Selten sind persönliches Schicksal und deutsche Geschichte so eng verwoben wie bei Wolf Biermann. Ein Leben zwischen West und Ost, ein Widerspruchsgeist zwischen allen Fronten. Mit sechzehn ging er in die DDR, die er für das bessere Deutschland hielt. Hanns Eisler ermutigte ihn, Lieder zu schreiben, bei Helene Weigel assistierte er am Berliner Ensemble. Dann fiel er in Ungnade, erhielt Auftritts- und Publikationsverbot. Die Stasi observierte ihn rund um die Uhr, während er im Westen gefeiert und geehrt wurde. Die Proteste gegen seine Ausbürgerung 1976 gelten als Anfang vom Ende der DDR.
Eindringlich erzählt Biermann vom Vater, der als Jude und Kommunist in Auschwitz ermordet wurde, von der Mutter, die ihn aus dem Hamburger Bombeninferno rettete, vom väterlichen Freund Robert Havemann, mit dem er das Los des Geächteten teilte. Er führt uns in die absurde Welt der DDR-Diktatur mit ihren Auswüchsen, aber auch ihren täglichen Dramen menschlicher Widerständigkeit. Und er erzählt von seinen in den Westen geschmuggelten, im Osten heimlich kursierenden Liedern, deren »Verskunst, robuste Rhetorik und gewaltige Sprachkraft« Marcel Reich-Ranicki lobte. Bei aller Heftigkeit des Erlebten lesen sich Biermanns Erinnerungen wie ein Schelmenroman in bester schweijkscher Manier. Ein einzigartiges Zeitzeugnis.
"Die große Weltgeschichte ist für mich eben Familiengeschichte. Den Kommunismus soff ich mit der Muttermilch. Karl Marxens Utopie war mein Vaterblut. Und das bewährte sich als mein Lebenselixier im Streit mit der DDR-Diktatur. Meine Waffen in diesem Streit waren der Bleistift und die Weißgerber-Gitarre. Und als Schild schützten mich meine Verse."
Wolf Biermann war bislang eine Art Phantom für mich. Ich wusste nur, dass er ein regime-kritischer Liedermacher gewesen ist, den die Stasi verwanzte, observierte, unter Druck setzte und der schließlich in den 70ern ausgebürgert wurde. Ferner war mir noch bekannt, dass Schauspielergrößen wie Manfred Krug, Hilmar Thate und Angelica Domröse sich dagegen öffentlich erhoben und schließlich die DDR verließen. Zugegeben, das ist wenig und so griff ich zu seiner Autobiographie, endlich und zum Glück.
Es handelt sich um eine Lebensgeschichte, die - wie er selbst sagt - zugleich Familien- und Weltgeschichte ist. Als Sohn eines in Auschwitz ermordeten jüdischen Kommunisten in Hamburg aufgewachsen, zieht er mit ideologischer Überzeugung Anfang der 50er Jahre in die DDR. Als Leser erlebt man also nicht allein die Kriegszeit, sondern die Nachkriegszeit in West und Ost, den Aufbau und Zusammenbruch der DDR und die Wendezeit. So fühlt es sich tatsächlich an, als würde man ein Geschichtsbuch lesen, das jedoch kurzweilig, intelligent, selbstreflektiert vorgetragen wird und mit seiner Sprachgewalt, seinen Wortwitz und stellenweise Berliner Schnauze überzeugt. - Herr Biermann ist eloquent und beherrscht das geschriebene wie gesungene Wort. Zu recht hat er ein Buch auf den Markt geworfen, das mir Nachhilfe in deutsch-deutscher Geschichte erteilt und mir jedes Mal unsagbare Freude bescherte, wenn ich es in die Hand nahm. Dabei spielte für mich eine unwesentliche Rolle, welchem Thema er sich widmete. Ich gab auch schnell auf, die Namen seiner Frauen und Kinder einander richtig zuzuordnen. Ich habe ihm einfach gerne zugehört, weil er wirklich etwas zum Teilen mit der Nachwelt hat.
