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Jesolo

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Kinder sind kein Thema für Andrea. Sie hat einen Job, der okay ist. Sie führt seit vielen Jahren eine Beziehung mit Georg, die okay ist. Andrea will sich nicht festlegen, Georg will ein Fundament für ein gemeinsames Leben - ein Dilemma. Als sie aus dem jährlichen Urlaub in Jesolo zurückkommen, ändert sich alles – Andrea ist schwanger. Hin- und hergerissen entscheidet sie sich für das Kind – und geht damit einen Kompromiss nach dem anderen Sie nimmt einen Kredit auf, obwohl sie nie Schulden haben wollte; sie zieht ins Haus ihrer Schwiegereltern, obwohl sie nie mit ihnen zusammenleben wollte. Von allen Seiten prasseln Ratschläge auf Andrea nieder, und sie wird in eine Mutterrolle gedrängt, mit der sie sich nicht identifizieren kann.

224 pages, Kindle Edition

First published March 4, 2019

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About the author

Tanja Raich

7 books6 followers

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44 (9%)
1 star
10 (2%)
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510 reviews16 followers
March 4, 2020
Sprachlich brilliantes + absolut nicht rosarotes Buch über eine Schwangerschaft

Gelegentlich darf man von einem Buch den Klappentext lesen, so bei diesem. Es steht genau das darin, was passiert, nicht mehr, nicht weniger. Aber wie es dann im Buch steht, das ist die Kunst.

Urlaub in Jesolo. Sie liest Dostojewski, er heißt Georg 35, und es ist o.k., auch wenn es letztes Jahr besser war. Seit Weihnachten trägt sie seinen Ring, aber es ist kein Verlobungsring, darauf wird Wert gelegt. Er will, dass sie zu ihm zieht. Sie hat das Gefühl, dass man sich zu gut kennt. „Jetzt bist du in die Speisekarte vertieft. Du wirst ein großes Bier und eine Diavola bestellen, wie immer. Zuerst musst du dir aber die gesamte Karte ansehen und minutenlang überlegen, was du nehmen könntest. … Ich würde dir gerne sagen, dass es nicht darum geht, ein Theater zu machen oder nicht, sondern darum, dass wir stundenlang laufen müssen, obwohl gleich neben dem Hotel ein Restaurant wäre, das genauso nett und genauso gut wie dieses hier ist. Aber ich sage es nicht, weil ich mir einen schönen Abend mit dir wünsche.“

Autorin Tanja Raich hat es auf den ersten Seiten geschafft, dass ich mich ertappt fühlt, wenn auch in meinem Leben mit etwas geteilten Rollen. Diese Dialoge sind so herrlich aus dem Leben. Überhaupt, sprachlich ist das klasse, ich liebe besonders diese Listen, mit dem Wirbel und Kopfkino oder Aussagen, die da auf die Hauptfigur hereinprasseln: „Ihre Fragen steuern zuerst zaghaft, dann immer bestimmter auf uns zu. Seit wann. Warum erfahren wir das erst jetzt. Ist es gesund. Ist es ein Mädchen. Man sieht ja noch gar nichts. Wann ist der nächste Kontrolltermin. Wer ist dein Frauenarzt. Wann zieht ihr ein. Wann renovieren wir. Wann gehst du in Mutterschutz. Wie lange bleibst du zu Hause. Wann kaufen wir die Einrichtung. Wohin soll das Kinderzimmer. Braucht ihr ein zweites Auto. Habt ihr schon einen Namen. Warum isst du so wenig.“

Aus der kleinen Reibung wird nach der Heimkehr ein großer Streit. Sie will mit ihm reden, er ist nicht da. Danach entdeckt sie, schwanger zu sein. Sie hadert, lange, erzählt ihm erst nichts, dann reden sie doch und sind wieder ein Paar, glücklich wie lange nicht. Bald jedoch beginnt, ja was? Der Alltag? Die Umsetzung von Georgs Wünschen? Die Einordnung von Andi in die Realität – oder die Selbstaufgabe, oder von beidem etwas?

Ich war sehr angetan von diesem Buch, das einmal nicht alles rosarot darstellt oder alternativ als Glück unterbrochen von einem kleinen Drama, das mal so eben gelöst wird, oder als Drama, das zwingend zum Glück führt. Die Ich-Erzählerin hadert lange und immer wieder, mit der Beziehung, mit der Schwangerschaft, mit dem, was danach kommen soll. Währenddessen erzählen ihr wirklich alle, dass Kinder immer nur ein großes Glück sind. Kein Platz für Wochenbettdepressionen oder einfach andere Lebenskonzepte, nicht einmal für geteilte Elternzeit. Dass die Frau Andi heißt, Andrea, erfährt man erst sehr spät. Ich denke, dass passt, für mich verschwand sie irgendwann als eigenständige Persönlichkeit.

Sie hatte nie vor, bei den Schwiegereltern zu wohnen, nie vor, so zu werden. Doch es kommt anders. Georg übernimmt den Hausbau mit seinem Vater, die Schwiegermutter plant, welche Möbel in der Wohnung stehen sollen, das Geld kommt von den Schwiegereltern und einem plötzlich viel höheren Kredit als je geplant. Und bei der Heimkehr von der Arbeit putzt Schwiegermama im Bad, ist ja alles gut gemeint (also gut gemeint als Gegenteil zu gut?). Und sie wird doch natürlich ein paar Jahre daheim bleiben, das ist gut für die Kinder. Kinder? Noch ist sie schwanger mit dem ersten.

Früh kommt bei mir Beklemmung auf. Was bilden die Menschen sich ein mit ihren Einmischungen? Da gibt es Tipps zu allem möglichen, jeder weiß es besser. Das ist leider sehr realistisch. Ab irgendeinem Zeitpunkt mutiert mir das ganze aber zu sehr zu einer Art „Stepford Wives“. Nie setzt sich Andi für sich selbst ein. Als die Frau von Georgs Bruder „endlich“ schwanger ist, erteilt Andi die Ratschläge. Und was kommt nach dem Ende des Buchs? Wird sie so wirklich dauerhaft glücklich sein? Ja, es gibt ausreichend Menschen, die das genau so wollen. Die wollten das aber meist schon vorher. Welchen Freiraum gibt es für sie? Für mich hinterlässt das Ende ein ungutes Gefühl, ich bin mir nicht sicher, ob das zum Buch passt oder gerade nicht.
5 Sterne.
Profile Image for MeinLesezeichenBlog.
93 reviews5 followers
October 11, 2020
Unmittelbar, sehr direkt und ungeschminkt offenbart die Autorin in intimen Momentaufnahmen die Gedanken, Gefühle, Ängste und Hoffnungen einer Frau, die ungewollt schwanger wurde und sich mehr notgedrungen und weniger aus eigener Überzeugung dazu entscheidet, das Kind auszutragen. Die Autorin zeigt auf eine sehr anschauliche, knallharte und kritische Weise, dass Schwangerschaft, Mutterschaft und das Hausfrauendasein eben nicht immer und für jede Frau mit Glück und Erfüllung gleichzusetzen sind. Einer Tatsache, die in unserer Gesellschaft keinen Platz hat und viel zu häufig übersehen wird.

Von allen Seiten im Roman springt einen die Einsamkeit, Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit und Resignation der Protagonistin an. Sie macht gute Miene zum bösen Spiel. Man hat das Gefühl zu ertrinken, genau wie die Protagonistin. Im Verlauf der Geschichte spielen Wasser und Meer eine wichtige Rolle. Beide Elemente ziehen sich durch die gesamte Handlung und werden im Verlauf immer wilder und unkontrollierbarer. Die Protagonistin driftet weg und verliert den Halt zur Welt, zu sich selbst.

