Der kritische Geist in Feuilleton und Wissenschaft hat gefunden, wonach er astreine Bekenntnisse Martin Heideggers zur NS-Propaganda von Volk und Führer, Rasse und Opfertum, die den großen Denker als Faschisten entlarven. Einer, der unter Bildungsmenschen einiges gilt, verliert seine Glaubwürdigkeit – nur weil auf verehrungswürdige Geistestraditionen erpichte Anbeter von Gedanken, die sie – nein, nicht für korrekt, sondern – für groß halten, über eines Wenn sie merken, dass ein "großer Denker" an dem Sündenfall der nationalen Geschichte mitgewirkt hat.Über die Philosophie Heideggers scheint sich nach wie vor niemand aufzuregen. Philosophieprofessoren, seien sie nun Anhänger bzw. Schüler von ihm, seien sie nur Interpreten, die sich begabt und gelehrt genug wähnen, ihn zu "verstehen", ist an den Lehren des "Seinsphilosophen" nichts Anstößiges aufgefallen. Und insofern ist das bisschen Aufregung über die Mitteilungen im Buch von Víctor Farías, "Heidegger und der Nationalsozialismus" (1987), gar nicht verwunderlich. Wer will sich schon gerne nachsagen lassen, einem leibhaftigen Komplizen des Faschismus Größe zu attestieren? Wer nimmt schon gerne zur Kenntnis, dass die "großen" ethischen, kosmologischen und metaphysischen Fragen, die er bei Heidegger mit Respekt genießt, vereinbar sind mit einigem, was jedem Ethiker als Böses geläufig ist? Es ist, als ob die Gemeinde der philosophischen Tradition mit dem Verdacht befasst ist, dass ihre Geistesverwandtschaft mit Heidegger, auf die sie sich sonst einiges zugutehält, nun – nach der "Enthüllung" – ein schlechtes Licht auf ihre ureigensten philosophischen Neigungen werfen könnte.Nachgegangen wurde diesem Verdacht indes kaum. Die Trennung zwischen dem Denker und dem Menschen, der "politisch irrte", tut nach wie vor gute Dienste. Zumal die Behauptung, Heideggers Ideengut erfülle den Tatbestand einer "faschistischen Philosophie", eines sicher nicht auf ihrer Seite den Beweis, dass "Sein und Zeit" ein braunes Parteiprogramm darstellt.Dennoch ist die so abwegig erscheinende Verleihung des Prädikats "faschistisch" an die Philosophie des Schwaben durchaus nichts Irrationales. Wer weiß, und beim Studium von Heidegger ist das kaum zu übersehen, dass er es nicht mit Parteiparolen, sondern eben mit Philosophie zu tun hat; wer darüber hinaus weiß, wie die politische Logik der Faschisten geht – und die beginnt nicht beim Antisemitismus, sondern fordert ihn als Konsequenz ganz anderer, auch jedem Demokraten geläufiger Gedanken über Gott-Staat-Mensch –, vermag durchaus zu entdecken, dass Philosophie und politischer Faschismus sehr wesentlich miteinander zu tun haben.Allerdings nicht nur die Philosophie Heideggers. Davon handelt die vorliegende Schrift. Sie erklärt nicht nur ein paar der allergrundsätzlichsten Ideen des in Verruf gekommenen Sprachkünstlers, sondern auch die Liebe echt "demokratischer Philosophie" zu ihm. Letztere sucht auch keinen anderen Sinn, wenn sie über Glück und Tugend, Irrtumsmöglichkeit und Wahrheit, Staat und Mensch elitär schwadroniert. Von der allseits geachteten christentümlichen Philosophie ganz zu schweigen.
Heidegger hat gemerkt, daß ein Philosoph Seiendes, also das, was es wirklich gibt, nicht als Folge oder Ausdruck von etwas anderem darstellen darf, was es auch wirklich gibt (das macht die Wissenschaft), denn der wirkliche Grund provoziert ja geradezu die nächste .Hinterfrage' usw. Wer es mit den wirklichen Gründen hält, der gerät beim steten Hinterfragen in einen endlosen Regreß, weil ihn der eine erste wirkliche Grund nicht interessierte. Wer also mit Heidegger "in den Ursprung" will, muß Seiendes, also Wirkliches mit nicht wieder Seiendem, also mit Unwirklichem, Ausgedachtem bestimmen. Der kluge Mann konnte also entdecken, daß das letzte Universale aller dieser philosophischen Letzt-Urteile (Alles ist Geist etc.) das ,ist' ist. Er gründet seine ganz universale Philosophie auf den tiefsten aller tiefen Sätze: Alles ist 'ist'! Weil dieses aber gegen die Grammatik verstößt, die bei Substantivierungen den Infinitiv verlangt, hat er seinen Satz leicht umformuliert: Alles ist Sein.