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sous le vent

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Sous le vent est le premier roman de Maria Borrely, publié en 1930 à la NRF sous la recommandation d’André Gide.
Il a été réédité en 2009 par les éditions Parole, un éditeur rural dans le Verdon.

Ce roman n’est pas un roman, c’est un pays. Un pays de Haute Provence qui s’étend, plat comme la main, entre la Durance et Moustiers-Sainte-Marie.

Un pays de paysans où Marie, bousculée par le vent, se meurt d’amour pour celui qui s’est joué d’elle. Une histoire de femmes de la terre et de vent, sculptée par le puissant souffle féminin de Maria Borrély.

Un régal pour les gourmands de mots et d’images, de nature en colère et de courage humain.

Paperback

First published January 1, 1930

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80 people want to read

About the author

Maria Borrély wurde 1890 in Marseille geboren und lebte ein Leben voller Kämpfe. Mistral, der erste von insgesamt vier Romanen, die innerhalb weniger Jahre entstanden, wurde 1930 auf Empfehlung von André Gide bei Gallimard veröffentlicht. Maria Borrélys Wunsch, selbst zu schreiben, entstand in der Künstler-Gruppe, der sie neben Jean Giono, dem Maler Bernard Thévenet, Gabriel Péri, Édouard Peisson und Paul Maurel angehörte.

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Displaying 1 - 15 of 15 reviews
Profile Image for Anna Carina.
682 reviews339 followers
June 28, 2025
Es weht der Wind, die Natur pulst und lebt, schneidet und überlädt die Kulisse mit Aktivitäten und pompösem Sprachspiel. Eine Intensität die sich im Außen abspielt und die Marie in sanfte Morgenröte hüllt- heile, heile Gänschen - Salbeihonig. Die Marie ist erschöpft, vom Code ihrer Zeit. Ermüdend wirkt auch die Reihung der Naturbeobachtungen. Ermüdend, da die Sprache keinen Druck aufbaut. Es liest sich rein illustrativ-surreal in einer Überhöhung, die kalt und kalkuliert auf mich wirkt.
Die Sprache ist reines Ornament. Mich berührt da rein gar nichts. Das ist leblose Durchäthestisierung mit moralisch, pädagogischer Tiefenstruktur -(Da gehe ich nicht weiter drauf ein, da ich bereits in Bezug auf Anna Karenina die Erfahrung gesammelt habe, dass das niemanden juckt oder gar nicht so wahrgenommen wird).
Ein volkstümliches Theater, eine Karikatur von beseelter Natur.

Aber nicht doch! Der Text ist doch so sanft und einfühlsam. Richtig. Das ist nämlich eine "Klara und die Sonne". Hier soll nicht mit sich gerungen werden. Die Sätze sollen nicht wie in "Hyperion" an den Abgrund führen und ein Zuviel im Inneren sein.
Der Text möchte verklärend, den stillen Rückzug ins Innere gewähren.

„Sie begehrt nicht auf.“
„Ein rötlicher Strahl … wohltuend wie Salböl.“
„Sie lächelt beim Anblick der schönen Lüge.“


Diese Stelle wird wie ein Höhepunkt poetischer Kraft inszeniert. Wo emotionale Enge und Not am Größten sind, wird keine Verzweiflung gezeigt. Nein, unsere Marie wird von der Natur erlöst. Ihr Verstummen ist nicht hörbar. Es wird in das Licht der Sonne gehüllt und lullt in einem schönen Zustand des Aufgebens ein. Hurra! Jetzt bin ich aber beruhigt.

Nee auf dieses ästhetisch eingesetzte Verstummen steh ich mal gar nicht. Sie erzeugt ihre Stille nicht selber, wie Narziss es aus Hesses Roman tut. Das hier ist eine Stille die durch ornamentale Metaphernschlacht zugespachtelt wird und herrlich sediert. Aber Hauptsache irgendwas mit Natur, das heilt. Hui, da muss das Herz ja aufgehen. Hach - und dieser Wind und die Bäume und Zweige und ächz und knack und blinky winky....

Das ist ein Buch, um nicht mehr hören zu müssen.
Annehmen, dass die Menschen um einen herum scheiße sind und in einem passiven Rückzug, grenzdebil in die Weite schauen. Dieses Pathos entzündet sich an rein gar nichts. Das ist ein Ort der Erlöschens.

