Dora ist mit ihrer kleinen Hündin aufs Land gezogen. Sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel, mehr Freiheit, Raum zum Atmen. Aber ganz so idyllisch wie gedacht ist Bracken, das kleine Dorf im brandenburgischen Nirgendwo, nicht. In Doras Haus gibt es noch keine Möbel, der Garten gleicht einer Wildnis, und die Busverbindung in die Kreisstadt ist ein Witz. Vor allem aber verbirgt sich hinter der hohen Gartenmauer ein Nachbar, der mit kahlrasiertem Kopf und rechten Sprüchen sämtlichen Vorurteilen zu entsprechen scheint. Geflohen vor dem Lockdown in der Großstadt muss Dora sich fragen, was sie in dieser anarchischen Leere sucht: Abstand von Robert, ihrem Freund, der ihr in seinem verbissenen Klimaaktivismus immer fremder wird? Zuflucht wegen der inneren Unruhe, die sie nachts nicht mehr schlafen lässt? Antwort auf die Frage, wann die Welt eigentlich so durcheinandergeraten ist? Während Dora noch versucht, die eigenen Gedanken und Dämonen in Schach zu halten, geschehen in ihrer unmittelbaren Nähe Dinge, mit denen sie nicht rechnen konnte. Ihr zeigen sich Menschen, die in kein Raster passen, ihre Vorstellungen und ihr bisheriges Leben aufs Massivste herausfordern und sie etwas erfahren lassen, von dem sie niemals gedacht hätte, dass sie es sucht. Juli Zehs neuer Roman erzählt von unserer unmittelbarsten Gegenwart, von unseren Befangenheiten, Schwächen und Ängsten, und er erzählt von unseren Stärken, die zum Vorschein kommen, wenn wir uns trauen, Menschen zu sein.
Her first book was Adler und Engel (in English: Eagles and Angels), which won the 2002 Deutscher Bücherpreis for best debut novel.
Juli Zeh has lived in Leipzig since 1995. Zeh studied human rights law in Passau and Leipzig, passing the Zweites Juristisches Staatsexamen - comparable equivalent to the U.S. bar exam - in 2003. She also has a degree from the Deutsches Literaturinstitut Leipzig.
Ich weiß ja nicht, wie es euch ging, aber wie habe ich mich nach der Lektüre des Buchs auf die Rezensionen gefreut! All die verschiedenen Meinungen, die ich mir vorgestellt habe! Die Wut! Die Empörung! Wie kann Juli Zeh nur...Ein Nazi und Sympathie...AfD und Greta Thunberg...Lichtenhagen und George Floyd... Aber sicher auch die Begeisterung über diesen anstößigen, fast unverschämten und in so kinderleicht-unbeschwertem Stil dahinfliegenden Roman.
Freilich kann ich nachvollziehen, dass Zeh mit ihrer Plot-Provokation individuell gesetzte Leser-Grenzen übertritt, weil sie ihren erzählerischen Schuh über eben jenen Gartenzaun setzt, den Dora vom "Dorf-Nazi" trennt, wie dieser gleich eilfertig seinen Status im Dorf offenbart. Selbstironisch? Stolz? Anwerbend? Wir wissen es nicht genau.
Solange Dora mit dem Aufbau ihrer Alternativ-Existenz auf dem neu erworbenen Todesacker, pardon Garten beschäftigt ist und ihr "frei stehendes Verwalterhaus" (Neubesitzerstolz inklusive) in der Ossi-Pampa aufpimpt, solange sie gedanklich auch noch voll in ihrer hippen Berliner Gedankenbubble rumschwappt, neue Werbe-Etats für Klamotten namens "Gutmensch" klar macht und ihre zerbröselnde Beziehung zum Corona-Fanatiker Robert verarbeitet, solange ist dieser Roman eher die (für Zeh wohl nicht untypische) Story einer Frau, die aus der Hektik der Großstadt aufs Land flüchtet, um jetzt und hier all jenes wieder nicht zu finden, was sie sich gewünscht hat. Oder dachtet ihr etwa, Dora (36, kinder- und dezent zukunftsplanlos) könnte die Idylle finden in einem Kaff, das sich "Bracken" nennt und also selbst kaum ernst nehmen kann? Ich bitte euch...
Ein gespaltenes Verhältnis habe ich zu Zehs Sprache: Schnell lesbar und lustig einerseits, andererseits wenig originell oder hochliterarisch. Dadurch wirken die Personen immer recht hemdsärmelig und resolut (was ich cool finde), aber auch flacher und oberflächlicher, als sie es sein müssten. Genervt haben mich die allzu kurzen Kapitel, das fühlt sich beim Lesen an wie Stop-and-go im Berufsverkehr.
Ich gebe Juli Zeh aber double Props dafür, dass sie den ersten mir bekannten "Corona-Roman" ins Rennen geschickt hat. Ein Genre, das noch in Jahrzehnten existieren wird, könnte ich mir zumindest denken. Es ist ein Heidenspaß, die eigene Corona-Situation literarisch beleuchtet zu sehen! Die ersten eigenen Abenteuer auf den halbleeren Straßen vor eineinhalb Jahren, als sich jeder Spaziergang wie eine unverantwortliche Auflehnung gegen die Volksgesundheit anfühlte, als man sich Winter-Socken, Putztücher oder das Fell des eigenen Hundes vor den Mund gedrückt hat, bevor man in den Laden gegangen ist, auf der Suche nach Dingen, die man in entleerten Regalen nicht mehr fand.
Hier liefert Zeh ein Stück Zeitgeschichte, das uns alle miteinander verbindet, eine Erfahrung, die wir teilen, ohne dass ich aber sagen könnte, dass sich im gesellschaftlichen Kontext daraus ein Zusammenhalts-Gefühl erzeugt hätte. Im Gegenteil.
Robert, Doras Freund, der Privat-Epidemiologe, der seine Freundin bald in der Wohnung einsperren will, da er alle Menschen vor ihrer eigenen Dummheit schützen will, verkörpert die Unfähigkeit, freundlich und beherzt miteinander umzugehen. Er hat die Wahrheit erkannt. Hier hat jemand das gerechte Gewissen der Welt gefressen, ein Erleuchteter wacht (und wütet) über die Virenschleudern, die es wagen, dreimal am Tag mit dem Hund Gassi zu gehen. Dora, was soll das denn?! Fürchterlich! Die gehörige Portion Totalitarismus, die in Roberts Weltsicht und Auftragsgedanke steckt, ist für Dora Fluchtursache, für Zeh offenbar Kern des Problems. Die Totalität des Denkens führt zu Entweder-Oder- Situationen: für Corona oder dagegen, für die Umwelt oder dagegen, für Ausländer oder dagegen. Aus diesem Manichäismus erwächst dann die Spaltung der Gesellschaft und das Festlegen auf eisenharte Formeln: Wahlschaf, Gutmensch, Leugner etc. Dora allerdings will und wird einen anderen Weg wählen.
Vor Roberts Übergriffigkeit flieht Dora, den Zoom-Account zum Büro im Gepäck und auch Hündin "Jochen-der-Rochen", ein Quell vieler Slapstick-Momente. Lustig ist dieser Roman allemal, dafür sorgen auch zahlreiche skurril quatschende Zweibeiner in Bracken, etwa das Pärchen Tom und Steffen, das sich zwar gegen den Dorf-Nazi stellt, aber ebenso AfD wählt. Und -ähm- hatte ich schon erwähnt, dass Dora für eine Jeansmarke Werbung schreibt, die sie "Gutmensch" nennen möchte, samt komplett ausgearbeiteter Marketing-Aktion? Wie geil ist das? Zeh hat erkannt, und äußert diesen Gedanken auch im Vorgängerroman "Unterleuten": Wenn die Wirtschaft die Sprache der Moral entdeckt hat, ist politisches Statement nicht mehr möglich. Dieser Gedanke ist so schockierend wie einleuchtend und seine Konsequenzen sieht man unter anderem in Über Menschen: Auf Labels reduziert und abrufbar wie Konsumgüter im Regal, muss Dora ihre ethischen Grundsätze und zwischenmenschlichen Einschätzungen langsam wieder warm rubbeln, bevor sie sie benutzen kann. Zum Beispiel im Umgang mit Gote (ob "West- oder Ost-" scheint egal, ein Nazi als Völkervermittler also), dem verdammt lieben Nazi.
Und an dieser Stelle offenbart sich nun Zehs eigentliche Finte und Volte und was der schönen Wörter mehr sind - im Dorf leben die Menschen so eng aufeinander, dass sie sich nicht den Luxus leisten können, einander nicht zu sehen, in identitären, libertären... Filterblasen zu leben wie in der Großstadt. Der direkte Austausch, die persönlichen Gespräche von Angesicht zu Angesicht, bringen allmählich alte Gewissheiten und zuvor felsenfeste Ansichten in Dora ins Wanken.
Es ist eine Freude, diese Begegnungen mitzuverfolgen und ein Geschenk, dass Juli Zeh einen Beitrag über die Grenzen des Sag- und Denkbaren in den Diskurs wirft.
Vielleicht gipfelt alles in der Frage an den Leser, ob man den Nazi Gote tot sehen will, ob sein drohender Tod gerecht ist. In Zeiten von Corona und Triage eine Frage mit weiter Übertragungsfläche. Der wertende Leser als moralischer "Übermensch". Mit Maske und Sicherheitsabstand richtet es sich selbstsicher. Das ist eine wahrhaft saftige Anklage! Ob die Figur des Gote auch wirklich so viel Existenzielles hergibt, sei dahingestellt. Mich hat es jedenfalls existenziell gepackt!
