Eine literarische Reise, die uns von Innsbruck aus über Moskau und Madrid nach Berlin bringt. Eine Reise, auf der wir den nicht unbedingt sympathischen Autor Kurt Prinzhorn begleiten, mit dem man aber trotz aller Antipathie immer ein bisschen Mitleid hat, denn auch einem egoistischen, selbstverliebten chauvinistischen Mann wie ihm wünscht man nicht, dass zweimal in sein Hotelzimmer in Innsbruck eingebrochen wird, wobei einmal jemand mit langen schwarzen Haaren seine Badewanne benutzt und beim zweiten Mal seine Tasche mit allen Notizbüchern sowie all seine Schlüssel gestohlen werden. Das Gespräch zwischen Kurz Prinzhorn und den Innsbrucker Polizisten, das auf den zweiten Einbruch folgt, ist für mich nur eines der unzähligen Beispiele für den großen Wortwitz dieses Romans: „Weg sind nur alle meine Schlüssel.“ „Haben Sie denn so viele?“ (…) „Es war ein Schlüsselbund mit knapp dreißig Schlüssel.“ (…) „Sie sind wohl Schlossbesitzer?“ „Ich besitze zahlreiche Schlösser.“ (…) Sprachlich hat mir dieser Roman wirklich außerordentlich gefallen, Wortspiele und Wortwitz haben mich oft laut auflachen lassen und die zahlreichen Verweise auf Titel, Themen und AutorInnen der Weltliteratur bieten interessierten LeserInnen eine weitere Ebene im Text. Inhaltlich fand ich die Handlung grundsätzlich spannend, für einen Kriminalroman hat mir die Ermittlungsarbeit gefehlt. Der Schluss samt Auflösung war für mich logisch und nachvollziehbar, aber gleichzeitig auch etwas unglaubwürdig. Ich möchte niemandem die Lesefreude verderben, aber ganz allgemein hat sich mir nach dem letzten Kapitel die Frage aufgedrängt, weshalb Kurt Prinzhorn nicht schon viel früher die richtigen Schlüsse gezogen hat.
Mein Rezensionsexemplar habe ich vom Verlag über NetGalley erhalten.
Romeo oder Julia ist der dritte Kandidat der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, den ich dieses Jahr gelesen habe. Nachdem mir die beiden anderen Bücher (Die Kieferninseln und Das Floß der Medusa) beide sehr gut gefallen hatten, waren meine Erwartungen natürlich recht hoch, vor allem, da sich die Zusammenfassung nach einem literarischen Krimi anhörte und dafür bin ich immer zu haben. Das Buch ist schön geschrieben, es gibt einige sehr witzige Wortspiele. Ich hatte aber mit zwei Dingen ein Problem: Zum einen ist der Erzähler ziemlicher Chauvinist, was mich nach einer Weile ziemlich aufgeregt hat. Und zum anderen ist die Auflösung des Ganzen sehr simpel und auch eine unmittelbare Folge des Chauvinismus. Ich bin doch etwas enttäuscht von diesem Buch und kann auch die Nominierung für die Shortlist nicht ganz nachvollziehen.
(Vielen Dank an Netgalley/den Verlag für die Bereitstellung eines kostenlosen digitalen Leseexemplars!)
So, jetzt soll ich also etwas zu Falkners Buch schreiben. Dieses Exemplar war in diesem Jahr sogar auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Der Klappentext klang vielversprechend und auch die Leseprobe aus dem Shortlist-Leseprobenheftchen hat mir sehr zugesagt. Zack, Tina muss auch mal etwas von dieser „richtigen“ Literatur lesen, die hochgelobt ist und Preise gewinnt (vielleicht). Beim Zuklappen des Buches geraume Zeit später war mir jedoch nicht so richtig klar, was ich da gerade gelesen habe. Und ob ich überhaupt etwas vom Inhalt wiedergeben könnte, da alles so konfus war. Kurzgefasst geht es um den Autor Kurt Prinzhorn und den mysteriösen Kriminalfall, der sich um ihn zu entspinnen scheint. So sind merkwürdigerweise eine ganze Menge fremder, langer Haare an seiner Seife und sein Schlüsselbund fehlt auch. Nicht zu vergessen seine Notizbücher mit lauter wichtigen.. nun ja, Notizen. Jedoch finden weder er noch die Polizei Spuren eines Einbruchs. Kurt wird Verwirrtheit zur Last gelegt, hätte er doch die Schlüssel bestimmt anderweitig verloren. Dem ist jedoch nicht so, und als Kurz weiter nach Moskau reist, scheint ihn seine Stalkerin weiter zu verfolgen, er fühlt sich beobachtet und vielleicht auch ein wenig paranoid. Als die ominöse Frau ihn jedoch selbst nach Madrid zu verfolgt haben scheint, reißt Kurts Geduldsfaden und er nimmt die Verfolgung auf.