Wenn man das feiern kann, bitte schön.
Profile Image for Alexander Carmele.
475 reviews428 followers
June 4, 2023
Geheimnisvolle und tragische Naturprosa voller Intensität

Maria Borrélys Roman „Mistral“ erschien zum ersten Mal 1930 bei Gallimard. André Gide, der spätere Literaturnobelpreisträger von 1947, empfahl es in höchsten Tönen. Es ward dennoch vergessen. Erst 2006 wurde es wieder aufgelegt, und 2022 von Amelie Thoma zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt, aus zunächst keinem anderen Grund als den, dass die Übersetzerin häufig dort ihren Urlaub verbringt, wo der Roman spielt, Puimoisson, auf halbem Wege zwischen Marseille und Nizza Richtung Grenoble gelegen.

„Die Sonne umschließt einen ganzen Mandelbaum. Als die große Kugel hinabgeglitten ist, steht der Himmel noch immer in Flammen. Hügel und Wolken verschmelzen, sehen aus wie das Meer. Denn sie kennt das Meer, wo weiße Schaumperlen über die Wellen rennen und springen. Sie hat es in Marseille gesehen, bei der Hochzeit von Cousine Thérèse. Sie erinnert sich an weiße Boote mit blitzenden Kupferbeschlägen, Vorhängen aus heller Seide, glänzenden Lederdivanen …“

Borrély schafft es mit wenigen Worten sofort ganze Szenerien zu gestalten, Charaktere einzuführen, ein Dorf zum Leben zu erwecken. Ihre Prosa verdichtet synästhetische Momente. Sie springt in der Beschreibungsintensität vom Kleinsten zum Größten, von Grillen und Käfern zu Sonnen, Wolken und Winden. Alles findet zugleich statt, erhält selbige Aufmerksamkeit, das Holzscheit im Ofen, das Gluckern der Brunnen, das Zirpen, Zwitschern, aber auch die Ängste und Hoffnungen der Eltern und Freunde von Marie, der Protagonistin des Romans:

„Wie gut, dass [Norine] die Marie hat, die ihre rechte Hand ist und keine Arbeit scheut. Und die sich, egal worum es geht, nicht zu schade ist. Ebenso geschickt und flink beim Nähen wie beim Einweichen der großen Wäschestücke, beim Hühnerstallausmisten oder Versorgen der lammenden Mutterschafe.“

In ihrer Naturprosa stark an Adalbert Stifter aus „Bergkristall“ erinnernd, in ihrer Sanftheit zu einer Hermann Hesse Erzählstimmung wie in „Narziss und Goldmund“ neigend, aber im Gegensatz zu diesen sich eines knappen, geheimnisvollen Symbolismus wie Robert Musil in „Drei Frauen“ bedienend, findet Borrély eine sehr eigenartige Mischung aus Strenge und Zartheit. Ihre Sprache wächst, wuchert, stoppt, hält inne, schreitet voran und verwischt, erlöscht wie die Jahreszeiten, die sie beschreibt:

„Diese Ferne zieht [Marie] an, löst sie von der grausamen Welt. Sie spürt die Erschöpfung des Viehs, das über endlose Straßen trottet, ermattet von Staub und Sonne, bereit, umzusinken. Die legenden Wolken sprechen ihre eigene Sprache, unhörbar, aber überzeugend: Alles, was aufrecht und prachtvoll ist, die Wand die der Maurer singend errichtet, der Baum, der sich dem Wind entgegenstellt, der stolze Mensch, der kahle Granitschädel des Hügels, alles fällt zu guter Letzt, die Wand, der Fels, der Baum, der Mensch.“