Erwähnen will ich noch kurz, dass die Eindimensionalität der Geschichte (nur Dora ist unsere Perspektivfigur) gegenüber "Unterleuten" einige Unterschiede nach sich zieht. Nicht immer positive. So konnte Juli Zeh im Vorgänger die ganzen unterschiedlichen Stimmen noch nebeneinanderstehen lassen und hat somit eben ein ambivalentes Spannungsfeld erzeugt, das sie nicht auflösen musste. Die Spannungen musste oder konnte der Leser als Gedankenanlässe nutzen. Dora hingegen ist natürlich bemüht, ihre diversen Meinungen und Erfahrungen zu deuten und zu "begradigen". Dadurch wirkt sie eindimensionaler und manchmal wie im "dialektischen Zwang" zur Lösung von Widersprüchen. Da hilft Zehs lustiger und knapper Stil auch nicht gerade. Aber wenn man Dora Sympathie entgegenbringt, läuft das schon!
Ich kann es nun einmal nicht ausstehen, wenn Personen, die von Pflanzkanacken sprechen oder Sätze vom Stapel lassen wie Ich schufte mich krumm, und die Ausländer kriegen alles hinten reingeschoben, nicht eindeutig widersprochen wird. Das sind aber die Menschen, die der Erzählerin Dora im brandenburgischen Ort Bracken begegnen. Und denen sie nicht zustimmt, aber sie kriegt in Anfällen sogenannter „Rassismusstarre“ die Klappe nicht auf. Auch AfD-Wähler kann Dora irgendwie verstehen:
Kaum zu glauben, dass sich ein stinkreiches Land Regionen leistet, in denen es nichts gibt. Keine Ärzte, keine Apotheken, keine Sportvereine, keine Busse, keine Kneipen, keine Kindergärten oder Schulen. […] Regionen, in denen Rentner nicht von der Rente leben können und junge Frauen Tag und Nacht arbeiten müssen, um ihre Kinder zu versorgen. In solchen Gegenden stellt man dann noch eine Menge Windräder ab, verbietet den Pendlern den Diesel, versteigert die Felder der Bauern meistbietend an Investoren, will Menschen, die sich kein Erdgas leisten können, die Holzöfen wegnehmen und denkt lautstark darüber nach, auch noch Grill und Lagerfeuer zu untersagen, an denen die letzten Reste von Freizeitgestaltung stattfinden. Ansonsten erwartet man, dass alle klaglos funktionieren. Wer aufbegehrt wird verunglimpft, als dummer Bauer, als Irgendwas-Leugner oder gleich als Demokratiefeind. Irgendwie, denkt Dora, hat Deutschland die AfD beim Universum bestellt und bekommen.
Und der sich selbst so bezeichnende Dorf-Nazi ist zudem ja auch ein hilfsbereiter Nachbar, liebender Vater, begabter Schnitzer – den muss doch man einfach mögen.
Klar ist es da am besten, gar keine Haltung mehr zu entwickeln: Vielleicht, denkt Dora, ist das Einnehmen von Haltungen nur so lange richtig und wichtig, wie man die Dinge aus sicherer Distanz betrachtet.
Das alles widert mich unglaublich an, dennoch liest sich der Roman – wie immer bei Zeh – gut und leicht, ja lässt einen am Ende auch ganz und gar nicht kalt.
A disturbingly simplistic – bordering on preposterous - take on contemporary Germany and its deep-seated, political divides. And a challenging novel for me to talk about, mainly because there’s no comfortable position on offer here for readers like me who don’t happen to be white. Juli Zeh’s plot’s relatively straightforward. Dora, a woman in her mid-thirties is unhappy with her life in Berlin, a place that’s become “too strident” for her. After years chasing material success through her work in the advertising industry, the Covid lockdown leads to a confrontation with her partner that forces Dora to make a decision about the future. She takes her dog and moves to a small, isolated, town in what was formerly East Germany. Once there she’s surprised to find the area is an AfD stronghold and that Goth her new, next-door neighbour is a fully-fledged neo-Nazi.
However, all is not lost, after years of being happily childfree, Dora quickly succumbs to the charms of Goth’s neglected, small daughter and then for Goth’s. Goth habitually surrounds himself with people who tell “uncomfortably” racist jokes – which become more grating after Dora sees a video of George Floyd’s murder yet not apparently uncomfortable enough for Dora to actually take a stand and challenge them. In his spare time Goth abuses “immigrants” and gay men, and even manages to squeeze in the odd attack on antifa activists but Dora comes to a realisation that he’s essentially a good-natured soul – even more deserving of sympathy when revealed to have terminal cancer. He’s also less of a pain for Dora than her fiercely environmentalist ex.
For over 200 pages I kept thinking I must have missed some vital statement or satirical spin which would overturn my negative impressions of Zeh’s narrative. But it seems Zeh’s central “argument” is centred on the supposed revelation that people are complicated and if Germans could just set aside their pesky, political differences, they might all be able to get along – not quite sure how that works if your local Goth would be more likely to petrol bomb your house than fill it with lovingly crafted, gifts but maybe that’s my bias talking! A bestseller in Germany, Zeh’s novel is more than competent in terms of style, her characters are pretty one-dimensional but she makes some interesting observations about contemporary German society, and the narrative overall is fluid if slow paced – although the references to Heidegger were a bit unfortunate. I liked the dog but other than that I just wasn’t the right fit for this in any way, shape or form. Translated by Alta L. Price.
Thanks to Netgalley UK and publisher World Editions for an ARC
Ich bin wütend auf Juli Zeh. "Über Menschen" liest sich gewohnt gut und ja, Juli Zeh kann hervorragend schreiben. Aber ich brauche definitiv kein Buch, in dem die Protagonistin sich mit dem Dorf-Nazi anfreundet. In dem AfD-Wähler verstanden werden, weil der Osten ja wirklich nichts zu bieten hat. In dem Klima-Aktivisten welche sind, die den Müll anderer durchsuchen und andere zwingt, nachhaltig zu leben.
Ich brauche kein Buch, dass mit dem Dialog endet "Jeder hasst halt irgendwen" und das Problem ja sei, dass die Protagonistin sich für was Besseres hält.
Das Buch hat sich sehr flüssig und gut lesen lassen, deshalb 2 Sterne. Der Inhalt hat mich jedoch schockiert zurückgelassen. Ist die Konsequenz aus dem Buch, dass Nazis auch nur Menschen sind und, dass sowieso "jeder irgendwen hasst". Also ist es auch vollkommen in Ordnung Ausländer zu hassen und Flüchtlingsheime in Brand zu setzen, wenn man sonst ein freundlicher Nachbar ist? Juli Zeh hat es sich an vielen Stellen sehr einfach gemacht und sich hauptsächlich in Klischees bewegt. So wird moniert, dass der Freund zu Greta Thurnberg Demos fliegt, Baumwollbeutel in der Erstellung nicht besonders umweltfreundlich sind und wer sich an Corona Regeln hält ist hysterisch. AFD Wähler wiederum haben gute Gründe, da es strukturelle Probleme in Brandenburg gibt und die Landwirtschaft nicht unterstützt wird, also bleibt nichts anderes übrig, als die AFD zu wählen. Das Buch hat mich in Juli Zehs "Rassismusstarre" versetzt, der ich mir hier aber Luft machen wollte...
Selten ist es mir die Zeit wert ein Buch, das ich in gekürzter Fassung als Audiobook gehört habe nochmals in der Vollversion zu lesen. Bei Anders bei „Über Menschen“. Die Lesung von … war passend und sehr eingängig, doch möchte ich gerne treffende Passagen unterstrichen und ausgelassene nachholen.
Über Menschen ist ein Roman unserer Zeit, die „I have a dream“ ersetzt durch „How dare you“, in der Covid-19 die Menschen zusätzlich entfremdet, nachdem schon Klimaveränderung und Flüchtlingskrise zuvor überdeckte oder versteckte Gegensätze zu Tage brachte und eine neue Rechte offen sprießen ließ. Dora, 36jährige Werbetexterin, aus dem Münsterland in die Hauptstadt zugezogen, kommt nicht mehr mit und will nicht Teil einer Meinungsmannschaft sein. Sie entzieht sich dem immerwährenden Kreislauf der Marketingprojekte und kauft ein heruntergekommenes Verwalterhaus im fiktiven brandenburgischen Dorf Bracken, dessen Name klingt wie eine Tätigkeit, die auf Baustellen ausgeführt wird, unter großer Lärmentwicklung und mit schwerem Gerät. Bracken im ebenfalls fiktiven Kreis Preiwitz, in dem schon der Vorgängerroman „Unterleuten“ spielte.
Hier wählt die Mehrheit AfD. Ihre Nachbarn sind der Dorfnazi Gottfried „Gote“ und seine verwahrloste Tochter, aber auch der zupackende Heini und das schwule Pärchen Steffen und Tom. Sie stellen Doras Schubladendenken auf die Probe, und sie muss feststellen, dass es auch in diesem kleinen Rahmen keine Gewissheiten mehr gibt, dass es nicht darum geht Widersprüche aufzulösen, sondern Widersprüche auszuhalten.
