Endlich wiederentdeckt: die Virginia Woolf Südamerikas
Platz 1 der SWR Bestenliste, eine beeindruckende Anzahl hymnischer Rezensionen und eine Nominierung der Übersetzung für den Preis der Leipziger Buchmesse 2020: der erste Band von Clarice Lispectors Erzählungen (»Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau«) begeisterte die Presse ebenso wie Leserinnen und Leser. Zum 100. Geburtstag der Autorin liegt nun der zweite und letzte Band vor. Auch er zeigt die brasilianische Ausnahmeautorin wieder als einzigartige Chronistin des weiblichen Lebens und seiner Abgründe: Eine junge Frau entdeckt nach vielen Demütigungen das ekstatische Glück des Lesens. Ein Hausmädchen versinkt in traurigen Gedanken, um gestärkt in den Alltag zurückzukehren. Eine Beobachterin taucht in fremde Menschen ein und wird zu deren Fleisch. In 44 Geschichten, entstanden auf dem Höhepunkt ihrer literarischen Karriere und für diese Ausgabe von Luis Ruby neu übersetzt, paaren sich widersprüchlichste Gefühle und kühne Bilder mit philosophischer Erkenntnis. Lispector macht uns staunen – nicht zuletzt über die Kompliziertheit des Lebens.
Clarice Lispector was a Brazilian writer. Acclaimed internationally for her innovative novels and short stories, she was also a journalist. Born to a Jewish family in Podolia in Western Ukraine, she was brought to Brazil as an infant, amidst the disasters engulfing her native land following the First World War.
She grew up in northeastern Brazil, where her mother died when she was nine. The family moved to Rio de Janeiro when she was in her teens. While in law school in Rio she began publishing her first journalistic work and short stories, catapulting to fame at age 23 with the publication of her first novel, 'Near to the Wild Heart' (Perto do Coração Selvagem), written as an interior monologue in a style and language that was considered revolutionary in Brazil.
She left Brazil in 1944, following her marriage to a Brazilian diplomat, and spent the next decade and a half in Europe and the United States. Upon return to Rio de Janeiro in 1959, she began producing her most famous works, including the stories of Family Ties (Laços de Família), the great mystic novel The Passion According to G.H. (A Paixão Segundo G.H.), and the novel many consider to be her masterpiece, Água Viva. Injured in an accident in 1966, she spent the last decade of her life in frequent pain, steadily writing and publishing novels and stories until her premature death in 1977.
She has been the subject of numerous books and references to her, and her works are common in Brazilian literature and music. Several of her works have been turned into films, one being 'Hour of the Star' and she was the subject of a recent biography, Why This World, by Benjamin Moser.
Die Geschichten sind alle sehr rätselhaft, sehr sureal. Es sind aber im Grunde alles “Hausfrauengeschichten”…Die Geschichten Handeln von einer gutsituierten Frau, die zu Hause sitzt und keine wirkliche Sinnbestätigung in ihrem Leben sieht. In den Geschiten herscht eine toll beschriebene Verlorenheit der Hauptfiguren, welche zerrieben werden zwischen zwei grossen Punkten: der Erwartungen der Anderen und der eigenen Freiheit. Das Buch stellt also im Eigentlichen die Überforderung des Menschen durch die Freiheit dar. Tolle Autorin, leider in Europa noch viel zu unbekannt.
In Südamerika ganz gross, in Europa eher unbekannt – die Autorin Clarice Lispector. Im Herbst 2020 erschien der zweite Band der Sammlung ihrer Short-Stories auf Deutsch, abermals geheimnisvoll und immer wieder überraschend, ein interessantes Lese-Erlebnis! Obschon vor vielen Jahren entstanden, haben diese Texte eine unglaubliche Modernität und passen ganz hervorragend in unsere Zeit, sie sind surreal und rätselhaft und mit ihren vielen Wendungen immer wieder für eine Überraschung gut. Dem Leser stellt sich oft die Frage, ob es die Realität zeigt oder man sich gerade in einer weiteren mystischen Traumsequenz befindet. Es sind eher Miniaturen als Kurzgeschichten und oftmals auch nur flüchtige Momentaufnahmen, festgehaltene obskure Begegnungen und Erlebnisse, aber genau das macht den Reiz dieser Texte aus. Man muss dies auch alles gar nicht grossartig hinterfragen, sondern sie einfach als das nehmen, was sie sind. Und den Voyeurismus geniessen! Oftmals wird Clarice Lispector mit Virginia Woolf verglichen, in gewisser Hinsicht stimmt das, sind ihre Texte ähnlich geheimnisvoll, rätselhaft, ja stellenweise verstörend. Eine aufregende Autorin, die man unbedingt entdecken sollte. Clarice Lispector starb 1977 mit nur 57 Jahren in Rio de Janeiro.
Ich muss gleich zu Beginn festhalten, dass ich normalerweise kein großer Fan von Kurzgeschichten bin. Jedoch, nachdem ich den Kurzroman "Der große Augenblick" gelesen hatte – mein erster Kontakt mit den Werken von Clarice Lispector –, verspürte ich den Wunsch nach mehr.
In dem Buch "Aber es wird regnen" finden sich zahlreiche Geschichten, von denen die meisten recht kurz sind. Viele davon haben mich wirklich begeistert, und einige habe ich sogar mehrmals gelesen, mit dem Gefühl, sie noch öfter zu durchstöbern. Schon nach der Lektüre der ersten Geschichte spürte ich eine Veränderung in mir, die ich kaum in Worte fassen kann. Es war, als ob eine warme Woge mein Herz umspült hätte. Ein Großteil dieser Erzählungen hat meine Perspektive erweitert, meinen geistigen Horizont erweitert und mich dazu angeregt, tiefer nachzudenken – über die Themen, die sie behandeln. Natürlich gab es auch Geschichten, mit denen ich nicht so viel anfangen konnte. Doch das ist nicht weiter schlimm, da die meisten Geschichten recht kurz sind und sich schnell weiterblättern lässt, um zur nächsten zu gelangen.
Der Sprachgebrauch und der Schreibstil in diesem Buch verdienen höchstes Lob. Es handelt sich zweifellos um Literatur auf höchstem Niveau. Ich bin der festen Überzeugung, dass Clarice Lispector für alle, die wahre Literatur schätzen, ein absolutes Muss ist.
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44 Geschichten voller Eigensinn. Verstörend, rätselhaft, tiefgründig und mitunter komisch. Clarice Lispector ist eine Königin des unkonventionellen Schreibens. Ich liebe sie schon allein für Sätze wie „Die Kirchenfenster haben das Licht von Orgelmusik.“ oder „Meine Seele ist linkshändig.“.