Eine Familie, die vielleicht nur mit Unterbrechungen eine war, erlebt einen Der Vater, zweifach verwitwet, ist wieder Kind geworden. Er braucht Betreuung und wird sein Haus verlassen müssen, denn er vergisst, was gerade eben noch gewesen ist. Immer wieder erzählt er seine Liebesgeschichten, und manchmal phantasiert er.Nach dem Bestseller "Leben", ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse, schafft David Wagner etwas, das sehr kostbar Er zeigt einen Menschen, der – obwohl er nur noch in der Gegenwart lebt und allmählich verschwindet – unverwechselbar bleibt mit all seinen liebenswerten Eigenheiten und den Erinnerungen, die er noch hat. Die Zärtlichkeit, die der Erzähler ihm bei seinen Besuchen und auf zahlreichen Autofahrten zu Orten der Vergangenheit entgegenbringt – "hier haben wir gewohnt, Papa, hier hast du gearbeitet, hier bist du aufgewachsen" –, berührt tief, auch die Geduld, der Humor, das Ausbleiben von Hadern und Wut. Ganz leise, fast unmerklich, schreitet die Demenz voran, doch sie verläuft hier ohne Schrecken. Der alte Galan, den seine Brüder wie früher Valentino nennen, ist glücklich, obwohl er weiß, was mit ihm ist.Ein großes Thema unserer Zeit, das immer mehr Menschen betrifft. Und eine unvergessliche Erzählung.
David Wagner (* 17. April 1971 in Andernach) ist ein deutscher Schriftsteller. Sein Werk umfasst Romane, Erzählungen, Gedichte, Feuilletons, sowie Prosaformen, die sich nicht eindeutig einer Gattung zuordnen lassen und wurde mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet.
David Wagner wuchs im Rheinland auf und studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Bonn, Paris und Berlin. Er hielt sich längere Zeit in Rom, Barcelona und Mexiko-Stadt auf und lebt derzeit (2013) als freier Schriftsteller in Berlin.
Bekannt wurde David Wagner durch seinen im Jahr 2000 erschienenen Debütroman Meine nachtblaue Hose, in dem er eine Kindheit im Rheinland der siebziger und achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts schildert. Es folgten ein Band mit Kurzgeschichten (Was alles fehlt, 2002) sowie ein Gedichtband und zahlreiche Erzählungen, die er in der Reihe Schöner Lesen des Independent-Verlags SuKuLTuR veröffentlichte. Von 1999 bis 2001 schrieb Wagner Feuilletons für die Berliner Seiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 2002 und 2003 eine Kolumne für Die Zeit.
2009 erschienen der Roman Vier Äpfel, der auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis stand, sowie der Roman Spricht das Kind. Wagner leidet unter einer Autoimmunhepatitis, aufgrund deren er auf eine Lebertransplantation angewiesen war. Diese Erfahrung verarbeitet er in dem Buch Leben, das aus 277 durchnummerierten Miniaturen besteht und den Preis der Leipziger Buchmesse 2013 erhielt. Er ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.
Ich mochte die Geschichte sehr gerne, trotz der schweren Demenz des Vaters entwickelt sich eine zarte und liebevolle Beziehung, in der nur zwischen den Zeilen (oder besser zwischen den Wiederholungen) eine Tragik mitschwingt.
„Du lebst im Moment, Papa, im Hier und Jetzt und immer nach Gefühl. Das hat auch sein Gutes.“
In «Der vergessliche Reise» schreibt David Wagner sehr persönlich über die Zeit mit seinem Vater, der, zweifach verwitwet, zunehmend unter Demenz leidet. Zwischen den Kapiteln vergeht immer einige Zeit; zunächst wohnt der Vater noch alleine in seinem Haus und wird dort regelmässig betreut, später steht der Umzug ins Heim an. Er erzählt viel und gerne aus der Vergangenheit, doch weiss man nicht immer, was wahr und was Phantasterei ist. Ganz allmählich verschwindet er, zusammen mit seinen Erinnerungen.
David Wagner fängt diese Momente wunderbar ein. Die Umkehrung der Rollenverteilung von Vater und Sohn geschieht ohne die Schrecken, die Demenz ebenfalls mit sich bringen kann; ihr Umgang mit der Situation bleibt liebevoll und geduldig. Leichtfüssig und berührend schildert der Sohn meist Dialoge, die nur ganz selten von Traurigkeit geprägt sind: Der Vater ist glücklich, obwohl er sich bewusst ist, dass er vergisst.
Wer sich für das Thema interessiert, dem empfehle ich an dieser Stelle übrigens auch «Der alte König in seinem Exil» von Arno Geiger (wurde hier auch schon vorgestellt), das ich ebenfalls sehr berührend fand.
Sein Vater ist David Wagner immer wie ein Riese vorgekommen. Nicht nur körperlich. Der kluge, gebildete Wagnerliebhaber, der seine beiden Frauen in den Tod begleitet hat, war präsent und kompetent. Auch wenn in den letzten Jahren das Verhältnis- auch wegen der schwierigen Stiefmutter- etwas eingetrübt war.
Wagner beschreibt leichtfüßig meist in Dialogen, wie es so ist, mit dem Vater, der sich durchaus immer wieder selbst darüber bewusst ist, dass er vieles vergisst. Die Besuche bei ihm sind meist von Zuneigung und Fröhlichkeit geprägt, der Vater ist wie früher charmant und zugänglich. Teils schwelgen Sohn und Vater in Erinnerungen an Menschen und Wohnorte. Das zunehmende Vergessen findet für den Vater aber ohne ersichtliche Qualen statt.
Dass der Vater vom Sorgenden zum Umsorgten wird, vollzieht sich hier nachdenklich, aber nicht dramatisch. Das Buch zeigt, wie Sohn und Vater die Dinge nehmen, wie sie sind, ohne groß zu pathologisieren. Ein Buch, das gut zu lesen ist, meisterlich geschrieben und nie langweilig und das Mut bei einem Thema macht, das sonst oft mit sehr viel Schwere behandelt wird. Eine neue, authentische Perspektive aus einer persönlichen Erfahrung- das ist doch schon ganz schön viel!
Zu persönlich, zu realitätsnah erzählt Wagner hier zu beiläufig von seinen Erfahrungen mit seinem dementen Vater. Dies ist ja ok, so war sein toller Vorgängerroman "Leben" von Erfahrungen rund um seine Lebertransplantation gespickt, teils humoristisch, teils melancholisch so ist 'Der vergessliche Riese' aber so trivial wie uninspiriert. Durch häufige Wiederholungen evoziert der Autor den Demenzeindruck zwar, lässt aber jegliche Charaktertiefe, vor allem vom Erzähler her, banal wirken und fehlen. Man soll dem 'Riesen' auf die schliche kommen und sich wie der Angehörige eines Demenzkranken fühlen. Dass hier aber auf Beschreibungen fast vollständig verzichtet wird um eine beinahe alltägliche Episode zu erzeugen, tut dem Interesse des Lesers überhaupt nicht gut. Nicht alles muss so beiläufig sein wie das Apfelmus in 'Leben', daher ist 'Der vergessliche Riese' schnell aus meinem Gedächtnis verschwunden. meh.
Sehr berührende und herzerwärmende Erzählung über die Beziehung zwischen Sohn und Vater und wie diese sich durch die Demenz des Vaters wieder näher kommen, als sie es seit Jahren gewesen sind.
Zusammen mit "Vier Äpfel" meiner unmassgeblichen Meinung nach sein bestes Buch. Liegen aber auch einige Jahre dazwischen (auch, was meine Lektüre angeht). Auf sehr unterschiedliche Art gut!