Neben der eigentlich ganz interessanten Hauptstory gibt es auch in „Romeo oder Julia“ jede Menge Füllwerk. So jagt Kurt mit seinen Autorenfreunden von einem Schauplatz oder Hotel zum Nächsten, führt mehr oder weniger intelligente Gespräche und lernt selbstverständlich auch die eine oder andere Frau kennen. Das „Füllwerk“ ist jedoch nicht halb so interessant wie die Geschichte um das Stalking: Plattitüden häufen sich, der Erzählung fehlt es an Schwung und Schmackes, und die Charaktere (selbst Kurz!) wirken platt. So findet man mitunter einen Satz wie Folgenden mitten im Text, ohne dass er sich schämt:
Ich ergriff ihre Hand und fühlte mich ergriffen.
Um meine Gefühle während der Lektüre dieser Sätze zu beschreiben, muss ich leider zum Slang greifen: cringe! Und nicht nur der oben genannte Satz ist cringe-worthy, um es in Worte zu fassen, sondern immer wieder tauchen komische Wortgebilde und Wortgeschwulste auf. Der Text macht den Eindruck, als wäre er hoch prätentiös und kommt ein wenig schnöselig daher. Ob das Ganze mit dieser hippen Ironie geschrieben wurde oder nicht, kann ich leider nicht nachvollziehen. Die Handlung erschien mir leider ebenso schwammig, obwohl ich nicht sagen könnte, dass ich unaufmerksam gelesen hätte oder dergleichen. Ich habe nur nicht den Zusammenhang zwischen all diesen Leuten, diesen Partys und unserem Herrn Protagonisten gesehen, alles schien belanglos hingekleckst, manchmal auch zum Schmunzeln, meistens aber zum Kopfschütteln.
Innsbruck, Moskau, Madrid und Berlin - das sind die Stationen, an denen sich der Schriftsteller Kurt Prinzhorn im Verlauf der Handlung aufhält. Während eines Autorentreffens in Innsbruck wird in seinem Hotelzimmer eingebrochen. Prinzhorn zeigt die Sache an, doch so recht glaubt man ihm nicht. Wer sollte bei einem Einbruch nichts von Wert stehlen, dafür aber lange schwarze Haare in der Badewanne zurücklassen. Erst später stellt sich heraus, dass doch einige Dinge abhanden gekommen sind. Dennoch ergibt das Ganze keinen Sinn und Prinzhorn konzentriert sich auf das Beisammensein mit den anderen Autoren. Doch immer wieder fühlt er sich beobachtet.
Ein urig-unheimliche Geschichte entspinnt sich zwischen Kurt Prinzhorn und dem unbekannten Täter oder der Täterin. Wie ein dunkler Schatten umweht die vermeintliche Bedrohung das reale Leben des Autors. So ganz geht es ihm nie aus den Gedanken, auch wenn er mit völlig anderen Lebenswirklichkeiten beschäftigt ist. Es nagt an ihm, wer kann etwas gegen ihn haben? Es muss jemand sein, der vieles über ihn weiß, der seine Wege ebenso kennt wie seine Pläne. Wird das Gefühl des Beobachtetwerdens etwa zur Obsession? Spielt es sich in seinen Gedanken ab oder ist es wahr? Heischt er nach Aufmerksamkeit oder bedarf er tatsächlich des Schutzes von Freunden? Kann er sich noch alleine auf die Straße wagen? Vielleicht sollte er es einfach auf eine Konfrontation ankommen lassen.