Obwohl ich bezweifle, dass das Modell Gote häufig im rechtsradikalen Milieu zu finden ist, teile ich die Doras/Julia Zehs Grundüberzeugung, dass es auch bei solchen Außenseitern gilt im individuellen Kontakt den Menschen hinter der Fassade zu suchen. Die Versöhnlichkeit des Romans hat mir sehr gut gefallen, um nicht zu sagen gut getan.
mit Interesse habe ich Ihre Sammlung soziokultureller Drolligkeiten „Über Menschen“ im Brandenburgischen gelesen.
Was Sie beschreiben, geht ans Herz: Da möchte man am liebsten gleich selbst Nationalsozialist oder -in werden.
Das ist aber oft schwierig und zurzeit meistens verboten.
Außerdem endet es – wie etwa für den Protagonisten – mit dem Tod. Das gilt es zu vermeiden.
Wie schön aber sind als romantischer Gegenentwurf die verschwurmelte dörfliche Idylle, der bierinduzierte menschliche Zusammenhalt, die bratwurstselige Liebenswürdigkeit habitueller Menschenfeinde, der fremde Eichelhäher, der bekannte, da eigene Hund, die urwüchsige Landschaft, die patente Alleinerziehende und die rührenden Wolf-Schnitzereien des potenziellen Nazi-Lovers, die aus bekanntem Grund nicht mehr als Deko für die Wolfsschanze herhalten können, sondern zum Liebesbeweis für die Protagonistin mutieren.
Über Menschen sind ja schließlich keine Un Menschen.
Die Eingeborenen haben es im Roman beileibe nicht leicht: Es gibt viel zu wenige Gaststätten, Metzg- und Bäckereien, Friseursalons und Gemischtwarenläden, dafür aber viel zu viele alleinerziehende Mütter und traumatisierte blonde Kinder, viel zu wenige Kitas und Nahverkehrsanschlüsse, jedoch jede Menge sinistrer Corona-Bestimmungen zum Schutz Gefährdeter, über die man sich mit einem Mirdochwurscht-Augenzwinkern hinwegsetzen kann, darf und soll. Und kommen keine Busse, gibt’s eben den Pick-up-Truck als trotzigen Reflex auf das regierungskonspirative Schlechtwetter- vulgo Klimaproblematik-Geraune.
Denn rechte Hand runter und aufs Herz: Was um Thors willen soll man bei all diesen lebensbedrohlichen Verzwacktheiten denn machen, außer Nazi oder -ine zu werden?
Dementsprechend gilt für die Protagonistin die Maxime: „Ein Nazi-Nachbar, der nie da ist, ist fast so gut wie ein Nachbar, der kein Nazi ist.“ Und der dergestalt Exkulpierte sekundiert: „Wir sind nicht das, was die anderen denken.“
Ach so. Na dann.
Damit ist der Grundton gesetzt. Und dass Nationalsozialisten und -innen gern mal unberechtigterweise in den Knast kommen, ist bedauernswerterweise übrigens auch klar: Sind es doch linksversiffte Antifaschisten und -innen, die Streit anfangen und mit einem exklusiv teuren, also linken, und dementsprechend hochwertigen Messer auch gleich noch die Tatwaffe bereitstellen, mit der der verbal angegangene nationale Sozialist seine Welt wieder in Ordnung sticht.
Nach einem Parforceritt über das Glück von Baumärkten, Saatkartoffeln und Küchenmobiliar, den Heidegger’schen Angstbegriff als Movens des Seins, repetitive Hundevermenschlichung, das Absingen kindlichen Liedguts, spontan-leutselige Grillpartys, spätpubertäre Liebeszweifel und rassistische Putzigkeiten gerinnt folgende Erkenntnis zum existenzphilosophischen Axiom:
Menschen sind auch nur Menschen.
Das sitzt.
„Lass die Welt doch sein, wie sie ist.“, fordert der „Dorf-Nazi“.
Okay. Wird gemacht.
Man braucht nicht in jede Mülltonne zu schauen – und wenn doch, dann, bei aller Anerkennung des sprachlichen Könnens und der erzählerischen Kompetenz, aber bitte halt auch keine Rechtfertigungsschrift für unangemessenen Toleranzismus zu literarisieren.
In einer Videogrußbotschaft, in der Sie, sehr geehrte Frau Dr. Finck, sich bei Leserinnen und Lesern für die Verleihung des Media Control Award, eines Publikumspreises für den herausragenden Abverkauf der Hardcover-Version Ihres Romans, bedanken und freuen und sagen, dass man, wie in Ihrem Buch, das Zwischenmenschliche nicht „kontrollieren“ könne, erscheint Ihr Gesicht ein wenig gerötet – ob aus Nervosität wegen der Aufnahme oder aus Freude über die Auszeichnung oder aber aus Verlegenheit über die steilen Thesen Ihres Romans lässt sich infolge der ungünstigen Lichtverhältnisse der Aufzeichnung nicht ermitteln.
'Braakgrond' heet nu 'Onder Buren', een titel die de lading (nog) beter dekt. Al komt ook die niet in de buurt van de gewaagde gelaagdheid van 'Über Menschen', de originele titel.
Dora verhuist van Berlijn naar het platteland, op de vlucht voor mening-itis en grootstadsgelijk. In het Brandenburgse Bracken hoopt ze rust (en zichzelf) te vinden.
Maar wie verhuist krijgt nieuwe buren en dat is bij Dora niet anders.
'Ik ben de dorpsnazi', stelt buurman Gote zich voor. Dat had Dora zich toch anders voorgesteld. Zeker als de hakenkruis-aanhanger ermee dreigt Dora's dartele hondje in elkaar te trappen als die zich nog één keer in zijn aardappelveld vertoont.
Maar kijk, gaandeweg ontstaat een vreemde, felbevochten vriendschap. En dan focust dit verhaal niet langer alleen op de gròte, maar zoomt het in op de zeer kleine, intieme (dorps)dingen. Die dan weer groter blijken dan verwacht.
'Onder Buren' gaat over intermenselijkheid. En over hoe menselijk het is zich in mensen te vergissen.
Gedurfd - zie ook de titel - en Zeh zal ongetwijfeld een hoop politiek correcte bagger over zich heen krijgen, van net dié mensen die ze op geniale wijze in hun hemd zet.
Virtuositeit zijn we inmiddels gewend van de Duitse auteur, maar in 'Onder Buren' voegt ze en passant nog een extra pigment toe aan haar schrijfkunst: nooit eerder was ze zo vaak zo onverwacht geestig.
En wat ze altijd al heeft gekund: een einde neerzetten dat je nooit meer vergeet.
Stilistisch tadellos - inhaltlich eine Ode auf Hass mit menschlichem Antlitz
Dass Juli Zeh sehr gut schreibt, weiß jeder, der nur halbwegs mit der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur vertraut ist. Sie hält zurecht ihren Platz zwischen Marlene Streeruwitz und Sibylle Berg und steht im Schreibstil und sprachlichen Erfindungsreichtum ihnen wenig oder nichts nach. In ihrem Roman „Über Menschen“ schreibt sie über tagesaktuelle Ereignisse im Corona-Tagebuch-Stil. Sie schreibt über Black Lives Matter, über Maskenpflicht, das Prekariat, über die bundesdeutsche Parteilandschaft, über Gutmenschen, Werbekampagnen, über die Schwierigkeit Toilettenpapier zu kaufen etc … sie schreibt vor allem über eine Aussteigerin, die nach Brandenburg zieht und dort allerhand mit ihrem rechtsradikalen Nachbarn erlebt.
„Über Menschen“ ist in diesem Sinne eine tagesaktuelle Re-Imaginierung von Martin Heideggers Schwarzwald und seinen Lichtungen, Holzbänken und Holzwegen, und zwar im parteilich getreuen und sprichwörtlich problematischen Sinne. Ihre nüchterne Beschreibung von Ausländerhass mündet in einem „Jeder hasst irgendwen.“ Sie wurzelt sich zurück in ihre Heimaterde – Menschen seien eben nicht zu ändern, ihr In-der-Welt-Sein sei nun einmal fix. An vier Stellen im Text wird direkt auf Heidegger Bezug genommen, auf Theodor W. Adorno indirekt nur einmal, und selbstredend auf „Widersprüche seien auszuhalten“. Man wünschte sich, mehr AutorInnen und PhilosophInnen würden eine andere Stelle aus seiner Minima Moralia zitieren, nämlich:
„Wenn Philosophen, denen bekanntlich das Schweigen immer schon schwer fiel, aufs Gespräch sich einlassen, so sollten sie so reden, dass sie allemal unrecht behalten, aber auf eine Weise, die den Gegner der Unwahrheit überführt.“
Leider ist das Juli Zeh ganz und gar nicht gelungen. Am Ende sollen wir über jemanden eine Träne vergießen, der Portugiesen beleidigt, in Lichtenhagen nationalistische Parolen schrie und Steine warf, in Messerstechereien verwickelt ist und doch nur möchte, dass alle einfach da bleiben, wo sie hingehören. Widersprüche auszuhalten ist eine Sache. Sie als Rechtfertigungsgrund heranzuziehen, schieren Menschenhass endlich nicht mehr zu verteufeln, ist etwas anderes. Es fällt mir nach diesem Buch unendlich schwer, vor Juli Zeh keine Angst zu haben, auch wenn sie hundert Mal betont, dass sie gegen die Angst schreibt. Mir hat der Text eine solche eingejagt, dass es mir kalt über den Rücken läuft.
