Михаил Михайлович Пришвин — замечательный отечественный писатель середины прошлого века, «певец русской природы», как назвал его К.С. Паустовский. Заядлый путешественник, страстный охотник, фотограф и краевед Пришвин всю силу своего литературного таланта посвятил описанию неброской, но такой милой нашему сердцу красоты средней полосы России.
Mikhail Mikhailovich Prishvin (Russian: Михаил Михайлович Пришвин) (4 February 1873 - January 16, 1954) was a Russian/Soviet writer.
Mikhail Prishvin was born in the family mansion of Krutschevo, near the city of Yelets in what is now Lipetsk Oblast into the family of a merchant. In 1893-1897, he studied at a polytechnic school in Riga and was once arrested for his involvement with Marxist circles. In 1902, Prishvin graduated from the University of Leipzig with a degree in agronomics. During World War I, he worked as a military journalist. After the war, Prishvin was employed as a publicist and then a rural teacher. He began writing for magazines in 1898, but his first short story, "Sashok," was published in 1906. Prishvin's works are full of poetics, exceptional keenness of observation, and descriptions of nature. Many of his works were translated into different languages and became part of the gold fund of the Soviet children's literature. Mikhail Prishvin was awarded two orders.
Die „Büchergilde Gutenberg“, so ungefähr die letzte Buchgemeinschaft, die es in deutschsprachigen Ländern überhaupt noch gibt, kann auf eine große sozialistische Tradition zurückblicken, Jahrzehnte im Gewerkschaftsbesitz, 1924 in Leipzig gegründet, dann die Heimat von so Leuten wie B. Traven, Oskar Maria Graf, Jack London, Martin Andersen Nexö, Frans Masereel, 1998 von der Gewerkschaft abgegeben, aber immer noch da, als inhabergeführte Genossenschaft, ich war jahrelang Mitglied, bin es jetzt viel mehr Jahre nicht mehr. Diese Büchergilde hat sich immer was drauf zu Gute gehalten, dass man „das besondere Buch“, das „schöne Buch“, das „künstlerisch eigenwillige“ Buch machte. So was ist das hier.
Ich bin zwar angegangen damit, aber ist schon egal, hat mich kaum was gekostet und immerhin habe ich es jetzt vollständig durchgelesen, samt Anmerkungen und Nachwort. Wovon ich rede, das war natürlich keine russische Ausgabe, denn ich kann gar kein Russisch. Aber ein Bildchen von dem, was ich las, ist hier nicht verfügbar. Was ich las, geht auf die DDR des Jahres 1985 zurück. Ganz versteckt hinten findet sich „Printed in the German Democratic Republic“ und es wird auf eine Lizenz von Philipp Reclam jun. Leipzig aus dem Jahre 1985 verwiesen. Es gab das seinerzeit immer wieder mal, diese für DDR-Verhältnisse auf Luxus machenden Ausgaben: Großformat, Leinen, gebunden, Großdruck, graphisch anspruchsvoll illustriert. Das konnte man auch in den Westen verkaufen, zumal wenn es unpolitisch und ein Kinderbuch war. (Ein Kinderbuch ist es nicht.)
Ich nahm es, nachdem ich bei einem Secondhandbuch-Versand immer wieder gesehen hatte, dass es liegen geblieben war, überhaupt nie nachgefragt wurde und daher für ein gut erhaltenes Buch mit dieser Ausstattung unglaublich preiswert war. Nur passte es mir dann doch nicht. Fängt damit an, dass man, um das Buch speziell wirken zu lassen, sich für ein nahezu DIN A4 großes Format entschied. Damit passt es im Bücherregal aber neben gar nichts. Für die belletristischen oder touristischen Bücher ist es zu hoch und zu breit, neben Kunstbildbänden, wohin man es wegen den 17 Aquarellen von Konstantin Sokolov schon tun könnte, geht es ein, weil es zu klein ist. Kinderbuch würde vielleicht passen, aber ich habe sonst keine - und es ist auch kein Kinderbuch.
Der Autor Prischwin (1873-1954) ist nachmalig zu Ruhm in der Sowjetunion gekommen. Er schrieb alles Mögliche, oft über Natur, Tiere und Bücher für die Jugend. Da es sich bei diesem 1906 erschienene Werk aber um seinen ersten Erfolg handelt, muss man erst noch Halt machen, wo es ihm jahrelang nicht gelang, seinen Platz im Mediensektor zu finden. Er hatte Ackerbau in Riga studiert und sich in anarchistischen Kreisen herumgetrieben, war mit Hausarrest belegt worden, jobbte als Dorflehrer und Museumshelfer, studierte Agronom in Leipzig, verlegte sich nach der Rückkehr nach St. Petersburg auf Journalismus, wo er eine Zeitlang wieder alles Mögliche machte, ohne besonderen Eindruck zu hinterlassen. Erste Reiseschilderungen brachten ihm nicht den erwarteten Erfolg.