So recht wird nicht unbedingt klar, was Gerhard Falkner mit seinem Kabinettstückchen bezweckt. Aber die Phantasie des Lesers wird auf jeden Fall angeregt. Wie würde man sich selbst fühlen, wenn man sein Hotelzimmer betritt, es verändert vorfindet und alle bestreiten trotz offensichtlicher Anzeichen, dass ein Fremder das Zimmer betreten haben kann. Wie wäre es, wenn man anfängt, sich bei jedem zweiten Schritt umzudrehen, weil man befürchtet verfolgt oder beobachtet zu werden, wenn man immer mehr nach hinten lauscht? Kann man dann noch im wirklichen Leben sein, kann man das Unheimliche für eine Weile vergessen? Oder geht es nicht darum, geht es mehr um das Leben im hier und jetzt? Muss man sich durch etwas stören lassen, das eigentlich eher eine Kleinigkeit zu sein scheint? Sicher werden Handlung und Erzählweise auf jeden Leser anders wirken und unterschiedliche Gedanken auslösen, doch unbeeindruckt wird vermutlich keiner bleiben.
Als die Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2017 veröffentlicht wurde, hörte ich mir die dazugehörigen Hörproben der Titel an. Der einzige, der mich wirklich interessierte, war Gerhard Falkners "Romeo oder Julia".
Während alle anderen Bücher nach den eher typischen Geschichten der Höheren Literatur klangen, war dieses hier mal etwas Anderes und stach erfrischend aus der Masse heraus. Dass Falkner den Preis nicht gewinnen kann, ist mir während des Lesens klar geworden, was aber nicht heisst, dass es kein gutes Buch ist.
"Romeo oder Julia" beginnt verrückt und wird auch immer seltsamer. Falkner nimmt sich eines bekannten Themas an (nein, ich verrate nicht welches, da das den Spass am Buch nehmen würde!) und verarbeitet es auf eine neue Art und Weise. Das Ende selber war dann, wenn man das Buch als Ganzes betrachtet, leider eher etwas mau.
Doch wodurch sich dieser Titel wirklich auszeichnet, ist Falkners Humor. Viele Werke, die sich im literarischen Bereich bewegen, sind meistens eher düster, traurig, nachdenklich... aber auf keinen Fall lustig. Sowas gehört sich nicht für das gehobene Milieu. Damit, dass Gerhard Falkner es auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat, zeigt er aber, dass dem nicht so sein muss.
Zusammen mit Kurt Prinzhorn reisen wir durch Europa, treffen jede Menge Leute und erleben merkwürdige Dinge. Die Haare in der Badewanne sind da nur der Anfang. Genauso wie Kurt tappt der Leser eher im Dunkeln, was diese mysteriösen Zwischenfälle betrifft. Dafür gibt es immer mal wieder kleinere und grössere Hinweise auf die Lösung.
Trotz der wirren Ereignisse geht die Handlung eher ruhig vonstatten. Gespräche sind ein wichtiger Teil davon, aber auch Kurts Gedankengänge. Oftmals wusste ich gar nicht so genau, wohin die Geschichte uns bringen oder ob es überhaupt eine Lösung geben wird. Das störte mich persönlich jedoch nicht im Geringsten, ich genoss einfach die Lektüre um der Lektüre willen.
„Romeo oder Julia“ von Gerhard Falkner steht auf der diesjährigen Shortlist des Deutschen Buchpreises. Letztes Jahr – in 2016 – schafft er es mit seinem Roman „Apollokalypse“ auf die Longlist. Falkner hat noch etliche weitere Preise zu verzeichnen, aber um einen Eindruck für die Reichweite seiner Sprachkraft zu gewinnen, reicht die Information: nominiert für den Deutschen Buchpreis vollkommen aus. (Keine Ironie!) In „Romeo oder Julia“ begibt sich der Ich-Erzähler Kurt Prinzhorn zu einem Schriftstellertreffen nach Innsbruck. Hier vereint sich allerhand – nicht nur, aber auch – menschlich Kurioses. Ebenfalls kurios ist die Tatsache, dass sich während Kurts Abwesenheit wohl jemand in seinem Zimmer aufgehalten haben muss und das nicht einfach so oder mit der Absicht etwas Wertvolles zu stehlen, nein, er oder sie scheint ein ausgedehntes Schaumbad genossen zu haben und hat dabei, neben Seifenresten, auch ein großes Haarbüschel hinterlassen. Kurze Zeit später wird Kurts Schlüsselbund entwendet, von dem oder der Täterin fehlt nach wie vor jede Spur. Auch während seines Aufenthalts in Moskau und später in Madrid kommt es zu mysteriösen Ereignissen. Kurt ist ratlos. Dann trifft er durch Zufall auf genau das fehlende Puzzleteil in der Beweiskette und findet sich plötzlich ganz tief vergraben in seiner eigenen Vergangenheit wieder... Eine (obsessive) Liebe gepaart mit Skurrilität trifft auf die Leidenschaft zur (Welt)literatur. Nachdem ich die Leseprobe von „Romeo oder Julia“ gelesen habe, stand für mich sofort fest, dass der Roman zu meinen persönlichen Highlights des diesjährigen Deutschen Buchpreises gehört. Bereits auf diesen wenigen vier Seiten im Leseprobenheft habe ich mehrmals laut lachen müssen und mir einige Stellen markiert, weil Falkner so herrlich zynisch und schwarzhumorig schreibt. "Während aber die Erste sich mit den Haaren und Brillen erstaunliche Freiheiten erlaubte, büßte die Zweite ihren gesellschaftlichen Status mit Frisuren, die keine Experimente duldeten."
