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Der Sandler

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In Der Sandler wird eine Geschichte erzählt, die eigentlich gar nicht erzählt werden darf. Denn sie handelt von der Scham des sozialen Abstiegs – und diese Scham macht die Betroffenen schweigen. Der Sandler ist deshalb eine fiktive Geschichte, die Obdachlose ins Zentrum stellt und trotz aller Fiktion ein realistisches und vielschichtiges Bild ihres Alltags auf den Münchner Straßen vermittelt.

350 pages, Hardcover

Published September 15, 2020

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1 star
2 (1%)
Displaying 1 - 11 of 11 reviews
Profile Image for Kaltmamsell.
231 reviews55 followers
June 11, 2021
Ein beeindruckendes Romandebut, das die Welt der Obdachlosen in München durchspielt. Deren Alltag, sonst nur Requisite von eigentlicher Romanhandlung, wird mit vielen kundigen Details erzählt, die in ihrem Realismus an eine Sozialreportage erinnern - wären sie nicht so behutsam geschildert, zeichneten sie nicht oft sogar poetische Beziehungen zwischen Außen und Innnen.

Das Resultat der äußersten sprachlichen und strukturellen Sorgfalt ist keine Freiheitsromantik (die beim Thema Obdachlosigkeit nur verlogen sein könnte), sondern Mitgefühl. Es gibt keine Lösungsvorschläge, keine Urteile, statt dessen Sichtbarmachen, Bedeutunggeben, Hinschauen und den Anblick Ertragen.

Die Handlung erleben wir zum größten Teil aus der Perspektive der zentralen Figur Karl (manchmal als innerer Monolog). Andere Kapitel werden personal erzählt aus Sicht anderer Obdachloser oder Sozialarbeiterinnen. Dadurch entsteht ein vielfältiges Bild aus sehr unterschiedlichen Individuen, mit verschiedenem Bildungsniveau, aus verschiedenen Gegenden der Welt, jeder und jede mit einem anderen Temperament und Charakter. Die Obdachlosen, bayerisch "Sandler", sind aus den verschiedensten Ursachen auf der Straße gelandet. Und die meisten dieser beängstigend komplexen Ursachen, äußere wie innerere, verhindern, dass sie in ein gesicherteres Leben finden.

Die vielen Alltagsdetails über Teestuben, Kleiderausgabe, Betteln schaffen eine Nähe zu den Figuren, die mich oft bis an den Rand des Erträglichen bedrückte. Als Bewohnerin des Bahnhofsviertels gehören diese Menschen und Themen seit Jahrzehnten zu meinen alltäglichen Anblicken (unter anderem deshalb weiß ich sie vom Gschwerl im Nußbaumpark zu unterscheiden - die in einem Kapitel als "die Besuffkis" vom Nußbaumpark auftauchen und gerade nicht zum Personal des Romans gehören).

Die Ansiedlung des Romans im heutigen und realen München ist ein wirkungsvoller Kunstgriff: Das abgundtiefe Elend der Schilderungen findet vor der Glitzerkulisse einer oft abstoßend reichen Stadt statt.

Auch sprachlich ist der Roman vielfältig (vielleicht sogar ein wenig überbordend): Verschiedene Tonlagen und Sprachstile, dazwischen kursiv gesetzt die auf Zetteln hinterlassenen Fragmente des Philosophen Lenz, den Karl auf der Straße vor die Hunde hat gehen sehen, und der sich seinen Traum von einer besseren Welt von der Seele geschrieben hat.

