Jetzt sind die Verlierer dran mit Reden! Die Journalistin und Lehrerin Melisa Erkurt gibt denen eine Stimme, die im System Schule nicht gehört werden. Ein Perspektivenwechsel in der Bildungsdebatte
Melisa Erkurt ist als Kind mit ihren Eltern aus Bosnien nach Österreich gekommen. Sie hat studiert. Sie arbeitet als Lehrerin und Journalistin. Sie hat es geschafft. Doch sie ist eine Ausnahme. Denn am Ende eines Schuljahres entlässt sie die Klasse mit dem Wissen, dass die meisten ihrer Schülerinnen und Schüler nie ausreichend gut Deutsch sprechen werden, um ihr vorgezeichnetes Schicksal zu durchbrechen. Hier wächst eine Generation ohne Sprache und Selbstwert heran, der keiner zuhört, weil sie sich nicht artikulieren kann. Über den „Kulturkampf“ im Klassenzimmer befinden einstweilen andere. Melisa Erkurt leiht ihre Stimme den Verlierern des Bildungssystems. Nicht sie müssen sich ändern, sondern das System Schule muss neue Wege gehen.
Melisa Erkurt rechnet ab; und niemand ist verschont. Sie rechnet ab mit der Politik, mit der Gesellschaft, aber allen voran mit dem Bildungssystem. Ein System, das darauf ausgerichtet ist, Schüler:innen, die aus der weißen, heteronormativen Norm fallen, zum Scheitern zu bringen. Das Buch ist nicht leicht zu verdauen, vor allem nicht für Kolleg:innen, die Teil der Mehrheitsgesellschaft sind, weil sie zum ersten Mal in der Form mit der Wahrheit, mit der Realität der österreichischen Gesellschaft konfrontiert sind. In Generation Haram verleiht die Autorin ihre Stimme jenen Schüler:innen, die oft nicht gehört werden. Nicht, weil sie nicht laut genug sind, sondern weil sie vom Bildungssystem als nicht relevant erachtet werden. Welches Kind mit dem sogenannten Migrationshintergrund kennt das nicht? Wer von uns wurde nicht in der Schule für den Namen gehänselt, unabhängig davon, ob es die Lehrkraft oder die Mitschüler:innen waren? Wem wurde nicht gesagt, dass Kinder wie wir, es eh nicht schaffen werden? Weil wir ja schon zum Scheitern verurteilt sind.
Nach diesem Buch bin ich einfach nur sauer. Ich bin sauer auf meine Lehrkräfte, die mich immer nur auf mein Kopftuch reduziert haben, die mir den Spaß an der Schule weggenommen haben, die mich als blöd vor allen anderen dargestellt haben, wenn ich mal die Antwort nicht wusste, auf alle Lehrkräfte, die immer nur meine Schwächen zur Schau gestellt haben und niemals meine Stärken gefördert haben. Ich bin aber vor allem sauer, dass zehn Jahre später diese Lehrkräfte noch immer unterrichten und weitere Schüler:innen mit Migrationshintergrund regelrecht terrorisieren mit ihrem Hass, mit ihrem Rassismus, mit ihrem Sexismus und Ableismus. Von Homo- und Transphobie ganz zu schweigen. Einer dieser Lehrkräfte, der auch nebenbei im Bundesherr tätig ist, ist heute sogar Direktor einer Wiener Schule.
Melisa Erkurt stellt oft die Frage: "Was wäre wenn?". Ich frage mich oft, was wäre, wenn ich Lehrkräfte gehabt hätte, die mich unterstützt hätten und an mich trotz allem geglaubt hätten? Die gesehen hätten, dass ich nur ein rebellisches Mädchen war, weil ich nicht die Sprache für das Unrecht hatte, dass ich in der Schule jeden Tag erlebte. Was ist, wenn mich meine Lehrkräfte in der Liebe zur Literatur und Sprache gefördert hätten, anstatt meine Defizite in den naturwissenschaftlichen Fächern und vor allem in Mathematik zur Schau stellten? Aber vor allem frage ich mich: Wo wäre ich heute, wenn ich nicht meine Deutschlehrerin gehabt hätte, die mir versprach, mich auf beiden Händen zur Matura zu tragen, wenn ich nur nicht aufgebe?
