An einem grauen Dezembernachmittag entgleitet Martin Simons mitten auf der Straße die Kontrolle über seinen Körper. Statt Weihnachten mit seiner jungen Familie zu verbringen, findet er sich auf der Intensivstation eines Krankenhauses wieder: Jederzeit kann der Finger aus Blut auf seinem Ausschalter, wie eine Ärztin es formuliert, sein Leben beenden. Während die Ärzte nach Gründen für die Hirnblutung suchen, geraten die inneren Kontinente des Erzählers in Bewegung. Der Beginn einer persönlichen Wandlung.
In poetischer Dichte und großer Klarheit erzählt Martin Simons vom menschlichen Ausnahmezustand.
Jede schwerwiegende Erfahrung eines Menschen ist gleichzeitig eine sehr individuelle, sowohl was das Empfinden als auch die Verarbeitung betrifft. Auch kann ich gut verstehen, wenn es für letzteres hilfreich ist, das Erlebte aufzuschreiben. Und dies kann auch anderen helfen, das muss es aber nicht zwangsläufig, auch wenn diese Menschen vielleicht sogar Ähnliches erlebt haben. Ich bin mir allerdings nicht sicher, dass unbedingt immer all das auch veröffentlicht werden muss, wobei dieses Buch sicher nicht zu den schlechteren Werken dieses Genres gehört. Es liest sich gut, man kann sicher auch als Nicht-Betroffene/r einiges nachvollziehen, aber insgesamt war es für mich persönlich kein Erkenntnisgewinn es zu lesen.
Dieses Buch wurde mir von netgalley kostenlos für eine Rezension zur Verfügung gestellt.
Mit "Jetzt noch nicht, aber irgendwann schon" verarbeitet Martin Simons die lebensbedrohliche Situation, welche der Autor vor einiger Zeit erleben musste. Eine Blutung im Hirn warf sein Leben für mehrere Tage komplett aus der Bahn und zeigte ihm die Sterblichkeit. Während und nach des Aufenthaltes im Krankenhaus hat sich Simons dazu Notizen gemacht und diese dann später zu einer tagebuchartigen Erzählung umgeformt.
Einblicke in Ereignisse über sein gesamtes Leben, viele Gedankengänge zu Leben, Tod und unser Dasein, sowie die Verarbeitung des Vorfalls werden offen und direkt erzählt. Dabei zeigt sich Martin Simons leider etwas überheblich und nicht immer sympathisch. Ebenso ist eine solche Erzählung, welche zu grossen Teilen die Wirklichkeit abbildet, subjektiv und je nach Einstellung und Stimmung des Lesers, der Leserin entnimmt man andere Wirkungen aus dem Buch. Kurz und interessant war die Lektüre, augenöffnend eher nicht.
Ich glaube, dass sich jeder für die meiste Zeit seines Lebens für unsterblich hält. Die Vorstellung, dass das eigene Bewusstsein irgendwann nicht mehr da sein könnte und damit wirklich alles, alles für einen verschwunden, ist uns nur theoretisch vollkommen klar. Aber so richtig bewusst, so dass man es durch und durch verstanden und irgendwie im Gefühl hat und sich in diese Tatsache einfindet- in so einem Zustand sind wir selten. So immer in Gedanken an das eigene Ende lässt sich der Alltag wohl auch nicht gut bewältigen.
Autor Martin Simons beschreibt in seinem autobiographischen Büchlein „Jetzt noch nicht aber irgendwann schon“ wie ihn eine Hirnblutung ganz plötzlich aus der alltäglichen vermeintlichen Unsterblichkeit gerissen hat. Wie wird es weitergehen? Wird eine zweite Hirnblutung auftreten? Ist die Ursache gar ein Tumor, der zum baldigen Tod führt? Wird er wieder so leben können wie früher? Simons schreibt von einem Weihnachten im Krankenhaus, von all dem Warten, der Ungewissheit. Aber auch von seiner Familie, seinen Eltern, seiner Frau und dem kleinen Kind. Diese Ungewissheit und existentielle Bedrohung könnte einen als Leser natürlich unglücklich machen. So ein Buch kann aber auch genau das Gegenteil bewirken: besondere Dankbarkeit für das eigene Leben, dafür, dass vermutlich noch viel zu erleben und genießen bleibt. Und so habe ich mit Spannung und viel zu lange in die Nacht hinein immer weiter gelesen. Auch wenn durch die Tatsache der Autobiographie natürlich klar ist, dass der Autor überleben wird. Zumindest jetzt.
Auch der Titel ist dafür wunderbar gewählt. Simons beschreibt so, dass ich das Gefühl hatte, er ist selbst für seine Endlichkeit erwacht- irgendwann wird es vorbei sein, aber jetzt eben noch nicht. Will man so eine Erfahrung unbedingt selbst machen? Vielleicht lieber nicht. Aber darüber lesen , dabei über das eigene Leben durch die Erfahrungen eines anderen nachdenken, das ist doch immer wieder ungeheuer lohnend und macht einen großen Teil dessen aus, was Bücher für mich bedeuten.