Aber die Protagonistin versucht auch (eher halbherzig und aus Schuldempfinden) das Positive zu sehen: sucht Auswege, Umwege, Chancen wie diese Schwangerschaft ihr Leben auf eine positive und aufbauende Art und Weise beeinflussen kann. Dass es eben nicht das Ende der Welt, ihrer Welt bedeutet.

Die Autorin reflektiert und setzt sich mit den Konzepten Familie, Vater und Mutter kritisch auseinander. Was heißt Familie für uns und wie beeinflusst uns Familie, die eigene, die des Partners? Immer wieder schildert sie den Einfluss der Schwiegerfamilie und den ihrer eigenen. Man liest vom ständigen (gesellschaftlichen und privaten) Erwartungsdruck seitens einer Familie, die nicht die eigene ist, seitens Freunden und dem Partner.

Die Handlung teilt sich auf 10 Kapitel auf: ein Kapitel für jeden Monat der Schwangerschaft. Es ist eine Ich-Erzählung und ich musste mich erst an diese Erzählperspektive gewöhnen. Man ist in Andreas Kopf und auch wieder nicht. Es ist ein Hin und Her zwischen Gedanken und Handlung. Die Sprache ist einfach, eindringlich und hat einen bissigen und bestechenden Klang. Die Bilder, die die Autorin heraufbeschwört, sind gewaltig und tun weh. Die Autorin gibt auf knapp 200 Seiten Einblicke in ein sehr privates Problem, das im Grunde eigentlich das Problem einer ganzen Gesellschaft verkörpert.

Die Protagonistin spricht die ganze Zeit mit ihrem Partner: du, wir, uns, dein. Aber es bleibt bei einem Monolog, denn die Protagonistin erreicht ihren Partner nicht, weil sie nicht laut genug spricht? Weil er nicht zuhört? Weil er nicht hören will? Weil sie nicht auf einer Wellenlänge sind?

Das Ende hat mich beim ersten Lesen verwirrt. Weshalb ich es nochmal und nochmal gelesen habe. Es ist kryptisch und so wirklich schlau bin ich nicht daraus geworden. Es ist außergewöhnlich und surreal, passt aber zur Entwicklung der Protagonistin, ihrem Verlorengehen, ihrem Ertrinken.

Ich habe mich und meine Ängste, meine Gefühle sehr häufig in der Protagonistin wiedererkannt. Es gab so viele Parallelen, dass es schon fast gruselig war. Es kam mir so vor als hätte mir die Autorin in den Kopf geschaut und meine Gedanken zu Papier gebracht. Es schmerzt unendlich, wenn man sich dafür entscheidet zu gehen, weil man keine Kinder möchte. Man gibt die partnerschaftliche Sicherheit auf, verliert die Liebe dieser einen Person und all die kleinen und großen Dinge, die dazugehören. Aber ich weiß, dass ich diese Entscheidung wieder und wieder treffen würde; das hat mir der Roman nochmal vor Augen geführt.

Mein Fazit
Während der Lektüre von „Jesolo“ kommt es einem so vor, in Gefühlen, Gedanken, Ängsten und Erwartungen zu ertrinken. Wenn man das Buch zuklappt, fühlt man sich von einer unerklärlichen Wucht erfasst und überrollt. Es ist keine Wohlfühl-Lektüre. Es ist rebellisch, bissig, mutig, bitter und gemein, aber erzählt von einer Lebenswirklichkeit, über die zu häufig geschwiegen wird. Einer Realität, die absichtlich übersehen wird, weil sie nicht in unsere Gesellschaft hineinpasst. Der Roman fordert dies ganz bewusst heraus und bricht dieses Tabu. Deswegen ist „Jesolo“ ein verdammt notwendiges Buch.
Profile Image for Valerie.
306 reviews11 followers
February 3, 2020
Hochaktuelles Thema, die Umsetzung konnte mich nicht überzeugen

"Und um mich herum wuseln überall diese Mütter, deren einziger Lebensinhalt ihre Kinder sind. Mein einziger Stolz sind die Kinder, sagen sie. Oder: Die Kinder sind mein Ein und Alles. Oder: Meine Kinder schaffen das, was ich nie erreicht habe."

Seit Jahren sind Andrea und Georg zusammen. Die Beziehung ist mittelmäßig. Einmal im Jahr geht es nach Jesolo in den Urlaub. Andrea ist damit vollends zufrieden. Sie möchte keine Veränderung. Sie möchte weiter arbeiten; keine Kinder, Hochzeit etc. Doch plötzlich ist sie ungewollt schwanger, und ihr ganzes Leben ändert sich.

Tanja Raich beschreibt nüchtern und mit einem gewissen Abstand, wie Andrea sich auf einmal in einer Welt wiederfindet, in der sie nie sein wollte: als Mutter die zuhause auf die Kinder aufpasst, ohne Anspruch auf ein eigenes Leben, mit Kredit, um eine Wohnung im Haus der Schwiegereltern auszubauen. Das Thema wäre durchaus interessant mit viel Potential - leider hat Raich dies wenig genützt. Andrea flüchtet sich in passive Tagträume und lässt alles mit sich geschehen, Georg würde es nicht im Traum einfallen auch nur einmal zu fragen, wie sie sich eigentlich selbst ihr Leben vorstellt. Ständig hört man Sätze wie, "Das wolltest du doch auch immer, oder?". Ich bezweifle, dass manche Männer, die dieses Buch lesen würden, überhaupt den Unterton verstehen würden. Raich beschreibt hier eine Situation, die nach wie vor hochhaktuell ist und es auch noch eine Weile bleiben wird. Leider macht sie das ganze ohne jeglichen Kommentar ihrerseits oder eine Reaktion der Protagonistin. Ich hatte mir mehr erhofft!
Profile Image for Aliaa Mohamed.
1,176 reviews2,366 followers
February 8, 2022
رواية سيئة للغاية، شعرت وكأنني أشاهد فيلم عربي قديم، عن عيوب الزواج في بيت العائلة، في إطار من السرد التقليدي دون أي إثارة أو تجديد.

حزنت على ضياع جهد المترجمة في عمل مثل هذا بلا قيمة!
Profile Image for Salma Saeed.
444 reviews228 followers
July 9, 2023
البطلة شكاءة بكاءة بشكل يصدع
Profile Image for Wal.li.
2,545 reviews68 followers
November 8, 2019
Lieblingsurlaub

Ein Urlaub in Jesolo ist genau das Richtige, schon seit Jahren. Man muss nicht fliegen, die drei Stunden sind schnell geschafft. Andi und Georg kennen die Gegend und die Hotels. Zwar ist es nach der langen Zeit schon etwas abgegriffen, aber doch immer wieder schön. Georg aber möchte, dass sich ihre Beziehung weiterentwickelt. Mit Mitte dreißig sollte man doch erwachsen werden. Andi hat jedoch ganz andere Dinge im Kopf. Allerdings nichts bestimmtes, sie möchte das Leben auf sich zukommen lassen, sich nicht festlegen. Ihre Beziehung mit Georg gehört eigentlich auf den Prüfstand.

Sie will nicht zusammenziehen, sie will kein Kind, sie will sich nicht festlegen, sie will, dass es so unverbindlich bleibt wie es ist. Nach dem letzten Urlaub ist Andi kurz davor, sich zu trennen. Es wird ihr einfach zu viel. Doch dann die Nachricht: sie ist schwanger. Der erste Impuls, ist der Gedanke an eine Abtreibung. Schnell aber ändert sich dies, Andi behält das Kind und sie behält es erstmal für sich. Immer noch unsicher, ob sie sich einfach in die ihr zugedachte Mutterrolle fügen soll oder ob sie sich auflehnen soll. Nach einem heftigen Streit, erinnert sie sich wieder an die guten Zeiten.