Heute bin ich selbst Lehrerin und teile sehr viele Erfahrungen mit der Journalistin und Autorin Melisa Erkurt. Sie beschreibt die Zustände genauso wie ich sie selbst im Klassenzimmer erlebt habe. Mit meinen Kolleg:innen verstand ich mich bis zur letzten Minute nicht; nicht, dass wir uns feindlich gegenüber standen, nein, ganz und gar nicht; ich wurde nur sehr lange nicht nur mit einem türkischen Namen angesprochen, sondern vor allem für die Islam-Lehrerin gehalten. Als ich jedes Mal verkündete, dass ich Deutsch und Spanisch unterrichten würde, wurde ich mit sehr, sehr schiefen Blicken angestarrt. Dafür hat sich eine unglaubliche Liebe zu meinen jungen Schüler:innen entwickelt, die im Alter von 13 bis 16 Jahre waren. Mit meinen jüngeren Schüler:innen haben wir im Deutschunterricht das Thema Rassismus sehr oft thematisiert, nicht, weil ich es unbedingt wollte; eher, weil sie so viel zum Sagen haben und diesen Raum zum ersten Mal hatten. Ich werde nie vergessen, wie mir meine Schüler:innen sagten, dass sie sich zum ersten Mal mit einer Lehrkraft identifizieren konnten, weil ich sie verstehe, weil ich eine von ihnen war. Weil ich nicht jeden Misserfolg auf ihr Zuhause zuschrieb, sondern weil ich ihnen erlaubte, Teenager zu sein, ohne ihre Aggressionen auf ein angeblich gewaltvolles Umfeld zuzuschreiben, sondern auf ihre pubertierende Phase, die wir alle schon mal durchgemacht haben. In meiner Klasse saßen damals 14 Schüler:innen, die seit der ersten Klasse, also nun das vierte Jahr, dieselbe Deutschlehrerin hatten. 12 von diesen Kindern beherrschten keine Groß- und Kleinschreibung, in der Grammatik gab es sehr große Lücken, von Beistrichen haben sie glaube ich noch nie gehört. Trotz allem wurde mir von derselben Lehrerin immer gesagt, dass sie doch alle so dumm seien, weil sie ja Zuhause eine andere Sprache sprechen, die nicht Deutsch sei. Warum das kompletter Blödsinn ist, erklärt Melisa Erkurt in ihrem großartigen Werk.
Es gibt so viele Themen, die angesprochen werden: der Lehrplan, der Literaturunterricht, der Ethik-Unterricht, die sozioökonomischen Unterschiede, der Mangel an Kunstunterricht, die Sprachdefizite, die Flucht- und Migrationsgeschichten der einzelnen Schüler:innen und die damit verbundene Verantwortung im Elternhaus; ich fasse es nicht, wie viele wichtige Sachen auf so wenigen Seiten geschrieben wurde.
Auf jeder Seite dachte ich mir: endlich spricht das wer aus. Und ich freue mich schon sehr mehr in Zukunft von dieser großartigen Journalistin zu lesen, auch wenn es mir das Herz bricht, dass ich sie als Kollegin nicht mehr kennenlernen werde.
Melisa Erkurt, eine Lehrerin & Journalistin mit bosnischen Wurzen erzählt welche Herausforderungen Schulen in Österreich mit "ausländischen" Schülern haben & warum die gesellschaftliche Schere immer größer wird. Mir selbst war es nicht so bewusst, wie stark die Defizite heutiger Generationen sind und wie wenig anscheinend dafür die Zeit bleibt, um diese Defizite auszugleichen.
Besonders gut finde ich auch, dass die Autorin nicht nur mit dem Finger auf die Politik zeigt, sondern eben auch die Umstände innerhalb der Familien hinterfragt, die aufgrund von "mangelnder Zeit", "mangelnden Ressourcen" - also schweren sozio-ökonomischen Hintergründen-, nicht die besten Voraussetzungen für ihre Kinder gewährleisten können.
