Irokesisch, Aramäisch, Sami, Bora oder Quechua: Viele Sprachen der Welt sind bereits verloren oder vom Aussterben bedroht. Und gerade die Sprache ist ein einzigartiges Vehikel, um fremde Lebensweisen besser zu verstehen: So haben die Maniq in Südostasien kein Wort für Eigentum, weil alles allen gehört, aber dafür unzählbar viele Ausdrücke für Farben und Düfte. Ein Plädoyer für die Vielfalt und den Schutz anderer Kulturen. 50 Sprachen aus 5 Kontinenten mit 150 Karten und Illustrationen.
Ein angenehm geschriebenes Sachbuch, das, nach Kontinenten geordnet, eine Reihe von Sprachen vorstellt, die im weitesten Sinne als "verloren" gelten können. Dazu zählt dieses Buch ausgestorbene Sprachen, Sprachen mit nur wenigen Sprecher*innen und gescheiterte Kunstsprachen, aber auch wiederbelebte Sprachen mit ungewisser Zukunft.
Die Sprachen werden dabei nicht etwa strukturiert "abgehandelt" und nach rein sprachwissenschaftlichen Aspekten trocken vorgestellt. Stattdessen widmet sich jedes Kapitel einer Sprache unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten. Natürlich wird dabei auch auf die Besonderheiten der Sprache als solche eingegangen - vor allem wird jedoch die Chance genutzt, Sprache auch als in Geschichte und Gesellschaften eingebundenes Phänomen zu verstehen.
Einige Kapitel erzählen von den Besonderheiten einer isolierten Kultur, die sich in einem umfangreichen Fachvokabular oder anderen sprachlichen Phänomenen (wie etwa einer eigenen Vermeidungssprache für spezielle Anlässe) niederschlägt. Andere berichten von den Auswirkungen der Kolonisation auf die Entwicklung einer Sprache und jener, die sie sprachen. Wieder andere zeigen, wie Sprache als Teil kultureller Identität wiederentdeckt und bewahrt wurde. Die Botschaft, dass mit jeder verlorenen Sprache auch ein Teil menschlicher Kultur und Geschichte untergeht, durchzieht das Buch. Immer wieder wird auch auf die Sprache als Politikum und Machtinstrument eingegangen, wenn etwa von Sprachverboten und Umerziehung, aber auch von von eigenen Interessen geleiteter Forschung die Rede ist. Nicht zuletzt wird daher immer wieder vermerkt, dass die Erforschung von Sprachen und Sprachgemeinschaften von einem wertschätzenden, nicht-wertenden Umgang mit den Sprecher*innen sehr profitiert, wenn nicht diesen sogar voraussetzt, ist man an unvoreingenommenen Forschungsergebnissen interessiert. Nicht ohne Grund endet die Autorin ihr letztes Kapitel mit der Geschichte der Sprachwissenschaftlerin Luise Hercus und ihren umfassenden Forschungen zu den Sprachen der Aborigines, die vor allem durch ihren offenes und ehrlich interessiertes Auftreten den Sprachgemeinschaften gegenüber möglich wurden.
Als nicht zu kompliziert geschriebener Übersichtsband bietet das Buch natürlich zu keiner Sprache einen umfassenden Überblick. Ich habe es vielmehr als "Blick über den Tellerrand" verstanden. Das Buch gbt Einblicke, welche Überlegungen in der Beschäftigung mit Sprache stecken können und zeigt anhand der ausgewählten Beispiele, wie viele verschiedene Sprachen und Spracheigenheiten es gibt. Damit macht es geschickt neugierig auf mehr. Die angebotene weiterführende Literaturübersicht am Schluss ist dann ein schöner Ansatzpunkt, um eventuell das Wissen um die ein oder andere Sprache noch zu vertiefen.
Wegen mir hätte das Buch insgesamt und einige Kapitel im Speziellen ruhig noch etwas ausführlicher sein dürfen. Auch hätte ein Glossar nicht geschadet, denke ich, wenn sich das Buch schon eher an ein Nicht-Fachpublikum richtet. Alles in allem aber ein wirklich interessantes Buch, das unkompliziert genug ist, um es auch nach einem langen Arbeitstag noch gemütlich schmökern zu können.
Das Buch "Atlas der verlorenen Sprachen" habe ich gesehen und war sofort Feuer und Flamme, es zu lesen. Der Duden Verlag hat eine Menge interessanter und liebevoll gestalteter Bücher über Sprache und alles, was es darüber zu erzählen gibt. Ob und wie mir nun der Atlas gefallen hat, berichte ich euch im Folgenden.