Nicht jede Frau sieht es als Lebensziel, Ehefrau und Mutter zu werden. So auch Andrea genannt Andi. Sie lässt sich treiben im Leben, hat ihre Arbeit und einen Freund. Eigentlich reicht ihr das. Mit 35 verspürt sie den Wunsch nach Veränderung, allerdings geht dieser Wunsch wohl eher Richtung Trennung. Die Schwangerschaft kommt dann unerwartet. Doch Andi stellt sich der neuen Situation. Allerdings wirkt sie nicht glücklich. Freund und Schwiegereltern sind es, die vor Glück strahlen. Immer wieder stellt sich Andi alternative Situationen vor und sie scheint unsicher, was sie sich wünschen soll. Es gibt keinen wohligen Schwangerschaftskokon für Andrea.

Eine ehrliche Schilderung über Beziehung und Schwangerschaft, die doch sehr ernüchtert. Es müssen Kompromisse gemacht werden, die wohl nur der einen Hälfte der Familie gefallen. Vielleicht ist es ein Buch, auf das man gewartet hat. Gut, zu erfahren, dass nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen herrschen. Bei aller Ehrlichkeit jedoch, bleibt in den neun Schwangerschaftsmonaten offen, ob Andrea schließlich zufrieden ist mit ihren Kompromissen der Einengung oder ob sie nicht doch noch ein Hintertürchen findet, das ihr eine gewisse Freiheit bedeutet.
Profile Image for Christine.
69 reviews12 followers
September 28, 2019
2017 veröffentlichte Orna Donath ihre Studie "Regretting Motherhood". Darin schildern Frauen u.a. wie es dazu kam, dass sie Mutter wurden obwohl ihnen klar war, dass sie das eigentlich nicht möchten. Aus Liebe zu einem Mann, aus Gesellschaftlichem Zwang, aus fehlendem Mut gegen den Strom zu schwimmen.
In Jesolo begegnen wir im Kern einer Frau, die große Probleme mit ihrer Schwangerschaft und Mutterrolle hat.

Andreas Probleme beginnen aber eigentlich schon früher. Andrea leidet unter den Erwartungen der Gesellschaft, ihrer Schwiegereltern, ihres Freundes Georg, ihrer Schwägerin, ihrer Freunde. Sie will ihre eigene Wohnung haben, sie hat Träume und Wünsche, sie streitet und kämpft für sich, sie liebt ihren Job. Als sie schwanger wird, gibt sie diesen Kampfgeist Schritt für Schritt auf und lässt sich von allen anderen wie ein Puzzlestück an einen Platz schieben, den sie schon immer für den richtigen für sie gehalten haben. ENDLICH wird sie vernünftig.

Und genau da wird es für mich als Leserin kompliziert. Von einem feministischen Standpunkt aus finde ich es sehr wichtig die Themen gesellschaftliche Erwartungen an Frauen und Mutterschaft, Eigenständigkeit in der Partnerschaft und psychische Gesundheit aufzugreifen. Diese sind immer noch hoch-tabuisiert trotz Jahrzehnten von Feministischer Literatur.
Tanja Raich bietet mit ihrer Protagonistin jedoch den schlechtesten Weg an. Die Flucht in die totale Passivität, in Tagträume, in stumme Aggression, in die Kapitulation.
Ich finde es wichtig diesen Aspekt des Frau-Seins in der aktuellen Literatur abgebildet zu finden, aber richtig gerne lese ich es nicht.
Profile Image for Gedankenlabor.
849 reviews124 followers
Read
April 13, 2021
Dieses Buch ist mir ein echtes Rätsel...
Ich muss ehrlich sagen, dass ich die Protagonistin Andrea hier in keinster Weise verstehen konnte. Ihre hin und her gerissenes Verhalten war für mich nicht nachvollziehbar und leider nichtmal glaubhaft dargestellt. Auch das Ende war mehr ein Sprung in die Verwirrung als in irgendeiner Form aufschlussreich...

"Jesolo" von Tanja Raich war für mich leider nicht das, was ich mir hier erhofft hatte und konnte meinen Lesenerv leider überhaupt nicht treffen.
Profile Image for Julia.
206 reviews5 followers
Read
February 14, 2021
Schon lange keine so einengende und bedrückende Geschichte gelesen; die klare, oftmals emotionslose Sprache verstärkt diese Schwere um ein Vielfaches.
Profile Image for Frl.Fernsucht.
198 reviews
January 14, 2022
Ein sehr ehrliches, schwermütiges Buch.
Andi und Georg sind schon ewig zusammen und verbringen jedes Jahr ihren Urlaub in Jesolo. Der Ort ist nicht allzu weit von Ihrer Hemat entfernt und man ist schnell mit dem Auto da - Strand, Hotel, Restaurants - man weiß, was man bekommt.
Georg möchte, dass Andi endlich bei ihm einzieht; in die Wohnung über seinen Eltern. Seine Familie kann nicht verstehen, warum sie nicht den nächsten Schritt gehen, wo sie doch so lange zusammen sind. Im Freundeskreis bekommen alle Kinder, bauen Häuser, es geht um Bausparpläne, Kredite und Hochzeiten.
Andi will das alles eigentlich nicht. Nicht den Urlaub in Jesolo, bei Georgs Eltern einziehen, heiraten, Kinder.

Tanja Raich schreibt sehr schonungslos und ehrlich. Mir hat das Tempo gefallen und ich konnte mich sehr gut in Andi und ihre Gedankenspiralen hineinversetzen. Es geht um das eigene Leben, wie man seine Lebenswünsche für andere ändert und aufgibt und sich dann damit abfinden und auseinandersetzen muss. Es ist definitiv kein Happy-Buch, das einem mit einem guten Gefühl zurücklässt, aber das muss es auch nicht. Es regt zum nachdenken an, über die eigenen Lebensentwürfe und Erwartungen und man fragt sich unweigerlich: wie würde ich mich an Andis Stelle fühlen? Was würde ich tun?
Profile Image for Buchforscherin.
51 reviews12 followers
September 17, 2022
Gestern war es so weit. Ich hatte die stille Möchtegern-Rebellin und Hauptprotagonistin satt. Sie regt mich nur auf. Ich habe dann das Ende gelesen in der Hoffnung, dass wenigstens dieses bombastisch besser wird. Ähhh nein.
Zum einen gefällt mir der Schreibstil nicht. Die Unterteilung in viele kleine Abschnitte, die einem Einblick in die innere Zerrissenheit von Andrea geben, überfliegt man ohne sich mit dem Inhalt emotional zu befassen müssen. Die Seiten ziehen da hin, die Nörgelei auch. Eine Schwangerschaft heilt keine Beziehung. Ein gut aussehender Mann muss nicht der passende Partner für die Vaterrolle sein. Und Frau zu sein reicht nicht für Muttergefühle und Nestbautrieb. Die ganzen Zweifel werden dann und wann zaghaft von Andrea geäußert, auch der Wunsch nach beruflicher Verwirklichung trotz Mutterschaft, aber niemand hört es und so belässt es Andrea dabei. Sry, da platzt mir die Hutschnur.
Jetzt steht auf meinem Klappentext „beklemmend, bitterböse und mit stechendem Witz seziert (…) die Autorin ein scheinbares (…) Glücksversprechen: Familie und Mutterschaft“. Hat nicht geklappt für mich. Ich fand es nicht bitterböse, sondern dumm von Andrea. Auch bleibt das Buch für mich zu oberflächlich um Kritik üben zu können. Und welche Frau bitte glaubt wirklich daran, dass die Mutterrolle und Familiengründung reines Glück verspricht????
Profile Image for Clarissa.
693 reviews20 followers
June 17, 2024
Ein toller moderner Horror-Roman :)))
Profile Image for hand.verlesen.
224 reviews37 followers
August 23, 2024
Andrea ist Mitte Dreißig und noch immer mit ihrer Jugendliebe Georg zusammen. Doch etwas in ihr sträubt sich dagegen, mit ihm zusammenzuziehen. Immer wieder träumt sie von einem anderen Leben. Als sie schwanger wird, ist sie gezwungen, Entscheidungen für ihre Zukunft zu treffen.