Die Frage, die sich mir stellt, wo sollte man anfangen zu optimieren?
Es fällt mir wirklich schwer über dieses Buch zu schreiben. Ein wenig habe ich das Gefühl, nur in Fettnäpfchen treten zu könne, sobald auch nur das kleinste negative Wort über meine Lippen (bzw. meine Tastatur) kommt. Ich habe sehr lange über die Sterne nachgedacht, mich schließlich für klare 4 Sterne entschieden. Eine Leseempfehlung spreche ich für alle aus! Das Buch ist vom Sprachlichen her leicht zu lesen, man kommt schnell rein und gut mit (man merkt, dass Melisa Erkurt schreiben kann und auch Erfahrung darin hat). Jede Person kann sich aus diesem Buch etwas mitnehmen, davon bin ich überzeugt. Ich selbst bin mit einer falschen Erwartungshaltung an dieses Buch rangegangen, worum es darin geht bzw. worauf das Buch hinaus wollen wird. Ich hatte mir etwa mehr Lösungsansätze erwartet. Auch ein paar Kleinigkeiten haben mich gestört, die ich hier aber nicht lostreten möchte. Es ist auf jeden Fall ein sehr interessantes Buch, das viel Anregung zum Nachdenken und Diskutieren gibt und das, wie bereits oben auch angedeutet: Es schadet sicherlich auch niemanden dieses Buch zu lesen – im Gegenteil: Jede*r sollte es lesen.
"Migranten werden nicht als Individuen gesehen" schreibt Melisa Erkurt und spricht im nächsten Datz von "den Bobo-Eltern", "den autochthonen Österreichern" und "den Lehrerinnen". Viele ihrer Punkte sind gut und wichtig, aber oft auch unzusammenhängend aufbereitet und als Lehrerin, die genau mit den Kindern arbeitet, von denen sie spricht, bin ich nach dem Lesen dieses Buches auch nicht gscheiter.
Wow. Melisa Erkurts Buch Generation Haram zeigt viele Ungerechtigkeiten im österreichischen Bildungswesen auf. Vor allem fokussiert sich das Buch auf Kinder mit Migrationshintergrund, welche nicht nur im Bildungswesen diskriminiert werden. Durch einen Einblick in ihre Projekte und ihre Zeit als Lehrerin, zeigt Melisa Erkurt wo vieles falsch läuft.
Ich habe nun ein Monat gebraucht, um dieses Buch fertig zu lesen. Es ist ein Buch, das mich sehr bewegt hat. Als angehende Lehrerin ist es mir jetzt schon besonders wichtig, dass ich Kinder in der Schule ohne Vorurteile begegne und versuchen werde, ihre Stärken zu fördern. Melisa Erkurt's Buch hat aufgezeigt, wie schwer es ist als Einzelperson wirklich Veränderungen voranzutreiben, speziell wenn man selbst einer privilegierten Gruppe angehört und „nicht so ist wie die Schülerinnen und Schüler“. Ich selbst komme aus einer Arbeiterfamilie, habe jedoch keinen Migrationshintergrund, jedoch wurde auch mir im Laufe meines Bildungsweges immer wieder gesagt, dass aus mir nicht viel werden kann, da ich einfach nicht die Voraussetzungen hätte. Trotz dieser Kränkung ist es schwer vorstellbar, wie sich weniger privilegierte Menschen tag täglich fühlen, weil sie vor allem wegen ihrer Herkunft diskriminiert werden.
Obwohl das Buch sehr spannend zu lesen war, musste ich immer wieder kurze Pausen einlegen. Gewisse Kapitel haben mich sehr lange beschäftigt und auch zum Reflektieren gebracht. Viele Beschreibungen und Erzählungen haben mir das Herz gebrochen. Es ist so wichtig, dass viel viel mehr in unserer Gesellschaft über Bildungsungleichheit gesprochen wird und auch, dass aktiv nach Lösungsansätzen gesucht wird! In meinem Studium bekomme ich es selbst mit: Uns wird erklärt, dass es Heterogenität in den Klassen gibt, jedoch wird uns nie versucht zu erklären, wie man am besten mit Heterogenität arbeiten kann. Und wenn man dann auch noch von einem Buch auf all diese Missstände und Probleme hingewiesen wird, fühlt man sich machtlos und ohnmächtig.
