Das Leben im Berlin der Zwanzigerjahre gleicht einem Tanz auf dem Vulkan. Zumal sich die Magie auf der Straße und im Nachtleben breitmacht. Eine Frau verschwindet und taucht wenig später als Steinstatue wieder auf. Nazis machen mit einem aus dem Nichts beschworenen Adler Jagd auf politische Gegner, und selbst das Varieté fügt den ohnehin schon abgefahrenen Nummern ein paar übernatürliche hinzu. Sogar der Reichstag berät über die Möglichkeit einer Wiederbewaffnung mit magischen Mitteln. Die junge Physikerin Nike Wehner arbeitet nicht nur wissenschaftlich daran, das neue Phänomen zu verstehen, sondern hilft auch der Berliner Polizei bei der Aufklärung magischer Verbrechen. Zur Seite stehen ihr der Bildhauer Sandor Černý und der kurz vor der Pension stehende Kommissar Seidel. Zusammen bilden sie die erste Spezialeinheit einer neuen Magiepolizei.
Für mich zerfiel das Buch in drei Teile. Der erste Teil hat mir noch am besten gefallen: es beginnt im Prolog als Alternate History Erzählung, bei der während der Solvay-Konferenz im Jahre 1927 Überraschendes vorgestellt wird, nämlich die Magie als eine Art neue Kraft zu deren Beschreibung eine neue physikalische Theorie aufgestellt werden soll. Hier gibt es ein reges name-dropping bekannter und berühmter Physiker (Einstein, Heisenberg, Planck, Schrödinger usw.) und der viel zu wenigen Physiker- (bzw. Chemiker-) innen (Lise Meitner und Madame Curie), zu denen im Buch noch die Protagonistin Nike Wehner gehört. Es dauert allerdings ziemlich lange, bis es zu einem wirklichen Gespräch zwischen Nike auf der einen und Meitner und Einstein auf der anderen Seite kommt. Nike soll der Magie im Buch einen wissenschaftlichen Touch geben. Sie erforscht Entstehung und Gesetze der Magie und findet unter anderem heraus, dass zur Ausübung der Magie verschiedene Komponenten nötig sind, wie Wissenschaft und Kunst, sowie Mann und Frau. Nach dem Einstieg entwickelt sich eine Kriminalgeschichte, denn nun wird ein Toter gefunden, dessen Tod mit der neu entdeckten Magie in Zusammenhang steht und Nike unterstützt die Polizei bei den Ermittlungen. Nach und nach kam mir nun aber das Setting sehr bekannt vor: ein Berlin der zwanziger Jahre, die politischen Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik, der Aufstieg der Nationalsozialisten, die auch die Polizei unterwandern. All dies ist nicht neu und wurde für mich im Buch nicht überzeugend genug erzählt, ein Eintauchen in dieses Berlin ist mir nie gelungen. Mich haben die zugehörigen Figuren nicht wirklich überzeugt, sie wirkten zu sehr, wie aus dem 21. Jahrhundert und zudem funktional: wir brauchen einen schwulen Mann, eine lesbische Frau, eine Person, die dazwischen (oder daneben, oder darüber) ist, jemanden für den Rassismus, einen “Guten” bei der Polizei, böse Nazis und so weiter. Trotz dieser Mängel machte die Stadt den größten Reiz des Buches für mich aus, die Magie fand ich immer absurder. Im Mittelteil verliert das Buch den Fokus ein wenig, die Krimihandluntg tritt zurück, es geht stärker um die Beziehungen der verschiedenen Personen. Nike findet Georgette, die ihr hilft, ihre sexuelle Identität zu finden, und ständig wird über Geschlechterrollen diskutiert. Dies hat mich irgendwann etwas genervt, weil ich mich stark belehrt fühlte, weil man mich immer wieder aufmerksam machen wollte auf die Frauenfeindlichkeit, den Antisemitismus, den Rassismus usw. Es ist eigentlich nicht nötig, dass sich die Protagonisten ständig darüber unterhalten, es reicht völlig, wenn man es sie erleben lässt. Amüsiert habe ich mich hier über die Ausführungen zum Goldenen Schnitt als verbindendes Element zwischen Wissenschaft und Kunst. Wenn man allerdings soviel dazu schreibt, hätte eine kurze Definition auch noch hineinpasst, zumal dies auch wunderbar ohne Formel geht. Insgesamt hatte ich im Mittelteil das Gefühl, dass dies der Teil ist, der eine Botschaft vermitteln soll und unabhängig davon geschrieben werden kann, wo und wann das Buch vorgibt zu spielen. Im Schlussteil eskaliert die Handlung, die Bösen versuchen, mittels der Magie Schlimmes zu tun und unsere Protagonisten versuchen, es zu verhindern. Das liest sich durchaus spannend und hatte etwas vom Showdown im Superhelden-Film oder bei Harry Potter, denn eigentlich erinnert mich die Magie daran. Es rettet aber das Buch nicht mehr. J.C. Vogt ordnen ihr Buch in das Regal “Urban Fantasy” ein und ich denke, das ist eine gute Wahl. Ich würde es nicht im Bereich “Science Fiction” verorten, für mich ist auch das Herumfuchteln mit Holzstöckchen wobei dann lateinische Sprüche gemurmelt werden, keine SF. Allerdings ist dies natürlich keine Qualitätseinteilung, sondern eine reine Genreschublade. Weniger Botschaft, weniger Belehrung, weniger Magie, das hätte ich mir gewünscht. (Ok, dann bleibt nicht mehr viel übrig, aber dafür kann ich nichts.)