Ich glaube, mit Ende Zwanzig hätte ich mehr aus dem Buch ziehen können. Habe ich mittlerweile zu viele Romane zu (möglicher) Mutterschaft gelesen? Eigentlich denke ich nicht, dass man sich an dem Thema überlesen kann, bringt doch jedes Buch eine neue Sichtweise. Es fällt mir schwer, den Finger darauf zu legen was genau mir gefehlt hat.

Wir befinden uns hier vor allem in Andreas Kopf und nehmen intensiv an ihrer Gedankenwelt teil. Ihre Passivität und ihre Schwierigkeiten, ihre Wünsche und Bedürfnisse anderen Menschen zu vermitteln, sind zwar schwer auszuhalten, fand ich aber realistisch und nachvollziehbar. Manche Passagen haben mich sehr berührt. Die Veränderungen, die eine Schwangerschaft und ein Kind mit sich bringen und die noch immer vor allem die (werdende) Mutter betreffen. Die Google-Recherchen, die Sätze, die Schwangeren gesagt werden.

Für mich hatte es ein paar Längen, wiederholte sich, wobei das sehr gut die Gedankengänge der Protagonistin widerspiegelt. „Jesolo“ war kein schlechtes Buch, hat mich aber nicht ganz für sich einnehmen können.
Profile Image for Conny.
616 reviews86 followers
August 10, 2020
Andrea ist Mitte dreissig. Kinder sind für sie kein Thema, genauso wie Heirat, Wohneigentum oder überhaupt das Altwerden auf dem Dorf. Sie ist das genaue Gegenteil von Georg – mit dem sie seit ihrer Jugend zusammen ist.

Es ist nicht so, dass Georg nicht schon vor der ungeplanten Schwangerschaft versucht hätte, Andrea in die von ihm gewünschten Bahnen zu lenken. Sommerurlaub gibt es nur noch in Jesolo, im immer gleichen Hotel, denn es muss gespart werden: Für die Renovation der künftigen gemeinsamen Wohnung. In Haus seiner Eltern. Auf dem Dorf. Dabei will Andrea eigentlich in die Stadt ziehen.

Als sie sich nach langem Hadern trotzdem für das Kind entscheidet, ist die Zukunft dann auch besiegelt: Plötzlich hat sie 1 Haus, 2 Autos, 1 Kind. Gefühlte 30 Kredite. Und Georg hat bekommen, was er immer wollte.

Was mich an Andrea nervt, ist nicht, dass sie ihren Wunsch nach keinen Kindern über den Haufen wirft. Kann ich vielleicht irgendwie verstehen. Was mich richtig aufregt, ist, dass sie gleich auch ihre sämtlichen anderen Wünsche und Träume beerdigt. Sie sucht nicht einmal nach Kompromissen, sondern fügt sich einfach Georgs Vorstellungen vom perfekten Leben. Wohnen bei Schwiegermutti, Heimchen am Herd. Cool cool.

Ja, es geht hier um gesellschaftliche Rollenzuschreibungen und den Kampf um Selbstbestimmung. Nur dass letzterer leider nicht vorhanden ist. Tanja Raich bietet mit ihrer Protagonistin den denkbar schlechtesten Weg aus dem Dilemma an, nämlich die Passivität, die stumme Gleichgültigkeit. Was soll ich als Leserin daraus mitnehmen? «So läuft das eben»? Ja, natürlich läuft das so. Ich mag einfach sehr viel lieber emanzipierte Figuren mit Durchsetzungswillen, die jungen Frauen ein Vorbild sein können.
Profile Image for Julia.
28 reviews10 followers
June 16, 2025
Schade. Der Ausblick einen Roman über ungewollte Schwangerschaft, komplexe Gefühle über die eigene Rollen, Rebellion gegen klassische Rollenbilder und Auseinandersetzung mit den eigenen Erwartungen an das eigene Leben, von Partner, Freunden, Familie und Gesellschaft zum "guten" Leben zu lesen war spannend.

Leider findet hier nur wenig Entwicklung oder Reflexion statt. Die Protagonistin macht sich zwar solche Gedanken. Anstatt diese aber arbeiten zu lassen oder in ihrem Gedankenprozess Fortschritte zu machen scheint sie unfähig sich zu verändern oder mit den sich verändernden Umständen auseinanderzusetzen. So bleibt sie eher unreflektiert und lässt Dinge geschehen, über die sie sich ärgert, und nur abzufinden scheint.
An sich natürlich keine unrealistische Entwicklung. Dass darüber aber so gar nicht nachzudenken scheint, ist ärgerlich. Und verpasstes Potenzial in der Erzählung.

Der Roman ist zwar kurzweilig und schnell zu lesen, der Schreibstil (sehr kurze, abgehackte Sätze) ist aber leider einfach nicht meiner. Aus meiner Sicht passte dieser zwar zur Protagonistin, daher dass diese auch nicht viel Komplexität ausstrahlte. Es spiegelt sich darin wieder, was mir auch in der Figur fehlte.
Profile Image for leilanis_books ..
231 reviews11 followers
September 2, 2020
Ich konnte leider mit dem Buch nichts anfangen. Sicher war die Intension der Autorin ein feministisches Buch zu schreiben. Soweit ich es heraus lesen konnte spielt die Handlung in der Gegenwart, wir schreiben also das Jahr 2020. Unsere Protagonistin, die mir nebenbei bemerkt extrem unsympathisch war, hat eine eigene Wohnung und einen Job. Dann gibt es noch ihren Freund Georg mit dem sie seit ihrer Jugend zusammen ist. Nun möchte er gerne, dass sie zu ihm in das Haus seiner Eltern zieht, auch ein Kinderwunsch ist da. Andrea hadert mit dieser Situation, will ihre Freiheit nicht aufgeben, und findet Georg und seine Familie langweilig und einengend. Wenn dieses Buch nun in den 60igern spielen würde, oki…aber wie gesagt wir leben in einer neuen Zeit , wo Frauen selbstbestimmt leben und handeln können, noch dazu wenn sie so unabhängig leben wie Andrea es tut. Von daher ging mir das seitenlange Gejammere unendlich auf die Nerven, und ich kann ihre Handlungsweise absolut nicht nachvollziehen. Das war leider nichts..

Profile Image for Miss.Sophie425.
88 reviews9 followers
September 29, 2021
Andrea ist Mitte 30 und führt seit ihrer Jugend eine Beziehung mit Georg. Zusammen ziehen, heiraten und sich somit festlegen möchte sie nicht, zu stark sind ihre Bindungsängste, zu groß ihre Verlustängste, um tatsächlich Veränderungen zuzulassen. Mit einer ungewollten Schwangerschaft verlässt sie mehr und mehr ihre Abwehrhaltung und passt sich den Erwartungen ihrer Umgebung an, wird zunehmend passiv in ihrer Lebensgestaltung und lässt den Leser mithilfe ihrer Tagträume schonungslos an ihrem Seelenleben teilhaben. Die Grundstimmung dieses Romans ist eher depressiv und die stellenweise stattfindende Selbstsabotage lässt einen nur mehr als einmal kopfschüttelnd zurück, doch wenn man ehrlich ist, findet man sich ein Stück weit doch in ihr, ihren Ängsten, Wünschen und Vorstellungen wieder, denn in jeder (gescheiterten) Beziehung kommt man an einen Punkt, an dem man beginnt zu reflektieren:
"Vielleicht ist es nur die Vorstellung von dir, die ich vermisse. Die Vorstellung von uns, wie wir sein wollten."
Profile Image for Qendxi.
130 reviews5 followers
June 11, 2021
3 1/2 Sterne. Das Thema Schwangerschaft/Mutterschaft und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Konventionen werden in diesem Buch realistisch und verspottend dargestellt. Mir gefällt ihr Schreibstil, vor allem, dass sie Georg (und auch den Leser) in der zweiten Person Singular anspricht. Wenn man dieses Buch liest, ist Mutterschaft das Letzte, was man möchte..
Profile Image for Soundless.
36 reviews
March 22, 2022
Gekoedert wurde ich mich versprechen von Feminismus und Gesellschaftskritik. Gekriegt hab ich den unglücklichen schwangerschaftsbericht einer Frau, die gleichzeitig ueber alles im ihrem Leben meckert und trotzdem zu allem ja und amen sagt, was ihr Mann will.

