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Tim Parks wäre nicht Tim Parks, hätte er dem übersättigten Medienmann nicht allerschwerstes Reisegepäck aufgeladen. Mit in die eisigen Höhenregionen zieht -- quasi als Roman im Roman -- ein gerade veröffentlichtes Abrechnungsbuch. Cleavers ältester Sohn hat unter dem maliziösen Titel Im Schatten des Allmächtigen den Vater als Meister des schönen Scheins entlarvt, ein medialer Sonnengott, in dessen Nähe sogar die eigenen Kinder verdorrten. Angesichts dieser bitteren Klageschrift ist die Bergesruhe endgültig dahin. Von reflexhafter Verteidigung zum routinierten Gegenangriff -- zur Erkenntnis! In einem ungeheuren inneren Monolog begibt sich Cleaver (hart am Rande des Abgrunds wohnend), auf Forschungsreise in die Abgründe der eigenen Seele.
Im Dauerclinch mit den Widrigkeiten seines Eremitendaseins und den Naturgewalten, kommen Cleavers journalistischer Ehrgeiz (ständig wittert er eine Story, ständig lockt der Griff zum Handy), wie auch seine sexuellen Präferenzen (ständig lockt auch der Griff nach der hocherotischen Pensionswirtin Frau Schleiermacher), langsam zum Erliegen. Als zusätzliches Spannungselement dient, dass Cleavers Berghütte einem kürzlich verstorbenen Altnazi Unterschlupf bot und der merkwürdige Unfalltod einer jungen Frau Rätsel aufgibt (Parallelen zum Tode von Cleavers Tochter, den -- wie ihm sein Sohn vorhält -- Cleaver schamlos medial ausbeutete, sind unverkennbar). Tim Parks hat, trotz des etwas kitschig-versöhnlichen Endes, seinen persönlichen Zauberberg geschaffen. Leider ging die im englischen Original reizvolle Zweisprachigkeit, die Cleavers Sprachlosigkeit unter dem stoischen Tiroler Bergvolk erst richtig deutlich macht, in der Übersetzung etwas verloren. Dennoch, ein Tim Parks, buchstäblich auf ganzer Höhe. --Ravi Unger
384 pages, Paperback
Published January 1, 2008