Rosa Luxemburg, 1871 im russischen Teil Polens geboren, gehörte vielen Minderheiten an. Sie kam aus einem jüdischen Elternhaus, perfektionierte erst während ihres Studiums in Zürich die deutsche Sprache, fand mithilfe einer Scheinehe in Deutschland ihre politische Heimat, war auf SPD-Parteitagen die einzige Frau mit einem Doktortitel und engagierte sich als rastlose Kämpferin für die europäische Arbeiterbewegung in nicht weniger als sieben verschiedenen sozialistischen Parteien.
Luxemburg war die bedeutendste marxistische Denkerin ihrer Zeit. Sie kämpfte für die Diktatur des Proletariats, aber zugleich gegen den autoritären Zentralismus Lenins, weshalb sie auch die Gründung der Kommunistischen Internationale ablehnte. Ihre Revolutionstheorie, ihr Freiheitsbegriff und ihr unbedingter Internationalismus ließen sie zur Ikone des weltweiten Protests der 1968er-Bewegung werden. Ihr berühmter Satz «Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden» wurde eine Parole der Bürgerrechtler in der untergehenden DDR. In ihrer Gedanken- und Ideenwelt ist vieles zu finden, was auch heute, in einer Zeit des wieder erwachenden Nationalismus, anregend und wichtig ist.
Generell ein sehr spannendes Buch, welches besonders auf Luxemburgs soziales Umfeld eingeht. Sehr offensichtlich von einem Mann geschrieben: so genderte er. Das hat teils zu Verwirrungen geführt (hat Luxemburg nun Clara Zetkin geschrieben? Oder nicht - das finden wir erst drei Sätze später heraus.). Luxemburgs Wunsch nach Kindern oder ihre Nutzung von Schwangerschaft als Metapher als ihren starken Wunsch nach Familie zu deuten finde ich auch ein bisschen bei den Haaren herausgezogen. Zudem ein bisschen viel Geplänkel mit für mich nicht ersichtlicher Relevanz und ich hätte mir noch mehr direkte Textauszüge von ihr gewüscnt. Trotzdem 4/5
Dieses Buch ist nicht "nur" eine Bioagraphie der außergewöhnlichen und sicherlich auch streitbaren Person Rosa Luxemburgs, sondern es ist auch eine Chronik der Parteigeschichte der SPD. Auch wer noch keine Vorkenntnisse zu diesem Thema hat, kann ohne Scheu zu diesem Buch greifen. Denn Ernst Piper geht auf alle genannten Personen ein, die Rosas Weg gekreuzt haben und zeichnet auch deren Werdegang kurz nach. Er stellt übersichtlich theoretische Differenzen aber auch Gemeinsamkeiten dar.
Die Struktur des Buchs ist nicht chronologisch angelegt, sodass es möglich sein sollte auch themenbezogen einzelne Kapitel zu lesen. Zumindest zu Beginn der Lektüre gab es einige Wiederholungen, die dies ermöglichen sollten. Ab der zweiten Hälfte des Buchs hatte ich den Eindruck, dass kaum noch Wiederholungen vorkamen. Andererseits habe ich mich beim Lesen immer wieder neu sortieren müssen, um die Chronologie im Auge zu behalten, da sehr oft zeitlich hin und her gesprungen wird, aber das sehe ich das Problem eher bei mir uns nicht am Buch.
Sehr positiv empfand ich die Haltung des Autors beim Lesen, die zwar von einer Faszination der Person Rosa Luxemburgs getragen war, aber dennoch weitgehend mit der nötigen Distanz berichtete. Lediglich ein paar Stellen, besonders gegen Ende der Lektüre, schienen mir nicht zwingend angebracht, aber das war in Anbetracht des Umfangs wirklich nur marginal und spielgelt ja auch nur meine persönliche Empfindung wieder. Ein Beispiel dafür wäre die Interpretation von Luxemburgs verwendeten Metaphern in ihren Artikeln und Reden. "Ihre offizielle Geburt als selbständige Partei", Deutschland sei schwanger mit der sozialen Revolution. Diese Metaphern verleiten den Autor zur Annahme, dass sie Ausdruck Rosas unerfüllten Kinderwunsches seien (S. 633) was doch sehr anmaßend wirkt. In der Tat verweist Ernst Piper auf Seite 675f dann auch auf den Schriftsteller Ernst Preczang an dem sich Rosa mit ihren Metaphern orientiert haben könnte.
