Een vrouwelijk protest tegen dictatoriaal feminisme Op de weg naar gelijke rechten zijn vrouwen iets verloren, namelijk de vreugde om gewoon vrouw te zijn, om gewoon moeder te zijn zonder zich steeds voor die eigen keuze te moeten verontschuldigen. Birgit Kelle verzet zich tegen een feminisme dat vrouwen geen gelijke rechten geeft, maar vooral plichten voorschrijft. Vrouwen hebben anno 2013 gelijke rechten als mannen. Het huidige schandaal is dat degenen die thuis onze kinderen op te voeden, gediscrimineerd worden. Maar was het feminisme niet juist bedoeld om vrouwen de vrijheid te geven zo te leven als ze zelf willen? ‘Dictatoriale feministen vertrouwen ons vrouwen wel de wereldheerschappij toe, maar niet dat we onze eigen keuzes maken.’ Er zijn honderdduizenden vrouwen zoals ik in ons land. Vrouwen die graag vrouw zijn, dat graag laten zien en daar ook niet steeds over hoeven te discussiëren. Moeders, die graag moeder zijn en vanwege het moederschap ook graag voor langere tijd stoppen met hun betaalde werk. Maar niemand komt voor hun belangen op. Voor al deze vrouwen is dit boek. Een bemoediging: laat je niet van je eigen weg afbrengen, wat je doet is goed. Dat mag je doen! En houd dan ook eindelijk eens op om jezelf steeds weer te rechtvaardigen.- Birgit Kelle
Dass mir dieses Buch nicht gefallen würde, war mir von Beginn an klar. Von der Autorin hatte ich bislang kürzere Stücke gelesen und sie in einigen Talkshows gesehen, wusste also, dass ihr Weltbild mit meinem in keinster Weise übereinstimmt. Und trotz dieses Vorwissens wurde dieses Buch für mich zu einer größeren Qual als befürchtet. Das fängt bei dem furchtbaren Titel an und setzt sich jedem einzelnen Kapitel fort. Zunächst ist da, rein formal betrachtet, der Aufbau: Das Buch will viel zu viel auf einmal. Der Titel suggeriert eine Abhandlung zum Thema Sexismus (mit der Verheißung von victim blaming), der Klappentext verspricht eine Ode an die Einmaligkeit der Mutterschaft, der tatsächliche Inhalt ist eine polemische Abrechnung mit allem, was so ein erzkonservatives Weltbild bedroht.
Meine Definitionen von Feminismus und Sexismus stimmen nicht mit denen - für mich - sehr kruden Interpretationen der Autorin überein. Ihre Argumente sind teils widersprüchlich, teils falsch, immer überhöht, oft ärgerlich und manchmal einfach nur dämlich - oder sogar gefährlich. Im Folgenden möchte ich eine kleine "best of" - oder eher "worst of" Liste ausgewählter Zitate präsentieren. Diese sollte ausreichen, um einen Eindruck vom Buch zu gewinnen. Empfehlen möchte ich es niemanden.
Sexismus „Sexistische Strukturen“ (die auch so in Anführungszeichen gesetzt werden) sieht sie nicht, kennt sie nicht, also kann es sie wohl kaum geben – vielmehr sind sie nur eine billige Ausrede:
„Man findet diesen Begriff immer gern und überall, wenn Frau nicht weiterkommt und einen Grund sucht, der abseits ihrer Persönlichkeit und Talente liegt.“ (S. 24/25)
Frauen, die Sexismus erfahren haben, werden also nicht nur der Lüge bezichtigt, Frauen wird auch generell vorgeworfen, nicht in der Lage zu sein, sich (und anderen) Fehler, eigene Schwächen und/oder Unzulänglichkeiten einzugestehen. Darunter leiden die armen Männer, die (so, wie Frau Kelle es soeben mit Frauen getan hat) in Sippenhaft genommen werden. Nur, warum?
„Wie darf ich mir das vorstellen? Werden schon Jungs irgendwann im Leben beiseitegenommen von ihren Vätern, um sie auf das Unterdrücker-System einzuschwören?“ (S. 25)
Nicht nur von den Vätern, und ja, auch das sind sexistische Strukturen, und das geht so: „Stell dich nicht so an, du bist doch kein Mädchen“ oder „Boys will be boys“ oder „Jungs weinen nicht“ oder „Wie ein Mädchen, hahaha!“ usw.