Rezensionen sollte man nur glauben, wenn die RezensentInnen das Buch auch zu Ende lesen. Ich habe es unter Pein getan und bleibe fassungslos, traurig, kopfschüttelnd zurück. Sprachlich einwandfrei, inhaltlich eine Katastrophe. Ich empfehle Ingeborg Bachmanns „Malina“ und Streeruwitz „Partygirl“ als direkte Weiterlektüre, um den ersten Schmerz zu lindern.
Von interessierter Seite gibt es ja seit einiger Zeit den Versuch, links und rechts gleichzusetzen, wenn nicht gar auszutauschen. Entweder es wird darauf verwiesen, daß die Nationalsozialisten eben Sozialisten gewesen seien (ein Euphemismus, ähnlich dem „Demokratisch“ im Namen der ehemaligen DDR), oder aber es wird argumentiert (eher konstruiert), die Angriffe auf die Demokratie von links oder rechts seien gleichzusetzen. Der jüngste Roman der Bestsellerautorin Juli Zeh, ÜBER MENSCHEN (2021), könnte in Gänze durchaus dazu dienen, einen Fundamentunterschied zwischen rechts und links herauszuarbeiten. Denn Linke – zumindest jenes Spektrum, das sich nicht militant gibt – neigen grundsätzlich eher dazu, den eigenen Standpunkt, also sich, zu hinterfragen. Das hat in der Geschichte der Linken immer wieder zu Verwerfungen und Spaltungen geführt. Da wurden jene aus den eigenen Reihen, die man bspw. als zu gemäßigt ansah, eher bekämpft als der politische Gegner. Und manchmal wurde der sogar völlig aus den Augen verloren.
ÜBER MENSCHEN erzählt von einer jungen, urban geprägten Frau namens Dora, die während des Corona-Lockdowns ins Berliner Umland zieht, dort ein Haus erwirbt und ihr stressiges Leben zwischen halbgarer Beziehung, Job als Werbetexterin und der Suche nach dem, wonach die modernen Städter ja angeblich alle suchen – Glück, Optimierung, effektiver Effizienz – hinter sich lässt. Zunächst eher auf Probe, wagt sie den Versuch, in der Provinz Entschleunigung und das „wahre“ Leben in Form von Eigenanbau der Kartoffeln, abendlichen Spaziergängen mit ihrem Hund und den Frieden sommerlicher Felder zu finden. Doch wie es das Schicksal so will – es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn der böse Nachbar es nicht will. Und der ist, man ahnt es gleich, ein Nazi. Grote, so sein Name, ist unfreundlich, obwohl er sich offenbar bemüht, der neu Zugezogenen beim Start zu helfen, indem er immer wieder in ihr Haus eindringt und ihr ungefragt Möbel und Pflanzen hinstellt, er ist ein Proll, der nachts mit Kumpels am Lagerfeuer das Horst-Wessel-Lied singt, auf Ausländer schimpft und auch schon mal das ebenfalls im Dorf lebende Schwulenpärchen anpöbelt. Zudem hat er, wie Dora bald herausfindet, wegen eines Überfalls mit schwerer Körperverletzung eine Zeit lang im Knast gesessen. Allerdings – und nun wird’s emotional kompliziert – wohnt seine zehnjährige Tochter Corona-bedingt bei ihm. Und obwohl er seinen Vaterpflichten nicht gerade gerecht wird, liebt die kleine Franzi ihn und findet er immer wieder – trotz aller Alkoholexzesse, unsympathischer Eigenschaften und ebenso unsympathischen Freunden – Zugang zu der Kleinen.
Aus dieser Konstellation also müht Juli Zeh sich nun, ein Extrakt gegenwärtiger gesellschaftlicher Sollbruchstellen zu filtern. Sie fragt sich, wie umgehen mit diesen Gräben und Rissen in der Gesellschaft? Zumal unter den erschwerten Bedingungen einer Pandemie. Zeh, die selbst seit einigen Jahren in einem Dorf in Brandenburg lebt, mit dem Millionenseller UNTERLEUTEN (2016) wohl auch eigene Erfahrungen mit dem Zusammenprall von Stadt und Land, West und Ost und auch der Generationen verarbeitete, hat den Lockdown genutzt, um sich eines Themas anzunehmen, das sie wohl umtreibt, welches sie allerdings – ein sehr geschickter Schachzug – im früheren Roman ausgespart hatte. Denn in UNTERLEUTEN gab es keine Nazis, weder im Roman, noch im titelgebenden Dorf. Vielleicht wäre das zu viel gewesen in jenem Buch, vor allem aber konnte man der Autorin hoch anrechnen, daß sie die Konflikte, die sie beschrieb, eben nicht auf dieses Thema runterbrach, das so oder so alle anderen überstrahlt hätte. Womit sie ihre Geschichte zugleich der Gefahr entzog, als reine Ost-West-Konfrontation gelesen zu werden.
ÜBER MENSCHEN ist da deutlich weiter. Denn dieser Konflikt spielt in den beschriebenen Auseinandersetzungen keine Rolle mehr. Dora ist ein Kind der westdeutschen Provinz, Tochter eines wohlhabenden Arztes, doch sind Herkunft und sozialer Background für die geschilderten Ereignisse nicht wesentlich. Bestenfalls markieren sie, ohne daß der Text allzu sehr mit Erklärungen aufgebläht wird, eine gewisse Distanz der Zugezogenen zu den Einheimischen So kann die Autorin sich ganz auf die Frage konzentrieren, wie man damit umgeht, wenn im Garten hinter der Mauer einer haust, dessen Ansichten man ablehnt, dessen Weltbild man gar verabscheut, der sich aber im alltäglichen Umgang als zwar grummeliger, manchmal unmöglicher Mensch, aber eben auch als hilfsbereit und aufmerksam entpuppt.
ÜBER MENSCHEN ist, man muß das wohl so sagen, ein Schnellschuß. Wie auch anders, bedenkt man, wann der Roman erschienen ist (Frühjahr 2021), wann er spielt, welche immer noch gültigen Corona-Regeln er aufgreift und wie er immer noch aktuelle Diskussionen um das Für und Wider dieser Maßnahmen spiegelt. Allerdings spielen die dann im Fortgang der Geschichte kaum mehr eine Rolle. Die Pandemie wird hier eher zu einem Auslöser dafür, daß sich Dora aus der Beziehung zu einem dem Klischee des großstädtischen Hipsters entsprechenden Kerl lösen kann, der sich zum Corona-Nerd entwickelt und seiner Freundin schließlich sogar das Gassigehen mit der Hundedame Jochen-der-Rochen verbieten will. Es ist Zeh aber sichtlich auch nicht darum gegangen, über die Pandemie und die Folgen zu schreiben. Die dahingehenden Gedanken werden eher pflichtschuldigst abgehandelt. Vielmehr geht es eben um die viel grundlegendere Frage – die freilich in den Auseinandersetzungen um die Corona-Regeln erneut aufbrechen und enorme Tragweite erhalten – wie wir noch miteinander umgehen wollen, noch miteinander reden, wie wir uns verstehen wollen, wenn wir einander immer unversöhnlicher gegenübertreten, einander keinen Glauben mehr schenken und eigentlich immer schon im Voraus wissen, was der andere meint, sagt oder denkt. Und wir zudem immer schon wissen, was wir davon halten, was der andere meint, sagt und denkt. Nämlich nichts.
Das sind wichtige Fragen, Fragen die durchaus das Potential haben, eine Gesellschaft, ihren Diskurs, zu sprengen. Es sind aber vielleicht nicht unbedingt Fragen, die man in einem Roman verarbeiten sollte, zumindest in keinem, der, schnell geschrieben, in Manchem gar ein wenig hingefudelt wirkt. Juli Zeh ist eine gute Schriftstellerin, ohne Frage. Sie ist sicher keine Nobelpreisanwärterin, ihr literarisches Schaffen wird wohl eher wegen der Geschichten, die sie erzählt, wegen der Themen und Fragen, die es aufwirft, in Erinnerung bleiben, denn wegen ihres sprachlichen, rein literarischen, Vermögens. Sie schreibt meist konventionell, vergleichsweise einfach und klar an Story und Plot entlang. Sie sagt, sie sei Unterhaltungsschriftstellerin, was diese Herangehensweise an ihre Sujets durchaus erklärt. Juli Zeh ist, nimmt man ihren Beitritt in die SPD als Maßstab, als Person eher im links-liberalen Spektrum zu verorten. So hat sich Zeh immer wieder als öffentliche Person positioniert, allerdings kam diese Haltung in ihrem Prosawerk bisher nicht so deutlich zum Ausdruck. Und wie „links“ die SPD nach der Agenda 2010 und dem damit einhergehenden Hartz-IV-Konzept noch ist, sei einmal dahingestellt.
Damit wäre man nun wieder am Anfang dieses Textes: Zeh hinterfragt hier offensichtlich höchst eigene Positionen hinsichtlich der neuen Sprachlosigkeit über gesellschaftliche Gräben hinweg. Sie stellt sich und ihre eigenen Überzeugungen in Frage, sucht nach einem Ausweg aus dieser Sprachlosigkeit, aus Hass und Hetze, vorgefertigten Meinungen, und findet ihn, vereinfacht gesagt, schließlich darin, es schlicht besser zu machen als die anderen. Menschlichkeit und Humanismus als ein absolutes Gegenmodell zu jedweder Verdammung, jedwedem Hass, ohne Ansicht der Person und ihrer Überzeugungen. Damit einher geht eine tiefe Erkenntnis des reinen Seins, des Da-Seins. Das Begreifen der Natur, vielleicht der Schöpfung, als das Allumfassende, das uns umgibt, das uns aber eben auch hält. Und Sinn einschreibt.
