»Das kann nur Julia Zange: Alle zehn Jahre ein Buch schreiben, das man nicht mehr vergisst!« Maxim Biller
Marlas Leben ist ein einziges Realitätsgewitter. Wenig Sex, viel iPhone. Viel Bewegung, wenig Sicherheit. Sehr globalisiert, aber immer noch ganz schön deutsch. Marla funktioniert perfekt. Sie hat immer die richtige Maske auf. Doch plötzlich bekommt ihr hochglänzender Panzer kleine Brüche. Plötzlich ist da eine schwere Traurigkeit, die langsam von ihrem Bauch nach oben spült. Um nicht zu ertrinken, macht sie sich auf den Weg zurück in ihr Heimatdorf. Und landet schließlich auf Sylt. Eine Reise ins Erwachsenwerden und zu sich selbst.
„‘In der Nordsee ist nichts gefährlich!‘, sagt er. Und rennt Richtung Strandkörbe. Ich ziehe mich ganz aus und gehe vorsichtig ins Wasser. Die Wellen werfen mich fast um.“
Realitätsgewitter zeugt von der Einsamkeit und Anonymität in der Großstadt, von der Suche nach Geborgenheit und dem Selbst, von Reizüberflutung. Ein Portrait der Gegenwart. In einem permanenten Wechsel von Handlungsorten und Personen wird das Leben von Marla in Berlin dargestellt. Die Protagonistin, welche leider einigermaßen unangenehm ist, lässt sich treiben von den rauschhaften Eindrücken, bis ihr schwindlig wird, bis zur Atemlosigkeit. Ohne wirklichen Höhepunkt oder einem erkennbaren Ziel fließt ebenso die Erzählung vor sich her, die Sprache ist oberflächlich und ungefiltert, die Handlung ist nicht sonderlich innovativ oder einprägsam, nahezu austauschbar. Textliche und thematische Gestaltung sind so aufeinander abgestimmt. Am Ende lässt sich festhalten, dass es in diesem kurzen Roman hoffentlich nicht um die Protagonistin gehen sollte, sondern um die Vermittlung eines Lebensgefühls: der "Ergebenheit an die Gegenwart" (S. 33). Ein grundsätzlich facettenreiches Thema, welchem hier mit zu viel Negativität begegnet wurde.
„Ich renne. In den nächsten dunklen Innenhof, presse mich in eine Ecke und heule, wobei ich mir die Hand vor den Mund halte, damit niemand hört, dass mein Heulen eigentlich auch ein Schreien ist.“ (Seite 53)
Alles überziehend erlebt der Leser die Anonymität in der Großstadt Berlin. In der ersten Hälfte des Buches streunen wir gemeinsam mit Marla durch das Nachtleben und die Künstlerszene, erleben Partys und Drogenkonsum, und wie Marla Trost und Geborgenheit durch Sex zu finden versucht. Es ist nicht das wilde, schillernde und rauschende Leben, wie man es sich vielleicht vorstellt, sondern ein Dasein ohne Glanz, verloren und suchend. Die Charaktere jagen Träumen hinterher und verlieren sich dabei in Trugwelten. „Realitätsgewitter“ zeigt, wie leicht es ist, in der Anonymität der Großstadt zu verschwinden und sozusagen „niemand“ mehr zu sein – ein von Marlas größten Ängsten.
Marla irrt von Begegnung zu Begegnung, bloß nicht alleine sein ist ihre Devise. Sie trifft auf Fremde und flüchtige Bekannte und teilt mit ihnen das Bett, um ihre Sehnsucht nach Geborgenheit zu stillen, wahrgenommen und geliebt zu werden. Gleichzeitig aber scheint es, als würde sie vor dem Leben fliehen wollen. All diese Empfindungen und Motivationen, die Marla antreiben, hat Autorin wunderbar klar und pointiert zum Ausdruck bringen können. Dabei hält sie den Leser im Unklaren über das Warum. Ab der Mitte des Buches begann diese unbeantwortete Frage an mir zu nagen und machte mich unzufrieden mit der Geschichte. Doch genau in diesem Moment kam der Dreh und Marla fährt in ihre Heimat.
