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Ein neues Blau

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Als Lilis Mutter früh stirbt, kümmert sich ihr Vater Jakob rührend um sie. Aber erst als sie Günther von Pechmann kennenlernt, den Direktor der Königlichen Porzellan-Manufaktur, findet sie ihre Bestimmung: die Welt des Porzellans. Doch die Nationalsozialisten kommen an die Macht und Lili muss aus Berlin fliehen.

Fünfzig Jahre später lebt Lili wieder in Charlottenburg, zurückgezogen in ihrem Haus mit dem japanischen Garten. Sie spricht nicht viel über sich und ihr bewegtes Leben. Erst die 18-jährige Anja, widerspenstig und quer, kann Lili dazu bewegen, sich ihr zu öffnen. Stück für Stück enthüllt sich Lilis Geschichte, doch auch Anja hat ein Geheimnis. Welche Rolle spielt dabei die schlichte Porzellanschale, die die alte Frau wie einen Schatz hütet?

416 pages, Hardcover

Published August 30, 2019

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About the author

Tom Saller

6 books4 followers

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Community Reviews

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9 (5%)
1 star
2 (1%)
Displaying 1 - 21 of 21 reviews
Profile Image for auserlesenes.
364 reviews16 followers
October 29, 2019
Berlin im Jahr 1985: Als die 18-jährige Gymnasiastin Anja Hermann zum ersten Mal zu der alten Dame in deren Haus in Charlottenburg kommt, weiß sie nicht, was genau sie erwartet. Sie soll als „Gesellschafterin“ mit Lili Zeit verbringen. Anja sieht es zunächst nur als Nebenjob. Doch Stück für Stück enthüllt sich die Geschichte der Seniorin mit jüdischen Wurzeln, die vor 50 Jahren vor den Nazis aus der Stadt fliehen musste. Nach dem frühen Tod der Mutter Charlotte hatte sich ihr Vater Jakob Kuhn rührend um sie gekümmert. Aber erst als sie Günther von Pechmann kennenlernt, den Direktor der Königlichen Porzellan-Manufaktur, findet Lili ihre Bestimmung. Auch im Alter hat es ihr das Porzellan sehr angetan. Das stellt Anja sofort fest. Aber welche Rolle spielt dabei die schlichte Porzellanschale, die die alte Frau wie einen Schatz hütet? Und welches Geheimnis schleppt Anja mit sich herum?

„Ein neues Blau“ ist ein Roman von Tom Saller.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog und endet mit einem Epilog. Erzählt wird die Geschichte im Wechsel auf unterschiedlichen Ebenen: Der Leser begleitet Lili in den Jahren 1919 bis 1935, wobei der Roman dabei in 50 Kapitel mit einer kleinen Zusammenfassung zu Beginn untergliedert ist. Darüber hinaus wird aus der Sicht von Anja in der Ich-Perspektive erzählt, dabei spielt die Handlung in Berlin im Jahr 1985. Dieser Aufbau wirkt gut durchdacht.

Der Sprache variiert in den beiden Erzählsträngen: Während der Stil in den Passagen von Anja schon zum Teil etwas zu gewollt umgangs- und jugendsprachlich ausfällt, ist er im übrigen Part gehobener. Insgesamt ist die Sprache des Romans zwar anschaulich und leicht verständlich, jedoch auch schnörkellos und ein wenig nüchtern. Anleihen bei Erich Kästner sind festzustellen. Wie schon bei „Wenn Martha tanzt“, dem Debütroman des Autors, braucht es eine Weile, um sich in die Geschichte einzufinden. Sie nimmt nur langsam Fahrt auf. Nach einer Weile konnte ich jedoch völlig in die Handlung eintauchen.

Im Mittelpunkt des Romans steht zweifelsohne Lili, ein reizvoller Charakter, der authentisch beschrieben wird. Das trifft auch auf Anja zu, die ebenfalls eine wichtige Rolle einnimmt. Beide waren mir jedoch nicht gleich von Beginn an sympathisch.

Thematisch verliert die Geschichte immer wieder ihren Fokus. Mal geht es um Religion, mal um Tee, mal um das Porzellan, wobei ich mir einen stärkeren Schwerpunkt auf Letzteres gewünscht hätte. Dadurch erfährt der Leser auf unterhaltsame Weise andererseits allerhand Wissenswertes, denn die fundierte Recherche ist dem Roman anzumerken. Zudem wird die Geschichte somit vielschichtig.

Trotz der mehr als 400 Seiten bleibt der Roman kurzweilig. Er hat die eine und andere Wendung zu bieten. Emotional konnte mich die Geschichte allerdings nicht immer erreichen.

Sehr gut gefällt mir das optisch ansprechende Cover der gebundenen Ausgabe, das zum Inhalt passt. Den Titel finde ich auch treffend. Nur ein kleiner Kritikpunkt am Rande: Leider hat der Verlag – anders als bei Tom Sallers Debüt – dieses Mal auf das praktische Lesebändchen verzichtet.

Mein Fazit:
Auch der zweite Roman von Tom Saller, „Ein neues Blau“, bietet eine interessante und unterhaltsame Lektüre. Zum wiederholten Mal ist es dem Autor gelungen, mir schöne Lesestunden zu bereiten.
Profile Image for Gitti.
1,151 reviews
September 15, 2019
Lilli wächst unter ungewöhnlichen Umständen auf. Ihre Mutter ist früh verstorben und der Vater viel auf Geschäftsreisen. Um sie kümmert sich vor allem Takeshi, en Geschäftspartner des Partners aus Japan, der seine Hilfe angeboten hat.
Takeshi bringt Lilli alles bei, was in Japan am Tee wertgeschätzt wird. Rabbi Teichlmann soll Lilli die Religion ihres Vaters, das Judentum, nahe bringen. Und als sie die Kinder des Leiters der königlich preußischen Porzellanmanufaktur betreut, lernt sie Welt des Porzellans kennen.
Diese drei Themen werden sie ein Leben lang begleiten.
Mitte der Achtziger tritt dann Anja in ihr Leben, eine 18-Jährige, die eigentlich sehr mit sich selbst beschäftigt ist und nur widerwillig den Job als Gesellschafterin bei Lilli annimmt. Doch das Zusammensein, hilft nicht nur der alten Dame aus ihrer Einsamkeit, auch Anja erkennt einiges, was sie für ihr Leben nutzen kann.