Das klingt natürlich erstmal großartig. Ist es auch, als Idee. Bleibt eben die Frage, wie man solche Erkenntnis in Romanform gießt. Kann man das anhand einer Alltagsgeschichte? Und welche Figuren braucht es, um zu verdeutlichen, was man sagen will, worum es geht? Zeh scheint nach ihrem absoluten Antipoden, dem Antagonisten schlechthin, gesucht zu haben. Und das ist, siehe da, ein Nazi. Ein richtig übler Nazi. Einer, wie er im Bilderbuch steht. Oder vielleicht nicht im Bilderbuch, jedoch einer, wie er in zahlreichen Dokumentationen, Dossiers und Gerichtsunterlagen zu finden und beschrieben ist. Und der sich dann doch als menschliches Wesen mit allen Vor- und Nachteilen entpuppt, die menschliche Wesen so an sich haben. Er kann nett, ändert dadurch aber noch lange nicht seine politische Haltung (wenn es denn wirklich eine solche ist). Und dann entpuppt er sich auch noch als zwar oft hilfloser, überforderter, aber eben doch auch als liebender Vater. Und dann umweht ihn, passend, eine gewisse Tragik hinter seiner Sprachlosigkeit. Zeigt seiner neuen Bekannten die Reste des Hofs, auf dem er einst aufwuchs. Verlustgeschichten. Dann wird er krank. Sterbenskrank. Und außer Dora (Juli Zeh?) steht ihm niemand bei.
Es ist ein Drama. Nein, es ist ein Melodram. Im besten wie schlechtesten Sinne, den der Gattungsbegriff bereithält. Überlebensgroß, eben tragisch, trotz der scheinbaren Alltäglichkeit ostdeutschen Provinzlebens, bar eines Happyends, voller Gefühl in dem etwas zu leicht zu durchschauenden Versuch, den Leser – eher jenem Milieu zuzuordnen, dem auch Zeh selbst entstammt – dahingehend zu manipulieren, wie Dora das eine oder andere Tränchen hinsichtlich dieses grausigen Schicksals zu verdrücken. Woraufhin er, der Leser, sich natürlich fragen muß, wie kann das sein? Um Nazis weinen! Womit aus Juli Zehs Perspektive wahrscheinlich schon viel gewonnen wäre.
Den Menschen hinter dem Bild erkennen, ganz gleich, was er auch von sich geben mag, zu welchen Taten er fähig ist oder war: Es ist und bleibt ein Mensch. Was ja auch stimmt. Nur ist das für einen Roman dann vielleicht doch eine etwas dürftige Erkenntnis. Zumal für einen Roman, der seiner Leserschaft fast durchgängig Klischees bietet. Die Figuren sind eben solche, wie es auch die ganze Situation ist, die Zeh schildert. Dabei hat es hier immer wieder spannende Ansätze, da werden allemal Stränge angelegt, die man gern weiter verfolgen würde. Wer ist der seltsame Kerl von gegenüber, der sich ebenfalls immer mal wieder ungefragt Hilfe anbietend in Doras neues Heim drängt? Was für ein Typ ist der Obernazi, der da in Gotes Garten hockt und ansonsten auf Youtube völkisches Gedankengut verbreitet? Und wie geht es weiter mit Sadie, die sich als alleinerziehende Mutter zweier Kinder in Nachschichten aufreibt, um 4 in der Früh heimkommt, zwei Stunden auf der Couch pennt, um dann die Kinder wieder zur Schule zu bringen? Juli Zeh greift allerhand mittlerweile selbst schon zu Klischees geronnene, dennoch wahre Gegebenheiten auf, die so typisch sind für die Wut der rückständigen Regionen: Die fehlende Infrastruktur, der mangelnde ÖPNV, die schlechte bis nicht vorhandene ärztliche Versorgung etc. Und doch ist all das hier letztlich nur Kulisse, Hintergrund, um diese Geschichte zu bebildern und auszuschmücken.
Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, der Frage, wie Liberale, vermeintlich Linke, wie Demokraten mit der Sprachlosigkeit, dem Unmut über die Verhältnisse im Land und in der Gesellschaft umgehen, in einem Langessay nachzugehen und, wenn man sie in einen Roman verpacken will, etwas mehr Zeit und Genauigkeit auf Figuren und die zu erzählende Geschichte zu verwenden. So bleibt ein Roman, der literarisch deutlich abfällt gegenüber früheren Werken und nicht überzeugen kann, weil der geneigte Leser sich ununterbrochen von diesen Figuren, die letztlich Abziehbilder sind, zu distanzieren versteht. Zu einfach sind die Lösungsangebote, ein wenig zu schlicht die Erkenntnisse, die Dora Frieden mit ihrer und der Gesamtsituation allgemein finden lässt.
Am 17. Juli 2021 brachte die Sueddeutsche Zeitung in ihrer Wochenendrubrik Buch Zwei ein Dossier über elf Fälle höchst interessanter Gerichtsurteile, in denen offensichtlich rechtsideologisch motivierter Straftäter mit recht milden Urteilen davonkamen. Anlaß für diesen Beitrag war das Urteil zu einem Überfall auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt im Jahr 2014. Obwohl offensichtlich ein politisch motivierter Hintergrund vorlag (oder vielleicht genau deshalb?), wurde der Prozess nahezu sieben Jahre verschleppt und den mutmaßlichen Tätern wurden schließlich Deals angeboten: Bewährungsstrafen gegen Geständnisse. In ihrer Urteilsbegründung konnte (oder wollte) die Richterin u.a. keine eindeutig politische Motivation erkennen. Einige der Opfer wollten vor Gericht nicht mehr aussagen, zu lang sei das alles her. Zu groß war aber offensichtlich auch die Herausforderung, die Angst, sich dem feixenden Mob noch einmal zu stellen. Es mag also sein, daß hinter all den Tätern traurige Geschichten und Härtefälle stecken. Sie alle sind definitiv Menschen. Aber ihr Wirken in der Wirklichkeit hinterlässt Schmerz, Angst und ohnmächtige Wut. Selbst wenn sie alle nette Kerle sind.
Typisch für Juli Zeh: Das Buch ist gut lesbar und verlangt dem Leser nicht viel Gedankenarbeit ab, weil das, was er oder sie denken soll, immer wieder schon gesagt wird. Ein typischer Thesenroman also, schnell geschrieben, aktuell und ein bisschen kitschig- vor allem zum Schluss. Aber was soll's? Immerhin fordert das Buch zur Stellungnahme heraus und legt nahe, die eigene Haltung zu so gut wie allen (!) jüngsten Problemen der Zeit zu be- oder gar zu überdenken. Dabei bewegen sich Romanhandlung und Thesen ganz im Feld der Auseinandersetzungen um das Verhältnis von "dummer Masse" (S.21) und selbstgerechter, alles besser wissenden "Elite", die - wie Robert im Roman - aufpassen müsse, "ab wann es bei seinen Statistiken nicht mehr um ernsthafte Anliegen, sondern ums Rechthaben gehe" (ebd.). Dabei konfrontiert die Autorin das berühmte "How dare you" mit der Frage nach dem Traum vom anderen Leben. Wie soll das aussehen und doch ein lebenswertes Leben sein? Klar, dass die Heldin Dora es in dem abgelegenen brandenburgischen Dorf findet. Vor allem geht es der Autorin also darum, ob die selbsternannten Aktivisten die Leute mitnehmen, oder aber vor den Kopf stoßen. Dabei formuliert sie immer wieder wie nebenbei bedenkenswerte Einsichten: "Seit Jahrzehnten haben sich Politik und Medien darauf spezialisiert, die niedersten Instinkte der Menschen anzusprechen - Angst, Neid, Egoismus. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Leute irgendwann eine Partei wählen, die genauso wehleidig ist wie sie selbst." (S. 85) Wer wollte dem widersprechen? Aber ist "wehleidig" nicht typisches Ossi- Bashing? Keineswegs. Es geht nicht um Abgehängte oder Penner mit Harz IV: "Bekommst du Hartz IV? - Ich bin doch nicht bescheuert. - Was meinst du? - Niemand lässt sich gern wie ein Stück Scheiße behandeln." (S. 291) Nein, die Leute in Juli Zehs Roman haben ihren Stolz, wie die Schilderung des harten Lebens einer alleinerziehenden Mutter zeigt, die Nachtschichten schiebt, um tagsüber für ihre Kinder da sein zu können und deren Leben in starkem Kontrast zu den eingebildeten Sorgen der Hipster- Helikopter- Mütter des Berliner Milieus steht. Was Zeh meint, ist das neue "Anspruchsdenken", das beileibe kein Ost- Phänomen ist: "Entitlement führt ins Dauerkrisengefühl. Weil man niemals bekommt, was man will. Weil Anspruchsdenken nicht befriedigt werden kann. Auf die Dauerkrise folgt dann der Apokalypse- Verdacht. Das Zeitalter der Wehleidigkeit... Jeder ist ständig beleidigt, hat Angst und fühlt sich im recht." (S.110) Man versteht schon, worauf das zielt. Eigentlich