INHALT:
Der Atlas der verlorenen Sprachen untergliedert sich in Kontinente. Für jeden Kontinent werden zwischen 9-11 Sprachen vorgestellt, die ausgestorben oder vom Aussterben bedroht sind. Dabei wird auch viel Wissen über die Völker vermittelt, die diese Sprachen lebten und jetzt noch sprechen. Denn - und das lernt der Leser ganz eindrücklich in diesem Buch - die Sprache ist eng mit unserer Kultur, unserem Denken und unserer Sicht auf die Welt verknüpft. Natürlich sind diese Sprachen nicht die einzigen, die hier aufgeführt werden müssten, aber der DUDEN Verlag hat mich dahingehend informiert, dass die Auswahl der Sprachen für dieses Buch ennorm schwer fiel, weil jede Sprache etwas Besonderes hat. Zwischen all den Kapitel gibt es immer mal wieder Zusammenfassungen, die allgemein Wissenswertes zu Sprachen vermitteln. Die einzelnen Kapitel werden immer durch eine Karte eingeleitet, die das Verbreitungsgebiet auf dem Globus darstellt. Manchmal sind es winzig kleine Inseln bis hin zu riesigen Gebieten. Das Buch berichtet mir Charme und Witz, aber auch viel Feingefühl und Tiefgründigkeit von der Vielfalt unserer bedrohten Sprachen. Da gibt es Sprachen von Völkern, deren Urtier und somit Erschaffer der Welt eine Ente ist. Oder Sprachen, die nur von einer einzigen Person auf dem Planeten gesprochen werden. Sprachen, die Völker sprachen, die die Grundlage für die Geschichte Jim Knopfs waren. Oder viele Sprachen, die durch die Kolonialisierung zerstört oder neu erschaffen wurden. Sprachen von vermeintlich Wilden in denen der Eigenname des Volkes schlichtweg "Mensch" bedeutet. Sprachen, die keine Farben oder Richtungen kennen. Sprachen, die über 60 verschiedene Verwandschaftsverhältnisse kennen. Sprachen, die viel komplexer als unsere eigene sind und von unseren Vorfahren trotzdem als minderwertig angesehen wurden. Sprachen, die nur mündlich oder schriftlich existieren. Geheimsprachen, die bspw. Frauen ohne Zugang zu Bildung eine Möglichkeit zum Ausdruck gaben. Und vor allem Sprachen, die kein "Danke" kennen, weil sowieso alles geteilt wird, in denen die Wörter "Krieg" und "Mord" nicht existieren.
Die vielen farbigen Illustrationen aus der Feder von Hanna Zeckau runden das Gesamtbild ab und setzen dem Lesevergnügen das Krönchen auf.
SCHREIBSTIL:
Rita Mielke schreibt mit einer Leichtigkeit über die Völker und ihre Sprachen, die mich oft vergessen ließ, dass ich ein Sachbuch lese. Für Laien ist es genau so verständlich, wie für Sprachinteressierte - und ich denke, dass selbst Experten dem Buch etwas abgewinnen werden. Die Autorin bringt das Wichtigste auf den Punkt, ohne dabei langweilig zu werden. Einige Kapitel haben mich so neugierig gemacht, dass ich mich tiefer belesen habe. Der Humor und die liebevolle Note, mit der das Wissen vermittelt wird, geben dem Buch den letzten Schliff. So geht unterhaltsame Aufbereitung von Informationen!
FAZIT:
Der DUDEN Verlag hat hier ein brandaktuelles Thema wunderbar charmant und liebevoll verpackt. Die einzelnen Kapitel lesen sich auch schnell mal Zwischendurch oder nebenbei und vermitteln neben dem Wissen über die vielen Sprache auch eine wahnsinnig wichtige Botschaft. Ich war so fasziniert von den Sprachen und Völkern dieser Welty dass ich es nicht aus der Hand legen wollte. So konnte sich der Atlas zu einem absoluten Highlight mausern. Ein Buch wie eine Liebeserklärung an unsere Welt, an uns selbst, unsere Vielfältigkeit und an unsere Sprachen, die es sich zu erhalten lohnt. Ein Weckruf gegen das Sprachensterben und ein so gar nicht langweiliges Lexikon, welches mich oft zum Staunen brachte.
