In der Debatte über den Aufstieg nationalistischer und illiberaler Parteien ist ein altes Gespenst wieder aufgetaucht – das Gespenst der liberalen Kosmopoliten: gut ausgebildete, international vernetzte Wissenschaftlerinnen, Journalisten oder Politikerinnen, die sich gegenseitig ihrer moralischen Überlegenheit versichern. Die Kluft zwischen Kosmopolitinnen und heimatverbundenen Kommunitaristen gilt als einer der zentralen Konflikte unserer Zeit.
Eine zutreffende Diagnose? Oder ist die Vorstellung von entwurzelten liberalen Eliten bloß ein Zerrbild? Der Psychoanalytiker und Publizist Carlo Strenger kennt diese Gruppe nur allzu gut: weil er selbst zu ihr gehört – und aus dem Alltag seiner therapeutischen Praxis. Anhand einschlägiger soziologischer Literatur verallgemeinert er seine Befunde. Ja, so die selbstkritische Einsicht, die liberalen Eliten sind oft zu arrogant. Und dennoch brauchen wir ihre Expertise. Strenger schließt mit einem doppelten Plädoyer: für mehr Bodenständigkeit unter den liberalen Kosmopolitinnen und eine liberal-kosmopolitische Grundausbildung für alle.
Carlo Strenger was a Swiss and Israeli psychologist, philosopher, existential psychoanalyst and public intellectual who served as professor of psychology and philosophy at Tel Aviv University.
Inhaltlich mit wenig Neuem, allerdings ist die zentrale Botschaft des Buches durchaus wichtig - wenn sie auch die richtigen Personen wahrscheinlich nicht erreicht.
Strenger versucht hier aufzuzeigen, wieso "liberale Eliten" - also im Grunde die heutige obere Mittelschicht aus besser situierten Akademikern, Start-Up-Gründern, Wissenschaftlern und erfolgreichen Mitgliedern der Kreativbranche - nötig sind in unseren heutigen Zeiten. Teilweise geht er mit ihnen nicht hart genug ins Gericht, was ihre Schwächen angeht, aber das ist zu verschmerzen. Einmal mehr zeigt er die Ignoranz auf, die vielen Mitgliedern dieser Schicht gegenüber dem ungebildeten Pöbel aufweisen und verurteilt diese richtigerweise. Auch gibt er offen zu, dass er wenig Möglichkeiten sieht, wie man sich dem grassierenden Populismus entgegenstellen kann. Inhaltlich also eher Durchschnitt, aber wie eingangs erwähnt mit wichtiger Botschaft.
Interessant sind noch die Fallbeispiele aus sein seiner pschotherapeutischen Praxis, in denen er verschiedene Mustertypen der liberalen Elite aufzeigt und deren mögliche persönliche Probleme. Das zeigt schön auf, dass eben auch die Eliten nur normale Menschen mit normalen Problemen sind, und die ihnen zugeschriebene Ignoranz gegenüber allen anderen deshalb umso mehr ungerechtfertigt ist.
Ich schließe mich also der Grundtendenz durchaus an, dass wir eine progressive kosmopolitanische Elite brauchen, die etwas voranbringt. Der Mensch neigt bekanntlich zur Trägheit, und diese Schicht versucht durchaus diese Trägheit zu durchbrechen, trotz all ihrer Schwächen.
Very interesting read that discussed the responsibilities of liberals regarding the discourse in open societies. Very motivating read to take responsibility for where our democracies are being shifted towards by populist politicians that believe that benefit from chaos and lies.