muss man Juli Zeh dafür bewundern, wie sie so ziemlich ALLE Probleme der Zeit abhandelt und trotzdem noch einen halbwegs brauchbaren Plot zustande kriegt. Bei alledem hat der Roman (für mich) seinen Höhepunkt in dem Moment, in dem ausgesprochen wird, warum so viele Leute mit der Komplexität der Welt nicht mehr gelassen umgehen können. Es ist, als hätte die Autorin die Gründe für die offene Ablehnung ihres Buches in bestimmten Gesellschaftskreisen vorausgesehen und wollte den Leuten was ins Stammbuch schreiben: "Weil du alles einfach haben willst, ist die Welt immer falsch für dich. Deshalb bist du auch so unruhig." (S. 161) Die Menschen sind eben nicht nur "Rassisten", "Nazis" oder "Linke", sondern bei alledem widersprüchliche und nicht auf Politisches reduzierbare Wesen. Deshalb gelingt es der Heldin "einfach nicht, eine Haltung zu finden. Vielleicht, denkt Dora, ist das Einnehmen von Haltungen nur so lange richtig und wichtig, wie man die Dinge aus sicherer Distanz betrachtet." (S. 350) Der ganze Plot des Romans zielt darauf ab, Dora diese "Distanz" verlieren zu lassen. Sie muss sich der beschissenen Dorfwelt, in der man ohne Auto nicht mal zum Einkaufen kommt und es außer Altenpflege keine Jobs gibt, stellen, und sie muss mit Leuten umgehen lernen, die sie sonst nicht einmal angesehen hätte. Sie hätte in Berlin sofort "Haltung" gezeigt, wie es all die gut situiert aufgewachsenen Studierenden tun, wenn es um die Verweigerung des Gender- Sternchens oder das Bestehen auf einem Diesel- Pickup geht. Um die Probleme der Menschen zu verstehen, muss man ihnen näher kommen, was Juli Zeh versucht, auch wenn ihr Buch darüber etwas holzschnittartig wird und man ihr die Story nicht immer abnimmt. Stört das beim Lesen? Kaum. Die meisten Leser/innen werden sich in den Bann des Buches ziehen lassen, das man trotz seines Umfangs locker an einem Tag durchlesen kann und mag. Das ist eine Stärke des Textes, der trotzdem nicht ohne Widerhaken und also nicht trivial ist: Dora "denkt an Ärzte im Lazarett, die feindlichen Soldaten das Leben retten. Der Fehler im System ist nicht die Lebensrettung, sondern der Krieg." (S. 356) Man ist versucht hinzuzufügen, dass nicht die Lebensrettungs- Missionen im Mittelmeer das Problem sind, sondern der (von den Aktivisten im Wesentlichen übersehene) Krieg des reichen Westens gegen den armen Rest der Welt. Wozu das führt zeigen die voll- ironischen Beschreibungen der Gutmensch- Kampagne, die Dora entwirft, und deren Aufhänger ist, dass der Gutmensch bei allem, was er tut, das Gegenteil erreicht, am Ende aber doch immer die richtige Hose trägt! Das ist wie mit den mindestens 42 Jute- Beuteln, die sich so ansammeln, wenn man überall und immer auf Plastik- Beutel verzichtet, und über deren Öko- und Menschenrechtsbilanz kaum jemand nachdenkt. Juli Zeh denkt darüber nach und das ist die intellektuelle Schärfe des Romans. Zusammengefasst meint das Ganze also eine Leseempfehlung vor allem für diejenigen, die von des "Gedankens Blässe" (Hamlet meint den Selbstzweifel!) kaum angefressen und immer "die Guten" sind. Desgleichen sollte das Buch lesen, wer gut unterhalten werden und nebenbei ein bisschen darüber nachdenken möchte, was die Corona- Zeit alles an Unsinnigem mit sich gebracht hat. Für den anspruchsvollen und an "Literatur" auf höchstem künstlerischen Niveau interessierten Bildungsbürger ist die Lektüre freilich ein kleineres Vergnügen (weswegen ich einen Punkt abziehe, denn ein bisschen gehöre ich wohl selbst zu dieser Gruppe). Wenigstens nämlich heiratet Dora ihren "Dorfnazi" nicht und am Ende ist nicht alles Eiapopeia, obwohl gegen Mitte des Romans genau dieser Verdacht aufkommt. Aber ganz glaubwürdig ist die Story eben auch nicht und wer meint, mit einem so lieben Nazi auch auskommen zu können, der hat wohl nicht ganz unrecht. Die hohe Kunst widersprüchlicher Charakterzeichnung liegt also nicht vor; im Ganzen aber ist der Text stimmig und in Maßen auch produktiv- provokativ. Daher sei das Buch trotz seiner literarischen Mängel zur Lektüre empfohlen.
Deutschland, im Frühsommer 2020: Dora wohnt mit ihrem Freund Robert in einer Wohnung in Berlin. Eigentlich hat sie sich dort immer wohl gefühlt, bis Robert einer Klima-Obsession verfallen ist, die sich im Laufe der Corona-Pandemie in eine Corona-Obsession verwandelt hat. Für Dora steht fest: sie muss weg hier. Von heute auf morgen schnappt sie sich Jochen-den-Rochen, ihre Hündin, und zieht nach Bracken. In diesem kleinen Dorf im brandenburgischen Nirgendwo möchte sie zur Ruhe kommen - doch dann entpuppt sich ihr Nachbar als Dorf-Nazi und das Landleben als gar nicht mal so idyllisch...
Vor ein paar Jahren habe ich Juli Zehs Roman "Unterleuten" gelesen bzw. abgebrochen. Mir hat das Buch damals gar nicht gefallen, es war mir zu langweilig und hat einfach nicht meinen Geschmack getroffen. Mit "Übermenschen" ging es mir zum Glück nicht so: Einmal im Roman angekommen konnte ich ihn schwerlich weglegen. Die Geschichte hatte eine große Sogwirkung auf mich und ich bin sehr begeistert von Juli Zehs Schreibstil, ihrer Art, mit Klischees zu spielen und die Unschärfen unserer Gesellschaft einzufangen. Das Buch ist hochaktuell und passt durch die darin angesprochenen Themen wie die Fridays-For-Future-Demos, George Floyd oder den Lockdown auch perfekt in unsere Zeit.
Genau hier liegt aber auch mein Problem mit Juli Zehs Roman, denn man kann (und muss, wie ich finde) ihn durchaus kontrovers betrachten. Die Autorin bespricht in "Übermenschen" unter anderem auch die Themen Alltagsrassismus sowie Nazis. Ich möchte nichts vom Inhalt vorweg nehmen, nur so viel: Doras Nachbar ist nicht ohne. Die Autorin beschreibt das zwar, lässt Dora aber trotzdem so etwas wie Freundschaft mit ihm schließen. Dora begehrt nicht gegen seine rassistischen Äußerungen (und der einiger anderer Charaktere im Buch) auf, vielmehr ist da nur ein Unwohlsein ihrerseits, ein "nächstes mal sage ich aber was", eine Rassismus-Starre. Ich persönlich konnte damit nur schwer umgehen, verfiel selbst in eine Wie-soll-ich-das-bewerten-Starre und fragte mich, ob die Autorin hier gerade den Nazi nicht doch arg schön redet.
Andererseits habe ich Verständnis für Dora und die Menschen in Bracken - und ich denke genau das war Juli Zehs Absicht. Die Welt ist nicht einfach in gut und böse aufzuteilen. Niemand ist eindimensional, alle leben in verschiedenen Umständen, die man auf den ersten Blick nicht erkennen und erfassen kann. Ein Urteil ist immer schnell gefällt, doch lohnt sich manchmal ein Blick hinter die Kulissen und hinter die Klischees, ein Gedanke daran, was die Person gegenüber gerade durchmacht.
Ich bin auch nach einigen Nächten drüber schlafen unentschlossen, wie ich das Buch bewerten soll. Ich habe es gerne gelesen, war wirklich begeistert von der Vielschichtigkeit der Protagonist*innen und fand gerade auch Bracken als Schauplatz sehr gut gewählt. Trotzdem bin ich nicht davon überzeugt, ob es ein Buch wie "Über Menschen" in einer so angespannten Zeit wie gerade braucht - oder ob es genau das ist, was wir gerade lesen sollten. Daher gibt es heute keine abschließende Meinung von mir - vielleicht bildet ihr euch einfach selbst eine und/oder teilt eure Gedanken zu dem Roman mit mir 📖
This is an urgent yet calm and warm novel, that gets better and better the more you progress. Juli Zeh is a fabulously smart writer and it is high time we see her on the shortlist for the International Booker.
Our protagonist, 35 year old Dora is a doubter, she wants to do everything well, but what does that mean? She escapes Berlin and her increasingly Covid-obsessed boyfriend to move to the idyllic Brandenburg countryside… Or so she thought. Her neighbours are not the idealistic people she imagined, but overwhelmingly vote right-wing Alternative für Deutschland and feel let down by their government.