Wer nur ein wenig Literatur mag, Sprachtrunkenheit, Sprachfreude, Lyrismus und Naturbeschreibungen folgen will, sich in der Schönheit einer verdichteten Sagen- und Märchenwelt verlieren möchte, kurzum Literarizität in Reinstform zu schätzen weiß, ohne Thesen, Erklärungen, Positionen, Meinungen, der wird in Maria Borrélys Kurzroman „Mistral“ fündig werden. Ihre Sprache klingt nach. Die verwobenen Handlungsstränge des Romans verdichten sich zunehmend. In ihm ballt sich die ganze Essenz eines gelungenen, geglückten Schreibens und darauffolgenden Lesens und Verstehens.
Profile Image for Ellinor.
758 reviews361 followers
May 24, 2023
Ich bin ganz begeistert von diesem wiederentdeckten Klassiker! Selten habe ich derart wundervolle Landschaftsbeschreibungen gelesen, wie in Mistral. Man kann richtig mitfühlen, wie der Wind weht und die Natur lebt. Einfach nur herrlich.
Die Geschichte lässt sich in wenigen Worten erzählen: Marie, ein junges Bauernmädchen aus der Haute Provence verliebt sich in Olivier. Sie küssen sich, doch Olivier verlässt das Dorf wieder. An dieser Liebe geht Marie schließlich zu Grunde.
Besonders gut gefällt mir auch, dass die Autorin vieles offen lässt, So dachte ich zunächst, Marie wäre schwanger und dies wäre der Grund für ihren Kummer. Erst später verstand ich, dass dies nicht der Fall war.
Das Buch lebt natürlich auch von der großartigen Übersetzung von Amelie Thoma. Durch diese wird das Geschichte noch einmal lebendiger.
Profile Image for Hannah.
210 reviews1 follower
June 9, 2023
Als Marie Olivier kennenlernt, gerät ihre Welt aus den Fugen. Die gesamte Natur liebt und leidet mit ihr.

Die bildhafte und lebendige Darstellung der Natur machen dieses Buch zu etwas Besonderem. Man taucht ein in eine Welt, in der die Gräser morgens Tau weinen und der Wind mit zusammengepressten Zähnen gequälte Schreie ausstößt.

Zu Beginn des Buches lebt die Protagonistin Marie ein ruhiges und einfaches Leben in der Provence, doch je stärker ihre Gefühlsempfindungen sind, desto intensiver spiegelt die Natur diese wider. Die Beschreibungen und Metaphern führen zu einer lebendigen Vorstellung der Landschaft und des Wetters, welches durch den Mistral geprägt ist. Es brauchte etwas, um mit dem Schreibstil warm zu werden, aber auf Dauer wirkte die poetische Wortwahl übertrieben kitschig.

Die Geschichte konnte mich zwar stellenweise fesseln, aber mit der Handlung konnte ich insgesamt leider nicht viel anfangen. Um richtig in diese Welt einzutauchen, hätte das Buch für mich mehr Seiten haben müssen, so bleibt es mir vor allem wegen des intensiven Naturspektakels und dessen Verwebung mit der Gefühlswelt der Protagonistin im Kopf.
Profile Image for Co_winterstein.
146 reviews10 followers
June 12, 2023
Der Roman von Maria Borrély, der erstmals 1930 unter dem Originaltitel "Sous le vent" erschien, handelt von Marie, die mit ihren Eltern und Geschwistern in der Provence einen Hof bewirtschaftet. Sie ist glücklich mit ihrer Famile, der täglichen Arbeit auf den Feldern und am Hof und besitzt ein sonniges, freundliches Naturell. Eines Tages trifft sie Olivier, der als Knecht in der Ölmühle arbeitet. Bei einem Ausflug tauschen sie Küsse und zärtliche Berührungen aus und Marie verliebt sich unsterblich in ihn. Olivier jedoch ist der Tochter des Ölmüllers versprochen und erwidert Maries Liebe nicht. Maries "Herzweh" nimmt einen dramatischen Verlauf ....
Der Mistral, sein Rauschen, Zerren und Flüstern zieht sich durch den ganzen Text.
Eine metaphernreiche, atmosphärische Sprache hat Borrély verwendet. Das ausführlich geschilderte Wetter, die Natur und ihr zyklushaftes Werden und Vergehen spiegeln das Innenleben der Protaginistin wider. Nature writing at its best!
Ebenso wie der Mistral über die Provence bin ich durch das schmale Buch geflogen, auf ein Happy End für Marie hoffend, ob es gelingt, müsst ihr selbst erlesen #nospoiler