Wie in "Martha tanzt" nutzt Tom Saller auch in diesem Buch wieder einen sehr klaren, fast schon minimalistischen Schreibstil. Ich fand das wieder sehr ungewöhnlich und vor allem auch sehr passend. Das Haus, in dem Lilli fast ihr ganzes Leben lang lebt, ist auch sehr minimalistisch eingerichtet und auch das Porzellan, dass Lilli entworfen hat, entspricht diesem Stil. So passt hier alles zusammen. In den Abschnitten, die 1985 spielen, wechselt dann nicht nur die Perspektive, hier wird aus Anjas Sicht erzählt, sondern auch der Schreibstil. Saller trifft hier die Gedankenwelt des Mädchens mit den passenden Worten. Ich habe mich sofort in die damalige Zeit zurückversetzt gefühlt, auch wenn ich damals doch noch jünger als Anja war.

„Ein neues Blau“ hat mir wieder sehr gut gefallen, hier wurde meine Vorfreude auf das neue Buch nicht enttäuscht. Es ließ sich extrem flüssig lesen und ich hatte die Handlung perfekt vor Augen. Einzig das Ende war mir ein wenig zu hastig. Hier hätte ich mehr Ausführlichkeit gewünscht.
Aber trotzdem war es ein Buch, das mich nicht nur gut unterhalten hat, es hat mir auch Ruhe gegeben in der Hektik des Alltags.
Von daher von mir eine volle Leseempfehlung!
Profile Image for Lavendel KnowsBest.
391 reviews4 followers
November 28, 2019
Anja ist nicht gerade begeistert, als sie ihren Job bei der älteren Dame Lili antritt. Anja ist eine junge Frau, noch Schülerin, und soll Lili Gesellschaft leisten. Was wie eine Zweckgemeinschaft beginnt, wird zu einer wundervollen Verbindung, in der Anja viel über das Leben lernt und Lili von ihrer Zeit bei der königlich preußischen Porzellanmanufaktur erzählt.

Die ist mein zweiter gelesener Roman von Tom Saller. Im letzten Jahr konnte er mich mit "Wenn Martha tanzt" absolut begeistern und dabei zählen beide Bücher nicht zu meinen bevorzugten Genre.

Ich schätze den Erzählstil des Autors sehr. Er schafft es scheinbar mit Leichtigkeit uns in längst vergangene Zeiten mitzunehmen, hier die Weimarer Republik, und diese sehr gut recherchiert, wieder aufleben zu lassen. Die Thematik mit dem wertvollen Stück Porzellan fand ich dabei besonders spannend.

Doch auch Anjas Entwicklung war immens. Beide Frauenfiguren sind mir sehr ans Herz gewachsen.
Das Hörbuch wurde von zwei Sprecherinnen eingelesen, um den sehr unterschiedlichen Frauen ihre eigene charakteristische Stimme zu verleihen. Eva Meckbach und Nina Lilith Völsch machten dabei einen außergewöhnlich gut Job. Es machte mir einfach viel Freude ihnen zu lauschen.

"Ein neues Blau" ist wieder mal ein grandioser Roman von Tom Saller und ich freue mich schon auf alles, was da von ihm noch kommen mag.
1,043 reviews9 followers
March 29, 2021
Der Klappentext ist etwas irreführend, er gibt nur ansatzweise wieder worum es in diesem Buch geht.
Das Gefühlsleben aller Personen in diesem Buch ist gespalten, die Frage was bin ich, ist sehr wichtig, z. B.: Jude oder Christ, Chinese oder Japaner, bin ich ein halber oder ganzer Mensch.
Diese Frage ist nicht philosophisch sondern wichtig für das tägliche Leben im Umgang mit sich selbst und auch anderen.Eine andere Frage ist die nach der Schuld die jeder auf irgendwann auf sich nehmen muss und wie die Person damit umgeht, auch mit solchen für die niemand zuständig ist.
Der Autor erzählt auf eine poetische Art und Weise, mit Andeutungen und leisen Gefühlen, so das auch zwischen den Zeilen eine Menge Text ist.
Selbst Ereignisse in der Nazi Zeit kann er so beschreiben, das war für mich so intensiv das mich das Buch noch einige Zeit beschäftigen wird.
Gleichzeitig hat er Zeitdokumente eingefügt die das Geschehen mehr Authentizität verleihen die im Nachwort erläutert werden
Profile Image for Hortensia13.
454 reviews3 followers
November 29, 2019
Der Klappentext ist sehr verheissungsvoll. Ich freute mich auf einen historischen Roman und auf die Welt des Porzellans. Doch nach dem Lesen des Buches fällt mir eine Zusammenfassung des Inhalts sehr schwer. Was sich so toll anpries, entpuppte sich als chaotische, schwer zu folgende Geschichte.

Vor allem liegt es am Schreibstil. Der Autor setzt so viele Absätze, man bekommt dadurch den Eindruck quasi von einem Hotspot zum nächsten zu springen. Es entsteht kein richtiges Gefühl des Leseflusses. Deshalb wirkt die Erzählung zäh und holprig. Dazu hat der Autor alles reinpacken wollen, was ihm unter die Schreibfeder kam. Familiengeschichte, japanische Traditionen, Weltgeschichte, psychische Erkrankungen, Religion und die Porzellanherstellung. Das sind nur einige Punkte, die alle angesprochen wurden. Für mich war es zu viel. Dafür gibt es von mir 2 Punkte.
Profile Image for Tina Schrader.
176 reviews
February 21, 2022
An Marta tanzt kommt dieses Buch nicht heran, obwohl es Berührungspunkte hat.

Lili wächst als Halbjüdin und als Halbwaise im Berlin vor dem 2. Weltkrieg heran. Ihr Vater, ein Teehändler, bringt einen Freund nach Berlin, so dass Lili auch noch quasi als Halb-Japanerin aufwächst.
In der zweiten Ebene des Buches - auf die man gut hätte verzichten können - trifft der 90er Jahre Teenager Anja,der leider irgendwie gar nichts sinnvolles zur Geschichte beiträgt, auf die sehr alte Lili.
In Rückblenden wird ihr Leben erzählt.

Die Geschichte Lilis war sehr fesselnd, insbesondere weil auch sie mit dem Bauhaus der Vorkriegszeit in Verbindung steht wie schon Marta, und die Vermischung von Realität und Fiktion gelingt Tom Saller wieder ausgezeichnet.
Schade, dass er sich nicht getraut hat, es einfach als historischen Roman ohne zweite Zeitebene zu erzählen und dafür den Mittelteil der Geschichte (1935 - 1990) weiter auszubauen. Hier wird viel nicht erzählt was wahnsinnig interessant gewesen wäre, wohingegen der Teil um Anja mich überhaupt nicht überzeugt hat. Und die Pointe - nun ja.

Schade auch, das Takeshi anscheinend nur dann lebendig wird, wenn Lili im Raum ist, fast, als sei er eine Schattenfigur oder eine Marionette. Ein Leben hat er jedenfalls nicht, oder soll er so eine Art prototypischer Zenmönch sein, dessen Religion Lili ist?