Hier erhielt ich die Antworten, die ich mir wünschte, und zwar erschütternd drastisch. Insgesamt blieb aber alles schlüssig und nachvollziehbar. Lediglich am Ende hätte ich mir mehr Raum für die Aufarbeitung des Erlebten gewünscht. Der Wendepunkt kommt etwas zu kurz, Julia Zange schenkt der Aufarbeitung von Problemen nicht genügend Raum, finde ich. So blieben der Sinneswandel von Marla und eine veränderte Wahrnehmung etwas zu vage.
Charaktere
Marla ist der Dreh- und Angelpunkt im Buch. Sie ist die Protagonistin und im Grunde auch der einzige Charakter. Die Menschen, denen sie begegnet, gleichen Statisten, deren Vergangenheit und Zukunft uns nicht interessieren. Es zählt nur der Moment des Zusammentreffens, und in diesem prägen sie durch ihre verschrobene oder extravagante Art das Gesamtbild von Marlas Leben.
Marla ist eine einsame, orientierungslose und bisweilen auch verzweifelte junge Frau. Vor allem ist sie auffallend unfähig, eigenständig im Leben zurechtzukommen. Sie sucht den Halt, um nicht ins Bodenlose zu fallen. Ich konnte sie nicht wirklich mögen, aber ich konnte sie sehr gut verstehen und ihre intensiven Gefühle nachempfinden.
Schreibstil
„Wenn man ein gutes Mädchen ist, lernt man irgendwann, sich auszuschalten.“ (Seite 122)
Erzählt wird aus der Sicht von Marla, und die Worte, die Julia Zange ihr in den Mund legt, überzeugten mich auf jeder Seite. Es wird keine Empfindung, kein Erlebnis und keine Konfrontation schöngeredet, sondern nüchtern und kraftvoll bloßgelegt. Mir hat der Schreibstil sehr gut gefallen.
Fazit
„Realitätsgewitter“ ist ein dünnes, aber beeindruckendes Buch, dass mich nicht so schnell loslassen wird. Die Geschichte ist eindringlich und intensiv, und Marla als Charakter sehr stark. Es gibt kaum etwas, dass ich daran aussetzen kann, außer, dass ich mir für den Ausgang noch mehr Seiten gewünscht hätte.
1,5 Sterne von mir. Das Buch war verdammt düster und sehr oberflächlich. Marla lebt irgendwie in ihrer ganz eigenen Welt, die nur bestimmt ist von flüchtigen Bekanntschaften und Partys. Meldet sich niemand ihrer 1000 (?) Facebook"Freunde" fällt sie in ein ganz tiefes Loch und fühlt sich total überflüssig. Ist die heutige Gesellschaft wirklich so? Mir fehlte die Tiefe. Alles wurde nur kurz angerissen und zu Marla gab es gar keinen Zugang.
