Ein elitärer Schnösel, der als Literaturprofessor irgendwo im Mittleren Westen lehrt und mit seiner schönen, erfolgreichen Frau Pläne für das gemeinsame Traumhaus schmiedet -- und das soll uns interessieren?! Ja, absolut, denn der Roman Himmelssturz ist eines der aufregendsten literarischen Debüts der letzten Jahre. Schnell zeigen sich Haarrisse in der Fassade des idealen Paares und zu dem Zeitpunkt, als uns Farald die Geschichte -- oder (s)einen Teil davon -- erzählt, ist die allerdings schicksalhafte Katastrophe bereits passiert. Wie er und Skye sich auseinander gelebt haben, wird dabei nur angedeutet; vielleicht hat ja ihr gemeinsamer Freund, der Architekt Antonin, Recht, für den "Aussichtsmenschen" und "Deckungsmenschen" einfach nicht zusammenpassen. Oder liegt es an Helene, der jungen Deutschen, die Farald auf mysteriöse Weise an seine Kindheit in der Alten Welt erinnert und ihn so seiner durch und durch amerikanischen Frau entfremdet? Jedenfalls wachsen die Vorbehalte des Professors gegenüber seinem Lebensentwurf und seiner Umgebung fast mit jeder Seite. Sobald er den Campus, "dieses andere, kühlere Land", verlässt, findet er sich in einer Konsumhölle wieder, in der Schuldenmachen eine Tugend und die Mitgliedschaft im Automobilklub staatsbürgerliche Pflicht ist. In der klimatisierten Kunstwelt der Shopping-Malls tobt sich "der Wohlstand der Clinton-Ära" aus, während draußen "nichts als diese unerträgliche, monströse Hitze" ist. Weder Farald noch der aus Puerto Rico stammende Antonin werden in diesem unwirklich-unwirtlichen Amerika jenseits der Metropolen am Ende richtig heimisch. Selbst die vermeintliche Oase des Geistes, die Kauffman-Universität, entpuppt sich als Schauplatz von Prüfungsfarcen und erstickender Bürokratie. Das alles ist nun nicht besonders neu, aber trotzdem schlägt uns der Sprachmagier Gregor Hens in seinen Bann. Und wie bei jedem guten Zauberkunststück kann man nicht genau sagen, wie der Trick funktioniert. Sind es die kurzen, kürzesten Sätze, in denen jedes Wort passt; eine bald behutsame, bald zupackende Prosa; ein Tonfall, der scheinbar mühelos zwischen sarkastischer Sozialkritik und elegischen Tagträumereien variiert? Es könnte auch an der raffinierten Erzählkonstruktion liegen, in der sich die Zeit- und Erinnerungsebenen überlagern, ohne dass es je aufdringlich kunstvoll wirkt. So gut das Verknappen, Andeuten, Weglassen über weite Strecken funktioniert -- die Figur Skyes bleibt für meinen Geschmack zu schemenhaft. Deshalb ist die beste Liebesgeschichte eigentlich die, die Helene einmal von ihrem Bruder erzählt. Die ist zugleich schreiend komisch und todtraurig und spielt -- nanu! -- in Los Angeles. --Patrick Fischer
Auf Seite 19 habe ich schon mal meinen Warenkorb mit den restlichen Werken von Hens gefüllt, aber dann kam die große Ernüchterung. Dieses Debüt krankt a) an etlichen handwerklichen Fehlern, das ist doppelt unverzeihlich, wenn man b) einen Roman ohne Handlung schreiben will. Zu den absoluten Todsünden zählt für mich, wenn die Haarfarbe der Frau, in die der Held oder Erzähler gnadenlos verschossen ist, erst nach 30 Seiten mitgeteilt wird, in denen die betreffenden Person ungehemmt drauflos schwätzt, während Nebenpersonen zuvor bis zum Schweißtropen im Flaum auf der Oberlippe beschrieben werden. Die Haarfarbe ist nun mal, - ich weiß ich wiederhole mich -, nicht ein Muttermal auf der Unterseite der rechten Pobacke, das vielleicht im weiteren Verlauf der Handlung eine Rolle spielen kann.
Ort der Handlung ist ein Universitätscampus, in dem kein Gebäude von einem anderen aus gesehen werden darf. Der Erzähler ist dort als Kognitivwissenschaftler tätig. Vor sieben Jahren oder so hat er die perfekte und stinkreiche Braut an Land gezogen und nach sieben Jahren Zusammenleben ist man im betreffenden Bundesstaat auch ohne Gang zum Standesamt oder Altar verheiratet. Wirklich zu zweit sind der Erzähler und seine Erbin, die berufsmäßig ins Straucheln geratenen Unternehmern damit vertraut macht, dass sie mit ihrer Bank nicht mehr auf demselben Niveau wie beim letzten mal verkehren, allerdings selten. Der Aggro-Architekt Antonin, der gerade das perfekte Haus für die beiden konzipiert und dabei der Kunstsammlerin das Aufhängen jedes Bildes untersagt hat, gehört zumindest außerhalb des Bettes zur Menage à trois. Als die blonde Studentin Helene ins Spiel kommt, hat Antonin zwar kurzfristig eine Frau, aber eigentlich ist die Brünette Perfektion das Maß aller Dinge für A. Der Erzähler F steht Helene dafür mental ziemlich nahe, irgendwie mittendrin stellt sich heraus, dass die beiden sogar mal auf einer Insel in der Nordsee ein Spiel miteinander gespielt haben, das keiner begriffen hat. Ein geradezu symbolisches Kapitel, denn der Sinn und Zweck dieser Montage von zumeist belanglosen Momentaufnahmen hat sich mir nicht so recht erschlossen. Weiter hinten 140-154 gibt es noch einmal gelungene 15 Seiten über Helenes Bruder, der sich von einem ziemlich ausgeschriebenen, aber in jeder Hinsicht parasitären Autor ausnutzen lässt. Das macht in der Summe 30 wirklich lesenswerte Seiten, zu wenig für den dritten Stern und Ach ja, mein Warenkorb ist wieder leer, so weit es Gregor Hens betrifft.