Ein Kabinettstück biographischer Erzählkunst, eines der schönsten Bücher zur GoethezeitJean Paul war der wildeste und witzigste Erzähler der Goethezeit. Sein gesamtes Werk steht im Zeichen einer poetischen Freiheit, die einmalig ist in der deutschen Literatur. Günter de Bruyn folgt dem prekären Leben des berühmten Dichters und verknüpft es mit den Strömungen seiner Zeit von der Französischen Revolution bis zur Restaurationsepoche, von der Aufklärung bis zur Romantik.
Günter de Bruyns Biographie ist ein höchstens "nützlich" zu nennendes Büchlein. Man erfährt darin einiges Interessante über Jean Paul. Allerdings fragt man sich, an wen sich das Buch richten will und wen es aus welcher Motivation heraus, wie es im Vorwort heißt, an Jean Pauls Werke heranführen möchte. Sprachlich ist die Biographie wahrlich keine Meisterleistung. Man hat ständig den Eindruck einer allzugroßen Oberflächlichkeit und laxen Großzügigkeit der Formulierungen. Das mag dem Versuch geschuldet sein, den Stoff einfach und verständlich darzustellen. Auf diesem Wege wird der Stoff aber kaum wirklich gefasst und man erhält als Leser das Bild eines eher harmlosen Jean Paul, der vor allem witzig und schrullig war, dem ein sehr gespaltenes Urteil seiner Zeitgenossen zuteil wurde und der irgendwann endlich die eher einfältige, treue und untergebene Frau gefunden hat, von der er beinahe 20 Jahre lang geträumt hat. Die Fremdheit, die einem eigentlich schon anhand dieser Stichworte entgegenspringt, wird von de Bruyn aber möglichst kaschiert. Jean Paul soll wirken, als hätte er auch unser Nachbar sein können, sympathisch, relativ normal und mit einem großen Talent ausgestattet, einfach schöne und witzige Texte schreiben zu können. Das Darstellungsformat scheint auch der zugrundeligenden historischen These geschuldet zu sein, dass man Geschichte einfach darstellen kann und sie einem näher gebracht wird durch Aufzählung von interessanten Tatsachen. Auf diesem Wege wird man aber keinesfalls mit der Geschichte konfrontiert und kann auch mit ihr gar nicht in Kontakt kommen. Sie scheint einerseits, wie oben schon ausgeführt, sehr nah, andererseits aber auch so kurios entfernt, dass man gar nicht auf die Idee kommen könnte, dass sie uns noch was angehen sollte außer eben der Tatsache, dass man Jean Pauls Romane noch gut zur Unterhaltung lesen kann. Ich hätte mir stärkere Akzentsetzungen gewünscht, stärkere Gestaltung des Materials, die einen Standpunkt markiert, von dem aus der historische Gegenstand überhaupt betrachtet wird und durch welchen der Gegenstand deshalb auch möglich wird. Gibt es keinen solchen gut und deutlich markierten Standpunkt, dann kann man den Gegenstand auch gar nicht beobachten. Die Beschreibung verliert sich dann im Allerlei. Die entgegengesetzte Strategie wäre meines Erachtens deutlich interessanter und gewinnbringender: Betonung der historischen Unterschiede, der Fremd- und Absonderheiten mit einem Gewicht darauf, 200 Jahre alte Texte deshalb schätzen zu können, weil sie ja trotz ihrer Andersheiten Wegmarken des historischen Prozesses hin zu unserer heutigen Zeit waren. Wir brauchen sie nicht zu verharmlosen in ihrer Skurilität. Oder können sie uns noch gefährlich werden, wenn wir zu sehr sehen, wie anders sie waren? Sie können uns höchstens darin gefährlich werden, dass wir uns auch in den Absonderheiten und schon überkommen geglaubten "Fehltritten" wiedererkennen. Das hätte (womöglich anstrengende) Läuterung zur Folge, die hier aber nach Möglichkeit vermieden wird. Die Krönung der Biographie ist der unter Gesichtspunkten der Gendergerechtigkeit und auch einfach meinem Leserinteresse missratene Schluss. Jean Pauls Frau Karoline wird zuletzt ca. zehn Seiten vor Schluss erwähnt, da er sich bei ihr oft für die aufopferungsvolle Pflege in seinen letzten Wochen bedankte. Man erfährt allerdings mit keinem Wort, was nach seinem Tod mit ihr und ihrer beider Tochter passiert. Es wirkt befremdlich, die Biographie in dieser Hinsicht kommentarlos mit diesem Desinteresse für das Familienleben Jean Pauls zu beenden.