Auch der Schreibstil kam mir vielfach sehr bemüht philosophisch vor, sehr gewollt intellektuell - was wirklich schade ist, denn die Geschichte der KPM, von Lili und Jakob von der Familie von Pechmann, dem Flughafen in Halle und der Burg Giebichenstein ist hochinteressant. Hier wäre weniger wirklich viel mehr gewesen.
Profile Image for Vicky.
282 reviews32 followers
August 30, 2019
Über das Glückspotenzial von Scherben

Im märchenhaften Prolog lernen wir die Schale, die erstmals mit dem für Friedrich II. produzierten "neuen Blau" bemalt wurde, kennen, die sich leitmotivisch durch die Handlung ziehen wird.
Der Roman selbst, der hauptsächlich in Berlin spielt, besteht aus einer Rahmenhandlung, die im Jahr 1985 stattfindet und einer Haupthandlung, die auf Lilis Leben ab dem Jahr 1919 zurückblickt. In der Rahmenhandlung besucht die Gymnasiastin Anja die mittlerweile um die 70jährige Lili, denn sie wurde von einem Bekannten einer ihrer Lehrer darum geben, bei dessen Mutter als "Gesellschafterin" anzuheuern. Ein Aufeinandertreffen der Generationen, ein Sujet, das in vielen aktuellen Romanen als Aufhänger benutzt wird. Beide erzählen ihre Geschichte, die eine steckt noch in den ersten Kapiteln, die andere geht Richtung Epilog. Natürlich "lernen" beide Generationen voneinander, auch hier ist es so, wobei der jüngere Part naturgemäß ein bisschen mehr lernt, vielleicht sogar eine Orientierung im Leben zu finden. Die Jüngere findet sich in der Geschichte der "Alten" wieder - eine Spiegelung! Scherben und psychische Probleme spielen im Leben beider Frauen eine wichtige Rolle…

Das mag alles ein wenig Klischeehaft klingen, ist es zum Teil auch, aber solche retrospektiv erzählten Romane brauchen einen Rahmen, einen Gegenwartsbezug, wie sollen sie sonst funktionieren? Ich hätte die umrahmende Handlung nicht in dieser Ausführlichkeit gebraucht, zumal ich Anjas flapsigen Tonfall sehr konstruiert finde (wer denkt und redet denn so? Auch bestimmt kein Teenager Mitte der 1980er Jahre...)

Die Lebensgeschichte von Lili ist dann wirklich filmreif und schön erzählt, so dass sie mich mit der Rahmenhandlung versöhnt hat. Hier werden alle möglichen Themenbereiche verhandelt und in Lilis Biographie eingearbeitet. Herkunft spielt eine große Rolle. Das Judentum des Vaters Jakob Cohen (später: Kuhn), sein beruflicher Aufstieg als Teehändler, der Bezug zu Japan, die Freundschaft zu Takeshi, die Liebe zu Charlotte, ihr Verlust, dann die durch die Wirtschaftskrise bedingte Rezession, die dazu führt, dass es der Familie wirtschaftlich schlechter geht.
Im Fokus steht natürlich Lilis eigene Entwicklung, ihr Interesse für Kunst, ihr behütetes Aufwachsen mit Takeshi und ihrem Vater als Haupt-Bezugspersonen, Religionsunterricht beim Rabbi, das Kennenlernen der Familie von Pechmann (sie hat es wirklich gegeben), die Ausbildung auf der Burg Giebichenstein u.a. bei Marguerite Friedlaender (ebenfalls eine historische Persönlichkeit) und die berufliche Tätigkeit als Porzellanmalerin der Preußischen Porzellanmanufaktur, das Töpfern, das Fliegen, die Liebe. Die Schrecken der NS-Diktatur und ein bescheidenes, aber glückliches Leben im Exil in den USA, das aber nur kurz angeschnitten wird. Lilis schwere persönliche Verluste, die sie zu der Frau gemacht haben, auf die Anja treffen wird.

Zu Genre und Personal:
Lili stammt aus "gutem Hause", ihre Familie hat es zu etwas gebracht. Ihr Lernimpuls wird unterstützt, dennoch ist sie später als Frau Pionierin in ihrem Gebiet. Die Familie des Direktors der späteren KPM, von Pechmann, die Lili Tür und Tor zu ihrer Berufung öffnet, bildet eine Schicht ab, die an der äußersten Spitze der damaligen Gesellschaft steht. Auch sonst haben wir es in diesem Buch eher mit einem privilegierten, adeligen und gebildeten Personal zu tun. Lilis Lehrerin an der Burg Giebichenstein, Marguerite Friedlaender, ist eine angesehene Künstlerin, bis sie ins Exil gehen muss. Auch Adam ist Arzt und stammt aus einer wohlhabenden Familie. Ein Gesellschaftsroman ist "Ein neues Blau" also nur bedingt, denn er bildet nur einen kleinen Teil der Gesellschaft ab, nämlich jenen, der es sich leisten konnte, sich auf das Schöne zu fokussieren, Kunst zu kaufen, etc. oder selbst wohltätig zu sein, wie die von Pechmanns. Auch Anjas Eltern in der Rahmenhandlung gehören der "High Society" Berlins an.
Der historische Hintergrund des zunehmenden Antisemitismus angesichts der Machtübernahme der Nationalsozialisten bildet den Rahmen für Lilis Biographie. Dennoch ist es kein historischer Roman. Ich würde das Buch also am ehesten als Bildungsroman bezeichnen, denn Lilis Entwicklung steht im Vordergrund.

Lili ist Halbwaise (ihre Mutter Charlotte starb, als Lili 6 Jahre alt war), sie fühlt sich dadurch und ohne richtige Religionszugehörigkeit nur als unperfekter, halber Mensch. Dennoch: In ihrer Nichtzugehörigkeit ist sie ein Ganzes, sie ist sozusagen ein Individuum, das aus vielen unterschiedlichen Teilen besteht - so wie der Weg in ihrem Garten oder ihre getöpferten Werke. "Ihr Halbsein macht sie aus. Aber strebt nicht jeder Mensch nach Ganzwerdung?" (S. 135) Was ist der "Kleber", der die Teile (Scherben) verbindet? Das ist eine der Kernfragen des Buches und ob Scherben "Glück" bringen, im übertragenen Sinne.