Melisa Erkurts Buch hat mir wirklich sehr gut gefallen. Es hat mir auch in vielen Bereichen die Augen geöffnet und mir auch meine eigenen Vorurteile aufgezeigt. Jedoch hätte ich mir gewünscht, dass zumindest ein paar mehr mögliche Lösungsansätze und -vorschläge gebracht worden wären. Den viele Veränderungen sind am System selbst zu machen. Ich als einzelne Lehrerin kann da leider wenig ausrichten. Daher wäre es schön gewesen Tipps, Literatur, Bildungsangebote, Filme/Dokus, etc. zu bekommen. Ich habe mir auf jeden Fall aus diesem Buch mitgenommen, viel mehr über verschiedene Kulturen zu lernen. Sehr wichtig finde ich auch Erkurts Vorschlag, die Namen der Schülerinnen und Schüler bereits im Vorhinein zu recherchieren, um in der Schule keine falsch auszusprechen.
Es gäbe noch so viel über dieses Buch zu sagen. Ich finde es wahnsinnig wertvoll. Es hat mir die Augen (weiter) geöffnet und weist mich auf jeden Fall in eine richtige Richtung. Ich werde mich weiterbilden und weiter gegen Diskriminierung kämpfen. Ein wahnsinnig wertvolles Buch. Sollte man unbedingt gelesen haben!
Lest das Buch! Mehr kann ich nicht sagen. Insbesondere natürlich als Lehrer:in/ Lehramtsanwärter:in, aber auch für jede andere Person sehr empfehlenswert und mit Mehrwert.
Dieses Buch wurde mir von einer Freundin empfohlen, die selbst Lehrerin ist und ähnliche Erfahrungen wie jene der Autorin gemacht hat.
Aber nicht jeder hat Bekannte aus dem Lehrerzimmer, das an Diversität mangelt - aber genau hier könnte Melisa Erkurts Werk zum Einsatz kommen. Es übermittelt einen Einblick in unser Bildungssystem und -erfahrungen aus der Perspektive einer Immigrantin, Schülerin und Lehrerin. Die Erfahrungsberichte und Schlussfolgerungen sind erfrischend aber auch ernüchternd.
Auch ich habe Vorurteile gefunden, die ich geteilt habe. Umso mehr bin ich froh mir doch Zeit für dieses Buch genommen zu haben. Man lernt nie aus.
Es war auch interessant Parallelen zwischen Migrationsfamilien aus verschiedener Kulturen zu entdecken. Ein Spruch, den scheinbar viele Immigranten-Eltern unabhängig ihrer Herkunft teilen:"du musst doppelt so hart arbeiten, um dieselben Chancen zu bekommen".
Eines der vielen Aspekte, die ich an diesem Buch schätze, ist, dass man einen Einblick sowohl in die Probleme als auch das Potenzial - das sich aber nicht entfalten werden kann, wenn keine Rücksicht auf benachteiligte Schülerinnen und Schüler, die meist einen Migrationshintergrund haben, genommen wird. Viele von ihnen “können sich nicht einfach auf die schulischen Leistungen konzentrieren, sondern müssen diese soziale Rolle erfüllen.” - die Rolle als Repräsentantinnen und Repräsentanten ihrer kulturellen Gruppe.
Schade, dass ich von Melisa Erkurt erst heuer erfahren habe. Aber besser jetzt als nie. Ihr Buch hat mich überzeugt und ich bin schon auf ihre künftige Werke gespannt!
“Ich dachte lange, Sprache wäre der Schlüsse zur Integration. Ich spreche Deutsch besser als meine Muttersprache. Ich dachte, Bildung wäre der Schlüssel zur Integration, ich habe einen Uniabschluss. Ich dachte, ein Job wäre der Schlüssel zur Integration, ich war noch nie arbeitslos. Trotzdem bin ich für viele nur die Migrantin und frage mich noch immer, wo eigentlich das Schloss ist.”
