Zwei junge Frauen: Charles und Gwen. Charles muss mit ihren Post-Hippie-Eltern aufs Land ziehen und will da unter keinen Umständen hin. Auf einen Kiosk, eine Palme und das Internet ist zum Glück noch Verlass. Und Gwen? Sie wohnt ganz in der Nähe und führt dort unbemerkt ein wildes, schmutziges Leben, um dem Wohlstand ihrer Eltern zu entkommen. Das Geld, das sie den Jungs aus der Tasche zieht, während sie mit ihnen schläft, spendet sie. Dass die beiden sich kennenlernen, ist definitiv überfällig.
Lisa Krusche erzählt in ihrem Debütroman »Unsere anarchistischen Herzen« von den Zumutungen des gegenwärtigen Lebens. Wie soll man eigentlich rebellieren, wenn sich alles schon verloren anfühlt? Was einem bleibt, ist die Freundschaft. Und die entwickelt eine explosive Kraft.
»Lisa Krusche beseelt alles durch ihre starksehnig poetische und quecksilbrig mischfreudige Sprache, und ihr endloser Einfallsreichtum zeigt mir – und den meisten anderen Dichtern deutscher Sprache – wie steinalt und roboterhaft wir inzwischen geworden sind.« Clemens J. Setz
»Lisa Krusche entwirft ein phantastisches Panorama ... Überzeugend in den literarischen Mitteln und eminent politisch.« Klaus Kastberger, Jurymitglied Bachmann Wettbewerb
Lisa Krusche, geboren 1990 in Hildesheim, lebt in Braunschweig. Studium der Kunstwissenschaften an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig (HBK). Veröffentlichte in Zeitschriften und Anthologien, u.a. in »Mindstate Malibu. Kritik ist auch nur eine Form des Eskapismus«. 2019 erhielt sie den Edit Radio Essaypreis. 2020 den Hans-im-Glück-Preis und den Deutschlandfunk-Preis bei den 44. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. »Unsere anarchistischen Herzen« ist Lisa Krusches erster Roman.
Wo wohnen die Coolen? In Hildesheim! Lisa Krusche ist mir erstmals beim Bachmann-Wettbewerb 2020 aufgefallen, dort hat sie, nachdem ihre Lesung zu einem mittelschweren Meltdown bei Jury-Mitglied Philipp Tingler geführt hatte, den Deutschlandfunk-Preis gewonnen. Aber schon zuvor hat Krusche gewusst, was der heiße Scheiß ist, hat sie doch an der Anthologie Mindstate Malibu mit Joshua Groß, Clemens J. Setz et al. mitgewerkelt. Jetzt also endlich ihr Debütroman; Setz hat auch gleich den blurb to end all blurbs beigesteuert: "Lisa Krusche beseelt alles durch ihre starksehnig poetische und quecksilbrig mischfreudige Sprache, und ihr endloser Einfallsreichtum zeigt mir – und den meisten anderen Dichtern deutscher Sprache – wie steinalt und roboterhaft wir inzwischen geworden sind" (Setz natürlich in Wahrheit nicht alt und roboterhaft, sondern literarischer Superheld).
"Unsere anarchistischen Herzen" spielt in Käffern nahe Hildesheim und erzählt von der Freundschaft zwischen Charles und Gwen. Nachdem Charles' Vater, ein bildender Künstler in der Krise, nackt durch Charlottenburg gelaufen ist, zieht die Mutter die Notbremse und schleppt die Familie samt Charles und ihrem anfangs 9-jährigen Bruder Nico in eine Hippiekommune im ländlichen Niedersachsen. Charles vermisst Berlin, vor allem ihren Freund Gustav, muss aber für die aus der Bahn gekegelten Eltern sorgen. Im Kiosk von Sinan trifft sie schließlich auf Gwen, die das Lädchen zum Boxenstopp für ihr Doppelleben nutzt: Gwen stammt aus einer reichen, aber emotional kalten Familie, verabredet sich über Tinder zum Sex mit Männern, die sie nicht leiden kann und die sie dann bestiehlt, und gerät mit bad boys in Prügeleien. Charles, Gwen und Sinan tun sich zusammen...