Manchmal verwendet Tom Saller seine Symbolik und Metaphorik schon etwas plakativ - und wie war das mit den Zufällen? "Gibt es Zufälle? In Romanen schon, im wirklichen Leben nicht. Oder ist es umgekehrt?" (S. 170)

Schön finde ich, dass sich der Roman strukturell an Erich Kästner - dem er, neben Robert Walser, auch gewidmet ist - orientiert. Wie in Kästners "Fabian" steht an jedem Kapitelanfang eine kursivierte Kurzzusammenfassung des Inhalts. Beide Autoren erzählen sehr "realistisch" beobachtend mit humorvollem aber gleichzeitig nachdenklichen Unterton - Tom Saller versucht es ihnen gleichzutun.

Alles in allem ist "Ein neues Blau" ein warmherziger Roman mit liebenswerten Charakteren (Wie toll ist Takeshi denn bitte? - Um mal Anjas Sprachduktus zu verwenden) und einer erzählenswerten fiktiven Lebensgeschichte aus dem 20. Jahrhundert, die sich sicher auch für eine Verfilmung gut eignen würde. Man lernt nebenbei viel über Porzellanherstellung und die Geschichte des Tees bzw. japanische Teezeremonien, manchmal haben diese Stellen fast schon "Sachbuchcharakter". Ein Spannungsbogen kommt bei alledem nicht so richtig auf, aber ich denke das ist auch nicht die Intention des Autors gewesen.

Ich möchte noch was zum Cover sagen: ich finde es wunderschön! Hier wird versucht die junge Lili mit ihrem treuen Begleiter Hund "Hund" abzubilden, sie natürlich in das Titelgebende Blau gekleidet. Es strahlt die Wärme aus, die auch die Prosa von Tom Saller ausstrahlt, wenn er Lilis Geschichte erzählt.


This entire review has been hidden because of spoilers.
Profile Image for Bücher-Stöberia.
369 reviews
April 5, 2020
Ein neues Blau hat mich zuerst verwirrt, dann mitgenommen und am Ende fasziniert. Nicht weil das Buch mit einer Figur namens Anja beginnt, der vom Autor rüde Jugendsprache mitgegeben wird. Nicht weil Lili so ganz anders ist, nein! Das Buch überzeugt gerade durch seine Vielschichtigkeit: Erzählt über ein Leben in den Wirren der deutschen Geschichte, in der viel gewonnen wird, aber noch mehr verloren geht, bis hin zur eigenen Identität. Der Autor versteht es sehr geschickt, Themen wie Religion, Kultur, Liebe, persönliche Entwicklung und tiefgreifende Zweifel miteinander zu vereinigen, und sucht sich dafür etwas, das körperlicher Gegenstand und Metapher zugleich ist: das Porzellan. Aus einem unscheinbaren, unförmigen Klumpen Ton wird mit Hingabe und Energie etwas unbeschreiblich Schönes, widerstandsfähig und einzigartig. Dies eröffnet einen veränderten Blick auf die eigene Entwicklung, die auch von verschiedensten Faktoren abhängt, die in ihrem Zusammenspiel ein komplexes und individuelles Produkt erzeugen, das fein und gleichzeitig unendlich stark ist.

Fazit: Manchmal braucht es ein ganzes Leben, um Schönheit in ihrer wahren Form zu erkennen!
142 reviews3 followers
September 14, 2019
Als ich im Klappentext las, dass in dieses Buch auch interessante künstlerische Themen  wie z.B. die Porzellanherstellung und Elemente der japanischen Kultur eingeflochten sind, fühlte ich mich angesprochen.

Tom Saller führt in seinem Roman  "Ein neues Blau" nicht nur durch die Lebensgeschichte einer Frau jüdischer Herkunft im 20. Jahrhundert, er reißt dabei einige künstlerische Themen an.

Im Berlin des Jahres 1985 prallen zwei sehr eigenwillige Persönlichkeiten aufeinander, die doch unterschiedlicher kaum sein können. Die feine alte Dame Lili Kuhn lebt sehr zurückgezogen im Haus mit dem japanischen Teehaus im Garten. Da klopft plötzlich und unaufgefordert Schülerin Anja an ihre Tür und stellt sich als persönliche Gesellschafterin vor. Der Direktor ihrer Schule hatte Anja für diesen kleinen nachmittäglichen Nebenjob als geeignet ausgewählt. Während Anja sich noch zwischen dem Scheidungswunsch ihrer Eltern und Selbstfindungsproblemen hindurch kämpfen muss, hat Lili mit ihrer komplizierten Lebensgeschichte fast abgeschlossen. Beide interessieren sich füreinander mit all den jeweiligen Widersprüchen. So beginnt Lili der jungen Anja ihre Lebensgeschichte anzuvertrauen.

Lili begleitet schon seit früher Kindheit das Gefühl, kein Ganzes sondern nur „halb“ zu sein: Halbwaise, Halbjüdin. An all ihren Verlusten fühlt sie lebenslang eine tragische Mitschuld. So starb Ihre Mutter an der Spanischen Grippe, mit der sie Lili als Sechsjährige angesteckt hatte.

Beide Eltern, die christliche Mutter Charlotte, wie auch der Vater Jakob mit  jüdischer Herkunft, haben ihre familiären Bindungen komplett hinter sich gelassen. Jakob änderte seinen Nachnamen Cohen in Kuhn, als der seine berufliche Tätigkeit als Teehändler aufnahm. Erst nach dem frühen Tod seiner Frau befasst sich Jakob mit seiner Identität als Jude und nimmt Kontakt zu einem Rabbi auf. Dieser unterrichtet auch die kleine Lili im jüdischen Glauben.

Liebevoll aufgezogen wird Lili nicht nur von ihrem Vater, sondern auch von Takeshi, dem chinesisch-japanischen Freund und Geschäftskollegen Jakobs, der viel Verständnis für die Entwicklung des Kindes aufbringt. Nach dem Tod von Jakobs Frau ist er von Japan nach Berlin übergesiedelt, da Jakob beruflich viel auf Reisen im Ausland ist.

Schon in Lilis Kindheit spielt so die japanische Teezeremonie und Kultur eine große Rolle. Der Zufall bringt sie als junge Erwachsene in den Kontakt zu führenden Persönlichkeiten der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur. Das Malen, Töpfern und der Umgang mit Porzellan begleiten Lili durch die folgenden Jahre in der Berufsfindung und Ausbildung.

Lili durchlebt die Weimarer Republik und die Anfangsjahre des Dritten Reiches in Deutschland, Zeitumstände, die ihr Leben sehr beeinflussen. 1935 muss sie schließlich mit ihrem jüdischen Mann in die USA fliehen.

