Diesem Buch liegen die Akten von 179 Patienten der Schweriner Nervenklinik zugrunde, die 1941 als »lebensunwert« ermordet wurden. Ihre Akten blieben auch nach dem Ende der Nazizeit unter Verschluss - im Ministerium für Staatssicherheit der DDR -, bis sie nach der Wende 1990 ins Berliner Bundesarchiv gelangten, wo Helga Schubert sie ausgewertet hat. Ihr Buch - keine historische Studie im engeren Sinn, sondern ein bewegendes und einzigartiges Stück Literatur - folgt minuziös den Schicksalen einzelner Opfer vor und nach ihrer Einlieferung in die Klinik, aber auch den Werdegängen der Ärzte - die sich dem Tötungsauftrag verschrieben oder sich ihm widersetzten. Zugleich sucht dieses Buch auch nach der Anbindung an eine Gegenwart, in der Debatten um Sterbehilfe, Hirntod und pränatale Gendiagnostik immer breiteren Raum einnehmen. Sein Die offene Gesellschaft mit allen Mitteln - auch dem der belasteten Erinnerung - offen zu halten und das »Verrückte« in und um uns als Teil unseres Lebens zu akzeptieren.
»Wie viel einzelne Schicksale getöteter Geisteskranker könntet ihr in einem Buch aushalten, habe ich ein paar Leute gefragt. Fünf, hat Katja geantwortet. Höchstens zehn, antwortete Hannes. Zwölf, sagte die Literaturredakteurin einer Zweiwochenzeitschrift, und dann möglichst in einem Rhythmus angeordnet mit den Geschichten der Täter. Ob ich so etwas lesen, mir so etwas antun werde, weiß ich noch nicht, war die Antwort einer Lehrerin.«
Eine Mörderanstalt Mitgift Ein Zettel Vor Gericht Nachfrage und Auskunft Die Personen der Handlung Perlkönigin und Nattergallen - Der Haken über dem u Nur ein Wort Der erste Transport Ausflug ins Gas - 18. Juli 1941 Ein Arbeitstag Im Bernburger Duschraum Nun steigen wir ein, wir zum Tode Verurteilten Das ist elend ihre Krankheit Der zweite Transport Ich doch Dein Liebe Frau Trost Das grüne Operationstuch Die erste psychotische Patientin Ein Baum wie ein Körper Glaskugeln Staubwischen mit Virginia Woolf Nach dem 9. November 1989 179 von 275 von 105 000 Das Lächeln auf der Fotografie Eine Frage Eine Todes-Statistik Zeitungsmeldungen Aus heutiger Sicht Ein Durchbruch der Gallenblase Der Sachsenberg-Prozess Leben nach dem Ende der Diktatur Ein geheimer Gegner der Euthanasie Das Passfoto in der Personalakte des Dr. Alfred L. Ein Programmhinweis Überdosis E für Euthanasie Einfühlung in die Gewährung des Gnadentodes
Ich glaube, Schubert ist ein Fall von „Schreiben als Bewältigung“, Bewältigung des vergangenen und des unaussprechlichen, und für dieses Schreiben habe ich großen Respekt. Streckenweise sehr fallstudienstark, und weil sie die Informationen über die von den Nazis getöteten Patientinnen in Kliniken nur aus Akten kennt, kommt man ihnen nur bedingt nahe. Man muss sich auf diese Art Text einlassen. Ich habe mir noch mehr Einordnungen von Schubert selbst gewünscht, die Teile wo sie sich Gedanken macht sind die stärksten in meinen Augen (zB darüber, was Anstand in Diktaturen sein kann/soll)
Ich weiß nicht was ich über dieses Buch denken soll. Es erinnert mich an an diesen einen langen weißen Kittel, dessen Erinnerung ich gerne vergessen würde.