Im ganzen Text verteilt sich der rabenschwarze Humor zwar leider etwas, ist aber dennoch vorhanden. Dazu kommt Falkners ganz eigene Art selbst die sonst langatmigsten Beschreibungen von Landschaften und Dingen lebendig und spritzig zu gestalten, so dass es auch auf mehreren Seiten ausgedehnt faszinierenderweise trotzdem noch sehr lesbar bleibt.
„Die cremefarbenen Sonnenschirme spannten sich melancholisch über der von ihnen beschatteten Leere, da sich trotz der milden, sogar warmen Abendluft alle Gäste in der Halle aufhielten.“
Sprachlich bin ich also mehr als begeistert von dem Buch. Auch inhaltlich bleibt die Spannung bis beinahe zum Schluss, aber leider verpufft am Ende alles irgendwie ein wenig wie bei einem Ballon, der erst prall gefüllt ist und mit einem Mal platzt. Ebenfalls ein wenig störend empfinde ich Kurts chauvinistische Art, die zwar zu einem großen Teil mit Humor zu lesen ist, aber doch in manchen Passagen etwas frauenfeindlich und arg überheblich daherkommt. Es ist nicht so, dass mich das grundlegend gestört hätte, denn es passt zum Buch, aber wäre diese Figur in einem anderen Roman, mit einer anderen sprachlichen Gestaltung, in einem anderen Kontext aufgetaucht, hmm, da würde ich salopp sagen: das geht gar nicht. So kann ich darüber hinwegsehen. Doch muss ich zugeben, dass das einige Sympathiepunkte Abzug gekostet hat. Leider. Bevor ich jetzt zu negativ ende, was ich gar nicht will, betone ich gerne nochmals die absolute Sprachbrillanz des Romans und bin gespannt, ob Falkner damit zum Buchpreisträger 2017 wird!
Ein Schriftstellertreffen führt den Autor Kurt Prinzhorn nach Innsbruck in ein kleines Hotel. Dort trägt sich eine seltsame Begebenheit zu: erst findet er in seinem Badezimmer schwarze Frauenhaare, die vorher sicher nicht da waren, dann verschwinden sein Schlüsselbund und seine Notizbücher. Die Tür wurde aber gemäß der Chipkartenauslese nur von ihm selbst bedient. Der Fall bleibt unerklärlich und fesselt auch die anderen Literaten ob der Kuriosität. Wenige Tage später muss Prinzhorn für eine Lesung nach Moskau reisen. Dort hat er ebenfalls seltsame Erlebnisse, die sich nicht nur durch die fremde Kultur erklären lassen. Langsam fühlt sich Prinzhorn verfolgt, zudem macht er sich Sorgen, was der Eindringling mit seinen Schlüsseln anstellen könnte. Wieder in Deutschland stellt er jedoch fest, dass in sein Haus offenbar nicht eingebrochen wurde. Seine dritte Reise innerhalb weniger Wochen führt ihn schließlich nach Madrid, wo ihn abermals der Verdacht beschleicht, verfolgt zu werden. Seine Aufmerksam ist geschärft und tatsächlich soll er recht behalten. Er wird beschattet und die Person, die ihm nachstellt, sinnt auf Rache.
Gerhard Falkners Roman „Romeo oder Julia“ hat es nach der Longlist nun auch auf die Shortlist des Deutschen Buchpreis 2017 geschafft, was ich einigermaßen erstaunlich finde. Der Roman ist höchst unterhaltsam und mit seiner kriminalistischen Note eher untypisch als Kandidat für diese Ehrung. Umso erfreulicher, dass eine solche Erzählung in Betracht gezogen wird, der sicherlich auf beiden Ebenen – einmal als Unterhaltung mit einer gewissen Spannung – aber auch als literarisches Werk funktioniert.