Was kann ich zu diesem Buch sagen? Ich habe es in 2 Tagen durchgesuchtet und es ist SO GUT. Es ist so gut, dass ich es wahrscheinlich gleich nochmal von vorne anfangen und in Ruhe und ganz langsam durchlesen werde. "Babylon Berlin" mit Magie, verspricht der Klappentext und genau das ist es, aber noch so, so viel mehr! In diesem Buch steckt so viel Wahres, so viel Weisheit, so viele Dinge zwischen den Zeilen, die mir aus der Seele sprechen. Ich habe geheult, ich habe gelitten, gekämpft und geliebt. Wenn aus der Verbindung von Kunst und Wissenschaft Magie entsteht, wenn zwei ganz unterschiedliche Aspekte sich die Hand reichen müssen, um etwas zu erreichen und dann über sich selbst hinauswachsen, um noch viel größer zu werden, dann ist das die Essenz dieses Buches, die ich für mich mitnehme. Lest dieses Buch.
Spannende Geschichte mit Krimielementen, die einen alternativen Geschichtsverlauf startet. In Berlin entdeckt Nike wie durch das Zusammenspiel von Kunst und Wissenschaft so etwas wie Magie gewirkt werden kann. Natürlich wollen alle dieses Phänomen für sich nutzen und Nike steht, ungewollt, mitten drin.
Die Geschichte ist eher langsam erzählt, es gibt viele Details (ob es nun wissenschaftliche Erkentnisse oder Politik sind) und die Protagonist*innen haben Zeit sich zu entwickeln. Ich liebe es wie hier queere Geschichten mit eingebaut werden, auch wenn es noch keine Namen dafür gibt, zumindest keine die uns heute geläufig sind. Die Zeit an sich ist auch sehr gut recherchiert und das alter Berlin der 1920er wird lebendig.
Leseempfehlung wenn ihr eine tiefgründige Geschichte, vor historischem Hintergrund lesen wollt.
Es manifestiert sich, dass Kunst als vorherrschendes Thema in Büchern nicht mein Fall ist. Finde das ganze Konstrukt Physik/wissenschaftlich in Verbindung mit Kunst und dem Dualismus (männlich/weiblich) als Magie schöpfende Notwendigkeit recht seltsam. Dazu das Berlin der 20er, Nazis, die Creme de la Creme der Wissenschaft ( Curie, Heisenberg, Einstein etc) und ein Kriminalfall. Das ist alles nicht schlecht geschrieben, kann mich auf Inhalts- und Logikebene nicht einnehmen.
„Babylon Berlin mit Magie“ – wer könnte da schon widerstehen? Ich war unheimlich gespannt auf das Buch des Autorenduos Judith und Christian Vogt. Ich bin eine begeisterte Fantasy-Lerserin und mochte Babylon Berlin unheimlich gerne. Und dann klang der Klappentext – besonders die rätselhaften Phänomene - so verlockend, dass ich gleich meine Nase in das Buch stecken musste.
Ich merkte jedoch gleich, dass ich das Buch vollkommen falsch eingeschätzt hatte. Erwartet hatte ich einen spannungsgeladenen, schnellen Roman voller fantastischer Elemente im bewegten Berlin. Was ich nicht erwartet habe, war eine Bandbreite an Komplexität der Charaktere, eine wissenschaftliche Herangehensweise an die Magie, Feminismus, Gendergerechtigkeit, politische Verstrickungen und ein authentisches Berlin der 1920er. Kurzum: Ich habe das Buch gnadenlos unterschätzt.
Die Atmosphäre hat mir unheimlich gut gefallen. Es fühlte sich wahrhaft an wie das Pulverfass, das Berlin zur damaligen Zeit gewesen sein muss. Während nachts ausgelassen gefeiert wurde, Hüllen fallen gelassen und Hemmschwellen überschritten wurden, drohte immer im Hintergrund die Ahnung einer dunklen Gefahr. Einer der Kernelemente des Buches ist die politische Lage der damaligen Zeit und die Verstrickungen der Charaktere mit und in der Politik. Mir persönlich hat es wahnsinnig gut gefallen, dass die Autoren sich eben nicht nur an dieser Umbruchsatmosphäre bedient haben, sondern auch die Schreckensseiten, die sich ankündigten, mit in ihrem Buch verarbeitet wurden. Ich interessiere mich persönlich sehr für Politik und fand die Verarbeitung und Verbindung mit der Magie sehr gelungen.
Das Magiesystem an sich habe ich leider noch nicht vollständig greifen können. Mir ist es bei Fanatsy-Büchern sehr wichtig, dass das Magiesystem logisch aufgebaut ist und dass ich dieses auch verstehe. Ersteres ist definitiv der Fall. Ich habe es sehr genossen, mit welcher wissenschaftlichen Akribie die Autoren an die Magie herangegangen sind. Den zweiten Punkt kann ich leider nicht ganz bestätigen, da mir das System nach wie vor etwas zu vage gehalten ist, als dass ich es verstanden hätte.