Mir gefiel letztlich auch die Art und Weise, wie er versucht zu erklären, warum er am Kommunismus glaubte und warum er unfreiwillig die DDR verließ:
"Ich stritt in der DDR mit den Genossen niemals um die kommunistische Idee selbst, sondern immer nur um die totalitäre Praxis. Dabei glaubte ich, dass Demokratie und Kommunismus zusammen funktionieren können. Das war ein Irrtum. (…)"
Wow, was für eine Wucht, vor allem nach dem seichten Geplänkel von Mangold und Liptrop, die ich kurz vorher gelesen habe. Biermann hat wirklich viel zu erzählen. Es ist ein eindrückliches Zeitdokument genau jener Dekaden, die meine Generation politisch bewußt erlebt hat. Nie vergesse ich die Reaktionen und Diskussionen auf seine Ausbürgerung in den linken Kreisen an der Uni just zu meinem Studienbeginn. Da trennte sich die Spreu vom Weizen der bedingunglos linien- und moskautreuen "Kommunisten" von allen anderen, auch Sozialisten, die sich das Beobachten, Analysieren und Denken nicht vorgeben und nicht verbieten ließen.
Mitten drin Biermann, faßt schon ein tragischer klassischer Held in seinem unbeugsamen Glauben an den Kommunismus. Gegen jede Beobachtung und Erfahrung will, ja kann er es nicht wahrhaben, zu sehen, in welch individuen- und kunstverachtende Diktatur von Funktionären das zwangsläufig endet. Da brauchte es selbst nach der Ausbürgerung noch Zeit! Mitten drin ist Biermann auch mit seinen vielen Frauen, ich glaube mit 4 hat er 10 Kinder. Mit dem Weinglas in der Hand und der Zigarillo. Mit dem Charme des Lyrikers, dem scharfen Geist des Künstlers, dessen Emotionen über die Feder oder die Zunge wieder heraus müssen. Seine Gedichte und Lieder sind oft scharfe, Messer und spitze Pfeile die ins Mark treffen.
Und wen er da alles getroffen und gekannt hat!Allein das ist schon über 50 Jahre deutscher Geschichte lesenswert! Ein immer subjektives und trotzdem stimmiges, lebendiges, von Leben strotzendes Dokument deutscher Geschichte!
Da ich seit bald 28 Jahren in Texas lebe, war mir der Wolf Biermann, sicher eines meiner Idole in den späten 60'ern/Anfangs-70'ern, etwas verloren gegangen. Zwischendurch mal ein paar CDs von Zweitausendeins bestellt, aber niemals mehr so reingefunden, bis ich dann diese Autobiografie sah und neugierig wurde.
Wenn man sonst im Internet (z.B. Youtube) auf den Wolf trifft, sieht man, wie sich immer noch, nur ganz anders als früher, die Geister an ihm scheitern und die Geiferer sich heftigst erregen. Wenn man einige seiner Interviews ansieht, kann man ein bisschen verstehen warum das Image des Narzissten an ihm hängen mag. Er erzählt seine Geschichte halt furchtbar gern, erzählt sie mit Emotion in der Stimme und ist immer ein bisschen selbstverliebt. Aber seine Kunst und seine Sprache, das sind schon Urgewalten. Schliesslich hat das Schicksal ihn in eine Zeit geworfen, die ihn nach Abstammung und Lebenslauf zu einem wahrhaft Unikat der deutschen Geschichte gemacht hat und als Dichter schlägt er unvermittelt ein.
Und nun hat er sein Leben nieder geschrieben. Die zwei Fotos des Einbands sprechen bereits Bände. Da ist Vorne der 80-jährige, der auch ein 65-jähriger sein könnte - aber er schaut dich an mit leicht feuchten Augen, die ganz genau die Emotionen zeigt, mit der er sein dramatisches Leben gelebt hat und die auch Demut andeuten vor seinem und seiner Familie Schicksal. Und dann Hinten, der Schnappschuss wie unser Wolf 1976 nach dem grossen 1976er Konzert in der Kölner Sporthalle die Bühne verlässt - nie habe ich ein Foto eines herzlich-glücklicheren Menschen gesehen.