Mein Fazit:
An diesem Buch verlockte mich auf den ersten Blick der Titel „Ein neues Blau“, das Cover hingegen traf überhaupt nicht meinen Geschmack. Gut, man findet darin drei Anknüpfungspunkte, die den Inhalt des Romans betreffen: ein Hund spielt eine kleine Rolle, ein Mädchen ist Protagonistin, die Farbe Blau ist titelgebend, deshalb das blaue Shirt. Irgendwie wirkt es doch recht einfallslos.

Die ganze Geschichte hat auf mich einen recht konstruierten Eindruck gemacht. Zum Schmunzeln brachte mich dabei z.B. der arme Hund, der am seinem Ende über 20 Jahre alt sein musste, um die Kindheit des Mädchen Lili zu begleiten. Welch ein biblisches Alter.

Der Roman weist zwei Zeitebenen auf: 1985, hier erzählt die 18jährige Schülerin, die die alte Dame Lili als Gesellschafterin unterhalten soll. Der größte Teil des Romans besteht aus Rückblicken auf die Lebensgeschichte der Lili Kuhn, die ein allwissender Erzähler übernimmt. Der Erzählton der Schülerin ist anfangs in recht schnoddrigem, pubertärem Jugendjargon, der sich später etwas mäßigt.

Der Charakter und die Entwicklung der Lili Kuhn wird in den langen Rückblicken sehr genau ausgeleuchtet. Das Mädchen Anja lernt man eher schlaglichtartig kennen.

Interessant sind die Ausflüge in die japanische Tee- und Gartenkultur, wie auch in die Geschichte der Porzellanherstellung und der Königlichen Porzellan Manufaktur Berlin. Das Leben in der Weimarer Republik und zur Zeit des Nationalsozialismus wird kenntnisreich dargestellt.

Der Autor packt sehr viel in seinen Roman: er lässt verschiedene Kulturen und Religionen aufeinandertreffen, reißt künstlerische Themen wie Porzellangestaltung und Bauhaus an, entwirft psychologische Entwicklungen und Krisen, initiiert das Aufeinandertreffen ganz unterschiedlicher Generationen, malt das dramatische zeitpolitische Szenario aus.

Die vielen Aspekte des Buches fand ich interessant, allerdings konnte ich mich in keiner Weise mit den Protagonisten emotional verbinden. Vieles wirkte mir zu konstruiert.

Dabei geht Tom Saller doch in seinem Prolog von einer zarten kleinen Schale mit einer schlichten Blüte, aufgemalt im neuen „bleu mourant", dem ins Lila gehenden ersterbenden Blau, aus. Der feine rote Faden, der sich durch die Geschichte ziehen soll. Fast geht er ein bisschen unter.

Wer gern in zeitgeschichtliche Familienromane abtaucht, ist hier gut aufgehoben.
Profile Image for Christiane.
157 reviews
February 15, 2021
Ein „easy reading” mit netter Geschichte zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Berlin Charlottenburg als Hauptstandort mit einem bisschen KPM Geschichte. Ein schönes Buch, das ganz einfach und schnell gelesen ist!
Profile Image for Elisabeth Bulitta.
134 reviews3 followers
October 6, 2019
Eine Geschichte wie Porzellan - fein und herb.

Bei „Ein neues Blau“ handelt es sich um Tom Sallers zweiten Roman, der wiederum ein Stück deutscher Zeitgeschichte behandelt. Erschienen ist dieses 416-seitige Buch im August 2019 bei List.
Berlin 1985: Die mit sich selbst im Unreinen und widerspenstige Schülerin Anja wird von ihrem Lehrer animiert, sich nachmittags um die alte, einsame Lili Kuhn zu kümmern. Nach und nach kommen die beiden Frauen einander näher, es entwickelt sich zwischen ihnen eine Art Freundschaft, von der beide profitieren.
Berlin in den 1920-er und 30-er Jahren: Hier wächst die junge Lili Kuhn als Halbwaise gemeinsam mit ihrem Vater und dem Japaner Takeshi in wechselhaften Zeiten heran. Als sie Günther von Pechmann, den Direktor der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM), kennenlernt, scheint sie ihre Berufung gefunden zu haben – bis mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein neuer, schärferer Wind weht.
Der Roman handelt von zwei Frauen, die auf den ersten Blick ungleicher kaum sein könnten. Dennoch zeigen sie frappierende Ähnlichkeit: Beide haben vermeintlich Schuld auf sich geladen, beide haben jüdische Wurzeln … und beide sind fasziniert vom weißen Gold, auch wenn Anja erst des Anstoßes durch Lili bedarf, um dessen Faszination und „Coolness“ zu begreifen.
Entsprechend den Protagonistinnen, wird der Roman auf zwei Ebenen erzählt: zum einen das Jahr 1985. Anja avanciert zu Lilis Gesellschafterin und erfährt von ihr, das gilt auch für die Leser/innen, durch gemeinsame Gespräche viel über das Schicksal derselben. Doch nicht nur Lili selbst, auch der Psychotherapeut, den Anja aufgrund selbstverletzenden Verhaltens zwangsweise aufsucht, hilft dem Mädchen, zu sich selbst und zu seinen Wurzeln zu finden. Passend ist dieser Romanteil in der Ich-Perspektive und in moderner, teilweise fast schon schnoddriger Sprache verfasst. Unterbrochen wird die Handlung in der Gegenwart durch die Darstellung von Lilis Lebensweg in den Jahren 1919, als sie nach Berlin kommt, bis zum Jahr 1935, als Lili als Halbjüdin gezwungen ist, ihre Heimat zu verlassen. Hier dominiert eine fast schon poetisch anmutende, auf jeden Fall aber bildliche Erzählweise, die Stadt und Lilis Umfeld lebendig werden lässt. Geschickt lässt Tom Saller fiktive Gestalten mit historischen interagieren, genannt seien hier Marguerite Friedlaender und der oben schon erwähnte Günther von Pechmann. Künstlerische Freiheit, die sich der Autor genommen hat und ohne die ein solcher Roman nicht auskommt, wird in den Anmerkungen und den Quellenangaben knapp erläutert.
Im Gegensatz zu vielen Romanen, die das Schicksal der deutschen Juden und anderer als minderwertig bewerteten Gesellschaftsschichten (in diesem Roman vor allem moderne Künstler/innen und Kommunist/innen) in der Zeit des Nationalsozialismus thematisieren, kommt dieses Buch eher ruhig und auf den ersten Blick unspektakulär daher. Im Zentrum dieses Werkes stehen eindeutig das individuelle Schicksal und die persönliche Entwicklung der Protagonistinnen.
Neben den im Roman geschilderten Schicksalen erfahren Leserinnen und Leser viel Wissenswertes über Porzellankunst und –herstellung, japanische Teekultur, die jüdische Religion und dem Umgang mit entarteter Kunst unter den Nazischärgen.
Während ich den Roman über weite Strecken sehr interessiert gelesen habe, konnte dessen Ende mich nicht überzeugen. Hier verlaufen die Lösung der Schuldfrage und die Rückkehr Anjas zu ihren eigenen Wurzeln m.E. zu glatt, zu leicht. Doch dieses mag dem Wunsch der breiten Leserschaft nach einem harmonischen Ende geschuldet zu sein. Mir jedoch hat es einiges von der Faszination dieser Lektüre genommen.
Insgesamt ist „Ein neues Blau“ dennoch ein Roman, der über ein Stück deutscher Zeitgeschichte hinaus viel Lesens- und Wissenswertes zu bieten hat und den ich daher gerne weiterempfehle.
Profile Image for Lesezeichenfee.
510 reviews5 followers
September 5, 2019
Viel blau und Sachbuchcharakter