Normaler Weise lese ich in einem wirklich hohen Tempo, das war bei diesem Buch insofern nur in Grenzen möglich, da ich die Magie und Komplexität zu gut wie möglich verstehen wollte. Aus diesem Grund musste ich vor allem zu Beginn des Buches mein Lesetempo drastisch drosseln. Doch lag es nicht nur an der physikalischen Komponente, sondern auch an der gesellschaftlichen Note. Neben Wissenschaft und Politik ist ein weiteres Kernelement des Buches die Gesellschaft und das eigene Selbstbild. Es geht um Feminismus, Sexismus, Geschlechteridentität und Akzeptanz. Jeder Charakter setzt sich auf die eigene Art und Weise mit diesen Themen auseinander, was mir sehr gut gefallen hat. Leider zieht sich dadurch ein klitzekleines bisschen die Handlung etwas in die Länge, aber ich finde es sehr wichtig, dass nicht nur heteronormative Charaktere vorkommen, die im Fantasy-Bereich einfach überrepräsentiert sind. Daher schweift die im Klappentext angedeutete Handlung zwar etwas ab, macht dabei jedoch Platz für ein unheimlich wichtiges Thema. Und das auf eine sehr natürliche und niemals aufdringliche Art und Weise. Ich habe das Gefühl, mit meinem Gestammel dem überhaupt nicht gerecht zu werden, deshalb hier in aller Kürze: Es hat mir unheimlich gut gefallen und ich finde es toll, dass im deutschsprachigen Raum endlich mehr Platz im Fantasybereich gemacht wird.
Als Ur-Berlinerin haben mir in besonderem Maße die tollen Schilderungen Berlins gefallen. Ich freute mich nicht nur diebisch, wenn mir bekannte Orte auftauchten. Denn viele der Handlungsorte gehören zu meinem Leben dazu, wie zum Beispiel die HU oder der Ku’damm. Aber es gab so viele weitere schöne Anekdoten: Baden im Strandbadwannsee, Berliner Luft mit Mampe Halb & Halb, Gropius und andere namhafte Menschen. Doch selbst ich konnte so viel Neues noch lernen über die Stadt, in der ich lebe und großgeworden bin, wie zum Beispiel über das Eldorado oder den Sozialen Wohnungsbau unter Taut. Neben all den schönen Seiten hat Berlin natürlich noch eine weitere schreckliche, aber enorm wichtige Seite: die Zeit der Nationalsozialisten. Auch hier habe ich viel Neues lernen können oder habe bereits gelerntes bestätigt gesehen. Nicht nur einmal legte ich das Buch zur Seite, um mich mit bestimmten Personen auseinanderzusetzen.
Wissenschaft, Politik, Geschlechteridentität, Magie und Kriminalfall. Dieses Buch möchte auf knapp 500 Seiten all dies miteinander verbinden. Und schafft es überraschender Weise sehr gut.
Auf "Anarchie Déco" hab ich lange hingefiebert und ich wurde nicht enttäuscht. <3 Trotz der phantastischen Elemente ist es ein tolles Portrait der späten 1920er und es gelingt Judith und Christian von Anfang an, diese Epoche lebendig zu machen. Dazu noch ein großer Kriminalfall, Magie, Architektur, Kunst und eine Prise Anarchie, was will man mehr? :D
Ich muss gestehen, als totaler Physik-Noob bin ich an vielen Stellen zwar nicht ganz nachgekommen (dafür hatte ich in der Szene zum Goldenen Schnitt und der Fibonacci-Folge denselben Erleuchtungsmoment wie Sandor :D), das ist aber auch nicht schlimm, weil der Fokus nicht darauf liegt, Magie bis ins Detail zu erklären, sondern viel eher, sie in das gesellschaftliche Konstrukt der Zeit einzubetten und zu hinterfragen.
Leider hatte ich zu einigen der Figuren keinen so guten Draht, wie ich es mir gewünscht hätte (keine Ahnung, woran das lag), aber insgesamt habe ich den Cast trotzdem sehr lieb gewonnen und bis zum Ende mitgefiebert.
Ich hoffe sehr, dass die Geschichte noch weiter geht, denn gefühlt stehen wir jetzt erst am Anfang von etwas sehr Großem und Spannendem. Nicht nur hinsichtlich der Magie und der Dinge, die da kommen werden, sondern auch in Bezug auf die Entwicklung der Hauptfiguren, die im Laufe der Geschichte neue Seiten an sich und ihrer Identität entdeckt haben - oder sich zumindest getraut haben, diese anzuerkennen und zu benennen.
Danke für die schönen Lese- bzw. (in meinem Fall) Hörstunden. <3
Auch wenn schon durch den Klappentext klar wird, dass die Politik ein wichtiges Thema zur Zeit der Geschichte ist, war mir vor allem diese doch irgendwie zu viel – vor allem in den ersten zwei Dritteln des Buchs. In dem Teil des Romans wurde ich auch nicht wirklich mitgerissen oder gepackt von Handlung oder Charakteren. Zwar wollte ich immer wissen, wie es weitergeht, aber die langsam voranschreitende Handlung und die endlos langen Kapitel haben die Spannung insgesamt doch sehr gering gehalten. Ab dem elften Kapitel wurde es dann anders. Das Tempo hat stark zugenommen und ich bin quasi auf das Finale zugerast. Die Bösen waren keine Überraschung, aber ich mochte trotzdem sehr, wie das Finale aufgebaut war und die einzelnen Charaktere in unterschiedlichem Maß über sich hinausgewachsen sind in dieser letzten, sehr langen Szene. Die Politik war natürlich auch am Ende (und vor allem im letzten Kapitel) auch noch wichtig und präsent, aber eben nicht mehr so der Fokus, wie es im Mittelteil vor allem der Fall war. Dadurch gab es dann doch vier statt vorher angedachten drei Sternen für den Roman!
Ernst Gennat (1880-1939) war als erfolgreicher Mordermittler der Berliner Kriminalpolizei eine Legende. Judith und Christian Vogt stellen der historischen Figur eine inoffizielle Arbeitsgruppe für Magie an die Seite, in der u. a. die Physikerin Nike Wehner tätig ist. Die Magie-Beratung ist raffiniert eingefädelt; denn die Spezialisten haben keine Polizeibefugnisse und ihre Erfolge könnten sich theoretisch die etablierten Ermittler ans Revers heften. Dem schlitzohrigen Gennat traue ich ohne Weiteres zu, dass er mit seinen Magiebeauftragten für kommende antisemitische Verschwörungstheorien gerüstet sein und seinen eigenen Thinktank bereithalten wollte.