Nicht nur die Liebe und ihr Kummer ist in diesem Text aktuell, sondern auch der von Borrély beschriebene Klimawandel. Ein alter Mann erzählt von Quellen, die in den Bergen langsam versiegen, wie die Hochebene austrocknet und kahl wird. Zitat in den Slides. Der Text von 1929 ist aktueller denn je!
This entire review has been hidden because of spoilers.
Profile Image for mari_liest.
317 reviews
April 23, 2023
„Wenn ihr Kreuz schwer wird, richtet sie sich im frischen Wind auf und regt die Arme wie eine Pflanze, die sich entfaltet.“

Marie, ein noch junges Mädchen, lebt in Puimoisson, einem kleinen Dorf in der Haut-Provence zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie wächst im Kreis ihrer Familie auf, reift als Frau heran und auch ihre Gefühle erwachen. Nämlich für einen jungen Mann namens Olivier. Raschen fühlen sich die beiden zueinander hingezogen, ein großer Fauxpas zur damaligen Zeit. Als Olivier zurück in sein Dorf muss und Marie zurücklassen muss, bricht der Liebeskummer wie ein Tsunami über die junge Frau herein.

Thematisch werden wichtige Themen aufgenommen, wie die Rolle der Frau, Klimawandel, kleines Dorf mit großer Meinung, Einmischung, etc. Die Geschichte ist wunderbar geschrieben und trifft mit ihren bildlichen Metaphern eigentlich genau mein Denken, etwas dass mich normalerweise sehr anspricht, mich abdriften lässt und meine Phantasie enorm anregen kann. Doch hier hat es sich leider nicht ganz so verhalten, denn ich tat mir irre schwer mit dem blumigen Schreibstil und ich konnte so gar keine Brücke bauen zwischen der Geschichte und mir. Es könnte hier natürlich auch sein, dass ich nicht tiefgründig genug denken kann, oder nicht verstehe, was die Autorin ausdrücken will.

Dieses zauberhafte Buch und der Neuübersetzung von Amelie Thoma kann sicher viele Menschen abholen und warm umarmen, nur diesmal war ich nicht dabei, was auch vollkommen in Ordnung ist.
Profile Image for Christine.
1,432 reviews42 followers
February 23, 2023
Ein ausgezeichneter Roman, der durch die umfangreichen, aber schönen Beschreibungen der Provence viel Ruhe bringt. Ich liebte jeden Satz und konnte mir die Landschaft lebhaft vorstellen. Wie der Titel schon sagt, spiegelt sich der Alltag im Wetter und in den Jahreszeiten wider. Ein sehr schönes Buch!
Ich habe eine digitale Kopie dieses Roman von NetGalley bekommen, und ich habe eine Rezension freiwillig geschrieben.
713 reviews1 follower
June 27, 2023
«Der Wind teilt sich in den Bäumen. Er verliert sich darin, zerrinnt zu Musik, wird zur Brise.»



Ein Klassiker der französischen Literatur, erstmals 1930 erschienen, in großartiger Neuübersetzung. Ein malerisches Dorf im Tal der Haute Provence; der unerbittliche Mistral macht den Menschen das Leben schwer. Marie lebt glücklich auf einem Bauernhof in den Bergen im Kreise ihrer Familie. Eines Tages kreuzt ihr Weg den von Olivier. Marie ist verliebt – sie küssen sich; und sie macht sich Hoffnung, schreibt ihm einen Liebesbrief. Dann hört sie, er heiratet eine andere, eine schöne, junge Frau, ein Einzelkind, dass später ein großes Erbe antreten wird; die Tochter eines Großgrundbesitzers. Marie verfällt in Depressivität, ist an ihrer Liebe verzweifelt. Gleichzeitig beschreibt Maria Borrély die wilde Schönheit der Haute Provence in allen sinnlichen Facetten – Nature Writing. Der Mistral singt, heult, peitscht und macht das Leben an manchen Tagen unerträglich, fordernd den Menschen viel ab.



«Wie Stöße mit dem Hobel, meint man, hastig, wütend, ein Starrsinn, die Erde bis auf die Knochen abraspeln zu wollen.»