Ein Buch, auf das ich tierisch gespannt war, ist Realitätsgewitter von Julia Zange. Auf NetGalley habe ich den berührenden Roman gefunden, von dem Sogar Maxim Biller sagt: „Das kann nur Julia Zange: Alle zehn Jahre ein Buch schreiben, das man nicht mehr vergisst. Danke an NetGalley und den Aufbau Verlag für die 157 Seiten, die noch gar nicht so lange zu haben sind. Marla lebt in Berlin und hat das Studium abgebrochen. Sie jobbt sich durch die Tage, als ihre Eltern ihr die Unterstützung streichen. Richtig erwachsen fühlt sie sich dabei nicht, eher auf der Suche. Nach was, kann sie nicht festhalten. Nach Halt? Liebe? Zu Hause? Zwischen Männern und Sehnsucht, Medien und einer schicksalshaften Heimreise versucht Marla sich selbst zu finden. Und das merkt sie noch nicht mal, bis es fast zu spät ist. So kurz der Roman ist, so tief und schwer ist er. Von Anfang an ist da eine kühle Distanz, mit der Marla als Ich-Erzählerin ihr Leben betrachtet. So vollkommen unreflektiert und teilnahmslos lässt sie sich treiben. Von einem Mann zum anderen, von Bekannten zu Jobs. Es sind aneinandergereihte Augenblicke, die das große Ganze nicht etwa vermissen lassen, sondern die Lächerlichkeit zeigen, es zu suchen. Marla packt eine unerklärbare Sehnsucht nach irgendwas. Zwischen Ablehnung und Pseudo-Leben verliert Marla sich selbst. Egal wie viele Freunde sie auf Facebook hat, sie können die Momente der Einsamkeit nicht verhindern. Und egal, wie sehr sie sich an einen Mann hängt, seine Zurückweisung trifft sie immer wieder. Marla will gar nicht erst erwachsen werden. Sie will stagnieren, immer so bleiben, wie sie gerade ist, in einer nimmerlandartigen Zwischenwelt gefangen. Doch die fehlende finanzielle Unterstützung treibt sie zu einem Broterwerb. Ohne, dass es sofort klar wird, schleichen sich Anzeichen der Veränderung ein. Ein neuer Rhythmus, der nach langen Abenden in Tageroutinen besteht. Ein Realitätsgewitter, dass auf sie niedergeht. Die verschiedenen Stränge in Marlas Leben und Psyche laufen dabei in einem grotesken Moment zusammen, wenn sie ihre Eltern besucht. Psychologisierung. Marla, die eben noch so distanziert war und eine jugendliche Ignoranz gezeigt hat, gewinnt rasant Tiefe. Alles erscheint in einem anderen Licht und wird einfach mehr. Auch für Marla nicht leicht zu ertragen. Die Realität verwirrt sie. Sie kommt in ihr nicht zurecht. Ein grandioser Roman, der virtuelle Freundschaften neben reale Begegnungen stellt. Einsamkeit neben dutzende Freunde, eine belebte Unterhaltung neben starres Schweigen. So sehr Marla es leicht fällt, im einen zu bestehen, so haltlos fühlt sie sich im anderen. Die Figurenentwicklung ist dabei nuancenhaft und doch unverkennbar. Sehr realistisch zeigt sich Marlas Suche nach sich selbst wischen den Hürden der Realität. Realitätsgewitter ist deswegen so unschlagbar, weil es detailliert und glaubwürdig ist, bis zum letzten Wort. Das Marla als zentrale Figur, die einzige bleibt, die wirklich charakterisierbar ist, stört dabei nicht, denn die aufgezeigten Stereotype entstehen ja erst durch ihren Blick. Marla ist keine vorsichtige Beobachterin, sondern urteilt schnell und handelt dann trotzdem anders. Sie ist keine sympathische Figur der Literatur, ist aber so unheimlich menschlich, dass trotz allem eine Identifizierung mit ihr möglich ist. Sind wir nicht alle ein bisschen Marla?
"Was macht man, wenn man Geld verdienen muss?" weiß ich, ein Job finden?!?
Marla studiert nicht, arbeitet nicht, sie wartet auf Geld von seinen Eltern (die sie nie besucht) und geht die ganze Zeit in Parties. Und das ist alles... Das Buch hat eigentlich kein Plot, Figurentwlickung auch nicht...
Beschrieben werden Entfremdungserfahrungen (diss Zustände) auf ganz klare Art und Weise. Das kurze Buch beschreibt ein Bild von Befindlichkeit. Quasi: Wie es sich anfühlt, wenn das Leben gleichzeitig zu viel und zu wenig ist. ich finde das Wesen der Protagonistin sehr authentisch dargestellt!!!