Hier sind die vielgescholtenen Millennials die pragmatischen, dem Leben zugewandten Charaktere, während die Elterngeneration, desillusioniert vom Hippie- bzw. Yuppie-Lifestyle, verdrängen und scheitern. Vom Vibe her erinnert die Geschichte an Tschick, auch wenn sie erzählerisch ganz anders angelegt ist: Kurze Kapitel spiegeln abwechseln die Sichtweisen von Charles und Gwen, und Krusche gelingt es ganz hervorragend, digitale Kommunikation organisch einzubinden. Ihre Sprache ist smart, authentisch und realistisch, sogar Gwens Ausflüge in den freien Vers knallen und sind atmosphärisch gelungen. Wiederkehrende Motive (Melone, Oktopus) lassen an Groß denken, die Synästhesien (insbesondere die Farbe blau) an Setz.
Krusche wählt eine Sprache, die die zunehmend digitaliserte Welt treffend abbildet, ohne an Emotionalität einzubüßen. Das, ladies und gentlemen, ist die Zukunft des Erzählens, und wenn die Jury des Deutschen Buchpreises nicht völlig durchgeknallt ist, wird dieses Debüt zack zack nominiert. Mehr zum Roman gibt's in unserer aktuellen Podcast-Folge. Unser Interview mit der wunderbaren Lisa Krusche hört Ihr hier.
"Die machen hier gar keine Kunst", sagt Sinan, "die machen Literatur." "Oh mein Gott", sage ich, "das ist ja noch viel schlimmer." "
Der Roman ist ein wilder Ritt auf einem Pony namens Gerd, ist wütendes Schlägern auf verwahrlosten Parkplätzen, ist Melonenkaugummi kauen im heimeligen Kiosk. Charli und Gwen strugglen mit den Allüren ihrer Eltern, mit den Umbrüchen und Verwerfungen des Lebens, mit dem Versuch die Familie, oder auch nur sich selbst zusammenzuhalten. Während Charles ihr geliebtes Berlin verlassen muss, um ihre Eltern auf ihrem Selbstfindungstrip aufs Land in eine Art "Villa Kunterbunt" zu begleiten, führt Gwen ein Doppelleben zwischen Straßengang und reichem Elternhaus. Jede ist auf ihre Art lost - oder sind es die Anderen, die lost sind? Erst in der Mitte des Buches kreuzen sich ihre Wege und gemeinsam stellen sie sich dem Wahnsinn ihrer Zeit.
Ich habe beim Lesen einen explosiven Mix aus Melancholie, Rebellion, Liebe, Komik und Gesellschaftskritik erlebt. Mit unglaublich schönen, treffenden, manchmal auch rotzigen Worten fängt Lisa Krusche lebensechte Dialoge, Stimmungen und Befindlichkeiten einzigartig ein. Poetisch anmutende Zeilen sind in Form von Twitter-Meldungen im Text verteilt und geben Gwens Gedankenwelt eine rätselhafte Tiefe. Es macht unglaublichen Spaß, die verschiedenen Motive immer wieder im Text zu entdecken: den Milchzahn, das Steine sammeln, Melonen und mit Farben beschriebene Gefühlszustände. Ich bin absolut begeistert und wünsche mir mehr mehr mehr davon!
An und für sich ein toller Coming-of-Age Roman. Allerdings gibt es einen Punkt, der meine Begeisterung erheblich trübt: Auf Seite 373 findet sich ein Zitat von Kimya Dawson & Antsy Pants, das ohne entsprechende Kennzeichnung wiedergegeben wird. Dieser offensichtliche Plagiatsvorwurf wirft einen Schatten auf das ansonsten gelungene Werk.
Charles muss Berlin verlassen. Ihre Eltern zieht es aufs Land, wo sie in einer Art Post-Hippie-WG wieder zu sich selbst finden wollen. Gwen lebt derweil schon immer in Hildesheim und verachtet dort still ihre neureiche Familie, getraut sich aber nicht so wirklich, offen zu rebellieren. Beide Familien sind auf ihre eigene Weise dysfunktional, und so ist es längst überfällig, dass die zwei jungen Frauen zusammenspannen.
Lisa Krusche porträtiert eine Generation, die von Älteren gerne belächelt wird. Hier aber sind es die Jugendlichen, die das Leben pragmatisch angehen und auskosten mit den Möglichkeiten, die sie haben. Es sind ihre Eltern, die in Schaffens- und Sinnkrisen stecken und maximal verzweifelt versuchen, das Bild aufrechtzuerhalten; die Kinder müssen dabei selbst schauen, wo sie bleiben.