Atmosphärisch dicht beschreibt die Autorin die Natur, wobei sie sich genauso empathisch in ihre Protagonistin einfühlt. Lavendel- und Thymianfelder, Schnecken, Wurzeln der Alraune, Olivenhaine und Ölmühlen, Wälder, bergige Landschaft mit Flüssen und Schluchten. Und ewig fegt der Mistral im Lauf der Jahreszeiten über das Land, zerzaust Haare und Bäume, «zerrinnt zu Musik» in «Rohr- und Flötenklänge», bläst die Krume vom Ackerboden, rüttelt an Türen, faucht durch den Kamin, und er hinterlässt ödes Land. Maries Vater, Costant, bestellt die Felder («Auf den Tennen ein Konzert brummender Maschinen»), Norine, seine Frau, kümmert sich um Haushalt, Tiere und um die sechs Kinder. Marie ist die Älteste, ist der Mutter eine Hilfe. Fein beschrieben die karge Olivenernte, die Mutter und Tochter einfahren. Das Land gibt nicht mehr viel her. Die Häuser auf dem Hügel, einst der Stolz in diesem Dorf, sind verlassen, das Land vom Mistral zerstört, kahl und ausgetrocknet die Anwesen nur noch Ruinen. Die Erbarmungslosigkeit der Natur auf den Punkt gebracht: sengende Hitze im Sommer («Der Südwind bläst seit zwei Tagen, heiß wie aus einem Backofen, und hat das Korn zu schnell reifen lassen.»), beißende Winde und Kälte im Winter, die Schönheit der blühenden Bäume und Felder, die harte Arbeit bei der Aussaat und der Einfuhr der Ernte.



«Rund um das vor Licht, trunkenen Zikaden und sonnenverbrannten Ähren sirrende Plateau bilden die Hügel einen Ring aus blauer Frische. Auf der Montagne de Lure ist ein Hauch Schnee zu erahnen. Und der Lavendel, zwischen zwei Weizenfeldern, erscheint wie der violette Grund einer Schlucht am Morgen.



Ob Marie an ihrer Liebe zerbricht, oder ob sie sich fangen wird, bleibt am Ende offen. Ein kunstvoller Text voll Musik, Farben und Gerüche; beim Eintauchen reißt der Wind den Lesern an den Haaren, ihm fröstelt, ihm wird heiß, «das uralte Pflaster mit seinen glänzenden abgewetzten Steinen, die die Fußsohlen verbrennen, nackt», nimmt den Duft der Lavendelfelder und Wälder auf, rümpft die Nase an der Ölmühle, lauscht dem Jaulen des Mistrals. Berührend sinnliche Metaphern durchziehen den Roman, das ist große Kunst. Selten gibt es einen kleinen kitschigen Ausrutscher, meist wenn es um die Liebe geht. Das kann man verzeihen.



«Schöner Morgen.

Die Ferne ertrinkt im Himmel. Er rinnt in die Senken, überschwemmt die kahlen Felsschluchten. Rändern gleich, umfassen die Hügel die azurblauen Wogen. Der blaue Dunst lässt die Klippen weniger schroff, das Laub dichter erscheinen, erfrischt das ausgedorrte Land, verbirgt und benetzt die hässlichen Ruinen der Nordhänge, die Furchen abgerutschter Erde, wie die Falten auf dem Körper einer alten Frau.»



Wir bekommen gleichzeitig einen Einblick in das damalige Dorfleben, die Tagesabläufe, ein Sittenbild dieser Zeit. Erstaunlich ist der Blick des 80-jähriger Onkels auf die Welt. «Man hat die Erde kaputtgemacht, das Klima verändert. Es regnet immer weniger. Die Quellen versiegen.» Er besitz keine Tiere, jagt kein Wild, schon gar nicht isst er Fleisch; das hält er für brutal und widerlich, sie hätten ein Recht auf ein freies, unbeschadetes Leben. Er sieht den Niedergang der Natur, spürt die Veränderung des Klimas, sagt, der Mensch mache die Erde kaputt gemacht und sei damit Schuld an der Veränderung des Klimas. Wohlgemerkt, der Roman ist von 1930! Dorfleben, mit allen Facetten, auch der geistig zurückgebliebene Schäfer ist ein Teil davon, der angeblich als Kind einen Sonnenstich bekam, der nicht ohne Folgen für seinen Kopf blieb. Eine schmale, dafür kraftvolle Novelle, der für Freunde des Nature Writings und für Provence-Fans sicher ein Leckerbissen ist.


«Er war lange Zeit Hirte. Man munkelte damals hinter vorgehaltener Hand, er stille seine Lust bei den Schafen. So erhielt er den Beinamen Bäh.»