Es ist kurz vor Weihnachten und Martin will nur noch ein paar Besorgungen machen, als ihn im Supermarkt plötzlich ein komisches Gefühl befällt, kurz danach verweigert der rechte Arm die Mitarbeit und er kann nur noch nach Hause eilen. Im Krankenhaus dann die erschreckende Gewissheit: eine Einblutung im Gehirn, die die Motorik beeinträchtigt. 48 Stunden keine Aufregung, keine Bewegung, nur um die größte Gefahr zu überleben. Untersuchung um Untersuchung, nur abgelöst und Gedanken über das, was im Leben war und das, was bleibt, sollte er die kritische Phase nicht überleben. Und wenn doch, wie wird er das Klinikum verlassen, was bedeutet dies für seine Frau und ihren nicht einmal zweijährigen Sohn?
Martin Simons schreibt über das, was er selbst erlebt hat, das Ereignis, das ihn unerwartet aus dem Leben gerissen und alles in Frage gestellt hat. Die ersten Stunden, die er intensiv erlebt, die Tage der Ungewissheit und dann der Versuch wieder in die Normalität zurückzukehren. Vor allem aber auch die schmerzliche Erkenntnis: während er bewegungslos im Bett liegt, geht das Leben draußen ohne ihn weiter.
Ein Bericht wie dieser kann einem als Leser nicht unberührt lassen, unweigerlich stellt man sich dieselben Fragen, die sich der Autor in dieser Ausnahmesituation auch gestellt hat. Zunächst dominiert die Angst; die Situation ist für den Patienten nicht überschaubar und schon gar nicht kontrollierbar. Nach der Annahme der Todesnähe kommen die essentiellen Fragen danach, was man erreicht hat, wie man gelebt hat, Fehler und Glücksmomente. Die Beziehungen zu Eltern, Ehefrau, Kind - wo steht er, will er so gehen? Manches rückt in ein anderes Licht. Dazwischen immer wieder widersprüchliche Erwartungen und Gefühle gegenüber den Angehörigen, die Weihnachten feiern obwohl er dem Tode nahe ist.
Genau die Dinge und Gedanken, die man im Alltag verdrängt, ausblendet, erkämpfen sich den vordersten Platz und sind können nicht mehr ignoriert werden. Martin Simons erscheint gnadenlos ehrlich gegenüber sich und seiner Familie, reflektiert sein eigenes Verhalten – sowohl im Krankenhaus wie auch davor. Trotz der Schwere der Thematik findet der Autor einen leichten Erzählton, der es leicht macht, seinen Gedanken zu folgen und sich mit ihm in die Situation begeben. Ein Buch, das weniger zum Erzähler oder Autor als viel mehr zu sich selbst als Leser führt.
Tod und Liebe sind die klassischen Themen des Dramas, und wer als begabter Autor hier nicht allzu viel falsch macht, dürfte einen halbwegs packenden Roman hinbekommen. Das hat auch Martin Simons geschafft, der aus dem eigenen Leben berichtet, genauer gesagt von einer plötzlich auftretenden Gehirnblutung, die sein Dasein vor einigen Jahren für ein paar Wochen unter ein Damoklesschwert stellte und ihn dazu bewog, seine "inneren Kontinente" neu anzuordnen. Um mit den Schwierigkeiten des Buchs anzufangen: Diese inneren Verwerfungen kann Simons dem Leser nicht immer vermitteln – bezeichnend dafür ist, dass seine Frau auf seine Frage, ob er sich denn nach der Krankheit verändert habe, mit "ein bisschen vielleicht" antwortet. Klar, er nimmt sich vor, offener, nahbarer, empfindsamer und weniger egozentrisch zu sein. Aber die ganz großen Veränderungen sind das nach überstandener Todesgefahr dann auch irgendwie nicht.
Andererseits ging es dem Autor aber wohl auch gerade darum: Zu zeigen, dass das Leben (gerader mit Frau und Kind) nach dem Krankenhaus ganz normal weitergeht – und der (plötzliche) Tod trotzdem immer eine Begleiterscheinung des Lebens ist. Letztendlich ist Simons vielleicht mit Mitte Vierzig einfach erwachsen geworden: Er merkt, dass er nicht unsterblich ist. Apropos Krankenhaus: Die Schilderung seiner Tage auf der Stroke Unit einer Neuköllner Klinik ist ziemlich gelungen, auch wenn der Autor mit seiner Kritik, was im Hospital seiner Meinung nach alles falsch lief, nicht hinterm Berg hält. Alles in allem ist das Buch aber angenehm zurückhaltend, aufgeräumt und ironisch geschrieben, das Dramatische ist des Autors nicht – was mir durchaus gefallen hat.
"Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen", das sprach ja schon Karl Valentin. So ein bisschen geht es mir auch mit dem Roman von Simons. Die Leitsprüche "Carpe Diem" und "genieße die Liebe deiner Nächsten, solange es geht" sind nun wahrlich nicht neu, aber in der Sprache des Autors und bezogen auf seine Persönlichkeit kann man die 180 Seiten gut lesen, zumal der Autor auf Kalendersprüche verzichtet und allem eine zwar sachliche, aber doch sehr eigene Note gibt. DER Roman des Jahres ist es sicher nicht, mich hat er aber trotzdem neugierig gemacht auf andere Veröffentlichungen von Simons.