Das Team bekommt es mit unheimlichen Vorgängen im Windschatten von Bauindustrie und Grundstückspekulation zu tun, als eine Frau in eine Marmorfigur verwandelt wird. Tod durch Baumaterial quasi. Spätestens, als ein weiterer Toter sich als Nachlassverwalter von Rosa Luxemburg herausstellt, kann Versteinerung als Mordmethode nicht mehr als Zufall abgetan werden.
In der Szene der Kessen Väter, Transvestiten und Voyeure der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts lassen Vogt&Vogt interessante Figuren auftreten. Über Nikes Entwicklung vor dieser Handlung hätte ich gern mehr erfahren; das Lektorat könnte größeres Augenmerk darauf richten, dass sich keine Modernismen in Dialoge eines historischen Settings einschleichen. Insgesamt: Eine intelligenter, flotter Mix aus Gennatscher Genialität und kultigem Peter Grant.
Zu diesem genialen Buch gibt es nach dem Erscheinungstag (25.08.2021) dann eine ausführliche Rezension von mir auf dem Blog der Liebsten @lesewahn. (Ihr wisst schon, wo Ihr suchen müsst) ;)
Ich habe lange keine deutsch-sprachigen SFF Bücher gelesen, aber langsam finde ich die Autor*innen, die mich begeistern und die tatsächlich diverse Fantasy/Science Fiction schreiben. Und die Vögte gehören definitiv dazu.
Ich wünschte dieses Buch hätte es schon gegeben als ich ein Teenager war.
In my opinion, this book should be translated and published in english as soon as possible. I think a lot of people around the world would love to read it, too!
Anarchie Déco lässt mich tatsächlich mit einem gemischten Gefühl zurück und ich bin ehrlich hätte ich es nicht in einem Buchclub gelesen, dann hätte ich es wahrscheinlich abgebrochen, aber gelohnt hat es sich auf jeden Fall. Der Schreibstil und ich sind zwar bis zum Schluss nicht wirklich warm miteinander geworden, aber die Themenvielfalt hat mir unglaublich gut gefallen. Sie reicht von Magie, Kunst, Wissenschaft über Generationenkonflikte, Gender, LGBTQ+ Elemente, Sexualität bis hin zum Nationalsozialismus, Politik und Mordermittlungen. Doch genau hier liegt schon der casus knacksus. All diese Themen sind unglaublich wichtig, aber es war für einen Einzelband einfach zu viel, sodass die Charaktere, die Handlung, aber ganz besonders auch die Ermittlungen und die fantastischen Elemente darunter gelitten haben. Ich würde dieses Buch tatsächlich eher als historischen Krimi betiteln als eine fantastische Geschichte. Nike, Sandor, Georgette und Co. fallen auf jeden Fall aus dem Rahmen und ich bin dem Duo auf jeden Fall sehr dankbar, dass sie aus der Kategorie Normgeschichte ausgebrochen sind und gezeigt haben, was alles möglich ist, wenn sich die Autoren und Verlage einfach mehr trauen etwas auszuprobieren. Das rechne ich ihnen hoch an, trotzdem war die Geschichte die meiste Zeit leider sehr langatmig, sehr politisch, wenig magisch, die Ermittlungen drehen sich im Kreis, Nike und Sandor sind überwiegend kaum greifbar, etc., aber dann kamen wieder total tolle Formulierungen und spannende Ereignisse, bevor mich die Geschichte wieder verloren hat, ich die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht auf meinem Reader einzuschlafen. Besonders das Ende hat einige Pluspunkte bei mir sammeln können, wäre es doch früher gekommen, denn Potential hat die Idee, die Hommage an die Wissenschaft und Kunst, die doch nicht so unterschiedlich zu sein scheinen als es auf den ersten Blick wirkt. Eventuell hatte ich auch ganz andere Erwartungen eher Richtung Lockwood & Co, mit dem Fokus auf Magie und den Ermittlungen. Besonders der Schreibstil war ziemlich anstrengend zu lesen und sehr anspruchsvoll. Trotzdem würde ich einen 2. Band definitiv lesen, weil es noch ziemlich Potential hat. Insgesamt eine interessante Geschichte mit vielen wichtigen Themen, die angesprochen werden, aber teils doch ein wenig die Spannung aus der Geschichte herausgenommen haben. Dennoch vergebe ich 3/5 Sterne und freue mich schon auf das nächste Buchclub Buch, denn der Austausch hat ziemlich viel Spaß gemacht.
Hachja, dieses Buch. Es hat sehr, sehr viele gute Aspekte und Momente, allerdings braucht es lange um sein Potential zu entfalten. Die erste Hälfte hat sich zum Teil wie ein Mind Map gelesen. Viele Ideen, Themen und Protagonisten wurden genannt, aber ich konnte keinen richtigen Zusammenhang erkennen und musste mich oft zum weiterlesen motivieren.
Ab der Mitte des Buches wurde es besser und es wirkte, als hätten die Autoren selbst auch da erst gemerkt, wo sie mit der Geschichte hin wollen. Der Schreibstil wurde dadurch auch angenehmer und es stelle sich ein gute Lesefluss ein. Ich konnte das Buch dann auch kaum noch aus der Hand legen, weil ich unbedingt wissen wollte was nun passiert.