Lesevergnügen bereitet der Roman ganz sicher nicht; ich las auch deshalb so lange daran, weil es mich immer wieder eine gewissen Überwindung kostete, in diese brutale Welt einzutauchen, in der der Alltag nur aus Gefahren besteht und in der es keine erstrebenswerte Zukunft zu geben scheint. Dennoch große Empfehlung, in deutschsprachiger Literatur hatte ich das nicht erwartet.
Profile Image for Jore.
69 reviews
March 15, 2021
Lesenswert, aber erwarte keine groß angelegte Geschichte mit Spannungsbogen, der am Ende aufgelöst wird

Hat mir gefallen:

Die Komplexität der Wege, wie man "ohne festen Wohnsitz" auf Münchens Straßen landet, wird gut einfangen und durch verschiedene Figuren reflektiert. Auch die Auswegslosigkeit, wenn es denn einmal geschehen ist, zieht sich durch das Buch: Es gibt zwar Hilfsangebote, aber alle, die dauerhaft sind, sind langwierig und bürokratisch, die kleinen direkten Hilfen, wie Essens- oder Kleiderspenden sind dafür nur kurzfristige Behelfmittel, zum die-Nase-gerade-über-das-Wasser-halten. Gleichzeitig sind die größten Hindernisse in den Köpfen der Figuren angelegt, die Hilfe aus unterschiedlichen Gründen nicht annehmen wollen oder können.
Was mich am meisten in das Buch gezogen hat, waren die zahlreichen Details, die kleinen Nebeninformationen, die alles extrem gut recherchiert und extrem nah dran wirken lassen. Bei manchen Instanzen hatte ich das Gefühl, dass Ostermair eigene Erfahrungen und Begegnungen nicht nur einfließen lassen, sondern auf irgendeiner Ebene auch verarbeiten wollte. Geschichten, die nicht erzählt werden dürfen, aber erzählt werden müssen.
Ich fand es beeindruckend, wie Ostermair diese Komplexität eingefangen hat, ohne moralisierend, wertend oder voyeuristisch zu werden.
Die sprachlichen Bilder und Umschreibungen fand ich (größtenteils) auch sehr gelungen und eigenständig, was viel mit den Details zu tun hat, die effektiv verwendet und zum Teil wiederholt und neu aufgegriffen werden, sodass keine vagen oder abgenutzten Terme bemüht werden müssen. An manchen Stellen haben mich sehr gehäufte Wortwiederholungen aber aus dem Lesefluss gerissen.

Hat mir nicht gefallen:

Eigentlich lässt sich das meiste, was mir nicht gefallen hat, auf die Form des Romans zurückführen. Ich hatte das Gefühl, dass große Teile der Geschichte aus Zettelsammlungen entstanden sind, wie sie auch einer der Hauptfiguren des Romans, Lenz, mit sich herumträgt. Dies führt zwar zu der oben geschilderten Detailfülle und einer großen Direktheit, allerdings wären all diese Anekdoten, miteinander verwobenen Geschichten und Ereignisse vielleicht besser in einer lose zusammenhängenden (Kurz)geschichtensammlung aufgehoben als in einem Roman.
Ungefähr ab der zweiten Hälfte wird ein Antagonist (oder zumindest antagonistische Figur zu der Hauptfigur Karl) eingeführt, die Kurt heißt (Namensähnlichkeit möchte mir vielleicht etwas sagen, ist beim Lesen allerdings manchmal verwirrend). Der Antagonist, der Karls kleinen Glücksgriff und Chance auf einen Aus- oder Aufstieg noch zunichte machen kann – dass der Antagonist so deutlich eingesetzt wird, um in der zweiten Hälfte Spannung aufzubauen, erzeugt bei mir beim Lesen die Erwartung einer wie auch immer gearteten Auflösung dieses konkreten Konflikts (wäre der Konflikt eher abstrakt gehalten, auf Karl vs das System und seine inneren Dämonen, hätte ich das Ausbleiben einer Auflösung nicht als so schlimm empfunden und es auch nicht so deutliche erwartet), stattdessen erhalten wir eine kleine Veränderung in Karls Einstellung , die für ihn natürlich riesig ist, aber dem ganzen vorher aufgebauten Spannungsbogen nicht gerecht wird und den Konflikt in keiner Weise endgültig löst.
Denn dann setzt abrupt das Ende ein – welches auch immer wieder von Nebenfiguren unterbrochen wird, die nichts mit dem Konflikt zu tun haben und in einer kommerziellen Romanstruktur so spät in der Handlung ein absoluten No-Go wäre.
Ich kann verstehen, dass Ostermair vielleicht als unauthentisch empfunden hätte, so eine cookie-cutter Auflösung anzubieten, oder ein unrealistisches Happy-End und dass der Leser, genau wie die Figuren in dem Roman, in dem unaufgelösten Feld der niemals endenden Spannung gefangen bleiben soll, allerdings trübt das aus oben genannten Gründen das "Leseerlebnis" beträchtlich. Mann kann natürlich sagen, dass die geschilderten Schicksale kein "Leseerlebnis" für Dritte sein sollen, aber dann sollte auch auf diesen klassischen Spannungsaufbau mit dem Antagonisten verzichtet werden. Stattdessen hätte man Kurt auch als einfache Foil zu Karl belassen können, ohne seine konfliktträchtige Obsession mit Karl in den Vordergrund zu stellen.
Was mir außerdem nicht gefallen hat, waren die weiblichen Figuren. Sie nehmen hier nur die Nebenrollen ein (was an sich nicht schlimm ist), aber die größten Konflikte der Figuren stammen dann direkt aus ihrem Frau-Sein (), während die Konflikte der männlichen Figuren natürlich nicht nur aus ihrem Mann-Sein stammen.
Versöhnlich stimmt mich, dass Ostermair ziemlich ironisch schildert, wie männliche Nebenfiguren immer wieder "die Frauen" als Grund ihres Scheiterns anführen.