Meh.
Profile Image for Natascha.
10 reviews3 followers
April 22, 2021
knapp 200 Seiten zwischen Beklemmung und Faszination - mutige Gedanken und noch mutigere Worte. Gelungenes Debut der Autorin und ich bin gespannt, was da in Zukunft noch kommt.
Profile Image for Freedom Breath.
785 reviews69 followers
August 26, 2022
رواية عادية عند حدث غير عادي في حياة آي أنثى.
Profile Image for Berit.
30 reviews1 follower
August 24, 2022
Von Beginn an schaue ich distanziert und ungläubig auf die aus Andreas Sicht beschriebene Lebenssituation und kann nicht es nicht glauben.

Andrea ergibt sich vollkommen ihrem Schicksal, als sie von ihrem langjährigen Partner ungeplant schwanger wird. Und das, obwohl Andrea in der Beziehung unglücklich ist und keine Kinder möchte.

Trocken und ohne Hand vor dem Mund wird Andreas (Leidens-)Weg in dem Buch beschrieben. Tanja Raich schafft es, die Schwangerschaft von Andrea mitreißend zu erzählen. Doch aufgrund des Inhalts, hinterlässt sie bei mir ein bedrückendes Gefühl.

Für mich war das Buch doch etwas zu pessimistisch. Ich hätte mir gewünscht, dass Andrea ihr Leben in die Hand nimmt, statt sich zu ergeben und ein Leben zu leben, was sie sich nicht wünscht. Ihre Passivität lässt mich verzweifeln. Ich fühlte mich zugleich hilflos und wütend, als ich den Roman gelesen habe. Es war deprimierend, von einer Frau zu lesen, sie sich ihrem Schicksal ergibt.

Ich finde es gut, dass solche Perspektiven ein Gehör bekommen. Doch hätte ich mir mehr Mut und einen Ausbruch aus der Situation für Andrea gewünscht.
Profile Image for Lyra.
370 reviews46 followers
December 30, 2019
* Achtung: Die Rezension enthält Spoiler! *

- 4,5*: Kinder bedeuten Verzicht – aber nur für Frauen! Ehrlich, beklemmend – und leider (!) sehr nah an der Realität! -

Inhalt

Georg und Andrea sind seit ihrer Jugend ein Paar. Ihr alljährlicher Urlaub im immer gleichen Hotel in Jesolo, Italien, steht für ihre Beziehung, die sich seit Jahren nicht wirklich verändert hat. Andrea ist zwar nicht glücklich, aber sie findet ihr Leben, ihren Freund, ihren Job okay. Jedoch gibt es eine Sache, die immer mehr zum Problem wird: Andrea will ihre Freiheit, sich nicht festlegen, reisen, sich alles offen halten – ihr Freund hingegen möchte die Wohnung im ersten Stock des Elternhauses ausbauen, sesshaft werden und sehnt sich nach Kindern und Familie. Seit Jahren versucht er Andrea zu überreden, endlich bei ihm einzuziehen, doch sie weigert sich – bis sie ungeplant schwanger wird. Für Andrea beginnt eine Zeit voller Kompromisse, voller gut gemeinter Ratschläge und Übergriffe von allen Seiten…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Blessing
Seitenzahl: 224
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis lang
Tiere im Buch: + Es werden keine Tiere im Buch verletzt, getötet oder gequält (es kommen keine vor). Fleisch wird allerdings von den Figuren gegessen.

Warum dieses Buch?

„Jesolo“ war für den Österreichischen Buchpreis 2019 in der Kategorie „Debüt“ nominiert. Doch nicht nur diese Tatsache, sondern auch die Empfehlung der feministischen Autorin Angela Lehner (ihr Buch „Vater unser“ war eines meiner absoluten Lesehighlights dieses Jahr!) und der Klappentext weckten in mir sofort den Wunsch, dieses Buch zu lesen!

Meine Meinung

Einstieg (+)

Ich hatte keine Probleme, in die Geschichte zu finden. Der einfache Schreibstil und die treffenden, ehrlichen Beschreibungen des Urlaubs haben mir den Einstieg leicht gemacht und mich sofort überzeugt.

Schreibstil (+)

Tanja Raich hat schreibt sehr klar, parataktisch, schnörkellos und einfach. Ihre gnadenlose Ehrlichkeit und nüchterne, beobachtende Erzählweise, die oft ohne Wertungen auskommt, fand ich großartig, weil dadurch die Beklemmung beim Lesen nur stärker wird und die Ungerechtigkeiten noch deutlicher hervortreten. Obwohl nur wenige Adjektive verwendet werden, haben mir diese niemals gefehlt, da das Buch trotzdem sehr anschaulich ist. Trotz der einfachen Sprache ist die Erzählweise nicht oberflächlich, sondern geht in die Tiefe, präsentiert zahlreiche Weisheiten und Wahrheiten, wunderbare, poetische Beschreibungen, und unzählige einprägsame Zitate, die den Nagel auf den Kopf treffen.

Obwohl die meist kurzen und einfachen Hauptsätze die innerliche Ruhelosigkeit, die durcheinandergeratenden Emotionen und die innere Zerrissenheit der Protagonistin sehr eindrucksvoll veranschaulichen, war die Lektüre durch den oft abgehackt wirkenden Stil, durch den teilweise kein richtiger Lesefluss aufkommen konnte, dennoch nicht immer leicht und ein Genuss. Doch je weiter die Lektüre hinter mir liegt, desto mehr schätze ich das Buch und seine Langzeitwirkung!

„Dieser erwachsene Mann, der gefallen will, der alles richtig machen will, der Verantwortung übernehmen will, hat sich über dich gelegt und nach und nach deine Persönlichkeit aufgefressen. Selbst mir ist es nicht aufgefallen, weil er langsam vorgegangen ist und sich an deinem Körper entlanggearbeitet hat, Stück für Stück.“ E-Book, Position 377

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (♥)

„Das, was du vorher warst, zählt nicht mehr. Wie es dir geht, zählt nicht mehr. Das, was zählt, ist dein Kind. […] Für dich ändert sich alles, aber für deinen Mann ändert sich wenig. Er arbeitet und schläft genauso wie vorher, und abends kommt er nach Hause und fragt: Was hast du den ganzen Tag gemacht?“ E-Book, Position 1385

„Jesolo“ ist ein wichtiges Buch, das zur richtigen Zeit erschienen ist und all jene, die behaupten, dass wir den Feminismus doch gar nicht mehr brauchen, weil wir die Gleichstellung von Mann und Frau ja schon längst erreicht haben, Lügen straft. Was im Roman beschrieben wird, ist beklemmend, frustrierend, macht wütend. Vor allem, weil es die Realität wiederspiegelt. Noch immer sind es (hauptsächlich, es gibt natürlich auch Ausnahmen) die Frauen, deren Leben sich nicht nur während, sondern auch nach der Schwangerschaft grundlegend verändert. Noch immer sind sie es, von denen wie selbstverständlich angenommen wird, dass sie zu Hause bleiben oder Teilzeit arbeiten, Karriereknicks und Altersarmut in Kauf nehmen, ihr Leben komplett umstellen. Ich nenne das „ungerecht“, aber viele Leute und die Gesellschaft nennen das leider immer noch „normal“.