Fee zum Buchinhalt:
Anja, die ein etwas problematisches Elternhaus und Leben hat, mit der Schule nicht mehr so klar kommt, trifft auf Lili. Lili ist schon etwas älter und benötigt eine „Gesellschafterin“, allerdings würde sie das keinesfalls zugeben.

Fees Meinung:
Anja und Lili kommen überraschend gut miteinander aus. Lili erzählt Anja aus ihrem Leben und so erfährt man sehr viel.

Die Geschichte spielt zunächst in den 80ern, dann vor dem Krieg (Lilis Kindheit und dass sie dort Kindermädchen war) während des Krieges und dann wieder in den 80ern. Diese ganzen Zeitsprünge waren leider etwas verwirrend und so hatte das Hörbuch einfach Längen, das auch die Sprecherinnen Eva Meckbach und Nina Lilith nicht mehr ausbügeln konnten, auch wenn sie ihre Sache gut gemacht haben. Man musste sich wirklich sehr konzentrieren und konnte sich dadurch leider nicht in die Geschichte fallen lassen. Es ist keinesfalls leichte und einfache Literatur. Es gibt zwei Sprecherinnen, wegen den zwei Erzählsträngen. Das Leben von Lili und das von Anja.

Zeitweise fiel es mir sehr schwer weiter zu hören, es war ja auch ein sehr langes ungekürztes Hörbuch mit 8 CDs und somit über 10 Stunden Dauer. Als Buch hätte ich es längst zur Seite gelegt und aufgegeben.

Der Autor schreibt leider so, dass mir Lili und Anja zuweilen recht fremd blieben. Ich konnte kaum Emotionen aufbauen, was ich sehr schade fand. Dazu wurde die Geschichte ziemlich sachlich erzählt. Dabei ist Lilis Geschichte eigentlich interessant und nicht langweilig. Aber ich finde, der Autor hätte sie spannender und unterhaltsamer schreiben können. Das Ganze wurde dann des Öfteren langatmig und dann gab es wieder einige Stellen, die mich faszinierten. Ich habe zum Beispiel sehr viel über den jüdischen Glauben und über Tee gelernt. Das blaue Porzellan zieht sich wie ein Faden durch die ganze Geschichte. Da Lilis Mutter früh stirbt und sich ihr Vater Jakob um sie kümmern muss. Sie lernt dann den Geschäftsführer der Königlichen Porzellanmanufaktur kennen und so hat sie einen neuen Lebensinhalt. Auch da habe ich viel gelernt, vor allem über das „neue blau“. Allerdings hat es einige (viele) Stellen, da dachte ich, das ist ein Sachbuch.

Lilis Geschichte könnte man verfilmen, so umfangreich ist sie. Wahnsinnig viel hat sie erlebt und viele interessante Leute kennen gelernt. Allerdings gibt’s auch viele Klischees. Anja, kam mir nicht so authentisch rüber wie Lili. Lili stammt aus einem „guten Hause“, Anjas Eltern sind „High Society“, beide haben ihre Mutter verloren. Anja lernt auch viel von Lili. Auch spielt die Geschichte hauptsächlich in Berlin und wurde meiner Meinung bzw. Schulerinnerung nach gut recherchiert.

Man liest/hört also mehr von der „guten, nicht gerade armen“ Gesellschaft, somit spiegelt es nur einen Teil ab und ist auch nicht wirklich ein historischer Roman, auch wenn einige Teile in historischen Zeiten spielen.

Teilweise gefielen mir die Charaktere sehr gut. Teilweise wurde ich nicht warm damit. Das Cover passt auch sehr schön zum Buch.

Mein – Lesezeichenfees – Fazit:
Alles in allem ein Hörbuch das eindeutige Längen aufweist und auch Sachbuchcharakter. Mit Höhen und Tiefen, tollen Charakteren und teilweise Charaktere mit denen ich nicht warm wurde. Ich möchte dem Hörbuch 2,9 Sterne geben, also aufgerundet 3. Ich denke auch, dass man sich den Autor Tom Saller merken sollte.
Profile Image for Circlestones Books Blog.
1,146 reviews34 followers
September 6, 2019
„Ich verändere lediglich die Form ein wenig und versuche Schönheit darin zu finden; mir zu verdeutlichen, dass sie zwar anders sind, aber dennoch Sinn, sprich eine Daseinsberechtigung haben. Einen eigenen Sinn und ein eigenes Dasein.“ (Zitat seite 239)

Inhalt
Lili Kuhn fühlt sich schon als Kind „halb“. Sie wächst ohne Mutter auf und ist Halbjüdin. Takeshi, der chinesisch-japanische Geschäftsfreund ihres Vater, versteht es, sich „halb“ zu fühlen. Er versteht auch die kleine, phantasievolle Lili, die ihre Gefühle als Farben sieht und von ihrem Vater und nun auch Takeshi in liebevoller Geborgenheit aufgezogen wird. Heute, beinahe am Ende eine langen Lebens, in dem Porzellan, Malerei und Farben immer eine große Rolle gespielt haben, lebt sie zurückgezogen in Berlin. Auch Anja Hermann, gerade 18 Jahre alt, lebt in Berlin. Kritisch und dem Alter entsprechend unangepasst erlebt sie gerade die Scheidungsdiskussionen ihrer Eltern mit. Ausgerechnet sie wird von dem Direktor ihrer Schule gefragt, ob sie nicht manchmal nachmittags einer alten Dame Gesellschaft leisten möchte. Zusätzliches Taschengeld findet Anja immer gut und neugierig ist sie auch. Auch Lili interessiert diese eigensinnige, widersprüchliche junge Frau und sie beginnt, Anja ihr abwechslungsreiches Leben zu erzählen.