Überzeugend ist auch die Sprache, die generationengerecht gewählt ist, ohne anbiedernd oder übertrieben zu wirken. Da werden Gedanken per Textnachricht ausgetauscht, kleingeschrieben und satzweise abgeschickt. Es wird getrunken, gekifft und getanzt, geliebt und gehasst und auf Pony Gerd zur nächsten Dorfparty geritten, wo das aktuelle love interest oder einfach nur der nächste Absturz wartet. So schreibt man ein authentisches Buch. Sehr erfrischend!
Uff, es tut mir echt leid, so eine schlechte Bewertung zu geben, aber das Buch war einfach nichts für mich. Ich kann gut verstehen, dass andere Leute es toll finden, aber ich musste mich zeitweise echt durchquälen. Die Autorin kann auf jeden Fall mit Sprache umgehen, mir waren das aber zu viele Wortspielereien, Metaphern und Lyrik ohne Kontext. Als Text performt bei einem Poetry-Slam hätte es mir vielleicht gefallen; als ganzes Buch hat mir manchmal einfach die Handlung gefehlt.
Ich habe das Buch zum 2. Mal gelesen und fand es nun viel besser als beim 1. Mal! Das Buch ist nichtsdestotrotz sehr speziell und nicht für jedermann was. Teilweise fand ich manche Konversationen der beiden Figuren etwas zu abgespacet und relativ unrealistisch.
Man hat bei beiden Protagonistinnen nicht das Gefühl, dass da Teenager sprechen und denken. Mir ist schon bewusst, warum Gwen und Charles Teenager sein müssen - immerhin ist der Konflikt zwischen ihnen und ihren absolut verlorenen Eltern der Kern der Geschichte - aber ich frage mich, ob man das nicht auch hingekriegt hätte, wenn man zumindest Twens aus ihnen gemacht hätte.
Zum zweiten müsste zumindest die Kindle-Version noch einmal überarbeitet werden. Ich habe noch in keinem Roman so viele Rechtschreib- und Grammatikfehler gelesen.
Jetzt, wo ich die Meckerpunkte genannt habe, bleibt mir aber nur Begeisterung. Wuchtige, poetische Wortgewalt, so unglaublich viele Gefühle - ich habe das alles geliebt. Es gibt chosen family und Wut und zugleich sehr viel Vergebung, Hoffnung und Resignation und all das ist ein sich bis zum Schluss ständig wiederholender Kreislauf. Die Art, wie Gwen und Charles eigentlich nur sehr verloren und verzweifelt sind bis zu diesem Punkt, an dem sie aufeinandertreffen, wie sie sofort einander erkennen, wie sie sich sofort ineinander verlieben, ist wundervoll. Oh, und jede*r bräuchte einen Sinan im Leben.
Charles Eltern scheitern am Leben und ziehen von Berlin nach Hildesheim. Natürlich gegen den Willen von Charles, die ihr Leben hinter sich lassen muss. Gwens Eltern scheitern an ihrem Menschsein und gleichen das durch ihren Reichtum aus. Was Gwen auch nichts bringt. Diese beiden jungen Frauen erzählen abwechselnd ihre Geschichte und ihr Zusammentreffen, und alles was dann noch passiert.
Lisa Krusche schreibt schnelle und lebendige Szenen, überbordend an Emotion und Spielerei. Ich muss mich an ein paar Sachen gewöhnen und muss über die Szenebeschreibungen a lá Bret Easton Ellis hinwegkommen, dann bin ich für die restlichen 400 Seiten vollkommen drin. Ich verliebe mich vor allem in Charles und wenn das Herz von Gwen durch die Seiten scheint, berührt es mich.
Lisa legt einen krassen ersten Roman hin, mit eigener Sprache und Witz und tollen Bildern, die es mir nicht immer einfach machen, es aber wert sind.
Unsere anarchistischen Herzen ist ein Pro-Kleinstadt-Roman, eine Liebeserklärung an Freundschaften (zu Mensch und Tier und Natur und sowieso) und großartigstes Kopfkino.
Wie Zuckerwatte, klebrig, zuckersüß, manchmal aber auch zu viel, sodass einem die Zähne wehtun. Letztes Drittel etwas zäh und oh my, SO VIELE Rechtschreibfehler in der ersten Auflage.
Dnf ca 150 Seiten - ein Pony namens Gerd und andere Elemente der Story geben mir leider zu starke Pippi Langstrumpf bzw YA vibes. Wahrscheinlich nehme ich mich selbst zu ernst als „erwachsene“ Leserin, aber kann mich hier leider nicht durchquälen