Eine schwangere Frau scheint ihre Freiheit und Selbstbestimmung bis zu einem gewissen Grad aufgeben zu müssen: Alle reden auf sie ein, mischen sich ein, geben unerwünscht Ratschläge bezüglich Geburtsart, Stillen, Erziehung. Am Beginn verspricht Andis Freund noch, dass die im gleichen Haus wohnenden Schwiegereltern sich nicht einmischen werden, am Schluss des Buches betritt die Mutter schon mit ihrem Schlüssel die Wohnung und putzt dort unaufgefordert, will bei der Einrichtung mitbestimmen, drängt Andi in Richtung Hausfrau und Teilzeitkraft. Je weiter Andis Bauch wächst, desto mehr schrumpfen ihre Welt, Freiheit und Selbstbestimmung. Sie hat Angst (wie so viele) zu einer Frau ohne Namen zu werden, einer Frau, die von allen nur noch „Mama“ genannt wird, sogar vom eigenen Ehemann.

Eine andere Anekdote aus dem Buch: Bei Andis Arbeitsplatz kommt eine Kollegin aus der Karenz zurück. Ihre ehemalige Stelle als Teamleiterin wurde aber neu besetzt. Kein Problem, meint der Chef, sie kann ja weit unter ihren Qualifikationen im Sekretariat aushelfen, was ist schon dabei? Ja, was ist schon dabei, dass Frauen noch immer diejenigen sind, die die negativen Konsequenzen der Familienplanung tragen müssen? Solange sich nichts an der gegenwärtigen Situation ändert, solange Frauen weiterhin nur offiziell gleichgestellt sind, solange die Gesellschaft ihren Platz als Mütter zu Hause vor dem Herd sieht, braucht sich niemand zu wundern, wenn die Geburtenrate weiter sinkt! Warum sollen ständig nur wir verzichten und „zurückstecken“, während der Partner Stufe um Stufe die Karriereleiter hinaufklettert und sich selbst verwirklicht?

Trotzdem wird man als Frau immer noch zu Kindern gedrängt und sogar angefeindet, wenn man (wie ich) nicht vorhat, Kinder in die Welt zu setzen und Mutter zu werden. Mir wurde gesagt, dass das nicht normal sei, dass mein Leben keinen Sinn hätte. Männer haben mir mitgeteilt, dass sie finden, dass Frauen Kinder bekommen müssen, weil sie sonst im Alter „bitter“ werden (was immer das heißen soll). Mir wurde erklärt, dass diese „faulen“ und „wehleidigen“ Schwangeren, die sich einen Kaiserschnitt wünschen, weil sie z. B. Gewalt bei der Geburt (ein Thema, die immer noch schöngeredet und totgeschwiegen wird) vermeiden wollen, sich diesen Luxus doch bitte selbst bezahlen sollen. Freundinnen haben mir erzählt, dass ihnen Schmerzmittel während oder nach der Geburt verweigert wurden, dass es sofort vorbei war mit der gerechten Aufteilung der Hausarbeit und Pflegearbeit, dass sie sofort in traditionelle Rollenbilder gerutscht sind, als Kinder da waren. Es läuft beim Thema Familie immer noch so unglaublich viel falsch! Dieses Buch und auch persönliche Erfahrungen machen deutlich: Bis zur wahren Gleichstellung von Mann und Frau ist es noch ein weiter Weg!

„Jesolo“ ist ein ruhiger Roman ohne viel Handlung, das mich beim Lesen runtergezogen und Beklemmung in mir ausgelöst hat. Wer vielleicht sowieso gerade psychisch labil ist, sollte sich diesem Büchlein mit Vorsicht nähern, allen anderen (besonders Frauen und Männern, die über die Familienplanung nachdenken) sei es aber absolut ans Herz gelegt! Themen wie persönliche Freiheit, gesellschaftliche Erwartungen und Zwänge, veraltete Rollenbilder, scheinbare Gleichstellung, Selbstbestimmung und die Engstirnigkeit auf dem Land werden tiefgründig, ehrlich und eindrucksvoll behandelt. Es ist ein Buch, das beim Lesen wehtut und wütend macht, das einen aber auch zum Nachdenken anregt und lange in Erinnerung bleibt. Die Geschichte endet mit einem absolut passenden, poetischen Finale voller Ungewissheit, mit der sowohl die LeserInnen als auch Andi alleine gelassen werden.

Kleinere Kritikpunkte: Gestört haben mich die vielen Anzeigeprobleme des E-Books auf dem Kindle (manchmal endeten Sätze irgendwo und ihr Anfang war erst zwei Seiten später auffindbar etc.). Auch sehr negativ aufgefallen ist mir, dass aus irgendeinem Grund auf Anführungszeichen verzichtet wurde. Von diesem Stilmittel halte ich nichts, weil dadurch die Lektüre künstlich erschwert wird. Meiner Meinung nach will der Text dadurch anspruchsvoller wirken, als er ist. Teilweise war nicht einmal sofort erkennbar, ob jemand etwas sagt oder denkt oder wer was sagt, was ich unheimlich mühsam und nervig fand.

Protagonistin & Figuren (♥)

„Mein Leben liegt in Trümmern. Und ich wandle dazwischen umher wie eine Schiffbrüchige.“ E-Book, Position 543

Auf den ersten Seiten stand ich der Protagonistin noch etwas zwiespältig gegenüber. Teilweise wirkt sie etwas undankbar, launenhaft. Man fragt sich unweigerlich, warum sie nicht glücklich ist. Immerhin hat sie doch einen Freund, der zu ihr steht, der es ernst meint und bereit für den nächsten Schritt ist – etwas, das sich in Andreas Alter viele Frauen vermutlich sehr wünschen. Doch schnell nähert man sich dieser innerlich zerrissenen, unentschlossenen und zunehmend unglücklichen Figur mit Hang zur Melancholie an, deren Freiheit ihr mit jedem Kompromiss weiter genommen wird und die immer weiter in eine Rolle rutscht, die sie niemals haben wollte. Am Ende des Buches hatte ich einfach nur Mitleid mit ihr – sie war mir schon längst ans Herz gewachsen. Ich fühlte Solidarität mit ihr und wollte sie von den übergriffigen Menschen in ihrem Umfeld schützen. Eine bessere Protagonistin als die passive Andi hätte dieses Buch meiner Meinung nach nicht haben können.

Auch die anderen Figuren wirken sehr authentisch, dreidimensional und liebevoll ausgearbeitet. Besonders gut gelungen sind meiner Meinung nach die übergriffige Schwiegermutter und Andis Freund Georg.

Spannung & Atmosphäre (♥)

Meiner Meinung nach waren die unheimlichen, abtraumhaften, oftmals gewalttätigen (Tag-)Träume von Andi (die vermutlich ihr Ventil sind, um mit dem Druck und der „Enge“ ihres neuen Lebens umzugehen) und die kafkaesken Beschreibungen im Buch eine seiner größten Stärken. Ich fand die beklemmende, deprimierende und düstere Atmosphäre sehr intensiv und gut gelungen!

Was die Spannung betrifft, war ich zwar immer neugierig, wie es weitergeht, jedoch gab es im Mittelteil einen Durchhänger, der sich für mich beim Lesen etwas zäh angefühlt hat. Gegen Ende stieg die Spannung aber noch einmal an.