Maria Borrély wurde 1890 in Marseille geboren und lebte ein Leben voller Kämpfe. Mistral, der erste von insgesamt vier Romanen, die innerhalb weniger Jahre entstanden, wurde 1930 auf Empfehlung von André Gide bei Gallimard veröffentlicht. Maria Borrélys Wunsch, selbst zu schreiben, entstand in der Künstler-Gruppe, der sie neben Jean Giono, dem Maler Bernard Thévenet, Gabriel Péri, Édouard Peisson und Paul Maurel angehörte.
Profile Image for Diana (buecher.berge).
150 reviews12 followers
March 27, 2023
»Mit ihrem ganzen Gewicht an den Türstock gelehnt, fühlt sich die Marie erdrückt vor Freude, sie zittert vor Scham. Ihr Gesicht ist auf einmal gealtert. [...] Er umfängt sie mit seinem Blick, Körper und Seele. Wie die Luft zum Atmen saugt er das Vergnügen in sich auf, die Rosen ihrer Haut welken zu sehen.«

Ein kleines, malerisches Dorf, gelegen in den Hügeln der Haut-Provence zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dort lebt Marie glücklich und zufrieden im Kreis ihrer Familie. Sie gilt als der Augenstern ihrer Eltern, denn Marie ist fleißig, ruhig und gewissenhaft. Doch gleichzeitig ist Marie auch jung. Und schön. Männer allen Alters im Dorf und den umliegenden Dörfern begehren sie, werben um sie. Doch Marie zeigt an keinem von ihnen Interesse. Bis ihr eines Tages der junge, attraktive und charmante Olivier begegnet. Beide fühlen sich zueinander hingezogen. Unerhört zu der Zeit, kommen sich die beiden rasch näher. Doch schon bald muss Olivier zurück in sein Dorf. Und hinterlässt eine vor Sehnsucht und unerwiderter Liebe niedergeschmetterte Marie, deren Liebeskummer wie eine Naturgewalt über sie und ihre Familie hereinbricht.

»Hier hat es immer mehr Frauen gegeben als anderswo, die im kritischen Alter den Verstand verlieren, die sich zu ihren Zeiten herumtreiben und sich aufführen.«

Ich glaube, die Autorin war ihrer Zeit mit den in »Mistral« behandelten Themen voraus. Im Original erschien der Roman 1930 zum ersten Mal. Er behandelt und kritisiert Themen wie den Klimawandel und gesellschaftlich untergeordnete Rolle der Frau. Ich denke, die unverhohlene Leidenschaft sowie der Trennungsschmerz von Marie galten zu der Zeit unerhört. Marie fühlt sich mit Haut und Haaren zu Olivier hingezogen und anstatt der Sitte zu gehorchen, gehorcht sie ihren Gefühlen, ihrem Verlangen. Vielleicht ist es ja genau diese geforderte, erwartete Unterdrückung der Leidenschaften, die die Frauen im Ort zu Hauf in den Wahnsinn treibt?

Trotz dieser vielversprechenden, fortschrittlichen und interessanten Themen und Gedanken habe ich mich leider sehr schwer getan mit »Mistral«. Im Nachwort beschreibt die Übersetzerin Amelie Thoma den Schreibstil von Borrély als »dicht und physisch, dann wieder reich an poetischen Metaphern und doch immer auf der Suche nach klassischer Strenge.« Ich habe den allergrößten Respekt vor der Übersetzerin, ich glaube das war kein leichtes Unterfangen. Und ich denke auch, dass das – Borrélys Stil – mein Problem mit diesem knapp 130 Seiten umfassenden Roman war. »Mistral« lässt mich hin- und hergerissen zurück. Denn ich wollte den Roman mögen, aber ich konnte keine Verbindung zu Marie, dem Schreibstil oder der Geschichte aufbauen. Ich habe das Gefühl, viel von dem, das die Autorin durch ihren eigenwilligen Schreibstil vermitteln wollte, nicht verstanden bzw. überhaupt nicht wahrgenommen zu haben. Es war mir zu literarisch, zu blumig, gleichzeitig zu wenig Handlung. Eigentlich liebe ich ja Naturbeschreibungen – einer der Gründe, warum ich mich vorab so auf dieses Buch gefreut habe. Aber es war mir zu viel, zu dicht gedrängt, zu viel darin versteckt.

