Ich versuche, weniger nach Einsamkeit auszusehen, schminke mir die Augen, lasse meine Haare glatt. Wenn ein Mann große Hände mit schlanken Fingern hat, darf er mich damit anfassen und neuerdings sieht man mir das an.
Ein wunderbares Erstlingswerk von Josephine Frey in einer wunderschönen schweizer Bindung mit Farbschnitt. Illustrationen von Clara Deitmar.
Ich glaube, wenn ich das Buch vor 2-3 Jahren gelesen hätte, hätte ich fünf Sterne vergeben können.
Die Kurzgeschichten haben etwas Poetry-Slam-artiges, handeln aber alle von denselben deprimierenden Themen, wie Einsamkeit, Gefählstaubheit, Sucht in allen Formen, Depression oder verlorene Liebe. Dabei geht es in allen Kurzgeschichten immer nur um das Lyrische Ich und 'Du' (wahrscheinlich ein Mann) - im Mittelpunkt stehen also die Gefühle des Lyrischen Ichs, die Stilmittel beschränken sich sehr auf Wortspiele, Metaphern oder Vergleiche. Ich hatte das Gefühl, dass fast alle Kurzgeschichten genau gleich sind, könnte jetzt keinen Unterschied benennen, es war so, als ob ich mich beim Lesen im Kreis bewege. Die einzige Kurzgeschichte, die anders war, war die letzte ('Halim liegt wach'), da stand (endlich) nicht nur das Lyrische Ich im Vordergrund, sondern ein Geflüchteter, Halim. Ich glaube ich bin mittlerweile aus dieser Art von Kunst rausgewachsen. Trotzdem ein paar Lieblingsstellen:
"Du wirfst mir vor, dass ich alles schwarz-weiß sehe, aber nur weil du dich auf grau konzentrierst, ist dein Weltbild noch lange nicht bunt." (S.34)
"Der Unterschied zwischen uns ist, dass, wenn wir alles aus uns rausholen, es mich leer und dich tiefgründig macht." (S.51)
"Du hast dich aus meinem Herzen ausgesperrt und dann sind wir beide nicht mehr reingekommen." (S.83)
"Wenn ich Gedichte verfasse, bleibt das Blatt meistens leer und ich könnte es nicht besser beschreiben." (S.101)
Josephine Frey ist eine Kunstfigur, die auf Instagram unter @josephineschreibt zu existieren begann. Dort schreibt die junge Autorin unter ihrem Pseudonym über alles, was sie bewegt – und das sind vor allem die ganz großen Gefühle, die oft mit einem lauen Lüftchen anfangen und sich zu einem Sturm auswachsen.
„Im Enddefekt“ ist Josephine Freys Debüt, das aus verschiedenen Kurzgeschichten besteht, die sich allesamt um mehr oder weniger ein Thema drehen. Es gibt drei Kapitel, die nach den Liedern 'This Modern Love' von Bloc Party, 'Lover I Don't Have To' von Bright Eyes und 'Left and Leaving' von The Weakerthans plus Hidden Track unterteilt sind. Immer ist es ein Gefühl, das detailliert und punktgenau in außergewöhnlichen Metaphern und wuchtigen Bildern beschrieben wird: „Alles, was ich gewinne, wenn ich dich aus den Augen verliere, ist Zeit, die ich lieber mit dir verbracht hätte.“ Dabei bleibt die Person, die Ich-Erzählerin, die Kunstfigur so anonym wie irgend möglich. Jeder könnte diese Person sein, die von Angst und Einsamkeit zerfressen in Melancholie badet. Die nicht genau weiß, wo sie hingehört und doch immer auf der Suche ist. Die die Hand ausstreckt, um sie ganz schnell wieder zurückzuziehen. Alle Kurzgeschichten hinterlassen einen nachdenklichen Zauber, manche kreisen jedoch ein wenig zu weit um den Punkt herum, wirken nicht hundertprozentig in den Rahmen passend und stehen leicht verloren zwischen den anderen Geschichten. Auch zu der Erzähl-Figur, die jeder sein könnte, kann man keinen richtigen Bezug herstellen, was natürlich gewollt ist, an manchen Stellen würde man sich aber wünschen, da wäre eine Möglichkeit, die Figuren, auch die Nebenfiguren, mehr greifen zu können. Aber das ist ok, denn hier geht es vielmehr um das Fühlen, das in Sprache eintauchen und darin etwas finden, das einem sagt, man ist nicht allein, mit diesem Empfinden. Die Autorin spricht aus, schreibt nieder, was sicher viele schon einmal so oder so ähnlich empfunden haben - und das macht sie ganz wunderbar auf ihre eigene Weise mit Bildern und Worten, die man so noch nicht kennt. Gerade junge Leser*innen Anfang/Mitte zwanzig werden sich hier wiederfinden können. In diesem Kurzgeschichtenband steckt weder Leichtigkeit noch eine Lösung, - beides darf man nicht erwarten -, dafür aber ganz viel Poesie und Detailliebe. Diese zeigt sich auch in der liebevollen Gestaltung des Büchleins, das mit aussagekräftigen Illustrationen von Clara Deitmar, einem zartblauen Buchschnitt, abgerundeten Ecken und einer raffinierten Bindung daherkommt. (Dafür noch mal ein Extralob!) „Im Enddefekt“ ist ein gefühlvoller, melancholischer Kurzgeschichtenband von einer jungen Autorin, die sicher noch einiges von sich hören lassen wird. Ich bin gespannt!
Eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe. Es ist als ob jemand in meinen Kopf und mein Herz geschaut hat und all die Sachen zu Tage bringt, die ich mir nicht einmal selbst traue einzugestehen. Sie findet wundervolle Worte für Sachen, die wir alle fühlen, aber über die niemand gern spricht.
Hat mich damals unglaublich berührt, Josephine Frey beschreibt Gefühle und Zustände, die schwer in Worte zu fassen sind. Chapeau! Ein Must Read für alle, die sich aus toxischen und eingeschlafenen Beziehungen befreien wollen! ;)
Einer der Texte hat mich wirklich berührt, der Rest leider nicht- manches war zu plump gereimt (wie rot auf tot), manche Sätze ergaben keinen zusammenhängenden Sinn und mir kam oft vor, dass ein Satz keine Aussage haben sollte, sondern sich einfach gut auf den vorherigen reimen ließ...