Thema und Genre
Im Mittelpunkt dieses zeitgeschichtlichen Familienromans stehen die Kunst der Porzellanerzeugung und die KPM, ab 1918 Staatliche Porzellan-Manufaktur Berlin, das Bauhaus und die japanische Kultur mit ihrer Garten- und Teetradition. Es geht auch um unterschiedliche Religionen, was besonders mit dem Beginn des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle spielt. Werte wie Familie, Freundschaft, Liebe, aber auch Trauer Psychologie verbinden diese Komponenten zu einer Geschichte.

Charaktere
Zwei unterschiedliche Frauen, Lili und Anja, beide eigenwillig, neugierig auf das Leben. Zuerst auf der Suche, weiß Lili bald, was sie will und auch Anja findet in Lilis Geschichte neue Ideen für ihre eigene Zukunft.

Handlung und Schreibstil
Der Autor erzählt seinen Roman in zwei unterschiedlichen Geschichten und Zeitebenen. Lilis Geschichte zwischen 1919 und 1935 wird in der dritten Person erzählt, dazwischen abwechselnd Anjas Geschichte 1985 in der Ich-Form. Das Jahr 1985 verbindet beide Geschichten. Zusätzliche Rückblenden ergänzen beide Erzählstränge. Zwischen einigen Kapiteln, über das gesamte Buch verteilt, finden sich Auszüge aus „Handwerkskunst KPM Berlin“. Darin wird die Porzellanherstellung geschildert und die Texte sind durchaus auch metaphorisch zu verstehen.
Die Sprache ist bildhaft und poetisch, mit bunten Schilderungen und vielen interessanten Informationen. Poesie findet sich auch in den Kapitelüberschriften, während sich die Spannung aus dem ereignisreichen Leben Lilis ergibt.

Fazit
Ein Familienroman, ein Frauenroman, ein realer geschichtlicher Hintergrund mit bekannten Künstlern und Persönlichkeiten vermittelt Wissen über die aufwändige Porzellanherstellung, über den Bauhaus-Gedanken, über jüdische und japanische Traditionen. Eine Geschichte von engagierten, mutigen Frauen, die sich liest wie Porzellan: geerdet, zeitlos elegant, fein und robust, bunt und poetisch.
Profile Image for TheMsKolina.
20 reviews2 followers
June 2, 2021
Meine Erwartungen an den Roman waren nach Klappentext und Prolog ganz andere. Im Nachhinein betrachtet haben beide auch recht wenig mit der Handlung zu tun. Saller erzählt die Lebensgeschichte einer deutschen Halbjüdin, die er mit einem Handlungsstrang, der im Jahr 1985 spielt und in dem die Protagonistin eine alte Dame ist, kombiniert. Mich haben an dem Buch einige Sachen gestört: Zum einen war es der „Themenoverkill“, denn die Handlung ist mit den unterschiedlichsten Themen heillos überfrachtet: Judentum, Tee, Kunst, Porzellan, Fliegerei etc. etc. Das Leben der Protagonistin wird in Momentaufnahmen erzählt mit manchmal großen Zeitsprüngen. Die im Klappentext erwähnte Flucht aus Deutschland wird dabei überhaupt nicht thematisiert. Unterm Strich sind es jeweils nur kurze Episoden, die vieles nur anreißen. Saller schreibt in die Breite, nicht in die Tiefe. Dabei ist das Buch phasenweise durchaus spannend, was dann aber wieder mit staubtrockenen, belehrenden Passagen zunichte gemacht wird.
Auch sprachlich hatte das Buch für mich einige Defizite. Saller schreibt ausgesprochen nüchtern und emotionslos und die Empathie seinen Figuren gegenüber hält sich in Grenzen. Normalerweise habe ich kein Problem damit, wenn Autoren gerade dramatische Handlungen eher nüchtern erzählen, Saller geht mir aber viel zu sehr auf Distanz zu seinen Figuren und macht es damit auch dem Leser schwer. Der Erzählstrang im Jahr 1985 wird aus Sicht einer 18Jährigen erzählt, der der Autor eine gekünstelte Jugendsprache in den Mund legt oder was er dafür hält. Das ist teilweise unfreiwillig komisch und hier habe ich so manches Mal die Augen gerollt.
Das Ende ist unglaubwürdig und Saller gelingt es bis zum Schluss auch nicht, die Erzählstränge zusammenzuführen, wobei ich persönlich den Handlungsstrang im Jahr 1985 auch völlig überflüssig fand.
Profile Image for Kathrin Schröder.
Author 11 books3 followers
December 3, 2019
Ein neues Blau von Tom Saller
gelesen dank Netgalley als EBook im November 2019
Der Roman beginnt mit der Entwicklung eines neuen Blautons für Porzellan, springt dann in die Zukunft, den Beginn des 20ten Jahrhunderts und in die 80iger Jahre, wo eine Jugendliche mit Problemen den Nebenjob annimmt, einer alten Frau Gesellschaft zu leisten.
Nach und nach spinnt sich daraus die Lebensgeschichte dieser alten Frau, die als Tochter eines jüdischen Teehändlers und einer frühverstorbenen christlichen Mutter quasi zwischen den Stühlen aufwächst. Die väterliche Freundschaft eines Mannes, der halb Japaner, halb Chinese ist und die Anleitung eines Rabbis um Zugang zu einer geistlichen Heimat zu finden bringen neue Farbtupfer in ihre Geschichte, die immer wieder zwischen Extremen pendelt. Ich habe schon das letzte Buch des Autoren geliebt. Hier finden sich wieder Anklänge zu Bauhaus, Einblicke in das Porzellanhandwerk und leichte Akzente in Bezug auf das 3. Reich.
Persönliche Verluste und Probleme bilden aber viel wichtigere Akzente im Leben der Personen und auch wenn es verwundert, am Ende fügen sich alle Splitter und Stücke in eine runde und gelungene Geschichte ein. Mich hat dieses Buch gut unterhalten.
#EinNeuesBlau #NetGalleyDE #TomSaller #KathrinliebtLesen #Bookstagram #historischerRoman #Porzellan #Bauhaus #Rezension
733 reviews5 followers
September 1, 2019
Meine Meinung:
Der Roman "Ein neues Blau" ist eine höchst feinfühliger und ruhig erzählte Familiengeschichte, die sich auf die kleinen, so zart, wie ausdrucksstark und eindringlich erzählten Szenen konzentriert, dich mich mehr als nur in ihren Bann ziehen konnten.

Denn was der Schriftsteller Tom Saller, durch seinen Schreibstil und seine ausgefeilte und präzise Sprache erschafft, ist eine eindringliche, nahezu dauerhaft von Intensität geprägte Szenerie und Charaktere, die so plastisch und vielschichtig erzählt sind, dass man sie beinahe bildlich vor Augen hat.
Tom Saller behandelt aber auch die großen Themen der Zeit auf eine sensible und dennoch schonungslose Art, die Frage nach der Religion, die daraus resultierenden Unterschiede und Probleme, zeitgeschichtliche Fakten verwoben, in eine von charakterstarken Figuren, sodass dieses Buch zu einem emotionalen und wunderbar literarischen Leseereignis wurde!