»Leichte Nebelschwaden treiben unten im Licht, milchig, schimmernd. Mit sanft wiegenden Hüften steigen die verliebten Göttinnen zur Sonne hinauf. Die Hügel, in drei Reihen, sind hellsilbern, blaulila, und der Himmel aus hellem Silber, mit einem Schleier aus Sternenstaub.«

Ich glaube, »Mistral« findet eine begeisterte Leser*innenschaft, die diese Geschichte über die Schönheit der Natur und weiblichen Mut mehr als zu schätzen weiß. Ich gehöre nur leider nicht dazu.
Profile Image for Sophia.
38 reviews13 followers
November 24, 2023
Borrélys kurzer Roman erschien erstmals 1930. Ihre Sprache geht Hand in Hand mit der Natur. Sie wird präzise beschrieben und verweist gleichzeitig stets metaphorisch auf die Gefühlswelt der Charaktere, insbesondere der Protagonistin Marie. Vor allem der Mistral ist ein wiederkehrendes Motiv. Einiges blieb mir leider zu abstrakt, obwohl wahrscheinlich viel in diesem kurzen Roman steckt. (Andeutungen auf den Klimawandel zum Beispiel)
Der Text ist sehr reduziert. Das lässt viel Platz für Interpretation, war für mich aber meistens doch zu knapp um wirklich in die Geschichte eintauchen zu können. Dennoch eine spannende Wiederentdeckung, übersetzt von Amelie Thoma, die in einem Nachwort einen Einblick in Borrélys Leben und Werk gibt.
23 reviews
May 12, 2025
Die Gedanken und Emotionen stürmisch wie der Mistral; die Natur als Reflektion des innersten Geschehens einer Person. Die Geschichte einer jungen, unerwiderten Liebe. Die Erzählung wird lebendig durch die Sprache. Selten wird man allein durch die Sprache in eine Welt hineingerissen, noch seltener durch die originellen, volkstümlichen und durch und durch in dem Leben der Protagonistin verwurzelten Darstellungen der Gedanken und Beschreibungen der Natur. Geschrieben wie ein langer, ehrfürchtiger Gesang auf die erhabene Natur und der Menschen, die in ihr versuchen, ihr Leben zu bestreiten.
Profile Image for Lady Hardheart.
4 reviews
November 4, 2023
"eine außerordentliche Knappheit, ein Reichtum an Farben, ein eigentümlicher Klang, eine unmittelbare Kraft bis in die kleinsten Sätze der Dialoge, die Fähigkeit, eine Atmosphäre heraufzubeschwören, die ein wenig phantastisch und doch ganz und gar real ist"
Profile Image for Lesegezwitscher.
59 reviews4 followers
June 12, 2023
Der bereits 1930 erschienene Roman, neu übersetzt von Amelie Thoma spielt in Frankreich, genauer in der Haut-Provence.
Marie, ein fröhliches Bauernmädchen, von allen geliebt und geschätzt verliebt sich, doch die Liebe bleibt aufgrund gesellschaftlichen Strukturen unerfüllt. Marie verfällt in ihrem Kummer und zerbricht daran.

Mit gewaltiger und poetischer Sprache schafft es die Autorin sehr gut, die damaligen Gegebenheiten zu beschreiben. Der Mensch lebt mit der Natur,sie bestimmt das Leben.
Der Mistral, ein Wind, bringt vieles durcheinander.
Die Naturbeschreibungen sind die Stärken des doch sehr kurzen Romans. So wird doch Maries Gemütszustand von den Jahreszeiten gespiegelt.
Trotz, dass der Roman beinahe 100 Jahre alt ist, enthält er verletzende Realität, denn auch schon hier wird vor Umweltveränderungen, hervorgerufen von der Menschheit, gewarnt.

Der Roman lässt sich gut lesen, allerdings kann ich mich den positiven Stimmen nicht wirklich anschließen. Das Buch konnte mich einfach nicht begeistern.
Vielleicht liegt es auch daran, dass ich sehr selten Klassiker lese.
Profile Image for Fanny.
309 reviews44 followers
June 3, 2024
"Elle sait le goût de sa bouche brûlante, s’en rassasie."
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