„Das Land der ungestörten Vögel“ ist so eine Reiseschilderung im langen Buchformat. (Der Titel lautet übrigens nur außen am Buch so, im Inneren der deutschen Übersetzung ist von „unverschreckten Vögeln“ die Rede, für die englische Wikipedia sind sie „unfrightened“.) Ich hatte, angesichts des Schnäppchenangebots mal wieder zu wenig recherchiert und gedacht, ich bestelle etwas aus der Zeit Gefallenes von ganz, ganz weit weg von Moskau, nämlich in Jakutien, im Osten von Sibirien, vom ewigen Permafrost, von Pelzjägern. Dem ist nicht so. In der Tat reiste der Petersburger Journalist damals, im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, nach Norden an die äußerste Grenze der Zivilisation. Es geht an den Wyg-See. Von dem hat man noch nie gehört, obwohl er sehr groß ist, denn der Onegasee, der südlich von ihm liegt, ist noch viel größer, und der Ladogasee, der westlich vom Onegasee liegt, ist der allergrößte in Europa und er entwässert nach St. Petersburg. Das kennt man dann eher. (Wir sind noch in Europa und unter weißen Menschen.)
Allerdings, darum fuhr Prischwin auch hin, ist es „an der äußersten Grenze“. Denn hier ist sehr karger Getreidebau gerade eben noch machbar, bevor endlose Wälder voller Wölfe und Bären kommen. Des Weiteren liegt diese Gegend im Osten von Karelien, in etwa auf dem gleichen Breitengrad wie das hübsche Jakobstad an der finnischen Küste, wo man im Sommer herrlich baden und Kaffee trinken kann. Allerdings kommt dort mittelbar, über die Ostsee, der atlantische Golfstrom noch hin. Bis zum Wyg-See reicht der nicht.
(Zwischendurch: Prischwin ist, erst lange nach seinem Tod etwa am Ende der Stalin-Epoche, für seine Tagebücher und die für die Schublade geschriebenen Essays ganz neu bekannt geworden. Da bemühte er sich um ein ungeschminktes Bild der Zeit. Das spielt für dieses Buch allerdings keine Rolle.)
Schlecht geschrieben ist es nicht, aber es ließ mich kalt, durchweg. Prischwin hat kein klares Konzept, er macht mal dies, mal das. Man könnte ihn einen Impressionisten nennen. Ein paar Landschaftsbilder gibt es, aber letztlich kümmert er sich um die Natur gar nicht so viel, auch nicht um Vögel, die angeblich vor Menschen keine Angst haben, weil ihnen niemand Böses tut. Er kümmert sich um Menschen, die Bauern, die Fischer, die Jäger. Aus deren Alltag gibt es dann kleine „Roman-Episoden“, die schon auch in den Jugendbüchern stehen könnten, wie er sie später machen sollte. Der Mann und der Bär stehen sich gegenüber. Nur nicht bewegen, denken beide. Der Mann sagt zum Bär: … Der Bär denkt … und der Bär sagt: …
Ganz aus der Welt sind wir nicht. Der Wyg-See entwässert nordöstlich gegen das Weiße Meer hin, also in Richtung Archangelsk. Der Ausfluss ist gespickt mit Felsen und zwischen ihnen geht es rapide bergab, unpassierbar für Boote, ein Wasserfall und diverse Stromschnellen. Vom Meer her kommen jährlich die Lachse und wegen dieser Schwelle müssen sie springen. Prischwin behauptet, sie springen zweieinhalb Meter hoch. Die Fischer vom Wyg-See stehen auf den Steinen und schmeißen mit Holzprügeln nach ihnen. Die Lachse fallen besinnungslos auf die Steine, werden totgeschlagen und eingesammelt. Wer abstürzt, ist schnell mal ertrunken, weil unten so eine wilde Strömung herrscht. Solche Sachen stehen im Buch.
Es gibt die Reichen. Die Fischer essen den Lachs gar nicht, denn der bringt in St. Petersburg zu gute Preise. Sie verkaufen den Fisch an die Reichen, die ihn über die besagten anderen Seen nach Petersburg bringen und dort an die Fischhändler verkaufen.