Durch die Menge an Themen blieb allerdings die Magie und die Ermittlungen auf der Strecke. Ich würde das Buch deshalb auch nicht als Fantasy-Titel bezeichnen. Die Magie kommt erst auf den letzten Seiten richtig zum Tragen, wird jedoch mehr als physikalisches Phänomen erklärt. Historisch und wissenschaftlich ist es aber sehr gut und konsequent umgesetzt.
2,75/5- Hätte mir eher mehr erwartet, leider. Die Prämisse, genauso wie das allgemeine Theme waren irgendwie mega interessant, aber so richtig abgeholt hat mich die Story dann doch nicht. Ähnliches gilt irgendwie auch für die Charaktere… So richtig warm wurde ich mit keinem, was sehr schade ist, da es sich eigentlich um sehr verschiedene, diverse Charaktere handelt. Trotzdem war das Setting (Deutschland 1920er) ziemlich interessant und (vermutlich) sehr nahe am Realen, was mich gut hat eintauchen lassen.
Ich bin wirklich begeistert, wenn ich ein Fantasy Buch lese, das ein komplett neues Konzept enthält und nicht die üblich verwendeten Storylines verwendet. Und das war hier der Fall.
Die Geschichte spielt in Berlin in den 20er Jahren, als sich die Stadt im Umbruch befindet. Kurz nach dem 1. Weltkrieg herrscht eine Art Pulverfass Atmosphäre ausgehend von politisch linken und rechten Verbänden. Die Erkenntnis, dass Magie unter bestimmten Umständen im Zusammenspiel von Naturwissenschaften und Kunst gewirkt werden kann, verbreitet sich wie ein Lauffeuer und will u.a. von Forschung und Politik genutzt werden.
Unsere Protagonisten Nike (eine Physikerin), Sandor (ein Künstler aus Prag, frisch eingetroffen in Berlin) und Kommissar Seidel (ein Polizist kurz vor der Pension) bilden dabei eine Art Spezialeinheit für magische Angelegenheiten.
Ich habe für meine Verhältnisse sehr lange gebraucht, um das Buch zu lesen, was zum einen daran lag, dass es extrem komplex geschrieben ist und man sich erst in die Geschichte rund um Physik, Kunst, Kriminalfall und deutsche Politik der 20er reinfinden muss. Zum anderen lag es daran, dass ich das Bedürfnis hatte, nach jedem Kapitel das Buch kurz beiseite zu legen und über die wichtigen Botschaften der Geschichte nachzudenken. Es geht neben der Hauptstory nämlich vor allem auch um Selbstfindung und -akzeptanz, Vorurteile und falsche/unangebrachte Rollenbilder (Frauenbild im Allgemeinen, toxische Maskulinität etc.).
Die Protagonisten sind herausragend beschrieben worden. Ohne unnötige Klischees, mit Ecken und Kanten und nicht ohne Fehler. Wir haben Nike, die sich sich Platz im Leben erkämpfen muss als Physikerin, die nicht auf ihre Weiblichkeit reduziert werden will und mehr sein möchte als eine Frau an der Seite eines Ehemanns. Wir haben Georgette, die tagsüber in eine männliche Rolle schlüpfen muss, die sie und ihr Inneres nicht widerspiegelt und wir haben Sandor, der ebenfalls versucht seinen Platz im Leben zu finden und dabei gegen Vorurteile kämpft. Die Geschichte ist durchweg spannend geschrieben und war für mich erst relativ spät etwas vorhersehbar, sonst aber einfach nur grandios. Eine halben Stern Abzug gibt es für das Ende, das mir ein bisschen zu schnell ging und nicht zu 100% meinen Geschmack getroffen hat.
Fazit: Ein Fantasy Buch der anderen Art, für das man sich Zeit nehmen sollte, um die herausragende Story und die absolut wichtige Message dahinter zu würdigen.
Judith und Christian Vogt haben mit »Anarchie Déco« einen fantastischen Roman geschrieben, der im Berlin der 1920er-Jahre spielt und Magie, Kunst und Wissenschaft auf spannende neue Weise vereint. Da ich gefühlt schon unzählige Rezensionen gelesen habe, gehe ich hier nicht groß auf die Geschichte ein, sondern belasse es dabei, dass mich sowohl die Erklärung der Beziehung zwischen Magie und Wissenschaft sowie deren Entwicklung als auch die Beschreibung des Berlins der 1920er-Jahre und die vielschichtigen, diversen und überzeugend beschriebenen Protagonisten in ihren Bann geschlagen haben. Ich habe mich voller Freude in dieses Buch vertieft, mit Nike und Sandor mitgelitten, zusammen mit ihnen vieles angeprangert und der Auflösung entgegengefiebert. Fazit: Bis auf einige kleinere Schwächen und die Tatsache, dass mir das Privatleben der Protagonisten manchmal zu sehr in den Vordergrund rückte, wo ich doch mehr über den Fall und die Entwicklung der Magie erfahren wollte, hat mich der Roman überzeugen können und mir einige unterhaltsame Lesestunden bereitet. Wer Lust auf progressive Phantastik hat, die ausgetretene Pfade verlässt, macht mit diesem Roman alles richtig.
4.5 Ein sehr schöner Roman mit wechselnden Perspektiven, der in ein sehr queeres und authentisches Berlin der Weimarer Zeit führt, das mit einem kleinen aber ergiebigen Schuss Alternativgeschichte getränkt ist. Die Charaktere - allen voran Nike und Sandor - sind glaubhaft gezeichnet und ihre Probleme wirken echt und (von den magischen Eskapaden natürlich abgesehen) nicht überzogen.
