Jump Cuts durch die Zeit: Ulrich Peltzers Porträt des Künstlers als junger Mann Plötzlich sitzt da diese Frau an einem Ecktisch neben der Bar, und du hast keine andere Wahl mehr, als zu ihr zu gehen. Quer durch den Raum wie ein Schlafwandler. Was fing damals an, im verschneiten West-Berlin der frühen achtziger Jahre, als der Potsdamer Platz eine von Grenzanlagen zerrissene Brache und die Stadt noch nicht leergeträumt war? Hätte alles auch ganz anders kommen können? Ulrich Peltzer erzählt in einer bewegenden Liebes- und Künstlergeschichte von der gefährlichen Freiheit, der Coolness und den euphorischen Aufbrüchen einer wilden, fremd gewordenen Zeit. Was für immer geblieben ist: der Impuls zu schreiben. Und der Glaube daran, dass jedes neue Wort, jedes Bild, jeder Klang eine neue Welt bedeuten kann.
Peltzers offenbar semi-autobiografischer Roman (oder ist das schon Autofiktion?) "Das bist Du" erzählt von einem jungen Mann, der sich verliebt und diese Liebe verliert - und der sich zwischendurch die Frage stellt, was aus ihm geworden wäre, wenn er in dieser Lebenphase, also zum Ende seines Psychologie-Studiums, andere Entscheidungen getroffen und der Zufall einen anderen Lauf genommen hätte. Durchzogen ist der Text von ordentlich Westberliner-Lokalkolorit Ende der 70er / in den 80er Jahren. Um ehrlich zu sein: Interessant ist diese Geschichte nicht, und dass der ich-bezogene Protagonist ein echter Unsympath ist, ist hier auch nicht gerade hilfreich. Doch der narrative Ansatz, der ist eine genauere Untersuchung wert.
Hot Take: Peltzers "Das bist Du" ist ein Versuch deutscher Beat-Literatur im Jahr 2021. Schon zu Beginn spielt Brinkmanns Rom, Blicke immer wieder eine Rolle, ein wichtiges Buch der deutschen Beat-Bewegung, das von Burroughs inspiriert wurde - und Burroughs nennt Peltzer in seinem Buch auch. Statt durch Cut Up-Technik wird der Rhythmus (ha!) dieses Buches jedoch durch das Rattern eines Filmprojektors vorgegeben, welchen der Erzähler im Verlauf der Geschichte zu bedienen lernt: Filmrollen beginnen und enden, das Licht geht an und aus, Zuschauer*innen kommen und gehen, Eisenstein-mäßig wird kontrastiert und Buñuel-mäßig die Story ordentlich durchgerührt. Wie beim Cut Up gibts also eine Montagetechnik. Gruppen von Freunden treffen sich, reden, feiern, trinken, nehmen Drogen. Und es wird gereist wie verrückt (hallo, On the Road, aber hier gehts vor allem nach Italien, weil: Bildungsreise, Goethe und so, aber auch nach Amsterdam, Paris und Neapel). Und es geht um spirituelle Leere und den Versuch, diese durch Kunst zu füllen. Ich sag ja: Ziemlich Beat das Ganze, allerdings minus die Radikalität des Originals.
Zwischendurch hagelt es Film- und Buchzitate, die man sich sicher doll zusammengoogeln kann, ich hab das jetzt einfach mal gelassen. Joah, und dann gibts in der Geschichte direkte Verweise auf psychologische Ansätze und Foucault und - um Himmels willen! - Handke und so weiter. Aber ganz ehrlich: Wenn ich Kerouacs Eskapaden lese, dann wünsche ich mir oft, dabei gewesen zu sein, aber bei Peltzer bin ich froh, dass ich es nicht war (okay, bei Burroughs ist das genauso, aber aus anderen Gründen). Dieses Milieu, das Peltzer beschreibt, scheint mir prätentiös und langweilig, gefangen in den eigenen Befindlichkeiten, die genauso erstickend wirken wie die gesellschaftlichen Konventionen, die es zu überwinden gilt.
Sicher ein ambitioniertes Buch, aber mich hat es nicht erreicht. Mehr zum Roman gibt's in unserer neuen Podcast-Folge.
Ulrich Peltzer entwirft in Das Bist Du eine Hommage an eine Zeit Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger, die ihn prägte. Musik, Film, Literatur dieser Zeit wird auf nahezu jeder Seite aufgeführt. Doch das ist nicht Namedropping sondern Programm. Tatsächlich können sie einen Menschen mit bestimmen. Da ich jünger bin als Ulrich Peltzer haben mich all diese genannten Elemente nicht so stark geprägt wie spätere, aber sie sind mir ein Begriff und manches teile ich doch. Sie wirken auf mich. Daher sind die Erwähnungen dieser Zeitdokumente für mich wertvoll.
Außerdem kommt weiteres hinzu. Die Stadt Berlin, oft wechselnde Freundinnen des jungen Schriftstellers und seine ersten Schreibprojekte. Daher wird der Roman zwar kein spektakuläres, aber ein interessantes Werk.
Eine weitere Geschichte über einen „coolen“ Mann aus Berlin, der gerne Schriftsteller werden möchte… gähn! Konfus, pseudo philosophisch und all over the place. Freue mich sehr auf das nächste Buch mit Kapiteln und Story, das nicht gegen Ende langweilig ausplätschert wie ein 80Jahre Neo Noir Film. Leider nichts für mich!
This was a present, so you are being nice when the person who gave it to you asks how you liked it.
In this case, though, no white lie was needed. On the contrary: I had to voice my thankfulness yet once more, and wholeheartedly.
What a wonderful book: sad, funny, tough, fragile, poetic and very down-to-earth. Of course, my reading of it has to do with the fact that I have lived in a big city (not Berlin, the city where the non-action of this book takes place, but Hamburg - close enough) in the same time, a bit younger, but still:
What was life like for young, aspiring intellectual challenge-seeking folks in the big cities of Germany, in the early 1980s? A question asked many times and with uncounted numbers of written answers to it, in prose, in poems, in the format of novel, feature or journalism.
This one is the most personal one of them all (at least that's reasonable to believe :-) ). This one is the most generally applicable one of the all.
The succinct style, the seemingly haphazard manner of putting thoughts, events, places, people together, not immediately connected, but all part of this big, wonderful experiment called adolescent life are a solid basis onto which every reader who has remote or personal knowledge of these times can and will project.
A very intense book, in the best of senses. A very interesting author I, admittedly, never heard of before. A err at my end, as I learned now - will go and look for other books by Ulrich Peltzer for sure!
Das Buch schmerzt ebenso, wie die Eifersucht des Propagandisten. Schemen, Segmente, Eindrücke, garniert mit Zitaten aus Musiktexten der verlorenen Generation der späten Siebziger. So schön und doch so hässlich.