The book is billed as a Covid-novel, but more than that it is a novel about our times, about Germany today and it explores the big political divide of our time: not so much between left and right, but between city and countryside, between winners of globalisation and those left behind, between climate-activists and people struggling to make ends meet. As one of the characters puts it:
It’s hard to believe such a filthy-rich country allows itself to have entire regions where there’s nothing. No doctors, no pharmacies, no sports clubs, no buses, no pubs, no nursery schools, no schools at all (...). Regions where retirees can’t live on their pensions and young women have to work day and night to provide for their children. Then, in those same areas, you plop down a bunch of massive wind turbines, ban commuters from using diesel, auction off farmers’ fields to the highest bidder, try to take wood-burning stoves away from the people who can least afford natural gas, and then you think out loud about banning barbecues and campfires as well, the last bastions of leisurely, sociable enjoyment. And everyone’s just expected to keep going without complaint. Keep suiting up, functioning efficiently. Anyone who rebels is dismissed out of hand, called a stupid peasant, a whatever-denier, even an enemy of democracy.
It´s too bad the wordplay of the German title is untranslatable (Über Menschen meaning both ´About People´ and the term Nazis used to describe their ideal Arian superhumans), because it covers the content so well.
Do you all still remember? It wasn’t so long ago. A mere seventy, eighty years back. You were supermen, quintessential Übermenschen. You were the master race. Blond stallions on your way to world domination. (…) And today? Today you’re at the camping table, lounging. Trailer behind you, warm beer before you. You smoke Polish cigarettes, make the Hitler salute before the flag of the Reich, and manufacture your own IDs. Übermenschen in Unterhemden—Supermen in undershirts …(…) You are the scum you always wanted to exterminate. Nobody likes you, nobody needs you.
Dit boek verslonden. Stil gestaan bij de filosofische overpeinzingen van Dora, de tijdsgeest, de herkenbaarheid van gedachten en gevoelens ten tijde van corona. Met een zucht dit boek dicht gedaan…mooi, ontroerend, tegelijk confronterend en wakkerschuddend; en ergens herkenbaar om soms ook het Niets te willen zoals Dora…
Ähnlich wie bei "Unterleuten" schreibt Juli Zeh über den Umgang der brandenburgischen Landbevölkerung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen. Bis auf ein paar kleine landtechnische Fehlerchen ein bemerkenswerter Roman mit Witz und tollen Erkenntnissen.
“Sommige mensen ontbreekt het aan talent voor het leven, en misschien hoort Dora bij deze categorie. Van alles wat haar te binnen schiet of opvalt, ziet ze altijd het tegendeel. Als ze beter naar dingen kijkt, verpulveren alle zekerheden, en elk idee heft zichzelf op. Haar sceptische verstand vindt overal tegenstrijdigheden, absurditeiten, logische fouten, wat de impuls om mee te doen verandert in koppig verzet. Dat maakt niet alleen indolent, maar, vermoedt Dora, op den duur ook eenzaam. Misschien past ze niet binnen het totaalconcept van het bestaan.”
Als ik zulke zinnen lees, dan wéét ik dat ik een fantastisch boek in handen heb. Natuurlijk ben ik sowieso al een enorme fan van het werk van Juli Zeh - ook al ben ik soms al teleurgesteld - maar dit boek vond ik enorm goed.
Het is de combinatie van haar schrijftalent, haar stijl, haar weergaloze kijk op de mens en de maatschappij, dat mij aan dit boek gekluisterd hield. Juli Zeh houdt een vinger aan de pols van onze tijd, zij observeert, analyseert en legt bloot wat wij onszelf wijsmaken.
“Niks menselijks is ons vreemd” vat misschien min of meer samen waarmee het hoofdpersonage Dora worstelt als ze op een vreemde manier sympathie krijgt voor haar buurman, de dorpsnazi. Dat wij allemaal ten onder gaan aan onze overtuiging dat ‘wij beter zijn dan de ander’ kan je als moraliserende boodschap lezen in deze roman. Het komt erop neer de tegenstellingen tussen elkaar te laten voor wat ze zijn, eerder dan ze te willen oplossen. Dat lukt niet. Als je niet houdt van verhalen met een moraal, zal je je als lezer hieraan misschien storen maar ik vond die vertwijfeling bij Dora en het gevecht met zichzelf en haar principes zeer levensecht en herkenbaar.
Ik sluit dit boek in mijn hart, ik heb enorm genoten van de filosofische beschrijvingen van onze tijdsgeest, zoals: ‘Helaas is vrije tijd in werkelijkheid alleen een geschenk als die helemaal niet vrij is, maar gevuld met activiteiten. (…) Echte vrije tijd is horror. Die strekt zich naar alle kanten uit, als een slagveld waarop geen vijand te zien is. Alleen stille dreiging. Zowel wegrennen als blijven staan is verkeerd.’
In ’Onder buren’ benoemt Juli Zeh telkens opnieuw gevoelens en pijnpunten waarmee zoveel moderne westerlingen af te rekenen hebben. Ze is, voor mij, feilloos in het benoemen van onze zwaktes en onze twijfels. Ik vond dit een prachtig boek!
Gut: Erste literarische Auseinandersetzung mit der Corona-Pandemie
Schlecht: Soll man sich als Leser/in mit dem ach so netten Nazi identifizieren? Was sollen die komischen Gedankengänge der Hauptfigur (Stichwort Whataboutism)? Wann hört dieser ganze Konflikt mit arroganten Städtern und einfachen aber herzlichem Dorfbewohnern auf??
Ein Roman mit einem wahnsinnig problematischen Tenor. Ich hatte sehr lange die Hoffnung, dass Zeh diesen noch ironisch bricht oder anderweitig versöhnlich auflöst. Stattdessen gehen die letzten 150 Seiten im kompletten Kitsch unter.
Dieses Buch in der aktuellen Zeit braucht kein Mensch, hier wird bewusst die weitere Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben.
Ich muss mir eine neue Lesegruppe suchen, die jetzige fordert zu viel zwiespältige Lektüre. – Es ging mir mit diesem Buch wie vor einigen Jahren mit Stieg Larsson: Obwohl ich es fast von der ersten Seite an grottenschlecht fand, habe ich es nicht mehr weglegen können und mehr oder weniger in einem Zug runtergelesen. – Mir missfällt alles an diesem Buch. Die Konstruktion von Plot und Figuren (in einem Satz zusammengefasst auf Seite 311: „Draussen ist Pandemie, drinnen Arbeitslosigkeit, drüben ein Nazi-Nachbar mit Glioblastom.“). Die allwissende Erzählstimme. Der mit Naturkitsch und Lebensklugheiten kalkuliert kombinierte Humor. Das absehbare Ende. Aber am meisten verärgert bin ich über mich selbst, darüber, dass mich doch berührt hat, was Juli Zeh erzählt über die Menschen und ihre Möglichkeiten.
Ein großartiges Buch, das eine rührende Absage an das Schwarz/Weiß-Denken bei der Bewertung von Menschen ist. Die Welt ist kompliziert, sogar in Brandenburg.
Onder buren blinkt uit op vele fronten maar bovenal op het vlak van eenvoud: de taal is eenvoudig en helder, zonder overbodige franjes; de vertelstructuur is rechtlijnig en ook de opzet is toegankelijk en herkenbaar. In al deze eenvoud slaagt Juli Zeh er in een beklijvend, relevant en meeslepend boek te schrijven.
Dora verlaat tijdens de eerste lockdown haar hippe buurt in Berlijn, waar haar relatie op de klippen loopt en ze zich opgesloten voelt. Ze vlucht naar het platteland waar ze naast de dorpsnazi terecht komt in een rentmeesterhuis dat ze in een opwelling kocht en zich meer vragen bij haar leven en haar omgeving stelt dan ze ooit dacht te hebben. Gaandeweg leert ze het dorp en haar bewoners kennen en komt ze dichter bij zichzelf.
Juli Zeh schrijft het verhaal van Dora erg mooi uit, in alle nuances en twijfels, maar vooral in alle menselijkheid. Ze speelt mooi met de contrasten tussen stad en platteland en zorgt voor prikkelende interacties tussen haar evenzeer contrasterende personages. De dialogen zijn speels en blinken dikwijls uit in wat er niet gezegd wordt en van een politieke, actuele maatschappelijke roman, verglijdt Onder buren schijnbaar achteloos in een pakkende liefdesroman met ontroerend slot.
Schitterend in zijn eenvoud, rijk in zijn nuances, relevant in het portretteren van onze huidige maatschappij en tijdloos in zijn menselijke, emotionele thema's. Je moet het maar doen. Schoon. Erg schoon.
Ein wirklich gelungener Roman trotz kontroversem Thema....
Dora flieht vor dem coronaanbetetenden Umweltaktivisten Robert in ein kleines, brandenburgisches Kaff....
Dort trifft sie, wie von ihrem Vater prognostiziert, auf AFD wählende Schwule, R2D2 Heini, "Pflanzkanacken" und den Dorfnazi Gote mit Tochter......
Der absolut klischeehafte Plot wirkt gerade deshalb sehr glaubhaft....das Gefühl des Abgehängt Seins, die Einsamkeit und der trotzdem starke dörfliche Zusammenhalt bilden den Rahmen für eine überaus emotionale Geschichte, die wie bei Julie Zeh üblich, mit viel Ironie und Selbstreflexion geschrieben ist...
Ein Buch über Vorurteile, das Ankommen, Menschen und die Menschlichkeit!
Mit viel Wortwitz, tollen Charakteren und der tiefgründigen Botschaft: wir sind alle nur Menschen....