Fazit:
Vielleicht wäre es besser eine Sammlung an Kurzgeschichten gewesen, als ein Roman.
Während einen der Text immer wieder zahlreiche, interessante Details anbietet, wirken manche Stellen "eingeworfen", weil der Autor diese Ereignisse unbedingt auch noch in das Buch quetschen wollte. Fast als wüsste er, dass nur ein einziges Buch veröffentlicht wird, das die Erfahrungswelt von Obdachlosen in den Vordergrund rückt und er sich deshalb verpflichtet gefühlt hat, auch wirklich alles in dieses Buch reinzubringen…
Am Ende hätte ich mir gewünscht, zumindest eine grobe Richtung zu bekommen, wie es mit Karl und Kurt weitergeht.
Profile Image for Bekki.
66 reviews1 follower
October 16, 2024
Der Sandler ist ein tolles Buch um Einblicke in die Welt obdachloser Menschen bekommen. Der Schreibstil und die lebendigen Charaktere lassen die Geschichte sehr lebensnah wirken. Auch die Spannung kommt nicht zu kurz, ich habe richtig doll mit gefiebert! Leider entspricht das Ende dabei aber nicht dem aufgebauten Spannungsbogen. Auch einige spät eingeführte Charaktere kommen mir dadurch etwas zu kurz. Man könnte sagen, dass es auch ok ist, dass dieses Buch über so andere Lebensrealitäten auch so anders geschrieben und aufgebaut ist, für mich deshalb aber nur 4/5
100 reviews19 followers
May 13, 2021
Ein stiller, aber dennoch bewegender Roman über Menschen, die im Alltag oft - ob absichtlich oder unabsichtlich - übersehen werden: Menschen, die aus verschiedenen Gründen ihr Zuhause verloren haben und nun auf der Straße leben. Der Roman zeigt anhand von verschiedenen Charakteren auf, wie Leute obdachlos werden und warum es so schwer ist, wieder in ein "geregeltes Leben" zu kommen, wenn man erst einmal auf der Straße lebt. Allerdings werden die Lebenswege der einzelnen Personen jeweils nur angeschnitten und wir verfolgen keinen der vorgestellten Menschen intensiver, wodurch dem Roman für mich etwas Tiefgang fehlt. Für die Info, die vermittelt wurde, hätten außerdem auch 100 Seiten weniger gereicht (insbesondere in der ersten Hälfte ist das Buch sehr schleppend, fand ich).
Trotzdem auf jeden Fall lesenswert und ich werde auch gern weitere Bücher von Markus Ostermair lesen
Profile Image for Andrea.
296 reviews9 followers
March 30, 2021
Ein bewegendes Buch. Markus Ostermair erzählt die Geschichten wohnungsloser Menschen in München. Sehr nuanciert beschreibt er die verschiedenen Schicksale und komplexen Hintergründe, die Menschen auf die Straße bringen. Geschichten, die sonst nie erzählt werden.
Profile Image for Kirsten.
3,113 reviews8 followers
January 18, 2023
Karl ist einer von den Vielen, die man nur am Rand wahrnimmt. Er ist obdachlos und wandert durch München. Von Suppenküche zur Kleiderkammer, zum Schlafplatz und zu den Plätzen, wo er mit Flaschensammeln und Betteln ein bisschen Geld macht. Er ist nicht der Einzige, der so unterwegs ist. Alle haben ihre eigenen Geschichte, die sie aber oft nicht erzählen wollen.