Auf unserer Erde gibt es sehr viele Sprachen. Bedenkt man das Lied von Mark Forster, dann sind es knapp 6.500. Allerdings sind davon einige vom Aussterben bedroht. Viele sind sogar schon ausgestorben.
Das Buch des Duden Verlages "Atlas der verlorenen Sprachen" beschäftigt sich genau damit und stellt uns 50 Sprachen rund um den Globus vor, die nur noch von wenigen oder gar keinem mehr gesprochen werden.
Wir starten in Amerika, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Leider gibt es hier aber auch eine Begrenzung, denn es gibt dort Sprachen, die nur noch von wenigen gesprochen werden. So z. B. auf Vancouver Island, wo es gerade noch 130 SprecherInnen der Sprache Nuu-cha-Nulth gibt. Oder im Südwesten von Kanada, wo weniger als 1000 SprecherInnen noch wissen, wie MIchif gestochen wird.
In Feuerland gibt es gerade mal noch eine Sprecherin der Sprache Yámana (Stand März 2020).
Sogar in Deutschland gibt es eine Sprache, die kurz vor Aussterben steht. Mit 1.500 bis 2.500 Sprecherinnen gibt es dort die Sprache Saterfriesisch, die noch in Norddeutschland in drei "gallischen" Dörfer gesprochen wird. Sie gehört den indogermanischen Sprachen an, und wird auch Saterländisch oder Seeltersk genannt. Eine Schriftsprache gibt es erst seit jüngster Zeit.
Wir begeben uns sprachlich auch noch auf die anderen Kontinente der Erde.
Das Buch zeigt nicht nur auf, welche Sprachen es gibt, sondern auch wie sie entstanden, welche wichtigen Wörter es darum gibt, ebenso warum - wenn bekannt - eine Auslöschung droht. Diese Hintergrundinfos waren allesamt sehr interessant. Die Lebens- und Denkweise der einzelnen Völker wurde ebenfalls etwas angerissen. Kleine Illustrationen runden das Gesamtbild des Buches ab.
Die Aufmachung des Buches finde ich sehr toll. Die Haptik ist einzigartig und erinnert an ein Buch, welches schon mindestens 100 Jahre alt ist. Ich halte es gerne in Händen.
Die Texte waren sehr informativ und ich weiß, dass ich auch in ein paar Jahren bestimmt nochmal gerne danach greifen werde, um sprachlich um die Welt zu reisen.
Meggies Fussnote: Eine sprachliche Reise um die Welt.
In diesem Buch werden verschiedenste kleine oder vom Aussterben bedrohte Sprachen beschrieben. Man beschränkt sich hierbei nicht auf rein linguistische Aspekte, sondern auch die Kultur ihrer Sprecher kommt zur Geltung. Auch Anekdoten aus der Feldforschung werden erzählt. Man schaut hierbei in alle Teile der Welt, sodass sich ein bunter Mix verschiedenster Sprachen und Kulturen ergibt. Manche Artikel sind leider recht kurz und ich hätte mich auch über mehr sibirische Sprachen gefreut (was aber auch daran liegen mag, dass ich zur Zeit viel mit solchen Sprachen arbeite). Für mich waren einige Bekannte dabei wie Pirahã oder Warlpiri, aber auch viele neue Sprachen, die ich bisher nicht kannte. Es ist wirklich traurig, wie viele Kulturen und Sprachen durch die europäischen Kolonien verdrängt wurden. Dabei ist viel Vielfalt verloren gegangen. Farbige Illustrationen werten das Buch nochmal zusätzlich auf, sodass es richtig was hermacht.
Selten ein Sachbuch gelesen, das so spannend geschrieben war. Außerdem wurde ich etwas wehmütig, denn die Sprachtypologie und Pidgin-Sprachen waren im Studium meine Lieblingsthemen. Wirklich lesenswert, auch für Nichtlinguisten. Ein paar Fachwörter: "agglutinierend" heißt, sehr grob gesprochen: Grammatisches wird durch Nachsilben gekennzeichnet, "polysynthetisch" ist ein kompliziertes Wort für "kompliziert". Also, so im Groben. Wird im Buch besser erläutert :-)
Obwohl sein Titel zur Irre führen kann, weil viele der Sprachen nicht ausgestorben sind, ist das Buch wirklich faszinierend. Es geht nicht nur um Sprache, sondern auch um die Kultur verschiedenen Völkern.