Eine Geschichte übers Erwachsenwerden in einer oberflächlichen Welt, voller jugendlicher Dramatik und unnötigen englischen Sprachschnipseln. Nicht wirklich schlecht geschrieben, aber insgesamt doch eher ein Realitätsnieselregen.
Ich hab versucht, zu verstehen, warum sie immer Angela Merkel erwähnt, und versucht, ihren Gesichtsausdruck zu interpretieren. Ich dachte, es hätte einen tieferen, politischen Sinn. Hatte es aber nicht. Stattdessen ist es ein kurzer Roman, der versucht, große Gefühle in einfachen Sätzen zu beschreiben, und vermischt viele Themen in ein großes Misch-Masch. Die Autorin versuchte sich selbst die Welt zu erklären, und hat es leider nicht geschaft, deshalb, obwohl ich mich doch mit der Protagonistin auf einer Ebene identifizieren kann, bleibt das Buch ein Versuch. Trotzdem sympatisch. Ließt sich schnell.
Ich bin ja wegen des reizenden Covers auf dieses Buch aufmerksam geworden, mich hat die schwarze Katze irgendwie angesprochen, was leider beim Inhalt nicht unbedingt der Fall war. Man lernt hier Marla kennen, die sich irgendwie durchs Leben schnorrt. Fand ich ja als Grundidee richtig interessant und spannend, aber leider werden die meisten Themen eher oberflächlich besprochen, was irgendwie schade ist. Zur Hauptperson Marla konnte ich definitiv keine Verbindung aufbauen, entweder habe ich eine andere Einstellung oder war es einfach Marlas Art, aber ich konnte nichts mit ihr anfangen. Leider gibt es manchmal Hauptpersonen, die mir nicht sympathisch sind und war es hier halt wieder mal der fall. Was ich positiv fand, ist die Sprache in der die Geschichte geschrieben wurde. Der Schreibstil ist flott und unterhaltsam, der passend für die heutige Zeit ist. Ich denke auch, dass die Autorin auch manche Situationen beschrieben hat, die auch wirklich passieren können, da manche Sachen für mich sehr gesellschaftskritisch sind, was es auch manchmal braucht. Fazit: 3 von 5 Sterne. Interessanter Roman über die heutige Gesellschaft, der recht unterhaltsam ist, aber mich nicht 100% überzeugen könnte. Leider
"Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich nur aus Gegenwart bestehe."
Genau das gleiche Gefühl habe ich bei dem Buch an sich, es fühlt sich so sehr nach 2016 an. Das kann man nostalgisch sehen, vielleicht sogar mit einer Zeitkapsel vergleichen oder eben als Kritik wahrnehmen. Es ist aus der Zeit gefallen. Diese Art Geschichte gab es seither und davor auch, immer und immer wieder. Millenials in Großstädten, die ursprünglich vom Land kommen, und jetzt mit Kunstbetrieb, Beziehungsschwierigkeiten und Selbstzweifel jonglieren. Das wäre vielleicht kein so großes Problem, wenn es ein ausgesprochen guter Beitrag zu diesem Subgenre wäre, aber das ist es nicht. Es ist weder schlecht noch gut. Weder ein Höhepunkt noch ein Ziel-irgendwas! Es plätschert einfach so vor sich hin. Der Protagonistin fehlt es an richtigen Eigenschaften, an Ecken und Kanten. "..., keine Kratzer, keine Spuren vom Leben."
Man kann behaupten das waren bewusste Entscheidungen und im Endeffekt läuft es auf den individuellen Geschmack hinaus. Manchen schmeckt's und andere gehen mit leerem Magen. Vielleicht habe ich mich ja endgültig an diesem Subgenre satt gegessen. Vielleicht gibt es da einfach nichts mehr zu sagen, vielleicht ist nichts mehr am Knochen dran.