Würde dieses Buch (als Einstiegslektüre) jeder Person empfehlen, die sich mit der österreichischen „Bildungspolitik“ auseinandersetzen möchte. Sie macht auf diverse Themen aufmerksam, die schon längst überfällig sind. Auch ihre Ansicht zur Kopftuchdebatte dekonstruiert die Mythen, welche Rechtspopulist:innen und Co. über das Tragen von Kopftüchern verbreiten.
Hat mich zum Nachdenken angeregt, Missstände im Schulsystem zu hinterfragen, die im Lehramtsstudium leider garnicht thematisiert werden. Schon dafür eine 10/10!!
Die Autorin stellt eine zentrale These auf. Wenn man dieser folgen kann, dann wir so ziemlich alles, was sie behauptet und fordert sich nahtlos einreihen und der Leser wird allem zustimmen können.
Diese These ist (stark vereinfacht und sehr plakativ ausgedrückt): Die Rolle der Schule besteht darin, die Rolle der Eltern im Leben des Kindes zu ersetzen. Nur so kann man nämlich ungefähr gleiche Chancen zwischen Kindern aus bildungsfernen (Arbeiter-)Familien und Kindern aus bürgerlichen Häusern (sogenannte „Bobo-Kinder“) herstellen.
Daraus leitet sich nahtlos ab, dass es eine zentrale Rolle der Schule ist, den Geschmack der Kinder für Kunst zu formen, sie zum Lesen zu animieren, über soziale Gerechtigkeit aufzuklären, Vorurteile und diskriminierende Verhaltensweisen abzubauen, ihre sozialen Kontakte zu fördern, Tagespolitik und moderne Geschichte zu unterrichten, um ihnen den Kontext zum Verständnis der Gegenwart zu vermitteln, sie mit der Geschichte und Literatur ihres Ursprungslandes vertraut zu machen und ihnen psychologische Unterstützung (etwa bei der Verarbeitung von Traumen) anzubieten. Ein paar Sachen habe ich sicherlich ausgelassen. Offensichtlich bestehen hierfür derzeit nicht die notwendigen Ressourcen im Bildungswesen. Die Autorin fasst am Ende die wichtigsten Schritte zusammen, die aus ihrer Sicht am ehesten beitragen könnten, darunter eine längere Betreuung sowohl täglich, als auch auf Ausbildungsjahre bezogen.
Mein Rating sollte erkennen lassen, dass ich dieser zentralen These zustimme, wenn auch nicht nur mit der Begründung, die der Autorin selbst am Herzen liegt und vielleicht nicht im gesamten Umfang. Man muss aber auch geradeheraus zugeben, dass die Forderungen teilweise sehr utopisch klingen und Österreich als Empfängerland sehr viel ausgleichen muss, was in den Herkunftsländern seinen Ursprung hat. Ich persönlich glaube, dass dies Absicht ist: viel einfordern im Bewusstsein, dass eh kaum etwas getan wird, a la Greta Thunberg. Gerade die Greta hat aber auch gezeigt, dass überhöhte Forderungen auch Missverständnisse verursachen und anecken können. Es ist eine Gratwanderung und es gibt kein Richtig oder Falsch, ich hätte mir aber gewünscht, dass die Absicht klarer hervorkommt.
Auch scheint sich die Autorin nicht bewusst zu sein (oder thematisiert es zumindest nicht), dass sehr wenige dieses Verständnis von Schule teilen und zwar nicht nur aus dem von ihr genannten fiskalischen Grund, sondern auch aus anderen Gründen. Sehr sehr viele Eltern, darunter auch sicherlich - ich persönlich würde sogar „allen voran“ meinen - die Eltern von Migrantenkindern und bildungsferne Eltern, sehen es heutzutage sehr ungern, dass die Prinzipien und Lebenseinstellungen der Spröße so maßgeblich von der Schule geformt werden. In den USA und in Großbritannien machen solche Eltern immer wieder Schlagzeilen, indem sie sich u.a. gegen die von der Autorin geforderte umfassende Sexualbildung auflehnen. Dort ist man dem Bildungswesen gegenüber regelrecht misstrauisch. Möge Österreich noch lange davon verschont bleiben!