Die Figurenzeichnung – wie viel vom Autor selbst in seinem Protagonisten steckt, vermag ich nicht zu beurteilen, allerdings basiert die Ausgangsgeschichte auf den wahren Erlebnissen Falkners selbst – ist facettenreich und vielschichtig. Es ist ein besonderer Spaß einen Autor in einem Roman zu erleben, da hier mit feiner (Selbst-?)Ironie die Schwächen und Eitelkeiten aufgedeckt werden:
„Obwohl ich Kurt heiße, bin ich Schriftsteller. Allerdings bin ich weit davon entfernt, mir auf diese Tatsache etwas einzubilden.“ (pos. 143) lässt er seinen Protagonisten vorausschicken.
Einerseits ist man ja doch ganz banal Mensch mit typisch menschlichen Bedürfnissen, aber andererseits ist die öffentliche Rolle und Selbstdarstellung von einem gewissen literarischen Habitus geprägt. Das Leben wird in Akten erlebt, seine Gespräche mit der Polizei sind geradezu absurd und der tragische Ausgang der Handlung kann natürlich nur einer der großen Tragödien nachempfunden sein – der Titel lässt es uns schon ahnen. Ein Balkon, eine vereitelte Liebe, ein unschönes Ende. Dazwischen noch die messerscharfen Beobachtungen des Literaturbetriebs:
„Hinter der gespielten Herzlichkeit verbargen sich Geltungssucht, Selbstüberschätzung und eiskalte Berechnung.“ (pos. 265)
So begegnen sich die Konkurrenten, die sich dem äußeren Schein nach alle furchtbar gerne mögen.
Die Handlung selbst bietet neben den offenkundigen Parallelen zu den großen Werken der Literatur – neben Shakespeare werden die Nationalheiligen gleich mehrerer Länder bemüht, bisweilen so überzeichnet deutlich, dass es schon wieder als Stilmittel durchgeht. Den russischen Straßenköter Raskolnikow zu taufen, wo dieser dann doch ganz harmlos und nett ist – man sieht schmunzelnd darüber hinweg. Aber er bedient sich auch großzügig des Films und der Malerei als Lieferant für zahlreiche Anspielungen, die er nebenbei ganz flüssig einbaut. Auch die eher plakativen Beobachtungen der russischen und spanischen Kultur und die grotesk anmutende Unheil ankündigende Nachricht, die in Walliserdeutsch verfasst wurde, lassen darauf schließen, dass der Autor sich einen Spaß mit seinem Leser erlaubt und vermutlich beim Schrieben ebensolchen hatte.
Da Falkner von Haus aus Lyriker ist, sind Vergleiche als Stilmittel naheliegend. Bisweilen entwickeln dies jedoch ein bemerkenswertes Eigenleben:
„Das Glück und das Unglück liegen manchmal so dicht beieinander wie Anus und Vagina. Tür an Tür.“ (pos. 2281).
Man weiß nicht so recht, wie man dies auffassen soll, aber es fügt sich herrlich in den Text, der mit einer Leichtigkeit und einer omnipräsenten Ironie eine große Freude zu lesen ist.
„Als ich meine Zimmertür von außen zuzog, war dick gelb umrandet ein Throw-up draufgesprayt: Romeo oder Julia: peng, peng.“ (Zitat Seite 162)
Kurt Prinzhorn ist ein Schriftsteller in einer Phase zurückgezogener, ländlicher Abgeschiedenheit, die er nur unterbricht, um zu wichtigen Literaturtreffen zu reisen, wo er als Vortragender eingeladen ist – so stehen nun Innsbruck, Moskau, Madrid auf dem Programm. Als er in Innsbruck ins Hotelzimmer zurückkehrt, steht er vor einer zwischenzeitlich benützen Badewanne, wo lange, schwarze Haare hinterlassen wurden. Sein Schlüsselbund fehlt und nach einem nächsten Einbruch auch die Tasche mit allen Notizbüchern, in denen er seine Vorträge vorbereitet hat. Weitere Zwischenfälle folgen in Moskau und Madrid – jemand verfolgt ihn, aber warum?