„Man möge mich nur bitte, bitte, ab sofort mit den ständigen Hinweisen auf die besonderen Fähigkeiten und Wesenszügen von Frauen verschonen. […] Noch sexisitischer kann man eigentlich gar nicht argumentieren. Wer nämlich nur Frauen all diese positiven Eigenschaften zuspricht, der verneint sie im gleichen Atemzug beim Mann.“ (S. 121/122)
JAAAA, natürlich ist genau das auch Sexismus, und natürlich sind auch Männer davon betroffen, und sie sieht es doch selbst, wieso sagt sie dann, das gibt es nicht, also, zumindest nicht bei Frauen, bei Männern aber irgendwie „eigentlich“ doch? Wie kann man sich dermaßen im Kreis drehen?
Abtreibung „Deswegen kämpfte die Frauenbewegung auch für das Recht auf Abtreibung. Als letzten Ausweg aus dem Gefängnis am Herd.“ (S. 49)
Ja, genau, das muss der wahre Grund sein – so schön profan ist dieses Thema! Und gleich noch ein Beispiel, die Fettungen sind von mir, um, neben dem großen Holzhammer auch nochmal die kleinen Betonungen hervorzuheben:
„Es ist schon erstaunlich, dass es in unserer Gesellschaft inzwischen als Konsens gilt, dass es die Todesstrafe für Schwerverbrecher, Mörder und Vergewaltiger nicht mehr geben darf, dass es unmenschlich sei und wir nicht das Recht haben, Gott zu spielen und Leben unwiderruflich zu beenden. Gleichzeitig aber fällen wir aber mit großer Leichtigkeit Todesurteile über ungeborene Kinder.“ (S. 79)
Welch subtiler Vergleich. So nuanciert! Und, zu guter Letzt:
„Abtreibung ist inzwischen legitimes Mittel der Familienplanung […]“ (S. 79)
Klar, ich kann mir kaum eine entspanntere Verhütungsmethode vorstellen.
Aufklärungsunterricht in der Schule Frau Kelle findet es total daneben, dass Kinder in der Schule über Verhütung unterrichtet werden. Weil:
„Hat sich schon mal jemand überlegt, wie sich das auf unsere Kinder auswirkt? Welchen Eindruck das erweckt, dass sie sogar in der Schule darin unterrichtet werden, wie Kinder zu vermeiden sind, wo sie doch selbst noch Kinder sind?“ (S. 83)
Äääähm. Hä? Hier kann ich nur aus eigener Erfahrung als sexuelle Frühstarterin sprechen: Bei mir hat sich das in einer ausbleibenden, weil gut verhüteten und sicher nicht gewollten Teenagerschwangerschaft ausgewirkt.
Arbeit vs. Mutterschaft „Nicht umsonst geistert der Begriff des ,vergeudeten Potenzials‘ hinsichtlich gut ausgebildeter Mütter zu Hause durch die politische Landschaft. Aus der Perspektive der Wirtschaft, die akut Fachkräfte und billige Arbeitskräfte sucht, ein absolut berechtigter Einwand.“ (S. 72)
Kein Wort von den Müttern, die ihr eigenes Potenzial nach X Jahren Ausbildung und Studium gerne selbst noch etwas ausschöpfen wollen. Warum nur Schwarz oder Weiß, warum nicht beides? Warum nur Wahlfreiheit in eine Richtung? Ein grundsätzliches Problem von Kelles Argumentation: Genau das, was sie „der anderen Seite“ vorwirft, zieht sie selbst 100% durch, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Und nebenbei, worauf bezieht sich denn das „billige Arbeitskräfte“? Heißt etwa, dass Frauen doch benachteiligt sind? Ach ne, kann ja nicht sein… Dazu gibt es noch viele weitere Thesen, die alle in die Richtung gehen, dass Frauen ausschließlich als Arbeitskraft gesehen werden und sich der Feminismus somit „Steigbügelhalter für einen Kapitalismus übelster Ausprägung“ betätigt.