Mein Fazit:
Dies war definitiv nicht mein letztes Buch des Schriftstellers, denn dieser Roman konnte mich sowohl literarisch, als auch emotional komplett von sich überzeugen!
2,263 reviews12 followers
August 30, 2019
Zum Inhalt:
Lili lebt zurückgezogen in ihrem Haus und verrät nicht viel über ihr bisheriges Leben. Das ändert sich als die junge Anja in ihr Leben tritt. Langsam öffnet sie sich und erzählt Anja ihre Geschichte, die wirklich sehr vielschichtig ist.
Meine Meinung:
Irgendwie hatte ich nach dem Klappentext und der Leseprobe einen völlig anderen Eindruck als den, den das vollständig gelesene Buch dann schließlich liefert. Am Anfang habe ich mich ein wenig schwer getan mit der Erzählweise, weil ich nicht immer gleich geschnallt hatte, bei wem und in welchem zeitlichen Zusammenhang man sich gerade befindet. Das wurde im Lauf des Buches besser und irgendwann habe ich die Geschichte von Lili einfach genossen. Schön fand ich z. B. wie reale Vergangenheit und Fiktion zu einer stimmigen Geschichte verwoben wurden. Die Protagonisten Lili und Anja haben mir gut gefallen und waren auch gut beschreiben. Der Schreibstil ist gut, kommt aber an die Intensität des anderen Buches des Autoren nicht ganz ran. Dennoch ist ein gutes Buch, dass lohnt gelesen zu werden.
Fazit:
Bewegende Geschichte
Profile Image for Cornelia.
184 reviews
September 8, 2019
Tom Saller erzählt die Geschichte von Lili auf zwei Zeitebenen. Ihre Jugend in den 1920-40er Jahren und ihre Begegnungen mit der 18-jährigen Anja in dern 80ern.
Die Rückblicke sind im Stil von Erich Kästner gehalten (in tiefer Verneigung wie der Autor selbst sagt). Das ist sehr authentisch und passt zur Zeit und auch die schlimmen Erlebnisse Lilis lassen sich durch die Leichtigkeit der Sprache besser ertragen. In den 80ern spricht Anja zu uns, eine Jugendliche, deren Elternhaus zerbricht und die nach einer schiefgelaufenen Beziehung zur Selbstverletzung neigt.
Diese Teile sind direkt, ungeschminkt und sprachlich "dreckiger" - aber auch das ist sehr passend.

Im Mittelpunkt dieses historischen Romans steht die Kunst der Porzellanherstellung. Dies ermöglicht es dem Autor mit vielen Bildern zu arbeiten, was er noch durch eine tiefgründige Farbsymbolik zwischen Lili und ihrem väterlichen Freund, dem Japaner Takeshi verstärkt.

Unbedingte Leseempfehlung für diesen zeitgeschichtlichen Roman!
Profile Image for Angelika Altenhoevel.
260 reviews
November 13, 2019
Zum Inhalt:
Lili lebt zurückgezogen in ihrem Haus und verrät nicht viel über ihr bisheriges Leben. Das ändert sich als die junge Anja in ihr Leben tritt. Langsam öffnet sie sich und erzählt Anja ihre Geschichte, die wirklich sehr vielschichtig ist.
Meine Meinung:
Irgendwie hatte ich nach dem Klappentext und der Leseprobe einen völlig anderen Eindruck als den, den das vollständig gelesene Buch dann schließlich liefert. Am Anfang habe ich mich ein wenig schwer getan mit der Erzählweise, weil ich nicht immer gleich geschnallt hatte, bei wem und in welchem zeitlichen Zusammenhang man sich gerade befindet. Das wurde im Lauf des Buches besser und irgendwann habe ich die Geschichte von Lili einfach genossen. Schön fand ich z. B. wie reale Vergangenheit und Fiktion zu einer stimmigen Geschichte verwoben wurden. Die Protagonisten Lili und Anja haben mir gut gefallen und waren auch gut beschreiben. Der Schreibstil ist gut, kommt aber an die Intensität des anderen Buches des Autoren nicht ganz ran. Dennoch ist ein gutes Buch, dass lohnt gelesen zu werden.
Fazit:
Bewegende Geschichte
Profile Image for Inge H..
444 reviews7 followers
August 30, 2019
Interessanter spannender Roman

Ein neues Blau von Tom Saller ist ein interessanter Roman. Allerdings ist die Geschichte anders, als man von dem Klappentext annimmt. Der Stil ist ab und an etwas abgehackt.
Der größte Teil zeigt das Leben Lilis,
aber da gibt es auch noch Anja, die der alten Lili einige Tage der Woche, die Zeit vertreibt. Anja hat auch so ihre Probleme. Lili erzählt ihr aus ihrem interessanten Leben.
In dem Roman erfährt man viel über das Judentum, zu dem Lilis Vater Jakob gehört, Ihre Mutter war Christin und ist früh gestorben.
Lili lernt als junges Mädchen die Familie des Direktor der Königlichen Porzellan – Manufaktur kennen und taucht in die Welt der Porzellanherstellung und der Porzellanmalerei ein.
Tom Saller lässt die Geschichte wunderbar lebhaft erscheinen. Mich hat der Roman gut unterhalten.
Profile Image for Mirjam Lutter.
92 reviews
September 20, 2019
Ein tolles Buch, das mir große Freude beim Lesen gemacht hat. Die alte Dame Lili, die sich seit vielen Jahrzehnten mit schrecklichen Schuldgefühlen plagt und Anja, die in der zweiten Erzählzeit 1985 18 Jahre alt ist und gerade eine sehr schwierige Phase durchmacht, sind mir beide sehr ans Herz gewachsen. Die Verbindung zu Japan und der Teezeremonie sowie der Zauber des Porzellans haben das Buch für mich absolut bereichert. Toll fand ich auch, dass der Nationalsozialismus und Antisemitismus immer präsent war, aber nicht die ganze Geschichte dominiert hat. Das habe ich selten bei Büchern aus dieser Zeit erlebt. Die Sprache war bei Lillis Geschichte sehr schön und passend altmodisch, wenn es um Anja ging, war sie mir zum Teil zu gewollt jugendlich. Das gab für mich einen kleinen Abzug. Aber im Großen und Ganzen hat mir das Buch sehr gefallen und ich habe Einiges dazugelernt!
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