Sehr schön fand ich auch das Zusammenwirken der verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen und das Gefühl, dass es manchmal eben auch an den Nebencharakteren liegt etwas zu bewegen. Hier ist keine Idee der großen Männer am Werk, alle Charaktere spielen in einem Ensemble. Nett waren auch die Subversionen einiger typischer Tropoi, aber dazu möchte ich lieber nicht zu viel sagen.
Als einziger Kritikpunkt kam der Höhepunkt zum Ende doch etwas plötzlich und eine Verwicklung mehr hätte vielleicht nicht geschadet. Schön war aber, dass sich typisch für die Zeit eben auch nicht immer alles in Wohlgefallen auflöst. Und ein wenig eine Chance auf ein Sequel hat dem Gefallen auch nicht geschadet.
Nicht begeistert bin ich von der Tagline "Babylon Berlin mit Magie", aber dafür ist das Cover schön.
I think by the end of this book the authors managed to name-drop every famous European 1920s scientist as well as everything else you'd expect to find on the 1920s Berlin wikipedia page... Despite that I never fully felt immersed in the setting.
I'd probably enjoyed this book more if it had been shorter. We didn't really need two perspective characters, they could've easilly dropped Černý's POV. I am happy though that such a diverse book was picked up by a German publisher.
Ich mag Krimis nicht, ich finde das Berlin der 1920er als Ort des Geschehens komplett ausgereizt und scheue den Vergleich zu heute. Kurzum: Ich liebe diesen Roman! Die Analogie zu heute, vor allem in der Stadtentwicklung, ist zudem auch noch sehr interessant. Von der selbstverständlichen Queerness ganz zu schweigen. Absolute Empfehlung.
Bin in drei Tagen durch das Buch durch gewesen und ganz verliebt darin. Es überzeugt mit vielschichtigen Charakteren und einem großartigen Worldbuilding, in dem Diversität sichtbar ist, ohne dass die Schwierigkeiten gerade queerer Leute in den 1920ern unter den Tisch gekehrt werden - im Gegenteil, die Gespräche und performativen Akte über/von Gender, die sich durch das ganze Buch ziehen, haben mir besonders getaugt. Gegen Ende des Romans hin sind mir die Ereignisse ein bisschen zu schnell geworden und ich habe nicht ganz verstanden, was Nike und Sandor im Turm wirklich machen, bzw. wie sie es machen. Allerdings war gerade letzteres so episch beschrieben, dass ich mich einfach davon habe tragen lassen, und das war auch sehr okay. 🤣 So oder so ist es eine klare Leseempfehlung für alle, die Spaß an den Roaring Twenties, cooles magowissenschaftliches Worldbuilding und progressiver Phantastik haben!
Aufgrund der Ausgangslage, der Zeitepoche und der Charaktere hab ich mir sehr viel versprochen. Leider erkunden wir weniger das Magiesystem als erhofft. Insgesamt ist der Funke nicht übergesprungen. Am liebsten hatte ich den Polizisten Herrn Seidel.
‚Anarchie Déco‘ von J.C. Vogt ist etwas Besonderes für mich. Als erstes Buch, das wir im Buchclub ‚Zum Legendarium‘ gelesen haben, wird es mir immer in Erinnerung bleiben. Aber es bleibt mir auch als Geschichte mit tollen und queeren Charakteren in Erinnerung, mit einer einzigartigen Mischung aus Physik, Kunst und Magie. Leider bleibt es mir auch als ein Buch im Gedächtnis das so ganz anders war als erwartet, das zu viel wollte und dessen Magie ich nicht kapiert habe.
Manchmal passt es einfach nicht zwischen einem Buch und mir. Das muss aber nicht nur an der Geschichte liegen, auch ich bin ab und an eine Leserin, deren Gedanken abschweifen und die sich nicht so auf ein Buch konzentrieren kann wie sie das gerne täte. Und ‚Anarchie Déco‘ hat es mir in der Hinsicht echt nicht leicht gemacht. Nach einem tollen Start in die Geschichte verliert sie sich ein bisschen in Ermittlungsarbeit. Das kann Spaß machen und fesseln, hier war es eher langwierig. Der Plot kam nicht recht vorwärts und es wurden so viele andere Schauplätze und Themen bedient, ich konnte gar keinen richtigen Fokus erkennen. Die Themen, die das Ehepaar Vogt hier einbaut, sind definitiv wichtig und erwähnenswert: Diskriminierung, Sexismus, Antisemitismus, Nationalsozialismus und und und. Für mich aber fast ein bisschen zu viel. Das mag zu dieser Zeit Alltag gewesen sein, aber vielleicht hätte dem Buch hier und da ein bisschen mehr Ruhe und Zeit für Details gut getan. Oder ein –ismus weniger. Das ist jedoch nur mein persönliches Empfinden und kann für andere Leser*innen genau das sein, was sie suchen. Manchmal ist das zerstückelte Lesen eines Buchs auch nicht optimal, vor allem, weil hier viele Details wichtig sind, die ich eventuell eine Woche später einfach nicht mehr im Gedächtnis hatte. Es konnte mich auch wieder mehr mitreißen, als ich die Abschnitte des Buchclubs innerhalb von ein bis zwei Tagen gelesen hatte. ‚Anarchie Déco‘ ist einfach ein Buch, das die volle Aufmerksamkeit braucht . Diese konnte ich der Geschichte aber leider zu oft nicht geben. Aus den Gründen, die ich oben geschildert habe. Denn wenn mich eine Geschichte nicht so gut abholen kann, bin ich einfach unkonzentriert und schweife leicht ab. Hinzu kommt eine oft recht umständliche Ausdrucksweise und ab und an ein Satzbau, der einfach nicht so rund klingt. Andererseits hauen die Autor*innen dann wieder Sätze raus, die so klug sind und derart pointiert die Stimmung einfangen.. Herrlich!