Erst vor einigen Tagen ist Jean Paul auf meinem Radar gelandet, aber es schien mir besser mich etwas über ihn zu informieren anstatt seine Werke, die anscheinend berüchtig sind dass sie sehr abschweifend und schräg geschrieben sind, zu rawdoggen. Und diese Biographie ist ziemlich gut gelungen, aber in einer anderen Weise als ich gedacht habe.
Dieser Text fungiert als Geschichtsbuch im allgemeinen Sinne; ich bin ziemlich ungebildet über die Zeit der Aufklärung und der Französichen Revolution, aber dank diesem Buches hab ich einiges gelernt und konnte sozusagen in die Welt dieser Zeit eintauchen, wie sie Jean Paul erlebt hat.
Jean Paul war ein komischer Kauz und sehr pathetisch. Seitenlang geht es über die vielen Verschieden Frauen mit denen er Briefe voller Liebeserklärungen gefüllt hat, nur um sie dann bitterlich zu enttäuschen weil es ihm langweilig wurde. Teilweise konnten sich seine "Opfer" von seinem oberflächlichen Romanzen lebenslang nicht erholen. Am Ende seines Lebens hatte er ein Haus voller verschiedener Haustiere, ein Eichhörnchen auf seiner Schulter, ein Pudel, ein Laubfrosch, dort ging es hardcore ab. Aber liebenswürdig finde ich das Ganze irgendwie nicht, eher gruselig.
Nun ja ich schreibe hier viel über sein persönliches Leben, was vlt. eine Krankheit unserer Zeit ist dass man alles an einem Autor daran beurteilt, aber das Buch geht hauptsächlich um sein Leben. Meiner Meinung nach wird zu wenig sein literarisches Schaffen analysiert, aber was über sein Werk berichtet wird klingt sehr interessant und ich werde ihn auf jeden Fall bald lesen.
Interessant fand ich die politischen Gründe, die dazu beigetragen haben dass Jean Paul so in Vergessenheit geriet. Weil er kein fanatischer Denunziant alles Französischen war und eher Abstand genommen hat von dem radikalen deutschen Nationalismus wurde er von Typen wie Ernst Moritz Arndt komplett angeprangert. Bei dem Schreiben wo er über Jean Paul ausrastet wurde mir fast übel und es gibt eine Kontinuität zwischen dieser Art von regressiver Deutschtümelei um diese Zeit und dem dritten Reich for sure. Übrigends ist es krass dass es immer noch Schulen und Straßen gibt die nach diesem krassen antisemitischen Typen benannt sind aber zum Glück werden sie in letzter Zeit fleißig umgeändert.
Übrigens gibt es von Wolfgang Harich einige marxistische Bücher über Jean Paul. Da ich die politischen Sachen in diesem Buch sehr interessant fand werd ich ihn mal auschecken.
Zur Abwechslung mal ein Sachbuch, noch dazu über einen Mann, den ich vorher bestenfalls vage vom Namen her kannte - ich habe kein einziges Buch von Jean Paul gelesen. Die Biographie ist mir letztes Jahr empfohlen worden von einem großen Fan des Autors. Er hat mir so begeistert davon vorgeschwärmt, dass ich sie mir aus der Bibliothek organisiert habe. Und tatsächlich las die sich richtig interessant. Jetzt hab ich Lust, mir demnächst einen der Romane von Jean Paul zu Gemüte zu führen. Ob ich den Mann persönlich allerdings besonders sympathisch finden soll, weiß ich nicht. Einerseits wird er in der Biographie als ein leutseliger Träumer mit netten Ideen beschrieben - andererseits ist sein Frauenbild (vielleicht auch zeitbedingt) mehr als nur gruselig und er scheint ein ziemlich aufgeblasener Wichtigtuer gewesen zu sein, der vor allem an sich selbst dachte. Naja - ein wenig schrullig sind sie ja alle, die Schreiberlinge. ;)
Keine Seite Langeweile in dieser Biographie; ein Meisterstück, sowohl in der Darstellung der Persönlichgkeit Jean Paul Friedrich Richters, als auch im gekonnten Hineinweben des historischen und sozialen Hintergrundes. Das Einflechten zahlreicher Originalzitate in die Erzählung vermittelt auch eine guten Eindruck von der Besonderheit des sprachlichen Ausdrucks und der Originalität der Werke Jean Pauls. Ein bemerkenswertes Detail sind die Hinweise auf die Fähigkeit Jean Pauls zur seherischen Vorwegnahme späterer Verhängnisse, wie der chauvinistischen Entartung des nationalen Gedankens, der Logik von Massenvernichtungswaffen und der „Selbstzensur“ in totalitären Systemen.