Sie ist klug, kunstbegeistert und nach dem Tod ihres Vaters, »Eisenbahnkönig« Alfred Escher, die reichste Frau der Schweiz. Sie ist verheiratet mit dem Sohn eines mächtigen Politikers. Sie ist bereit, all das aufs Spiel zu setzen. Aus Liebe zu einem Künstler. Wer ist Lydia? Niemand kennt sie besser als Luise, das Dienstmädchen, das in allen Wendungen ihres Schicksals an ihrer Seite ist. Und doch bleibt Lydia auch ihr ein Rätsel.
Um die vorletzte Jahrhundertwende spielt dieser Roman. Lydia, die Tochter des Gotthardtunnelerbauers Escher heiratet standesgemäss den Bundesratssohn Welti. Sie wohnen in einem sehr herrschaftlichen Anwesen in Zürich. Ein Freund der Familie, Stauffer, Künstler, porträtiert Frau Welti und ist immer häufiger in der Willa, nicht nur zum Malen. Er schwärmt von gigantischen Plänen, die er aber nur dank der Grosszügigkeit der Weltis umsetzen könnte. Aus der Liebelei wird zunehmend eine Folie à deux, weil Lydia, die ohne grosse Kunstkenntnisse sich ein Denkmal für die Ewigkeit schaffen wollte, wie es bei den reichen Industriellen üblich war. Stauffer zieht nach Florenz, Lydia erreicht, dass sie mit ihrem Mann ebenfalls dorthin zieht, das Haus in Zürich verkaufen sie. Als aber Stauffer nach Rom zügelt, erreicht die Eskapade ihren Höhepunkt, Lydia zieht zu ihm. Diese Schmach kann der Schwiegervater Lydias nicht hinnehmen. Er setzt seinen Sohn massiv unter Druck und erreicht, dass Lydia in eine vornehme psychiatrische Klinik eingewiesen wird. Stauffer wird verhaftet, später freigelassen und wieder verhaftet. Darauf folgt die Scheidung der Weltis und Lydia bezieht ein einsames Haus bei Genf. Stauffer nimmt sich nach erfolglosen Kontaktversuchen zu Lydia das Leben, Lydia gelingt es nach mehreren Versuchen ebenfalls. Die ganze Geschichte wird aus der Sicht der Kammerzofe Luise erzählt. Sie beobachtet die Ereignisse so gut es geht und die Frauen kommen sich näher, fast verschwindet das soziale Gefälle, aber doch nicht ganz. Luise bleibt treu ergeben bis an Lydias Beerdigung an ihrer Seite. Dann heiratet sie einen Kellner, der im Cafe arbeitet, das die beiden Frauen öfters besucht hatten. Was etwas kitschig daherkommt, ist wohl historisch, schreibt doch das Leben selbst oft den schönsten Kitsch. Lukas Hartmann ist ein Kranz zu winden für diesen Roman. Sprache und Erzählkunst treffen den damaligen Zeitgeist hervorragend. Einfühlsam und nicht prätentiös beschreibt er sowohl die damals vorherrschenden ziemlich bigotten gesellschaftlichen Zustände wie auch die psychischen Abgründe der Beteiligten. Gerade in der heutigen Zeit, wo das Ulkige fast zum Zwang wird, ist dieser feinziselierte Roman eine Wohltat.
Ich hatte dieses Buch auf meiner Wunschliste und freute mich entsprechend sehr auf das Buch.
Nun nach ein paar sehr langen Stunden des Lesens klappe ich das Buch etwas enttäuscht zu. Es war leider nicht so meine Geschichte. Ich hatte auf eine etwas spannendere und vor allem dynamischere Biografie gehofft, aber die Geschichte kam nicht so richtig in Fahrt und schleppte sich über die Seiten. Immer wieder hoffte ich auf einen Knall und ansteigendes Tempo, aber bis zum Schluss blieb es leider beim zähen Fluss.
Die Charaktere wirkten blass und farblos und für mich wenig greifbar. Die vielen, vielen Details waren zwar gut, aber hemmten die Geschichte. Man trat auf der Stelle und wollte doch nur vorankommen. Ich habe bis zum Schluss Frau Welti-Escher begleitet, aber noch eine Reise mit ihr kann ich mir nicht vorstellen.
eine sehr dramatische Geschichte über eine Frau, die für die Liebe alles riskiert - obwohl ich sehr mit Lydia mitgefiebert habe, war mir der Anfang und die Vorgeschichte etwas zu langgezogen und zäh / auch sonst hätten alle Ausführungen etwas kürzer gehalten werden können
Durch die Erzählung des Lebens von Louise, das Dienstmädchen Frau Welti-Eschers am Ende des 19. Jahrhundert, gibt Lukas Harmann dem Leser einen Blick in ein Leben, das zugleich luxuriös und mondän sowie alltäglich und banal wirkt. Es konnte nicht einfach gewesen sein, zu dieser Zeit am Leben zu sein. Die strikt definierten Verhaltensregeln der Gesellschaft verliehen nicht viel Spielraum für Fehler. Dies hat die tragische Dame Lydia Escher durch eigene Erfahrung herausgefunden. Kaum ist sie mit ihrem Künstlerfreund durchgebrennt, wurde sie in einem Irrenanstalt eingesperrt und später von ihrem Mann fast völlig enteignet und sogut wie weggeworfen. Der gleichzeitige Verlust des Liebhabers, Mannes, Ansehens und Vermögens war natürlich zu viel für die arme Frau und, ohne Chancen auf einem Neuanfang, und nach Ankunft der Nachrichten, dass auch ihr ehemaliger Liebhaber sich das Leben genommen hatte (es gelang ihn erst auf dem zweiten Versuch), blieb ihr nicht viel übrig als selber den Ausgang zu suchen - was ihr auf dem dritten Versuch gelang. Zur Aufheiterung am Schluss der Geschichte bleibt die treue Luise mit besseren Aussichten auf einem glücklichen Leben, was ich sehr hoffe, ihr gegonnt ist: samt treuer Ehemann und die drei ersehnten Kinder.
Eine schöne Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht und die Tücken der Belle Epoque zum Ausdruck zu bringen vermag. Ein Scheidung/Trennung als Skandal, psychische Erkrankungen, die stigmatisiert werden, die Schere zwischen Arm und Reich und ein Patriarchat, das das Leben von Frauen bestimmt. Nicht mein Lieblingsbuch, da es sich für mich etwas zu lange gezogen hat und ich darum einige Pausen einlegen musste. Es hat sich trotzdem gelohnt und ich würde es im Rahmen einer historischen Biographie durchaus weiterempfehlen (aber wohl eher nicht als packenden (Liebes)-roman).