und rief bei Hotlines an. Bis mir klar wurde: So konnte es nicht weitergehen. Was war zu tun? Irgendwann ging es mir auf: Nichts!«
Björn Kern beschließt, auf einen alten Hof in den verlassenen Weiten des Oderbruchs zu ziehen. Seither arbeitet er so wenig wie möglich und verbringt seine Tage größtenteils auf einer Bank unter einem Birnbaum. Von dort aus erzählt er ebenso inspirierende wie pointierte Geschichten vom Nichtstun, in denen er nicht zuletzt auf ganz praktische Fragen eingeht: Ich habe einen Job, den ich nicht kündigen kann – was tun? Wie schaffe ich es, keinen neuen Rechner und kein neues Smartphone zu kaufen, geschweige denn eine Klappsense vom Baumarkt mit Plastikgriff? Warum macht Nichtstun so glücklich und rettet nebenbei auch noch die Welt?
›Das Beste, was wir tun können, ist nichts‹ ist Memoir und Manifest zugleich, Anleitung und Aufruf an alle, die vor »zu viel Arbeit« und »zu wenig Zeit« gerade dabei sind, das Beste im Leben zu verpassen.
Björn Kern erzählt in einem leicht sarkastischen Stil was er in seinem Leben verändert hat, um mehr Zeit fürs Nichtstun zu haben. Denn er kehrt den Normen der Gesellschaft „Höher, schneller, weiter“ den Rücken, um ein Leben mit mehr Gelassenheit und Zufriedenheit zu führen, auch wenn das gar nicht immer so einfach zu sein scheint.
"Wenn ich im Hochsommer auf meiner Bank in Oderbruch sitze, die Füße in eine Wanne voll Eiswasser getaucht, ein kaltes Bier neben mir, dann weiß ich, dass ich es geschafft habe." S. 5
Einfach mal durchatmen, die Sonne auf der Haut spüren, den Geräuschen der Natur lauschen, nicht an heute oder morgen denken - einfach mal nichts tun. Warum soll ich mein Kind in die teure Kita geben, um arbeiten zu können, damit ich mir den teuren Kitaplatz leisten kann? Warum soll ich mir ein Superhandy kaufen, dass mich nur an den Display fesselt und im Nu kaputt geht, wenn ich doch einfach nichts tun könnte?
In kleinen Kapiteln, bzw. Glossen, erklärt der Autor, wie er sein Berliner Großstadtleben gegen die Idylle eines alten Hofs in Brandenburg eingetauscht hat. Stück für Stück lernt er, dass Nichtstun der Schlüssel für sein Lebensglück ist. Er gibt Tipps, die mit einem Augenzwinkern versehen sind und beschreibt in lustigen Anekdoten, wie man gelingendes Nichtstun in seinen Alltag einbauen kann. Bei genauerem Betrachten, stecken aber viele Wahrheiten in den schnell zu lesenden Absätzen. Was braucht man wirklich im Leben um glücklich zu sein? Kann man bestimmte Dinge nicht einfach abkürzen oder ganz umgehen? Lösen sich manche Probleme nicht tatsächlich von selbst, wenn man sie einfach ignoriert? An ganz vielen Stellen im Buch habe ich mich wieder erkannt und das ein oder andere Element in meinem Leben in Frage gestellt. Natürlich werde ich jetzt nicht direkt meine Sachen packen und auf's Land ziehen, aber ich werde mir in Zukunft mehr Zeit nehmen, um einfach mal nichts zu tun. Das Buch hat mich sehr unterhalten und man kann es wunderbar Zwischendurch lesen. Bestimmt werde ich in Zukunft öfter an diese Lektüre zurück denken.