Wie konnte es mit Karl so weit kommen? Früher hatte er eine Familie und einen Beruf, jetzt lebt er auf der Straße. Ein Unfall hat ihn aus der Bahn geworfen. Ein kleiner Junge lief ihm vors Auto und er konnte nicht mehr bremsen. Mit dieser Schuld konnte er nicht leben. Er fing an zu trinken, verlor seine Arbeit und seine Familie. Für ihn ist die Straße der Platz, wo er seiner Meinung nach hingehört.

Karls Geschichte ist nur eine von vielen. Sie sind so unterschiedlich, wie es die Menschen sind, denen er jeden Tag begegnet. Viele haben sich schon aufgegeben, aber Karl hat noch die Hoffnung, dass es eines Tages anders werden kann. Vielleicht ist die Wohnung, die er von seinem Freund Lenz überlassen bekommt, der erste Schritt in eine bessere Zukunft.

Markus Ostermair erzählt die Geschichte der Menschen auf der Straße mit eindrucksvollen Bildern. Er berichtet von Übergriffen, Demütigungen und der Gewalt, denen sie täglich ausgesetzt sind. Aber er erzählt auch von kleinen Gesten, die das Leben ein bisschen besser machen. Eine sehr bedrückende, aber auch berührende Geschichte.
Profile Image for Kuffnuckel.
32 reviews2 followers
February 21, 2021
Eine neue Welt tut sich auf und ein bisher nur an der Oberfläche bekanntes Leben stellt sich dar. Markus Ostermair ist ein Sprachjongleur edelster Güte, der wort- und gedankengewaltig das Leben seiner Protagonisten beschreibt...aller große Extraklasse.
Es geht nicht um Effekte und weder der Leser noch der Autor werden zum Voyeur. Hier wird keine oberflächliche Solidarität erklärt oder gefordert, sondern ein wertiges Leben "am Rande der Gesellschaft" gezeigt.
Sprachlich und literarisch habe ich lange nicht so begeistert einen deutschen Autoren gelesen und bin sehr gespannt, was da nach seinem Erstlingswerk noch so kommen mag.
Der Plot hätte durch ein entsprechendes Lektorat etwas mehr Durchgängigkeit vertragen können, allerdings wird durch die veröffentlichte Fassung die Geschichte nicht in der Form ungelenk, dass sie hierdurch eingeschränkt lesenswert wäre.
Eine uneingeschränkte Empfehlung...ich werde es weiterreichen.
3 reviews
March 25, 2025
Wichtige Thematik, authentisch, nicht anmaßend und auch nicht moralisierend. Nüchtern (haha). Auf einem Ende bleibt man sitzen. Auf Linearität wird verzichtet. Erzählt also von nie weit entfernten Lebensvarianten
Profile Image for Max.
69 reviews4 followers
November 10, 2021
Interessante, einzigartige Perspektive, die man sonst sehr selten ein- bzw. gar wahrnimmt.
Daher lesenswert.
Plot = okay.
Profile Image for Newa.
125 reviews1 follower
December 12, 2022
Quote that I will take from this book because that’s exactly how I feel :
„Wir brauchen eine Technik die die Leute zusammen bringt und sie nicht einfach nur die Distanz vergessen lässt.“
Displaying 1 - 11 of 11 reviews

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