Ich habe zuvor 4 Bücher von Juli Zeh gelesen: 2 fand ich ziemlich gut, eines so lala und eines habe ich sogar abgebrochen.
Aber nun dieses hier: Wow. Das hat mich in einer Art mitgenommen, berührt und unterhalten, die ich so nicht erwartet hatte. Landflucht in Zeiten von Corona und eine gänzlich unwahrscheinliche, unbeabsichtigte und doch unvermeidliche Freundschaft: Unspektakulärer Plot eigentlich, aber so genial umgesetzt. Die Geschichte wird mir noch nachhängen.
Das Buch hat mich sehr gut unterhalten und doch lässt es mich etwas ratlos zurück. Ich weiß nicht so richtig, was im Endeffekt die Aussage der Autorin ist. Wir müssen mehr miteinander reden? Und zwar gerade mit Menschen, die anderer Meinung sind? Keine Meinung und Wahrheit ist absolut? Ich weiß es nicht.
Trotzdem hat mich "Über Menschen" in weiten Teilen überzeugt. Ich habe gelacht, nachgedacht, mich gewundert und ja, am Ende auch ein paar Tränen verdrückt. Besonders in den stillen Momenten fallen in diesem Buch große Worte, die sich oft ein wenig verstecken und mich doch zum Grübeln gebracht haben.
Even your Nazi neighbour is a human being. If you like your protagonists likeable, move on. In "Über Menschen", Juli Zeh sends Dora from Berlin to the countryside. It is the beginning of the pandemic in 2020. Dora is a texter in an advertising agency but she doesn't feel herself anymore. Thus, she bought an old farmyard in rural Brandenburg without telling her partner Robert before the pandemic started. Now, she moves to Bracken, leaving her old life and Robert behind her. Soon, her agency has to dismiss her due to customers cancelling their campaigns and Dora finds herself cut loose from all ties.
The first contact she makes is her neighbour Gote who introduces himself as the local Nazi. What a beginning. This is the setup for Zeh contrasting the woke Berlin community with the right-wing rural population of Brandenburg. She does so without prejudice. Within their respective environments, the differing positions seemingly make more sense than the ones of the other side. Dora comes from a life where climate activism was normal. Not having a car, recycling, avoiding plastic when possible, accepting diversity and fair trade. Now, seeing a complete lack of infrastructure like public transport or medical support, single mothers working long night shifts to make ends meet, decisions made by politicians in Berlin which neglect the reality in the countryside, Dora doesn't take up the right-wing positions but slowly yields to passively living with them. Even spending time with Gote and taking care of his daughter.
These positions are simplifications for sure. The book and its simplifications have to be seen in the context of the time it was written, at the height of the pandemic. Never before, society was as divided as at this time. To me, the message of this book is an idealistic, albeit naive one. Think of everyone as a human being. Try to live together instead of drifting apart. Don't judge anyone as better or worse than someone else. This goes both ways. Right-wingers hating foreigners, educated city dwellers looking down on country folks. Über Menschen is a merry wish for a better world getting rid of the split going through our Western societies. Unluckily, reality has proven even worse since Corona. Zeh is too clever to really believe in characters like the Nazi Gote and I doubt that the worlds apart can find together as easily as here. So take this as a fairy tale how it could be if humans were different.
4,5* Der zweite Roman, den Juli Zeh in der Brandenburgischen Provinz spielen lässt, beschränkt sich thematisch nicht auf die Konflikte einer Dorfgemeinschaft, sondern nutzt die Ballung von Problemen in einem kleinen Ort, um große gesellschaftliche Konflikte zu thematisieren. Während „Unterleuten“ in einem gleichnamigen Ort spielt, heißt das Dorf dieses Mal nicht wie das Buch „Über Menschen“, sondern Bracken, ein geschickt gewählter Name, der allerhand Wortspielereien zulässt. Der Titel entspricht in diesem Buch dem Thema, bei dem unterschiedliche Menschen stellvertretend die Gesellschaft darstellen. Die Protagonistin heißt Dora und zieht während der Corona-Pandemie aus Berlin ins einsame Bracken, wo sie sich ein Haus gekauft hat. Ihr Freund Robert, den sie frustriert verließ, verkörpert eine bestimmte Gruppe von Menschen, die sich nicht nur korrekt an alle Regeln halten, die der Klimawandel oder die Corona-Pandemie einfordern, sondern die den Tag damit verbringen, sich über andere, die lässiger damit umgehen oder Regeln ablehnen, aufzuregen.
Dora flieht aufs Land und wird mit dem Gegenteil der Regelkonformität konfrontiert, mit dem Nazi Gote als Nachbarn. Sie will sich zunächst abgrenzen, muss aber immer mehr feststellen, dass der Nachbar zwar Auffassungen hat, die untragbar sind, aber dass nebenan eben auch ein Mensch wohnt. Dieser Mensch ist nicht auf seine bekloppten Sprüche zu reduzieren, sondern hat viele Facetten, kann hilfsbereit und selbstlos sein, kann verletzlich und hilfsbedürftig sein. Wie weit müsste man sich abgrenzen von einem Menschen falscher Gesinnung? „Wie viel Abstand braucht eine Linksliberale zum nächsten Neonazi, um in Frieden leben zu können? Muss das ganze Dorf nazifrei sein, oder sogar die Gemeinde? Der Landkreis? Oder gleich die ganze Republik?“
Beide Typen, Robert und Gote, stehen aus meiner Sicht für die Spaltung der Gesellschaft. Die einen stehen in der Mitte, sind erfolgreich und wissen unfehlbar, was richtig und falsch ist. Die anderen sind aus unterschiedlichen Gründen an den Rand gedrängt, fühlen sich unverstanden, äußern sich nur über Protest und Geschrei. Und doch sind es alles Menschen mit unterschiedlichen Eigenschaften, die in keine Schublade gehören. Diese Aussage hat mir sehr zugesagt und macht das Besondere des Buches aus.
Mir gefiel die Darstellung der Situation in einem brandenburgischen Dorf mit all den Problemen und den unterschiedlichen Menschen, die noch nicht weggezogen oder neu hinzugezogen sind, aber auch die Beschreibung von Doras Familie, besonders ihrem Vater. Der Stil ist typisch für Juli Zeh mit kurzen Kapiteln und pointierten Sätzen. Manchmal ist eine Figur oder eine Situation ein wenig zu nah am Klischee, ein wenig zu einseitig. Dora, Gote und Doras Vater sind aber vielschichtig angelegt. Doras Handlungen konnte ich immer nachvollziehen, fühlte mit ihr, nur am Schluss hat sie mich verärgert. Warum hat sie nicht vernünftig mit Franzi geredet? Es ist Juli Zehs gutes Recht, Dora nicht perfekt dazustellen, aber ich hätte wenigstens noch eine Erklärung gebraucht.
Das Buch bleibt eine große Leseempfehlung von mir, um zu verstehen, dass Nazis und andere Menschen mit verqueren Ansichten, die wir völlig ablehnen, unsere Nachbarn sind, dass diese nicht verschwinden, wenn wir sie ausgrenzen, sondern, dass wir mit ihnen leben müssen, denn es sind Mit-Menschen. Leicht ist es nicht, auch das zeigt das Buch.
Dieses Buch hat mich so wütend gemacht! Und das lag nicht daran, dass das Buch nicht gut geschrieben war oder es einen nicht gefesselt hat. Ganz im Gegenteil!
Dafür hat mich die gesamte Storyline einfach nur angewidert. Eine junge Frau aus Berlin-Kreuzberg die nach Brandenburg aufs Land zieht und sich mit dem Dorfnazi anfreundet und sich in dem AfD Dorf immer mehr und mehr wohlfühlt.
Was wollte Juli Zeh mit diesem Buch bezwecken? Soll ich jetzt Verständnis für die Menschen aufbringen, die Flüchtlingsheime anzünden, die Vorgärten der einzigen queeren Nachbarn im Ort verwüsten, sie tagtäglich homophob beleidigen und „linke Zecken“ am helllichten Tag mit einem Messer abstechen?
Ich bekomme das Gefühl, dass am Ende eine Botschaft übermittelt werden sollte wie: „Im Endeffekt sind wir doch auch alle nur Menschen“ oder „Am Ende siegt doch immer die Menschlichkeit und das Mitgefühl“.
Ach ja? Ist das so? Lustig das versucht wird die Leser*innen davon zu überzeugen Mitgefühl oder gar Mitleid mit jemandem zu haben, der in seinem ganzen Leben niemals einer migrantischen, queeren oder nicht-christlichen Person solche Gefühle gegenüber gehegt hätte. Im Gegenteil!
Schön, dass es der Protagonistin Dora als weiße, deutsche und heterosexuelle Frau so *überraschend einfach und ganz leicht fiel, über die Gesinnung ihres Nachbarn hinwegzusehen und diese auszublenden* und ihn einfach nur noch als Mensch zu sehen. Allerdings bezweifle ich sehr stark, dass die Geschichte ähnlich ausgegangen wäre, wenn Dora eine lesbische BIPoC Person gewesen wäre.
Dass es sich bei Juli Zeh also um eine weiße, heterosexuelle, cis Frau handelt, die ihre Privilegien offenbar zu 0,0% hinterfragt ist also wenig überraschend, wenn man dieses Buch von ihr liest indem sie auf Nazikuschelkurs geht und der AfD versöhnlich die Hand reicht.