Ein weiteres Problem war meine Erwartungshaltung, denn ich hatte mit mehr Magie gerechnet. Diese kam ziemlich kurz, dafür stand Politisches im Vordergrund und die Ermittlungsarbeit zu den Mordfällen. Sowas mag ich eigentlich schon, habe es aber noch nie in einem derart anspruchsvollen Kontext gelesen. Und als es dann magisch wurde, habe ich die Funktionsweisen nicht verstanden. Zu physikalisch, zu wenig vertraut. Ich hatte halt auch irgendwann keine Lust mehr, jedes Gerät zu googeln, um einen Versuchsaufbau nachvollziehen zu können. Wobei „nachvollziehen“ hier zu hoch gegriffen ist, mir hätte schon gereicht vor meinem inneren Auge zu sehen, was passiert.
Doch genug von den Sachen, die mir nicht so gefallen haben. Denn natürlich mochte ich am Buch auch einiges. Die Figuren, sehr vielschichtig und mit einem hohen Wiedererkennungswert. Die Beziehung zwischen Protagonistin Nike und ihrer Mutter, die ich anfangs völlig falsch eingeschätzt hatte. Der Generationenkonflikt, die Vorwürfe, aber auch die Liebe zwischen Mutter und Tochter. Die LQBTQIA+-Repräsentation in der Geschichte, ohne die Möglichkeit des heutigen Wortschatzes, einzig durch Erklärungen und Gedanken der Figuren. Der Fokus auf Architektur und Kunst, der, wie ich finde, ziemlich einzigartig ist auf dem deutschen Buchmarkt. 3 Sterne.
Der Roman Anarchie Déco von Judith und Christian Vogt ist … eine Klasse für sich!
So viel kann man auf alle Fälle schon mal sagen, ohne Gefahr zu laufen, zu spoilern. Vor allem ist der Roman ein Zeugnis von Mut. Es ist mutig, es mit unliebsamen oder/und bewusst ignorierten Themen aufzunehmen und sie in einer Weise zu kombinieren, wie es wohl noch niemand zuvor getan hat. Allein die Tatsache, die späten 1920er aus der Mottenkiste zu holen und sie nicht als Zwischenkriegszeit, sondern als Art Beginn eines neuen Zeitalters umzuwandeln, wenngleich es nicht ganz ausgeschlossen bleibt, dass vielleicht doch noch ein schrecklicher Krieg folgt, ist eine Meister*innenleistung der ganz besonderen Art.
Die Schöpfung von Magie durch die Kombination von Kunst und Wissenschaft in den 1920ern ergibt eine fantastische Variante, wie die Geschichte hätte ablaufen können. Der reale Verlauf unserer Geschichte zeigt uns zudem, dass es wesenlich absurdere Dinge gab und gibt, die uns im Lichte der Geschichte gar nicht mehr so merkwürdig erscheinen. Warum also nicht die wissenschaftliche Entdeckung von Magie, statt eines gescheiterten österreichische Malers, der zum Massenmörder Europas wird?
Die fehlenden Grenzen der Geschlechter(-rollen) sind ein wichtiges Element im Roman und zeigt in wunderschön sensibler und purer Weise, dass das Leben vielfältiger ist, als schwarz-weiß, männlich-weiblich, hetero- oder homosexuell. Der Vögte Charaktere gewinnen durch das Ausloten der eigene Sexualität eindeutig an Tiefe.
Einen Teil des Reizes der Geschichte von den Vögten macht die Rekombination scheinbar nicht zusammenpassender Elemente aus. Allein der Genre-Mix, sofern man sich überhaupt noch bemühen möchte, Genregrenzen zu ziehen, zog mich sofort in seinen Bann. Was wie ein Krimi mit Charakteren aus den Wissenschaftskreisen der 1920er begann, geriet wie ein Tropfen Tinte, in ein angerührtes Wasserglas gegeben, schnell zu einem Taumel von alten und neuen Motiven und erstaunlichen Bildern, die zum Teil ungewohnt und für den naiv Lesenden wie mich, zu Beginn verwirrend wirken. Ich glaubte hier und da die Schritte von Agatha Christie zu hören, spürte beizeiten den Geruch von Steampunk und war ständig in dem Streitgespräch im Inneren meines Kopfes gefangen, ob es sich bei dem Roman um Fantasy oder nicht doch um Science-Fiction handele.