Obwohl das Buch offensichtlich als Weckruf an die Politik gedacht ist, eignet es sich mE aber auch vorzüglich als Anstoß für Gespräche im Klassenzimmer (für Jugendliche). Die Autorin geht nämlich methodisch sehr viele wenn nicht die meisten Themen durch, die sie als Jugendliche bewegt haben und die die ihr bekannten Jugendlichen bewegen.
Soviel zum Positiven. Warum ein Stern Abzug? Nun, zum Einen weil die Einstellung zur Rolle der Schule vorausgesetzt wird. Zweitens weil der Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und Migrationserfahrung nur angedeutet wird. Migrantenkinder stammen überproportional aus Arbeiterfamilien, aber die Berücksichtigung gegenteiliger Beispiele hätte z.B offenbaren können, ob die soziale Schicht oder die Abstammung eine größere Rolle spielen beim schulischen Erfolg und bei der Integration. Meine anekdotische Erfahrung deutet eher auf Ersteres hin, auch ist es meines Wissens durch Studien so belegt. Die Autorin erwähnt es meiner Erinnerung nach beiläufig, geht aber nicht näher darauf ein. Fairerweise ist das recht schwierig bei so einem kurzen Buch.
Und: schließlich und endlich werden Problemfelder im Zusammenhang mit Migranten sehr behutsam angesprochen. Manche Themen werden frontal thematisiert (Feminismus, Antisemitismus u.a. - sehr mutig und lobenswert). Andere Themen werden nur sehr kurz abgehandelt: die Abwesenheit der Eltern, die Anzahl der Kinder. Dazu sollte ich sagen, dass ich es sehr gut verstehen kann in persönlicher Hinsicht und es auch durch die These des Buchs gerechtfertigt wird. In persönlicher Hinsicht ist sich die Autorin bewusst, dass sie als Aushängeschild für mehrere Menschengruppen nicht nur strenger bewertet wird, sondern auch bei unvorsichtigen Äußerungen viel Schaden anrichten kann. Außerdem bekräftigt sie ja aufgrund der These des Buchs, dass das Verhalten der Eltern eigentlich egal sein sollte, weil gerade dieses ja durch die Schule wieder ausgeglichen werden soll. Und Strafen jeder Art für Eltern eh wieder die Kinder treffen, die ja schon leiden. Wenn man es aber im Ganzen betrachtet, wird doch ein sehr optimistisches Bild vermittelt. Ich kann es nachvollziehen, bin aber selbst Zynikerin (zum Glück lässt man mich nicht an Kinder heran! 😅)
Ein Schlusswort zur sprachlichen Ausgestaltung: das Buch liest sich sehr schnell und angenehm. Alle Ideen sind klar und leicht nachvollziehbar dargestellt und werden auch logisch erörtert. Kurz: die Autorin schreibt sehr gut (ein Fazit, dass sie sicher amüsieren würde, genauso wie die Tatsache, dass ich gerade durch Bobos auf das Buch gestoßen bin, denn in Bobo-Kreisen ist es gerade sehr „in“). 😉
Als angehende Lehrerin mit einem „Migrationshintergrund“ hat dieses besondere Buch Dinge benannt, die im Laufe meines Lehramtstudiums mehrfach durch den Kopf gegangen sind. Authentisch schildert die Autorin ihre Erfahrungen als Lehrkraft und stellt fest, dass der aktuelle Umgang mit Schülerinnen und Schülern, die vom Bildungssystem aufgrund des sozialen Standes benachteiligt werden, kontraproduktiv auf deren Alltag und spätere Arbeitswelt auswirken kann. Sie gibt diesen Kindern eine kraftvolle Stimme und zeigt jegliche Missstände innerhalb der Lehrkräfte, aber auch der Politik auf. Mit Nachdruck fordert sie einen angepassten Umgang an die Lebensrealitäten dieser Schüler*innen und öffnet einen Diskurs, der schon längst geführt werden sollte!