Und genau so ist der Ton, in dem er seine Geschichte aufgeschrieben hat. Es hat sich gelohnt, dass er schreiben musste und nicht sprechen. Die zusätzliche Bedenkzeit der Schreibens, das sagt er am Ende selbst, tut der Erzählung unendlich gut. Da spricht ganz und gar kein "Eitelaffe", wie er sich einmal selber nennt. Nein, da spricht der Chronist unseres deutschen Zeitalters mit viel Demut, Verve und Herzlichkeit allen Menschen gegenüber, die Menschen waren und geblieben sind.
Seine Geschichte in Fakten ist bekannt, kein Grund das hier zu wiederholen. Aber wie er sie selbst erzählt, grosse Kunst und sehr berührend. Das Buch sei auf's höchste empfohlen.
Ich habe damals das Köln-Konzert gesehen, besitze einige seiner Platten und habe ihn auch ein-, zweimal live gesehen. Er ist zweifellos einer der bedeutenderen Deutschen der letzten siebzig Jahre oder so.
Und eine Autobiographie von ihm kann nicht schlecht sein, jedenfalls wenn er sich ein wenig zurückhält mit seinen gefürchteten Wortspielen. Tut er – meistens. „Ich hatte Angst, aber die Angst hatte mich nicht.“ kommt höchstens vier- oder fünfmal vor.
Ein Kommunist von Geburt an, zog es ihn bekanntlich in den 50ern in den besseren Teil Deutschlands. Und da wurde er nach einer kurzen Theaterkarriere zum Liedermacher (einen Begriff, den er erfunden zu haben behauptet). Befreundet mit unendlich vielen Menschen, einige davon, wie sich später herausstellt, Spitzel. Und Frauengeschichten. Zehn Kinder. Und jede Menge Preise.
Das Buch ist nicht dünn, aber so ganz gelingt es ihm nicht, die Atmosphäre der DDR zu beschreiben. Und ihn selbst wird man nach der Lektüre immer noch nicht kennen.
Die gesamte Geschichte nach der Wiedervereinigung war insgesamt nicht mehr so spannend, aber da spielte er auch leider keine so große Rolle mehr. Wie erwartet mit viel Selbstironie. Ein Berufsversteher nennt er sich. Was natürlich abwertend gemeint ist.
Aber mehr von Leuten wie ihn könnte Deutschland heute gut gebrauchen.
Autobiographie des DDR-Liedermachers, der immer sehr DDR-kritisch war und deswegen auch ausgewiesen wurde. Ca. die erste Hälfte, über seine Familiengeschichte, fand ich sehr interessant, und für mich waren auch viele neue Einblicke in das Leben in der DDR. Ab einem gewissen Zeitpunkt hatte ich aber den Eindruck, dass es großteils nur noch Namedropping war. Seinen Umgang mit seinen Geliebten bzw. Müttern seiner Kinder fand ich auch sehr problematisch.
I read this book as an Audio Book read by the author in German. A must read/listen!
"Wolf Bierman is a traitor to the people of East Germany!" - this is what I was taught growing up in East Germany as a child. I was too young to remember Wolf being kicked out of East Germany, but his name appeared among others frequently in the East German news. I did not know any of his poems and songs. So, I could never assess for myself what made him "a traitor." He was not!
Wolf Biermann was born in 1936 in Hamburg. His parents were staunch communists. His Dad was sentenced to 6 years in prison for his resistance against the Nazis when Wolf was a very young. Since is Dad volunteered the information of being of Jewish decent at his trial, we was consequently killed in Auschwitz after his sentence was completed. Wolf therefore experienced the fire bombing of his home town alone with his Mom only barely escaping a firefly death.