Feministischer Blickwinkel (♥)

Das Wichtigste habe ich schon beim Unterpunkt „Inhalt“ gesagt. Abschließend möchte ich nur noch hervorheben, dass das Buch den Bechdel-Test besteht und dass Tanja Raich ein sehr wichtiges Werk geschaffen hat, das manchen Menschen sicherlich die Augen öffnen wird! Schön, dass der Roman für den Buchpreis nominiert wurde und dadurch viel Aufmerksamkeit erhalten hat!

Mein Fazit

„Jesolo“ bietet einen schonungslos ehrlichen Blick auf unsere Gesellschaft und die nur scheinbare Gleichstellung, die wir bisher erreicht haben. Tanja Raichs Schreibstil ist klar, einfach und schnörkellos. Durch ihre nüchterne, beobachtende Erzählweise treten die Ungerechtigkeiten nur noch deutlicher hervor. Obwohl durch den etwas abgehackten Stil bei mir teilweise kein richtiger Lesefluss entstehen konnte, mochte ich die Sprache, die poetischen Beschreibungen und die treffenden Zitate sehr! Und obwohl ich der passiven Protagonistin am Beginn noch etwas zwiespältig gegenüberstand, wuchs mir die innerlich zerrissene und melancholische Figur mit jeder Seite mehr ans Herz. Auch die anderen Personen wirken sehr authentisch und liebevoll ausgearbeitet. Meiner Meinung nach stellen die abtraumhaften (Tag-)Träume von Andi und die kafkaesken, beklemmenden und düsteren Beschreibungen eine der größten Stärken des Buches dar. Was die Spannung betrifft, gab es lediglich im Mittelteil einen Durchhänger, der sich für mich beim Lesen etwas zäh angefühlt hat. „Jesolo“ ist ein wichtiges und tiefgründiges Buch voller Ungerechtigkeiten und Übergriffe, das zur richtigen Zeit erschienen ist und all jene, die behaupten, dass wir den Feminismus doch gar nicht mehr brauchen, weil wir die Gleichstellung von Mann und Frau ja schon längst erreicht haben, Lügen straft. Noch immer sind es die Frauen, deren Leben sich nach der Schwangerschaft grundlegend verändert. Noch immer sind sie es, von denen wie selbstverständlich angenommen wird, dass sie zu Hause bleiben oder Teilzeit arbeiten, verzichten und zurückstecken, Karriereknicks und Altersarmut in Kauf nehmen, ihr Leben komplett umstellen. Es läuft beim Thema Familie immer noch so unglaublich viel falsch! Dieses Buch macht deutlich: Bis zur wahren Gleichstellung von Mann und Frau ist es noch ein weiter Weg! Mit „Jesolo“ hat Tanaj Raich einen Roman geschaffen, der beim Lesen wehtut, deprimiert und wütend macht, der einen aber auch zum Nachdenken anregt und lange in Erinnerung bleibt. Manchen Menschen wird er hoffentlich die Augen öffnen. Schön, dass er für den Buchpreis nominiert wurde und dadurch viel Aufmerksamkeit erhalten hat! Auch von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

Bewertung

Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 4,5 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Nebenfiguren: 5 Sterne ♥
Spannung: 3,5 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Ende / Auflösung: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb überzeugte Lilien und eine uneingeschränkte Leseempfehlung!
7 reviews
September 25, 2023
Ein interessantes Thema, jedoch war ich als Leserin durchweg sowohl von der Protagonistin als auch von ihrem Freund genervt. Sie verliert sich in Tagträumen und er denkt nicht im Traum daran mal zu fragen, wie es ihr eigentlich geht. Ich hatte mehr erwartet. Schade!
This entire review has been hidden because of spoilers.
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28 reviews
September 10, 2019
Inhalt:

Jedes Mädchen träumt eigentlich von dem perfekten vollkommenen Leben. Mann, Haus, Kind, um nur ein paar der großen Lebensstationen zu nennen, die im Prinzip jede Frau eines Tages besucht haben möchte. Nicht doch Andrea. Denn sie hat sich all das nie gewünscht. Doch das Leben kommt anders und sie schafft es nicht, ihren eigenen Willen durzusetzten. Ihr Leben ist durchgängig "okay", doch die große Freude und Aufregung fehlt. Ihr Mann ist okay, ihr Leben ist okay. Eines Tages ist sie schwanger- obwohl sie eigentlich nicht schwanger sein wollte. Sie nimmt einen Kredit auf- obwohl sie nie einen Kredit aufnehmen wollte. Sie zieht bei ihrer Schwiegermutter ein- obwohl sie nicht bei ihrer Schwiegermutter einziehen wollte.



Meinung:

Dieses Buch hat mich wirklich auf allen Ebenen in den Wahnsinn getrieben- was ich in diesem Fall leider auch keineswegs positiv meine. Mehrfach war ich wirklich kurz davor, dass Buch an die Wand zu werfen. Ich war frustiert, genervt, entsetzt, schockiert. Genau damit hat Tanja Raich auch bewusst gespielt, doch mich hat es wirklich einfach nur verrückt gemacht.



Der Gedanke dieses Buches war es ja, dass die Protagonistin einfach zu allem "ja" sagt, was man sie fragt, was die Gesellschaft vorschreibt. Denn die moderne Gesellschaft bestimmt praktisch, was zu einem perfekten Leben gehört. Familie, Haus und Job sind so in etwa die Zutaten für ein glückliches Dasein. Doch Tanja Raich wollte bewusst damit provozieren, dass man trotz allem nicht immer die persönlichen Wünsche erfüllt hat, wenn man all diese Stationen auf seiner Liste abhaken kann, dass die Rolle der Frau aber so stark definiert ist, dass man praktisch in dem vorgeplanten Leben ersticken kann. Deswegen hat Andrea ihre eigenen Bedürfnisse hinten angestellt und nur die Erwartungen anderer erfüllt.



Doch ich wollte Andrea einfach immer nur schütteln. Ich habe sie stumm angeschrien, geradezu verzweifelt angefleht, dass sie doch bitte einmal "nein" sagt. Ein einziges Mal auf sich hört. Sachen nicht einfach über sich ergehen lässt, sondern offen sagt, dass sie nicht will, da sie nicht in der Stimmung ist, dass sie sich etwas anderes von ihrem Leben versprochen hat.

Gleichzeitig hat mich dieser Schreibstil komplett rappelig gemacht. Normalerweise empfinde ich eine innere Ruhe, wenn ich lese, doch bei "Jesolo" hätte ich Wände hochgehen können. Das ganze Buch war komplett parataktisch. Ein Hauptsatz ohne jegliche Ausschmückung folgte dem nächsten, und auf Dauer haben mir einfach die Adjektive gefehlt, die malerische Sprache. So wirkte die ganze Geschichte auf mich irgendwie eindimensional, die Charaktere farblos, die Geschichte nicht aussagekräftig genug. Vielleicht macht dieser Schreibstil genau das, was er soll: verrückt. Er passt zu dem schnöden Leben, dass Andrea führt, doch trotzdem sind auch die Gefühle nur eindimensional herübergekommen.

Mich hat das Buch irgendwie heruntergezogen. Ich konnte mit keinem Charakter wirklich sympathisieren, und das bei wörtlicher Rede die Satzzeichen fehlten, hat mich komplett verwirrt und jedes Mal musste ich nachrechnen, wer nun mit Sprechen dran ist. Ein weiterer Aspekt, der mich irre gemacht hat.