"Privilegien spürt man nicht, man spürt sie nur, wenn man sie nicht hat."
Melisa Erkurt beschreibt auf wenigen Seiten klar und deutlich die soziale Ungerechtigkeit und Bildungsungleichheit, die Kinder mit eigener Migrationserfahrung und jene mit ausländischen Wurzeln im österreichischen Schulsystem erfahren - ihre Kritik trifft meiner Meinung nach auch absolut auf Deutschland zu. Vorurteile, klassizistische Stigma und rassistische Stereotype, gespiegelt von Lehrkräften und (manchmal auch selbst interkulturellen) Mitschüler:innen prägen diese Kinder von klein auf.
"Wenn die kleine Fatima wenig redet und Blickkontakt verweigert, geht man davon aus, dass sie zu Hause unterdrückt wird, legt die kleine Laura dasselbe Verhalten an den Tag, nimmt man sie als introvertiertes Kind wahr."
Die Autorin hat im Rahmen eines Bildungsprojektes mit Kindern aus den sozio-ökonomisch schwachen Schichten Wiens gearbeitet, welche oft wenig bis keine finanzielle, sprachliche oder emotionale Unterstützung der Eltern erfahren und sich daher doppelt so stark in der Schule anstrengen müssen wie ihre Klassenkamerad:innen, deren Familien schon immer in Österreich leben. Dazu kommen häufig das Übernehmen der Verantwortung für jüngere Geschwister und Dolmetschen für die Eltern im Behörden- und Schulkontext.
"Es ist oft ein Doppelleben, das Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund führen, ein Doppelleben mit Doppelbelastung. Sie balancieren nicht nur ihre kulturellen Identitäten, sondern auch ihre Rollen.(...) Dabei haben sie so viel Potenzial: Durch dieses Doppelleben, ihre Doppelsprachigkeit, ihre Doppelidentität können sie verknüpfter denken, sind oft viel selbstständiger als ihre Altersgenossen. Aber diese Ressourcen werden nicht gefördert, (...)".
Wichtiges Buch, das den Zustand unseres ungerechten Bildungssystems festhält, wach rüttelt, aber auch das Herz schwer macht. Es muss sich Vieles ändern.
Generation Haram is a very specifically targetted books about the failings of the Austrian school system (focussing on Viennese schools), particular for families with migrant background. For a resident and a teacher in Vienna the book, of course, has a particular resonance and interest but the themes Erkurt so vehemently discusses ring true for most of Europe and the highly charged political responses to immigration. Melisa Erkurt, herself of Bosnia migrant background, describes the school system with brutal honesty, using both recollections of her experiences of education in Austria and professional evidence from teaching in Austrian schools. Erkurt writes with a brash and offended confidence; she knows what she is talking about and she is rightly frustrated and angry about it. She focusses on the lack of possibilities open for immigrant children and tries to analyse the reasons why that is the case.
The discussions in the book frustratingly mirror work life in an Austrian school - an immovable system and arbitrary decissions and changes made by politicians and not educators that do not have the best interests of the children at heart. Erkurt goes further and suggests that education policy specifically aims to reduce migrants chances and increasingly segregate society. She analyses in often sweeping generalisations that tend to block social groups together - migrants, muslims, "bobo families". These definitions are perhaps necessary for her arguments though and contain a great deal of truth. One important example would be her attack on the implementation of Deutschklassen (classes consisting of primary school students with deficits in German). She rails against the way they further the separation and isolation of children who are already adrift from society. She questions the political motivate behind them. She bemoans the fact that their implementation comes before the project is fully planned and there are enough resources to make it work. It's endemic of a school system that is antiquated and refuses to invest in real change. Furthermore she condemns the school system as discriminatory and rascist.