Frauenquote „Nahezu alle Personalberater sagen übrigens, dass die berufliche Qualifikation ab einem bestimmten Niveau sowieso nicht ausschlaggebend ist. Es müssen einfach persönliche Faktoren gegeben sein […]“ (S. 118)
…wie z.B. eine Überlegung „persönlicher Faktoren“ wie: wird die Person, die sich gerade bewirbt, in den nächsten fünf Jahren eventuell schwanger und geht in Elternzeit und kommt vielleicht nicht wieder und – ach, ich nehme den Mann. Vermutlich noch nie passiert.
Familienbilder „Mutter-Vater-Kind – solange es in diesem Land noch möglich ist, ohne sich strafbar zu machen, werde ich nicht aufhören, das als normale Familie zu bezeichnen.“ (S. 158)
Nicht, weil sie andere Lebensformen für „unnormal“ hält, wie sie noch anfügt. Aber eigentlich ja doch, sie hätte statt dem sehr polemischen „normal“ (und der abgrenzenden Implizierung) auch ein Wort wie „mehrheitlich“, „überwiegend“ oder einfach „die meisten“ nehmen können. Dazu noch ein bisschen paranoides Orakeln (solange es noch möglich ist, ohne sich strafbar zu machen), fertig ist der plumpe Stammtischsatz. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!
Sie zitiert den Familienbegriff der SPD wie folgt: „Dazu gehören Paare – ob mit oder ohne Kinder und Trauschein – ebenso wie Alleinerziehende, Patchwork- oder Regenfamilien sowie Großeltern und Menschen, die für ihre pflegebedürftigen Eltern sorgen. Zur Familie gehören Jung und Alt.“ Für Frau Kelle öffnet diese Definition ALLEM Tür und Tor:
„Selbst lebenslange Sicherheitsverwahrung ist demnach noch eine Familie, ist es doch eine dauerhaft übernommene Verantwortung, wenn auch nicht immer ganz freiwillig.“ (S. 161)
Wieder so ein subtiler Hinweis auf Straftäter, abgesehen davon versteh ich diesen Gedankengang überhaupt nicht und habe mittlerweile auch aufgegeben, es überhaupt verstehen zu wollen. Das ist so schräg, das ist mir echt zu doof.
Ähnlich ihre Tiraden gegen Regenbogenfamilien, von denen ich hier nur ein Beispiel nenne will, das schon alles sagt:
„Sie [Kinder, die zur Adoption freigegeben wurden] wurden von einem Vater gezeugt und einer Mutter geboren. Sie sollten auch bei einem Vater und einer Mutter groß werden. Bei jedem Hundewelpen plädieren wir auf eine artgerechtere Haltung als bei unseren Kindern.“ (S. 165/166)
„Echte“ Männer Mimimimi, alles nur noch Waschlappen, wo sind die brünftigen Machos, wenn man sie braucht. Es ist alles so schlimm geworden, wer soll da noch durchblicken:
„Letzendlich sind damals mit Hillary Clinton und Barack Obama zwei Frauen gegeneinander angetreten. Die eine war tatsächlich eine, der andere hatte die weibliche Rolle einfach adaptiert.“ (S. 187)
Ach ja. Hä? Dann geht es noch ein bisschen um Männerrechte und nochmals wird Sexismus gegen Männer thematisiert, s.o. Und am Ende sind die Frauen dann auch wieder die Blöden, denn:
„Welche ernsthaft emanzipierte Frau möchte einen Partner, dem sie nichts zutraut, den sie für weniger klug hält als sich selbst? Nichts ist weniger sexy als ein Held, der gebrochen am Boden liegt.“ (S. 211)
Wir lernen: Männer, die sich für Frauen stark machen, sich vielleicht sogar selbst als Feminist bezeichnen, werden unfähig, verblöden und verlieren alle Kräfte, die sie je hatten. Sie werden regelrecht zu… Mädchen. PFUI! Bei meinem Partner ist das nicht so, aber vielleicht habe ich einfach nur Glück – ja, so muss es sein.
