Häusliche Gewalt ist eines der größten Tabuthemen unserer Zeit. Antje Joel, preisgekrönte Journalisten, bricht dieses Tabu, und erzählt in ihrem Buch offen und schonungslos ihre eigene Geschichte. Und sie analysiert darüber hinaus den gesellschaftlichen Kontext, denn sie stellt keine Ausnahme Jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem Partner ermordet, jede dritte Frau erlebt häusliche Gewalt. So auch Antje Joel. Mit 16 lernt sie ihren späteren Mann kennen. Er schlägt sie bereits nach wenigen Monaten. Ihre Eltern sagen, was Joel danach von vielen Seiten hören «selbst schuld!» Sie empfindet es lange ebenso und kehrt zu ihm zurück. Wieder und wieder. In ihrem Buch erzählt Joel, warum sie ihren Ehemann zunächst nicht verlassen hat, wie sie sich schließlich doch befreit hat und was sich in der Gesellschaft verändern muss. Ein wichtiges, hochaktuelles Buch.
Was macht eigentlich Täter zu Tätern und Opfern zu Opfern in gewaltvollen Partnerschafen? Und warum ist ein grundsätzliches Problem die Gesellschaft, die das Problem tabutisiert, obwohl es jede dritte Frau betrifft. Eine Gesellschaftskritik der Superlativen, bei dem kein einziges gutes Haar am deutschen Rechtsstaat und der Gesellschaft gelassen wird. Zurecht. Schaut man sich die Statistiken, die Rechtsprechung und überhaupt die Strukturen an, so versteht man erst, dass es den meisten Frauen gar nicht ermöglicht wird sich aus den Zwängen einer gewaltvollen Beziehung so einfach zu befreien.
Nicht nur das. Die Täter, die überwiegend männlich sind, schaffen eine mentale, physische aber auch finanzielle Abhängigkeit, die den Ausbruch aus diesen selbstzerstörerischen Strukturen schier unmöglich, beziehungsweise sehr schwer macht.
Dieses Thema gehört an die Oberfläche der Medien & nicht in die Rubrik seltene „Familiendramen“ - nicht so lange in Deutschland 313 Frauen jährlich vom Partner oder Ex ermordet werden. Sämtliche Anzeigen ignoriert und dutzende erst gar nicht gemeldet werden.
Ein sehr persönliches, vulnerables Buch, was sicherlich viel Überwindung gekostet hat. In ihrem Buch beschreibt Antje Joel ihre zahlreichen Erfahrungen mit der heftigen körperlichen und psychischen Misshandlung, die ihre zwei Ehemänner ihr zufuegten. Sie stellt damit eine sehr greifbare Erfahrung dar, in der sich sicher viele von Gewalt betroffene Frauen wiedererkennen werden & die eben diese vielleicht dazu bewegen kann, sich Hilfe zu suchen. Wieso gerade das jedoch extrem schwierig ist & das Narrativ von “der Frau, die es über sich ergehen lässt” oder “ihn seltsamer Weise einfach nicht verlassen kann” bzw “krank” dargestellt wird, nimmt sie in diesem Buch ebenfalls auseinander. Auch illustriert sie die Allgegenwärtigkeit von Gewalt gegen Frauen durch Männer in Partnerschaften durch viele popkulturellen und politischen Bespiele. Was ich besonders interessant fand & mir nochmal einiges an Denkanstoß gegeben hat, war die Rolle, die Psychotherapie und Paartherapie in der Aufrechterhaltung dieser Gewalt spielen kann & die Erfahrungen von Joel, sowie im Buch erläuterte Angebote von Caritas diesbezüglich haben mich schockiert. Das Buch wurde vor jetzt 5 Jahren veröffentlicht und ich hoffe, dass es in diesem Bereich einen Wandel gab- zumindest ich bin durch das Lesen auf jeden Fall nochmal sensibilisiert worden. Wobei das Buch auch noch vor Corona veröffentlicht wurde & ich mir vorstellen kann, dass die Entwicklung dadurch erstmal deutlich negativer wurde… Das einzige was mich etwas gestoert hat, war dass es teilweise nicht so gut geschrieben war & ich mehrfach über die Sätze gestolpert bin, weil sie sehr verschachtelt waren oder beim Lektorat ein paar fehlende Wörter nicht bemerkt wurden. Das macht die Aussage des Buches allerdings nicht weniger wichtig!