Das einzig positive für mich war, dass Tanja Raich wirklich in vielen Passagen den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Ich habe mich und die Ansprüche der Gesellschaft mehrfach wiedergefunden. Sehr eindrucksvoll fand ich das an einer Stelle, als Andrea alle Sprüche aufzählt, die sie als Schwangere gesagt bekommt. Es sind die allgemeinen Floskeln, die man immer wieder aufschnappt, wenn es um das Kinderkriegen und Schwangersein geht. Die unterschwellige Kritik an den Ansprüchen an das Individuum von der Gesellschaft waren keineswegs aus der Luft gegriffen, sonder hatten einen großen Wiedererkennungsfaktor. Trotz allem konnte mich das Buch nicht überzeugen.



Ich glaube, dass es fast das erste Mal in meiner Geschichte als Rezensentin ist, dass ich 1 Stern vergebe. Ich kann mir vorstellen, dass so mancher das Buch auf seine Art sicherlich mag, denn wie ich bereits erwähnt hatte, wollte Tanja Raich bewusst provozieren, einen verrückt machen damit, dass Andrea nie "Nein" sagt und die Ansprüche der Gesellschaft bargen ein Wiedererkennungspotential. Doch alleine der Schreibstil war einfach absolut nicht meins, die ganzen Hauptsätze haben meinen Lesefluss immer und immer wieder unterbrochen und ich konnte mich mit dem Buch leider gar nicht identifizieren.

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1,405 reviews42 followers
September 6, 2019
Andrea und Georg, beide Mitte 30 und mit beiden Beinen im Leben stehend. Sie machen Urlaub in Jesolo, weil sie immer Urlaub in Jesolo machen. Sie kennen das Hotel, den Stand mit den immer gleichen Liegen, die Umgebung und wissen, worauf sie sich einlassen. Doch statt entspannter Tage verbringen sie die schönste Zeit des Jahres mit Streitigkeiten. Ein wiederkehrendes Thema ist Andreas Weigerung, mit Georg zusammenzuziehen. Sie will ihre Freiheit nicht aufgeben, er will und kann sie nicht verstehen. Im Haus seiner Eltern ist genügend Platz, sie können die Miete sparen, haben Unterstützung. Für Andrea die Vorhölle. Doch dann teilt ihr Arzt ihr mit, dass sie schwanger ist. Sie denkt über Abtreibung nach, sagt Georg nicht Bescheid, bis sie die vermeintlich freudige Nachricht doch teilt und sich für das gemeinsame Leben entscheidet. Ein Leben, das nicht ihres ist, das sie nie wollte und das sie schon hasst, bevor es beginnt.

Tanja Raich bringt in ihrem Roman das Dilemma der heutigen Frau auf den Punkt. Jahrelang schildert man ihr die Illusion der beruflichen Selbstverwirklichung, lässt sie zur Karriere ansetzen und suggeriert ihr, dass sie die ganze Welt haben kann. Doch dann wird sie 30 und aus der ganzen Welt wird plötzlich Kinder, Küche, Kirche. Wer sich sträubt, muss den Gegenwind aushalten, Alternativen zum tradierten Rollenverständnis gibt es nicht. Ihr Erstlingswerk hat ihr die Nominierung auf der Shortlist Debüt 2019 des Österreichischen Buchpreises beschert, einer Auszeichnung, der man aufgrund ihrer Sprachversiertheit nur uneingeschränkt zustimmen kann.

Vom Ende her betrachtet, beginnt der Roman interessanterweise geradezu mit dem Auflösen der Beziehung der beiden Protagonisten. Man wundert sich, dass sie den finalen Schritt nicht endlich tun, so quälend sind ihre Auseinandersetzungen. Sie verletzten sich gegenseitig absichtlich, nichts scheint sie mehr zu verbinden. Nur nach außen erhalten sie noch den Schein. Die Zäsur kommt durch die Schwangerschaft. Lange war ich überzeugt, dass Andrea sich gegen das Kind, gegen Georg und gegen das gemeinsame Leben entscheidet. Doch dann kommt es anders und genau das, wovor sie immer Angst hatte, tritt ein. Noch stellt sie Bedingungen an das gemeinsame Leben, doch mit dem Heranwachsen des Kindes schwindet ihr Widerstand und mit ihm verschwindet Andrea:

„Das ist nur der Anfang. Dieser Strudel wird uns immer weiter nach unten ziehen. Aber vielleicht zieht dieser Strudel nur mich nach unten, während du sorglos an der Oberfläche weiterschwimmst.“

Georg realisiert seinen Traum vom Haus, von der Familie, von der Idylle auf dem Land. Immer beratend an seiner Seite: seine Eltern. Andrea ist nur ein Möbelstück, ein Accessoire, das aber bitte nicht reinreden soll:

„Was weiß ich schon von diesem neuen Leben. Darüber weißt du besser Bescheid.“

Und bald schon erkennt sie in sich die Kopie ihrer Schwiegermutter, die wartet, dass der Gatte nach Hause kommt, um ihm dann das heiße Essen zu servieren.

Wenig deutet zu Beginn des Buchs auf das hin, was Andrea widerfährt. Aber so ist nun mal das Leben und Tanja Raich schildert authentisch, wie Frauen in diese Rolle hineingedrängt werden, zunächst ganz sachte, sich irgendwann ergeben und einfach machen, was man von ihnen erwartet. Widerstand ist zwecklos bzw. der Zeitpunkt, um einen anderen Weg einzuschlagen, wurde einfach verpasst. Sie können daran verzweifeln oder sich einreden, dass das auch ihr Traum ist. Ist ja auch alles ganz toll. Nur halt nicht das, was sie vom Leben erwarteten, wovon sie träumten, was aus ihnen hätte werden können.

Dramaturgisch überzeugend, sprachlich stark – ein Debut, das mich schnell überzeugen konnte und das in seiner Aktualität nicht unterschätzt werden sollte, denn diese Generation wir irgendwann ausbrechen wollen und sich das zu holen, was man ihr versprochen hatte.
Profile Image for Franziska.
183 reviews19 followers
June 14, 2019
Jesolo ist Georgs Lieblingsurlaubsort. Am liebsten würde er immer dort Urlaub machen. Andi scheint sich auch mal was anderes zu wünschen, aber mehr als diese Vermutung erfährt man nicht.
Und so zieht es sich durch den ganzen Roman: Georg wünscht sich nichts sehnlicher, als dass Andi bei ihm einzieht. Mehrmals sagt sie nein, aber als sie dann schwanger ist (Georg freut sich riesig), sagt sie doch ja und fügt sich in dieses Bild, das Georg hat vom Leben. Sie bauen das Dachgeschoss im Haus seiner Eltern aus, seine Mutter bestimmt über Einrichtung und Speiseplan und kommt auch ungefragt vorbei zum Putzen.
Andi bleibt passiv in allem. Man spürt, dass sie andere Träume hat/te, dass sie nicht so gern unter ständiger Beobachtung ihrer Schwiegermutter steht, dass sie gern weiter arbeiten würde...
Aber dabei bleibt es. Und das macht dieses Buch sonderbar deprimierend. Eine Frau, die sich ergibt in ihr Schicksal, so wirkt es, und man weiß nicht, ob man sie nun bemitleiden soll oder sich für all das freuen soll, was sie haben kann und andere so gern hätten.
Am Ende bleibt die Frage: was wollte Andi eigentlich vom Leben?
Profile Image for رشا.
Author 9 books364 followers
February 8, 2022
رواية لا بأس بها مسلية تنتهي منها سريعا
ساعد على ذلك ترجمة رضوى الجيدة
أعتقد أن قيمة الرواية في أن كاتبتها لم تمر شخصيا بالتجربة إلا أنها جعلتنا نعيش التجربة كاملة استطاعت وصف معاناة سيدة
حاما بدقة
خاصة أنها تعاني رهابا من المسؤلية والأمومة
لم تعش مع أم مما ضخم عقدتها لا تعلم شيئا عن هذه العلاقة
وصفت بدقة حال السيدة ومعاناتها بالتدريج يوما بيوم
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