Wolf was sent to East Germany for his schooling and studies since the country was a "model for a communist new beginning" after the war. Soon he realized that the idea of communism and the practical implementation in East Germany diverged. The control of the communist system through the secret police, called "Stasi," began to dominate his life in ever increasing intensity. However, Wolf wanted to reform the socialist system in East Germany rather than flee the country like many others. He believed that the idea of Marx was right, but was merely incorrectly implemented in the GDR. He believed that democratic socialism was the solution over the totalitarian system that was established and defended (i.e., by the Stasi) in the GDR (German Democratic Republic - East Germany). Wolf studied at the Humboldt University in Berlin economics then philosophy when he found his calling to join the nearby Brecht's theater group as an assistant director. He learned guitar and started writing plays and songs.
I did not know any of Wolf Biermann's poems and songs because his work was forbitten in East Germany in 1965, long before I was born. "Berufsverbot" is the German term for what the Stasi implemented and enforced for many artists, writers, song writers and thinkers in the GDR - a ban on performing one's profession. None of Wolf Biermann's work was ever published in the GDR. Wolf later learned that approx. 200 official and unofficial (fellow citizens acting as spies) members of the Stasi were working on Wolf to make is life miserable and to bring him in line. The Stasi knew everything about Wolf from his whereabouts to his plans, from his thoughts to his friends and colleges ... everything including the most intimate details.
The reader will step away after finishing the book infected by the authors positive outlook, continued optimism, and unbreakable humor. The system-conform East German will additionally be left in awe and with a bitter taste of shame.
Since I was raised in the East German system, I was brainwashed to conformity. If you only know a cage, you stop asking about the very quickly. I felt shame for only knowing Wolf as "a traitor to the people!" - almost as an automatic response upon reading his name. I therefore LOVED his autobiography. It not only opened up insight into a talented and gifted song writer, it also provided an important puzzle piece into understanding my background as an East German. How can a totalitarian system maintain itself for 40 years - by total control of the conform masses in every aspect of life. Only a handful is immune and can resist. Wolf Biermann being one of these rare people.
This book is highly recommended! It includes many historic details, that only a time witness can describe in vivid detail. Wolf is a captivating story teller. He is reading his audiobook himself and some of his songs are included intermittently. A true gem and a must read for anybody interested or impacted by German socialist totalitarianism. A must read for the present day communist and socialist dreamer. A must read for inspiring artists, song writers, and poets.
Ook voor Nederlanders met een basiskennis van het Duits is dit boek goed te lezen. Met veel aandacht voor details en van tijd tot tijd geestig geschreven vertelt dit boek niet alleen het levensverhaal van de dichter en protestzanger Wolf Biermann maar tegelijkertijd de geschiedenis van Duitsland, vanaf de stichting van de DDR tot de Wende en daarna. Het is ongelooflijk wat iemand in zijn leven allemaal meemaken kan.
I love some of Wolf Biermann's songs, but I've never been sure if I agree with him on many things. But it doesn't matter. This book is well written and covers many interesting times, not least "die Wende" (although the early parts about parents and grandparents were fascinating and sometimes very sad. Beautifully written in Biermann's colourful, often earthy style.
Ich hatte im Januar das große Glück, Wolf Biermann live zu erleben. Was er zu erzählen hatte, machte neugierig. Noch während der Veranstaltung habe ich das Hörbuch bestellt. Ein bewegendes Buch über eine interessante und oft dramatische Lebensgeschichte, ein Zeitdokument über die jüngere Geschichte.
Ich habe 1964 Wolfgang Biermann in der Distel in Ostberlin erlebt. Ich fand ihn sehr mutig. Es war jetzt interessant in seiner Biographie zu lesen, wie sehr er von der Stasi vor jedem Auftritt vorgeschrieben bekam, was er zu bringen hatte und er es einfach ignorierte.
Bijna had ik dit boek vijf sterren gegeven, als Biermann niet op het laatst een beetje zelfgenoegzaam was geworden en anderen de maat neemt waar hij ook kan proberen te begrijpen. Ik heb het als luisterboek gelezen, waarbij een tiental liedopnames behoort. Het is niet helemaal mijn genre en ik ben bang dat Biermanns reputatie groter is dan hetgene waarop die is gestoeld. Toch een heel mooi boek, oprecht verteld, op de goede toon en een mooi tijdsbeeld gevend. De DDR, en dan met name de Stasi, wordt schitterend beschreven.