Ein großer Unbekannter steht im Mittelpunkt von Jürgen Bauers neuem Roman. Drei Menschen erzählen Georgs Biografie, drei Stimmen geben ein ganzes Leben wieder, doch wie viel kann man von einem anderen Menschen eigentlich wirklich wissen und welche Aspekte bleiben dem Blick von außen verborgen?
Seine Mutter Mariedl erinnert sich an die Geburt ihres Sohnes in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, an das Aufwachsen auf einem ärmlichen Bauernhof und an einen Jungen, der so gar nicht in die harte Umgebung passen wollte. Sein Geliebter Gabriel erinnert sich an einen Mann, der ihn im turbulenten Wien der siebziger Jahre von der Straße auflas, an erbitterte Auseinandersetzungen zwischen politischen Kämpfen und einem Rückzug ins Private. Seine Ehefrau Sara schließlich, eine gescheiterte Opernsängerin, erinnert sich an einen Mann, den sie nach ihren Vorstellungen formen und dessen Karriere sie gestalten konnte, bis Georg eines Tages selbst aktiv wurde.
Doch wer ist dieser Georg wirklich? Können eine Mutter, ein Liebhaber und eine Ehefrau das Portrait eines Menschen schaffen, oder erzählen wir letztendlich doch immer nur von uns selbst, wenn wir von anderen erzählen?
WER WAR SCHNELLER???? ich wollte das hinzufügen =) es ist nämlich mit Abstand eines der feinsten, spannendsten Bücher des Jahres eine unbedingte Leseempfehlung - ein MUSS
In Portrait bekommen wir das Leben von Georg vorgestellt. Er kommt nie selbst zu Wort. Wir lernen ihn selbst nur durch die Sicht von anderen kennen und zeichnen uns selbst ein Gemälde im Kopf. Mit jeder Seite erfahren wir mehr. Wir bekommen die verschiedenen Beziehungen gezeigt. Die komplizierte Mutter-Sohn Beziehung, dann einige 🔥😛 🍆Momente mit seinem Geliebten Gabriel und final aus der Sicht seiner Frau. Wir bekommen ein komplettes faszinierendes Leben dargestellt. Doch wir wissen nicht was stimmt. Können wir den Erzählern glauben schenken. Würde Georg allem zustimmen? Das ist eine Frage, die man sich definitiv als Leser stellt. Jürgen Bauers neueste Werk liest sich weg wie nichts. Man atmet es ein wie ein Parfum und es geht sofort in den Kopf. Sry ich konnte es einfach nicht weglegen. Ich muss definitiv mehr von Jürgen Bauer lesen. Lernt Georg durch ein Portrait kennen. Welches Bild malt ihr von ihm? Für mich ein Must-Read. Wirklich beeindruckend. Ich brauche mehr von Jürgen Bauer.
Bei einem Spritzgitter-Bild, wird mit einer Bürste Farbe über ein Metallgitter gerieben und die so entstandenen feinen Tröpfchen landen auf dem Papier, auf dem ein Objekt (z.B. ein Laubblatt) platziert liegt. Am Ende des Prozesses nimmt man das Objekt weg und es bleibt eine weißer Fleck umgeben von lauter Farbtupfern und das Objekt ist nur durch die Form der weißen Stelle erkennbar.
Genauso erging es mir als Leser bei diesem Roman. Drei Menschen erzählen über Georg, sehr verschiedene Menschen, mit sehr unterschiedlichen Vorgeschichten. Alle drei begleiteten ihn eine längere Zeit lang in seinem Leben und interpretieren Georgs Charakter auf ihre spezielle Weise. Nur durch die drei Geschichten erfährt man über Georgs Persönlichkeit von außen gesehen. Am Ende bleibt der weiße unergründliche Fleck, obwohl man dennoch die Person Georg zu erkennen glaubt und als Leser begonnen hat, ein eigenes Portrait dieses Mannes zu konstruieren. Mir hat der Roman ausgezeichnet gefallen und es war ein Lesehighlight in diesem Jahr. Vollste Empfehlung!