Zwei Dinge beherrscht die Autorin unglaublich gut: a) Argumentationen gezielt misszuverstehen und b) so kurz davor sein, es zu begreifen, nur um im nächsten Moment wieder von a) Gebrauch zu machen.
Ob der Titel dieses wütenden Pamphlets klug gewählt ist, sei mal dahingestellt – in seiner Provokation sprach er mich nicht direkt an. Zwar entstand das Buch anlässlich des Rainer Brüderle-Falls, dem der #aufschrei folgte, doch Frau Kelle ist vielmehr genervt von den Widersprüchlichkeiten und Schwerpunkten der jüngsten feministischen Debatten. Eine Megan Fox, die verkündet, vom sexy Image als Schauspielerin weg zu wollen, um ernst genommen zu werden und sich gleich darauf in Unterwäsche auf einem Hochglanzmagazin ablichten lässt? „Dann mach doch die Bluse zu!“ Da hat die Autorin gar nicht mal unrecht. Diese Beispiele dienen praktisch nur als Einleitung und schnell kommt sie auf eine Lücke des Feminismus zu sprechen: Für Mütter wird keine Politik gemacht. Als Mutter von vier Kindern war es nicht in ihrem Sinne, diese nach dem ersten Lebensjahr in der nächsten Krippe abzuliefern, um dem Arbeitsmarkt wieder zur vollen Verfügung zu stehen, sondern sich zumindest die ersten drei Lebensjahre den Kindern zu widmen. Ein Lebensentwurf, der von wirkungsreichen Feministinnen (zumeist kinderlos) nicht für die Emanzipation der Frau vorgesehen war. Da freute sich die Wirtschaft – schließlich werden Frauen als Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt gebraucht. Warum sich Frau Kelle verächtlich als Heimchen am Herd und erzkonservativ betiteln lassen muss, erschließt sich mir nicht. Sie hat es neben der Erziehung von vier Kindern geschafft, sich einen Namen als Journalistin in Deutschland zu machen und nebenbei u.a. so einige Bücher verfasst. Sie hat eine Möglichkeit gefunden, Kind und Karriere zu vereinbaren und zwar gemeinsam mit ihrem Mann. Es wäre wünschenswert, würde die deutsche Politik ermöglichen, dass auch andere Frauen auf diesem Weg besser unterstützt werden und zwar ohne zwangsläufig in die Selbstständigkeit gehen zu müssen. Zwei weitere Kritikpunkte an der feministischen Bewegung sind in meinen Augen erwähnenswert. Es sei die Tragik der großen Frauenbewegung, so Frau Kelle, dass sie nie nach einem eigenen, weiblichen Lebensweg gesucht habe (S.69). Angesichts des angestrebten männlichen Lebensstils, wenn man dies so bezeichnen möchte, hat sie sicherlich Recht. Dennoch sieht es schlecht aus für einen eigenen weiblichen Weg, wird Weiblichkeit an sich mittlerweile direkt wegdekonstruiert und das Wort „Frau“ bereits als Affront gewertet (bis sich „Mensch mit Uterus“ durchgesetzt hat, ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit). Über diesen Punkt eines positiv konnotierten Bildes von Weiblichkeit und einem eigenen Weg der Frauen, sind wir daher leider hinaus. Ein weiterer Punkt hängt unmittelbar damit zusammen: „Das grundsätzliche Problem im Umgang zwischen den Geschlechtern besteht inzwischen nicht mehr in ihrer Unterschiedlichkeit, sondern in unserer Unfähigkeit, diese zu akzeptieren.“ (S. 185 f.) Eine Anerkennung dieser Unterschiedlichkeit ist ebenfalls in weite Ferne gerückt. Dass Mann und Frau gleich seien, sieht man mal von ihren Genitalien ab, ist schon nahezu Konsens. Auch die Autorin ist sich dieser „Gleichmacherei“ bewusst und natürlich scheint sie durch jede politische Maßnahme. Frauen sollen es stets den Männern gleichtun. Frau Kelle erklärt explizit, dass sie sich dafür einsetzt, dass jede Frau ihren Lebensweg wählen und verfolgen darf. Ihre Position muss Eingang in den Diskurs finden, ohne als antifeministisch diffamiert zu werden.