Der Roman wird aus Sicht des Schriftstellers Kurt in der ersten Person erzählt. Dies ermöglicht es dem Autor, teilweise humorvoll überzeichnete, teilweise sarkastische Bemerkungen zur Literaturszene, Kritik an der heutigen Hochglanz-Gesellschaft, literarische Anspielungen gekonnt in die Handlung einzufügen. Seine Liebe zur Sprache zeigt der Autor aber auch in den bildhaften Beschreibungen der Hotels, Städte, Landschaften. In den Personen rund um den Schriftsteller finden sich Charaktere, wie sie heute im Kunst- und Kulturbetrieb überall anzutreffen sind.
Der Hauptprotagonist Kurt scheint sich in einer Schaffenskrise zu befinden, ist aber auf Grund seiner bestehenden Werke bekannt und anerkannt. Der Leser fühlt mit ihm, besonders am Beginn der Vorkommnisse, da nicht nur er selbst zeitweise, sondern auch sein Bekanntenkreis nicht sicher ist, ob sich der Schriftsteller nicht alles nur einbildet.
Beschreibungen von langen Hotelfluchten, Vorhängen, die „tosen“, dunklen Gassen und das Geheimnisvolle, Unerklärliche der Vorfälle lehnt der Autor an Elemente des Schauerromans des 19. Jhd. an. Wie auch dort, erfolgt die Aufklärung erst mit dem Schluss der Geschichte.
Der Roman ist in vier Teile gegliedert: Innsbruck, Moskau, Madrid und Endstation Berlin, welche dann in bezifferte Kapitel unterteilt sind. Eine besondere Bewandtnis gibt der Autor allen 13. Kapiteln, die jeweils den Abschluss der Teile Innsbruck, Moskau und Madrid bilden, denn hier erhält der Leser Hinweise auf mögliche Erklärungen für die Vorfälle. Sehr speziell ist das Kapitel 13 Moskau, denn hier führen die sprachgewaltigen Phantasien des Autors, scheinbar völlig zusammenhanglos, uns in vergangene Jahrhunderte zurück. Im Kapitel 13 Madrid erfährt Kurt und damit auch der Leser schließlich die tatsächlichen Hintergründe und Auflösung.
Ein Roman für Leser zeitgenössischer Literatur, die bereit sind, auch die Sprache an sich wirken zu lassen, teilweise lange Satzgebilde, die sich nicht einfach mal so zwischendurch lesen lassen. Dennoch empfehle ich diesen Roman auch Lesern, die einen Gegenpol zu Trivia und Fantasy suchen, einfach Lust haben, sprachliches Neuland zu erlesen.
3.5/5 Sehr unsympathischer, biederer, egozentrischer und unzuverlässiger(?)* Erzähler, der mich in seinen Bann riss. Ich mochte den Humor, die Komplexität und viele der Beschreibungen und Dialoge. Die Auflösung passte zum chauvinistischen Charakterbau des Erzählers, holte mich aber leider nicht ganz ab. Dafür mochte ich die Atmosphäre des Rests des Buches.
*Ich fragte mich bis zum Schluss, ob die innertextlichen Uneindeutigkeiten meiner Ausgabe von Falkner bewusst als Stilmittel eingesetzt wurden, oder ob es sich in manchen Fällen schlicht um ein schlampiges Lektorat handelte, denn oft erschloss sich mir die Funktion der Unstimmigkeiten nicht (etwa bei der Abweichung "Stephan"/"Stefan" oder "Prohibido", was zu "Prohibide" wird)
Merkwürdiges Buch, das mich an ein Krimi erinnerte, das ich vor langer Zeit gelesen habe, aber das ich definitiv weniger mochte. Es bleibt jedoch eine beunruhigende Lektüre.
Libro strano che mi ha ricordato un giallo che ho letto tanto tempo fa, ma che mi é piaciuto sicuramente di meno. Resta comunque una lettura inquietante.
Soll eine hoche Literatur sein, mich hat es nicht mitgerrissen. Die Idee an sich war interessant, aber der Protagonist war mir nicht wirklich nahe und das Geheimnis fühlte sich aufgesetzt. Die Beschreibungen kann Autor sehr gut, vor allem die des Himmels waren schon neu und kreativ. Aber das reicht für mich leider nicht.
Mein Rezensionsexemplar habe ich vom Verlag durch Netgalley erhalten.
3,5 Sterne
Das Buch beginnt mit einer wunderbaren Prämisse. Man ist sofort gefesselt und sehr gespannt und es legt sich ein Hauch von Mysteriösität über das Buch im weiteren Verlauf. Doch leider verpufft alles am Ende, das nicht sehr zufriedenstellend ist, sondern eher dahergelaufen erscheint.