Da die Bewertung bisher etwas negativer kling als ich das wollte, möcht ich nochmal festhalten, dass ich wirklich sehr begeistert bin von dieser Biographie bin und viel daraus mitnehmen konnte. Den einzigen wirklichen Kritikpunkt, den ich habe, wäre der "Exkurs: Die Russische Revolution". Tatsächlich ist diese Betitelung meines Erachtens nicht stimmig mit dem Inhalt. Es wäre in der Tat auch zu viel verlangt noch schnell mal nebenher die Russische Revolution abzuhandeln. Vielmehr werden in diesem Kapitel erneut die unterschiedlichen Positionen von Luxemburg, Kautsky und Lenin herausgearbeitet. Ergänzend wird über die DDR und deren Umgang mit Luxemburgs Werk thematisiert. Zum Schluss kann man Ernst Piper nur für seine umfassende und detaillierte Recherchearbeit dankbar sein!
Als Einsteigerlektüre ist das Buch sehr umfangreich. Der Schreibstil ist eintönig und reizlos. Die faszinierende Figur der Rosa Luxemburg wird nicht an die Leserin weiter gegeben- unabhängig von politischen Überzeugungen. Teilweise werden Sexismen reproduziert und die Analyse ist schwach. Die Zusammensetzung des Buches ist verwirrend und nicht nachvollziehbar.
#lesejahr2019 #geschichte Sie muss eine faszinierende Frau gewesen sein, die kleine #rosaluxemburg Sie war eine überzeugte und fanatische Kämpferin für die Revolution der Proletarier, sie war die Denkerin der Linken in der SPD zu Beginn des 20. Jahrhunderts, eine hervorragende Rednerin, sie verstand es, auf Augenhöhe mit den Männern zu verkehren, und war ihnen sowohl intellektuell als auch in ihrem Einfluss auf die Arbeiter oft überlegen. Und doch, schlussendlich ist sie gescheitert mit ihren Ideen und ihren Idealen, auch wenn sie bis zuletzt voll Hoffnung war. #ernstpiper hat eine tolle #Biografie über sie geschrieben, gleichzeitig ein spannendes Geschichtsbuch. #revolution #kpd #kommunismus #marxismus #internationale #deutschland #russland #ersterweltkrieg #russischerevolution
Neben einer wirklich sehr detailreichen Biografie und einer Einführung in das Denken Rosa Luxemburgs ist dieses Buch eine Geschichte der Sozialdemokratie im augehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Es beschreibt den Weg der Sozialdemokratie von einer revolutionären, internationalistischen hin zu einer reformorientierten und nationalen Partei. Damit wird immer wieder die Position Rosa Luxemburgs kontrastiert, die zwar durchgehend eine prominente Figur innerhalb der SPD bleibt, besonders aufgrund ihres agitatorischen Talents, aber innerparteilich keine Mehrheiten mehr für ihre Positionen finden kann. Besonders drastisch zeigt sich der Bruch im Anblick des 1. Weltkriegs. Das Buch ist lesbar (allerdings lang) geschrieben und benötigt keine Vorkenntnisse, weder über die politische Situation des Kaiserreiches noch über die Geschichte der europäischen sozialistischen Bewegung. Die Darstellung wird durch umfangreiches Quellenmaterial gestützt und bebildert. Negativ lässt sich bemerken, dass der Autor sich hin und wieder Aussagen trifft, die mit einer kurzen feministischen Reflexion hätten verhindert werden können. Wenn er etwa die Schwangerschaftsmetaphorik in Luxemburgs letzten Artikeln mit einem verdrängten Kinderwunsch begründet, obwohl er selbst 30 Seiten später über deren Zusammenhang mit einem Gedicht von Preczang spricht. Ebenso ist stellenweise die Beschreibung des Verhältnisses zwischen Luxemburg und Leo Jogiches, ihrem ersten Lebensgefährten, das nach der Trennung durch Praktiken des Stalkings, der psychischen Gewalt und einer Terrorisierung durch Jogiches bestimmt ist, von einer ins euphemistische gleitenden Sprache gekennzeichnet. Im Verhältnis zu den über 680 Seiten Text machen diese Stellen allerdings einen kleinen Teil aus.