All die vielen Seen sind gefleckt mit noch viel mehr kleinen Inseln ohne Hütten und ohne Menschen. In den kurzen Sommern bringen die Bauern ihre Pferde und Kühe auf solche Inseln, wo man sie unbeaufsichtigt fressen lassen kann. Eine Kuh per einer Fahrt in einem Boot. Sie müssen aber auch immer weiter mit Booten hinüber, um die Milch abzuholen. Das Leben ist endlose Mühe. Kaum ein Winter vergeht, ohne dass die Menschen fürchten, dass ihre Vorräte nicht reichen und sie verhungern. Zumal man dem Vieh immer wieder Mehl füttern muss. Wenn nämlich alles Heu weg ist, geht man zu Sumpfgras über und dieses kriegen die Rinder nur runter, wenn es mit Mehl vermischt ist. Auch für dieses Mehl existiert ein längst etablierter Handelsweg, südöstlich, weit nach Jaroslawl.
Es ist nicht so, dass hier Dschungel wäre. Aber die alten Karelier waren halt keine Russen, sondern eher frühe Finnen. Und darum gibt es viele Geistergeschichten und Legenden, die Prischwin nun sammelt. Außerdem gibt es in Russland die „altgläubige“ religiöse Opposition der Raskolniki. Die sind von der Obrigkeit immer wieder verfolgt worden, haben sich daher zum Teil in diese nördlichen Wälder geflüchtet. Es stellt nun, begreiflicherweise, für diesen jungen Journalisten einen Hit dar, wenn ihm Gespräche mit Eremiten vermittelt werden, die in Wahrheit nach wie vor Altgläubige sind. Wie er vorher schon begeistert war, mit einer Vieh-Besprecherin, einer Hexe also, sprechen zu können.
Was die Vögel angeht, kann man auch sie (respektive die Bälger), nachdem man sie zuvor mehrere Stunden lang wie große Staubwedel oder Knoblauchzöpfe an einen Ast mitten im Wald gehängt hatte, über die Reichen nach Petersburg verkaufen (für die Modeindustrie). Dafür werden Steinfallen errichtet, die stundenlang belauerten Tiere mit Köder gelockt und erschlagen. Das „Unverschreckt“ nicht ganz so ernst nehmen!
Dennoch könnte man das Buch, weiß nicht, ob Büchergilde es so tat, als „Pionierwerk der grünen oder Ökoliteratur“ beschreiben. So lässt der sonst meist auf Wertfreiheit achtende Autor sein Missfallen über die Eichhörnchenjagd erkennen. (Auch hier wieder sind die sehr armen Waldleute auf den Handel mit der Metropole angewiesen, das einzelne Tier bringt nur Kopeken ein.) Zeit scheint man hier oben nicht zu kennen und so verbringt man Stunden und Tage, Bäume, einen nach dem anderen, umzusägen, weil Eichhörnchen droben sitzen. Die springen dann weiter und also wird ein zweiter, dritter, vierter Baum gefällt. Das Holz, so weit ab vom Ort, ist wertlos und verrottet. (Anderes Holz wird den Wyg hinab geflößt, wegen dem Wasserfall geht etwa ein Drittel kaputt und bleibt dann auch liegen.)
Je nach Mentalität mag man dieses Buch höchst interessant finden. Schlecht geschrieben oder etwa altmodisch ist es wirklich nicht. Mich hat es halt nie ehrlich interessiert, das muss ich schon zugeben.
Direkt gestört haben mich nur die 17 Aquarelle von Sokolov. Der scheint voll und ganz der ewigen Tradition russischer Jugendbuch-Illustration ab dem Zweiten Weltkrieg entsprungen. Ich hatte erwartet, „originale, historische“ Zeichnungen eines Augenzeugen vorzufinden, etwa wie man sich den „Großen Brehm“ denkt. Sokolov malt überall Laubbäume hin, obwohl wir doch so subpolar sind. Die haben ganz schlanke, vier Häuser hohe Stämme, nur ganz oben eine schmale, ausladende Krone. Um Birken handelt es sich also nicht. Und die Boote sind immer diese schwarzen, schmalen Einbäume mit den scharfen Schnauzen. Einmal steht darin ein Mann neben seinem Pferd. Aber sonst denkt man, da hinein jetzt einen Ochsen, das kippt sofort um. Für Kinder mag so etwas hübsch sein, aber ich bin kein Kind mehr. Noch mal: Dies ist kein Kinderbuch.