„Gelingendes Nichtstun setzt jedoch nicht auf Verzicht, gelingendes Nichtstun setzt auf das unermessliche Glück, das es bedeutet, den ganzen Mist nicht haben zu müssen. [...] Gelingendes Nichtstun ist Mehrwert, nicht Verzicht.“ Dieses Buch macht keine Vorschläge zur Weltverbesserung und geht auch sonst nicht besonders systematisch vor. Eher handelt es sich um Glossen aus dem Alltag des entschleunigten Lebens im Oderbruch in der Nähe der polnischen Grenze. Dorthin ist der Autor aus Berlin geflohen, um Autoverkehr, Aufgabenstellungen und Ausgaben der Großstadt zu entgehen. Und sich tatsächlich im Nichtstun zu üben, was gar nicht so einfach ist. Auf mich hatte die Lektüre immer mal wieder eine beruhigende Wirkung - weil es tatsächlich um ein möglichst stressfreies Glück geht - OHNE schlechtes Gewissen. Manche Kapitelchen fand ich etwas unerheblich und nichtssagend, im Ganzen gesehen ist es aber ein heiteres Lesevergnügen.
Der ironische Stil und die konsequente Arbeitsvermeidungsmentalität des Autors machen das Buch zu einer einfachen und nachdenklich machenden Lektüre. Ich habe einige meiner Ansichten beim Lesen des Buches noch mal reflektiert, insbesondere weil ich teilweise stark abweichende Ansichten von denen des Autors vertrete.
Leider hat das Buch an mehreren Stellen schlichtweg Fehler und stark subjektive Aussagen, die nicht mit dem ironischen Stil des Autors kompatibel sind. Völlig subjektive Aussagen ironisch und schwach begründet zu treffen, ist meines Erachtens in einem Buch diesen Formats völlig in Ordnung. Jedoch lehnt sich der Autor an einigen Stellen zu weit aus dem Fenster (Beispiele unten).
Scheinbar ist der Autor der Ansicht, dass seine subjektive Präferenz für Faulheit auf alle Menschen zutrifft: "Wir können nun entweder glücklich sein und auf das Kurbeln [mit Bezug auf konventionelle Arbeit] verzichten, oder wir kurbeln und verzichten aufs Glücklichsein." (Seite 8)
Außerdem ist der Autor der Ansicht, dass Arbeitseinkommen im Verhältnis zu Kapitaleinkünften zu stark besteuert ist und legt diese doch recht pauschale Kritik ohne nähere Begründung und ohne Untersuchung der ungewollten Effekte eine Steuererhöhung für Kapitaleinkommen dar: "Warum aber sollten wir uns ausbeuten, um zu stützen, was von Grund auf marode ist? Warum bauen wir nicht lieber den Sozialstaat um? Durch eine höhere Besteuerung von Vermögen. Durch eine geringere Besteuerung von Arbeit. Durch das Grundeinkommen." (Seite 134)
Auch das Beispiel bzgl. der Kinderarbeit zeugt von mangelndem Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge. Man kann über die Vorteilhaftigkeit von geringen Lohn- und Arbeitssicherheitsniveaus in sich entwickelnden Ländern streiten, jedoch stellt der Autor Kinderarbeit als grundsätzlich schädlich dar und widerspricht damit zahlreichen Ökonomen. Mal ganz abgesehen davon finde ich seine passive Haltung zu dem Thema recht zynisch. Denn wenn man zu dem Schluss kommt, dass Kinderarbeit schlecht ist, ist "Nichtstun" wohl nur zu vertreten, wenn die eigene Faulheit wichtiger als das Wohl der Kinder ist: "Ich will keine Kinder sehen, die nach Zehnstundenschichten mit einem Vierteldollar aus der Näherei huschen oder als Kindersoldat eine Kupfermine bewachen. Die Globalisierung macht diese Kinder für mich unsichtbar. Also demonstriere ich auch nicht für sie. Dabei muss ich gar nicht für ihre Rechte auf die Straße gehen. Ich brauche nicht einmal Geld dazu. Keinen Einfluss. Keine Macht. Ich muss nur meinen alten Computer behalten. Ich muss einfach nur gar nichts tun. Süßes Nichtstun genügt vollauf." (Seiten 193 - 194)
Mir ist bewusst, dass ich mit den oben genannten Argumenten völlig die Ausrichtung des Buches verfehle. Der Autor enbehrt sich solcher Diskussionen und das ist auch völlig in Ordnung. Dennoch hätte ich es bevorzugt, wenn der Autor seine Grundprämisse, seine eigene Faulheit, stärker herausgestellt und insgesamt weniger stark generalisiert hätte. Außerdem waren die politischen Aussagen nicht sehr hilfreich, sodass das Buch gut ohne sie ausgekommen wäre.