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210 pages, Paperback
Published January 1, 1979
"Langsame Heimkehr" ist Peter Handkes 1979 erschienener Kurzroman über das Leben in der Ferne und den Aufbruch zu einem Ort, den man Heimat nennt.
Der Geologe Sorger ist Mitteleuropäer, arbeitet jedoch schon seit geraumer Zeit an einer amerikanischen Universität. Die Leserschaft trifft ihn zu Beginn der Erzählung bei einem mehrmonatigen Forschungsaufenthalt in Alaska an. Es ist das Ende seiner Zeit dort und er scheint weniger mit einer objektiv-geologischen Untersuchung des Bodens, als mit ausgiebiger Beobachtung der Landschaft und Menschen in seinem Umfeld beschäftigt zu sein. Seine, von der Geologie ausgehenden, sich aber zu einer Metaphysik des Raumes ausweitenden Überlegungen sind auch der Kern von dem, was Sorgers Erleben auf den beiden weiteren Stationen seiner langsamen Heimkehr nach Europa, nämlich an der amerikanischen Westküste und in New York City, beschäftigt. Dabei wird immer deutlicher: Sorgers "Wissenschaft" und seine Frage nach der Heimat sind eng verbunden.
Wer Einlass in Sorgers Welt bekommen möchte, muss sich anstrengen. Die dichten Sätze, der Hang zu Partizipien und die komplexe Bildersprache fordern Konzentration beim Lesen. Gerade in den Landschaftsbeschreibungen wird man dafür belohnt, wenn man nicht dem Impuls nachgibt (oder ihn nicht hat), die Sprache als unnötig umständlich abzuurteilen und das Buch beiseitezulegen. Ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich ein abstrahierender Erzählstil mit philosophischeren Gedanken dieses Buches verbindet, findet sich vielleicht in dieser Beschreibung, die Sorger von der Stimmung gibt, die in den Tagen vor seiner Abreise unter den Indigenen wahrnimmt:
In diesem Zeitraum war ständige Gegenwart, ständige Allerwelt, ständige Bewohnheit. Die Gegenwart war eine Allgegenwärtigkeit, wo die einst geliebten Toten mitatmen und die entferntesten Lieben in einem zugänglichen Nebenraum geborgen und guter Dinge waren; die Allerwelt war eine Fremde, in der es keinen Flucht- und Heimkehrzwang mehr gab, aber auch nicht die zwanghafte Teilnahme an den Gewohnheiten der Alteingesessenen; und die Bewohner war eine Haus- und Werkstatthaftigkeit des ganzen Landstrichs, wo persönliches Abgesondertsein ohne die Gewohnheitszwänge durch Innenräume möglich war. (S. 52)
Handke begeht mit "Langsame Heimkehr" weder den Fehler die 'Heimat' zu verklären, noch ihre Bedeutung zu minimieren. Die Aussage, die zu ihr getroffen wird, ist nuanciert; und doch kann die Erzählung nicht restlos überzeugen. Mir fehlen Dimensionen der anderen Charaktere, insbesondere der Frauen, die bei Sorger vor allem funktional wahrgenommen werden und eine klarere Handlung. Handkes Sprache ist kunstvoll und komplex, jedoch für mich zu anstrengend, als dass ich bald nach einem weiteren seiner Bücher greifen würde.