Zu meinem Glück muss ich diese Frage nicht beantworten und wüsste auch nicht, ob sie überhaupt beantwortet werden muss. Dennoch kam ich beim Lesen immer wieder zu dem Schluss, dass es sich hier um eine besondere Art der Science-Fiction handelt. Sie gibt vor, Fantasy zu sein, hält sich aber an die (oder einige) Regeln der Science-Fiction. Welche das im Detail sind, überlasse ich gerne den Experten der Science Fiction Studies, aber Sascha Mamczak hat es, weil ich ihn noch so frisch im Gedächtnis habe, in seinem 100 Seiten starken Büchlein schön auf den Punkt gebracht, was eine gute SF-Erzählung ist: „Eine Science-Fiction-Geschichte muss nicht unbedingt in allem Sinn ergeben, um zu funktionieren, sie muss allerdings in sich selbst Sinn ergeben.“ (Mamczak, Sascha: Science-Fiction. 100 Seiten. Stuttgart: Relcam 2021, S. 28)
Die Verwendung von wissenschaftlichen Verfahren, so wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden, gespickt mit einer Zutat, die alles Bekannte auf den Kopf zu stellen imstande ist, macht eigentlich aus dem Fantasy-Roman einen Science-Fiction-Roman. Um noch einmal Mamczak zu bemühen:
„Und man kann sie [das Bekannte und das Unbekannte] auf elegante Weise miteinander verbinden und damit die Wirkung erzielen, dass sich eine Science-Fiction-Geschichte, und sei sie noch so haarsträubend, für ihre Dauer wahr anfühlt […]“ (S. 28)
Die Zeit, in der der Roman spielt ist den meisten kaum bekannt. Zum einen gibt es nur noch sehr wenige Zeitzeugen, zum anderen lernen wir nur sehr wenig über das Nicht-Politische dieser Epoche in den Schulen, zumindest in meiner Schulzeit. Die Jahre zwischen den Weltkriegen haben von der Geschichtsschreibung die unliebsame Rolle zugewiesen bekommen, zu beschreiben, wie es zum Aufstieg der Nationalsozialisten, zum Ermorden von Millionen Menschen und zum 2. Weltkrieg kam. Von der Kultur, der Mode, der Wissenschaft und dem Alltag dieser Zeit erfahren wir im Normalfall nicht viel. Ich muss gestehen, dass mich im Grunde diese Epoche auch nicht wirklich reizte (aus den besagten schulisch geprägten unattraktiven Gründen), nun aber, da ich eine „magische“ Welt in den hässlichen Straßen eines längst vergangenen Berlins von den Vögten nahegebracht bekommen habe, ist meine Neugierde geweckt.
Das Sich-mit-den-Protagonisten-Identifizieren fällt einem bei Anarchie Déco nicht schwer. So gut wie alle Charaktere sind genauso naiv und unsicher, wie der/die Leser*in selbst. Sie sind alle etwas Großem auf der Spur, versuchen es zu verstehen oder zu beherrschen, merken aber nur allzu bald, dass niemand mehr den Geist zurück in die Flasche locken kann.
Die Beschäftigung mit Wissenschaften, die noch ohne Computer auskommen und irgendwie roh, grob und dreckig wirken, ließ mich schnell an die seltenen Stunden in Physik- und Chemie-Laboren von Schule und Universität denken, in denen gute Lehrer*innen es schafften, mich neben drögem Lernstoff für Neues neugierig zu machen.
Wenn ich etwas herumkritteln wollte, dann vielleicht über den stakkato-artigen Erzählstil in der Mitte des Romans, der womöglich der hektischen Ermittlungsarbeit der Protagonist*innen geschuldet war, mich aber beizeiten aus dem Flow riss. Die Vögte lassen (wohl bewusst) einige Herleitungen von Szenen unter den Tisch fallen, um die Handlung schneller voranzutreiben, erschwerten es mir dadurch allerdings an ein paar Stellen die Stimmung, in der sich die Charaktere befinden, unmittelbar zu erschließen. Gut, im Nachhinein wurde dann auch mir alles etwas klarer, aber da forderten die Vögte doch mehr von mir als Leser, der naiv dachte, doch nur unterhalten werden zu wollen 😉
Die Sprache des Berlins der 1920er ist mir völlig unbekannt. Die Einsprengsel des Berliner Dialekts erscheint mir zwar logisch, aber andererseits auch wieder irritierend, wa? Es wird nicht konsequent berlinert, was auch gut ist, denn sonst hätte ich viele Sätze mindesten dreimal lesen müssen, aber der Wechsel zwischen Standardsprache und Dialekt riss mich doch ab und zu aus der Handlung heraus. Andererseits habe ich auch überhaupt keine Idee, wie man das hätte anders machen können. Auch habe ich keine Ahnung, wie man die über die 1920er meistens recht uninformierte Leserschaft in die Epoche hätte einführen können, ohne sie an manchen Stellen etwas übermäßig mit historischen Informationen zu überhäufen. Da drängte sich schon manchmal etwas die Hintergrundrecherche der Vögte auf … so als ob die mühsam erarbeiteten Fakten zum Plot unbedingt mal raus mussten 😉
Anarchie Déco ist ein echter Lesegenuss für Krimi-, Fantasy- und Science-Fiction-Fans und Faninnen und wenn ich mir das Ende so anschaue, spricht doch alles dafür, dass wir auf eine Fortsetzung hoffen dürfen.
Irgendwie schade: Geschichte hatte Potential, war aber über lange Strecken einfach langweilig. Ich wurde zumindest nicht warm mit den Figuren. Kann aber auch an dem Hörbuch gelegen haben, hat sich irgendwie so angefühlt, als höre man den Rohschnitt: Keine Kapitelnennung, die Zitate am Kapitelanfang sind nicht im Hörbuch enthalten und die Szenensprünge - in Buch mit einem Symbol gekennzeichnet - werden im Hörbuch komplett ignoriert. Es wird einfach drüber gelesen, was teilweise echt anstrengend ist, da man hin und wieder komplett verwirrt ist, wo/wann/mit wem man gerade in einer Szene ist.
Habe das Hörbuch zufällig auf Spotify entdeckt und habe es angefangen, da ich in letzter Zeit viel von den Autor*innen auf Twitter mitbekomme. Und ich habe es nicht im geringsten bereut, sondern das Buch innerhalb weniger Tage durchgehört. Es ist spannend und mitreißend und ich habe die Verbindung zwischen Physik und Magie sehr geliebt. Es ist kein Genre, in dem ich häufig unterwegs bin (wobei ich das Genre ehrlich gesagt gar nicht so wirklich benennen kann), doch ich habe jetzt das große Bedürfnis, noch ganz viele ähnliche Bücher zu lesen.