Drei Liebende und der Mut, zu sich selbst zu finden
Es ist der Sommer des Jahres 1925. Die Schriftstellerin Charlotte Overbeck und ihre Freundin Ellen reisen nach Rockcliff Isle, eine malerische Insel vor der kanadischen Atlantikküste. Charlotte will an ihrem neuen Roman arbeiten, Ellen ihr gemeinsames Cottage einrichten. Bei der Ankunft mit dem Postschiff treffen sie im Hafen auf Crawford Maker, einen Einheimischen in Fischerkleidung, der einen toten Vogel mit mächtigen Schwingen unter dem Arm trägt. Ellen besucht ihn in seiner Werkstatt, wo er den Vogel präpariert. Sie fühlt sich erinnert an ihre kurze Karriere als Künstlerin, die sie für Charlotte aufgegeben hat, um ihre Begleiterin zu werden. Crawford erkennt ihr Talent und lädt sie ein, mit ihm auf eine Expedition in den Kongo zu gehen…
"Plötzlich eine Bewegung, die im Grau sichtbar wurde, erst nur eine Silhouette, dann ein Körper, schneeweißes Hals-und Brustgefieder, die Unterseite der Flügel von einem dunklen Graubraun umrahmt, ebenso der kurze, kräftige Schwanz." Ellen hat ihre Karriere für ihre Partnerin Charlotte aufgegeben. Auch wenn sie in den 1920er Jahren offiziell nicht mehr als ihre Sekretärin sein kann. Doch als der Ornithologe Crawford ihr anbietet, ihn auf einer Reise zu begleiten, steht sie zwischen allen Stühlen. Das Buch ist sehr ruhig erzählt und sehr distanziert. Mir sind die Personen nie so richtig nahe gekommen. Bis auf einige Briefe und Prolog sowie Epilog ist das Buch aus der Sicht von Ellen geschrieben. Ich kann ihre Gefühle sowohl für Charlotte als auch für Crawford schlecht nachempfinden, mir fehlt es da an Emotionen. Wobei das Buch wahrscheinlich den Zeitgeist der 1920-1940er Jahre gut wiedergibt, in der es wohl nicht an der Tagesordnung war, seine Gefühle offenzulegen. Auch die Idee, Tiere zu jagen und zu töten, um die auszustopfen, verstehe ich vielleicht noch aus wissenschaftlicher Sicht, ich bin aber trotzdem kein Fan davon. Und ein Großteil des Buches behandelt genau dieses Thema, inkl detailliert Beschreibungen. Ich mochte besonders den historischen Teil des Buches, man erfährt wie die Menschen gelebt haben, wie sie gereist sind, wie schwierig Kommunikation auf Reisen war. Und die Naturbeschreibungen sind wirklich sehr bildhaft. Insgesamt ist mir zu wenig passiert und das Erzähltempo war zu niedrig um mich zu fesseln, auch wenn das Innenleben der Personen sicherlich alles andere als unaufgeregt war.
Sommergäste dreht sich um die Künstlerin Ellen, die gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Charlotte Urlaub auf der Insel Rockcliffe Isle vor der kanadischen Küste macht. In Rückblenden des ersten Kapitels erfährt man, wie Ellen zunächst als Bildhauerin gearbeitet hatte, bis sie auf einer Kunstreise auf Charlotte getroffen war und sich im Folgenden eher als Unterstützerin ihrer schriftstellerischen Tätigkeit sah. In der Gegenwart beginnt sie jedoch langsam, diese Selbstaufgabe anzuzweifeln und entdeckt durch die Diskussionen mit dem Präparator und Ornithologen Crawford langsam ihre eigene künstlerische Ambition wieder. Gemeinsam schließen sich die drei einer wissenschaftlichen Forschungsreise nach Belgisch-Kongo an, die das komplette zweite Kapitel des Buches umfasst. Das dritte Kapitel beschäftigt sich schließlich mit den Auswirkungen der Reise auf die Hauptcharaktere.
Der Roman ist in 3 große Kapitel unterteilt, jedes betitelt mit einem anderen Vogelnamen, der die Handlung leitet, gefolgt von einem Zitat. Umschlossen wird das Buch durch einen Prolog und Epilog aus Crawfords Sicht, die zugleich die einzigen Kapitel aus einer anderen Sicht als Ellens darstellen. Lediglich in Charlottes Briefen an Freunde, Familie oder ihren Verlag erfährt man darüber hinaus mehr über die inneren Vorgänge der anderen Charaktere.
Passend zum Titel fokussiert sich die Handlung des Buches zumeist auf die Sommermonate, die die Charaktere auf Rockcliff Isle verbringen, die dazwischenliegenden Wintermonate werden meist nur in Nebensätzen zusammengefasst.
Die Handlung schreitet eher langsam voran, was die Geduld, die beim Präparieren sowie der Expedition in Afrika erforderlich ist, wiederspiegelt.
Viele inneren Empfindungen werden nicht klar ausgesprochen, sondern ergeben sich vielmehr aus der Handlung. Passend fand ich insofern vor allem auch, dass Ellen und Charlotte der Zeit gemäß nicht offen zu ihrer Beziehung standen, sondern dies vielmehr unter anderen logischen Nähebeziehungen wie Sekretärin oder ähnlichem verstecken. Auch körperliche Intimität zwischen den Charakteren wird nicht explizit beschrieben, sondern deutet sich nur in Nebensätzen an.
Der Roman ist angelehnt an das Leben der Schriftstellerin Willa Cather sowie des Präparators Allan Moses, die ebenfalls auf einer kleinen Insel ihre Werke geschaffen haben. Dies stellt die Autorin auch im Nachwort noch einmal klar.
Obwohl der Roman so langsam voranschreitet, fand ich ihn in großen Teilen sehr angenehm zu lesen. Vor allem auch im letzten Kapitel überschlagen sich die Ereignisse und die Handlung umfasst einen bedeutend größeren Zeitraum. Einige Entwicklungen haben mich dabei sehr überrascht, widersprachen sie doch den durch den Erzählstil geschaffenen Erwartungen. Gleichzeitig erschienen sie jedoch nie unrealistisch oder unangemessen bezüglich der Entwicklung der Charaktere oder den Erwartungen der damaligen Zeit. Dennoch hat vor allem das erste Kapitel einige Zeit gebraucht, um Interesse beim Leser aufzubauen. Da auch die inneren Motive und Gedanken von Ellen nicht herausgestellt werden, über die sie sich meiner Meinung nach selbst oft unklar ist, fällt es auch schwer, wirklich eine Bindung zu den Charakteren herzustellen.