Erkurt uses this attack on the educations system to criticism Austria in general. She draws on personal experiences and some movingly and amusingly told personal anecdotes to illustrate the difficulties of growing up seperated from identity, culture and language in a country that stubbornly defends its own (language, identity, culture, social heirarchy). Unfortunately that could apply to many countries. It shows the merit of Erkurt's book that she has manage to write an account that is deeply personal, incredibly specific and yet also universally relevant. Importantly, she also wants to act as a champion for people with migrant background. She comes across as a determined, intelligent and persistant individual whose strongest desire is to transmit some of her success, against the tide of society and culture, to others in the same position. Through anecdotal stories she personalises and brings to life the people she is championing. Its the sign of a good teacher, the fierce belief in the qualities of her students, and something that is sorely lacking. She wants a system in which migrant children don't have to rely on luckily landing in the classroom of a good teacher who sees through their "otherness" and gives them the same chances as everybody else. In a book that is brash, bold and goes directly to the heart of the matter, Melisa Erkurt really throws everything she's got against a broken system, hoping her logical anger will motivate students and instigate a real change. 8
Ich möchte am liebsten dass alle meine deutschen Freund:innen dieses Buch lesen, weil ich mich darin repräsentiert fühle und eine Erleichterung darin sehe, dass Menschen über Melisa Erkurts Worte lernen und nachvollziehen. Und Wie Saša Stanišić sagt: Pflicht Lektüre für Pädagog:innen. Es sollte im Interesse von uns allen sein, die verschiedenen Lebensrealitäten die man in eine Klassenzimmer findet verstehen zu lernen. Dafür ist dieses Buch ein super Anfang. Ein sternchen habe ich abgezogen, da es mir manchmal alles zu schnell geht im Buch und gefühlt manche Themen lediglich in den Raum geworfen, aber nicht genug ausgeführt werden (Bsp. generational trauma - Riesen Thema! Kann man natürlich nicht in so nem kurzen Buch umreißen… aber trotzdem ein Begriff dem fur viele noch etwas mehr Erläuterung gut tun würde) Gut und wichtig finde ich aber auf die selbe Art, dass das Buch klar und in einer einfachen, verständlichen Sprache verfasst ist und somit zugänglich! Daran können sich viele akademische Texte ein Beispiel nehmen.
Geniales Buch! Melisa Erkurt legt schonungslos offen, wie es um unser Bildungssystem bestellt ist! Als Referendarin hat mich das Buch sehr inspiriert und angeregt, meine Arbeit als Lehrkraft und die damit einhergehenden Funktionen ernst zu nehmen und darauf zu achten, allen Schüler:innen die gleichen Chancen zu bieten und mich selbst und meine Arbeit dabei immer wieder zu hinterfragen. Wichtig wichtig wichtig!
Unglaublich wertvolles und interessantes und für sich selbst sprechendes Buch. Melissa Erkurt rechnet ab und bringt es auf den Punkt. Für jeden/jede zu empfehlen! (Pro Tipp: Nicht nur von weißen, priviligierten Autoren die Bücher in die Hand nehmen…auch über den Tellerrand hinaussehen.) (Sollte Pflichtlektüre sein, zumindest für Menschen in Bildungseinrichtungen. Speziell Bildungsdirektion!)
Das Buch hat mir einmal wieder all die Ungerechtigkeiten vor Augen geführt, die es in unserem Bildungssystem und der Welt gibt. Genau diese ständigen Reminder braucht es!
Es lässt mich teils gefrustet, teils mutig zurück. Zum Glück gibt es Menschen wie Melisa Erkurt, die immer weiter kämpfen.
Einziges Manko: drei bis vier Fehler sind mir aufgefallen. Teilweise wurde der letzte Buchstabe vergessen (z.B. Schule statt Schulen, obwohl Schule im Plural genannt wurde)
Melisa Erkurt ist meiner Meinung nach mit diesem Buch ein kleines Meisterwerk gelungen. Schonungslos berichtet sie von den Missständem im österreichischen Bildungssystem, das vor allem jene im Stich lässt die sich am wenigsten wehren können. Ich kann das Buch jedem nur ans Herz legen!
Ein Buch das absolute Pflichtlektüre für alle angehenden Lehrer*innen sein sollte! Melisa Erkurt erhebt ihre Stimme für die, die sonst keine haben. 5/5