Vom Fehlen der Worte und von schrecklicher Nähe Saschas Kindheit ist stumm. Für ihre Mutter ist sie unsichtbar. Dafür quält ihr Vater sie mit viel zu viel Nähe. Gute-Nacht-Küsse nennt er das. Wie eine Million Steine liegen sie ihr auf der Brust. Sascha weiß, dass diese Nähe nicht richtig ist, auch wenn sie die Wörter noch nicht kennt, die die Erwachsenen dafür haben. Die Wände im Hochhaus, in dem Sascha aufwächst, verschlucken, was in der Wohnung passiert. Zumindest scheint es dem Mädchen so. Wie sonst ist es für sie zu begreifen, dass sich hier niemand füreinander interessiert?
Familie, was ist das eigentlich? Mit Vaters „Gute-Nacht-Küssen“ ist es endlich zu Ende, als Sascha sich bei ihrem Großvater wiederfindet. Bei dem alten Mann, an dessen Herzlichkeit sie sich erst gewöhnen muss. Sie trifft Charlie, das Mädchen, das sie am ersten Schultag an der Hand nimmt und nie wieder loslässt. Da sind auch Rosa, die Hündin, und das neue Ich, das in Sascha wächst. Ein ungewohntes Gefühl breitet sich aus: Menschen und Nähe können guttun. Im Kreis ihrer neuen Familie reift ein neuer Kern: ein starkes Herz, das zu Vertrauen fähig ist. Wenn sie jetzt an Liebe denkt, denkt sie an Charlie. Doch dann meldet sich das Gestern und holt Sascha ein. Wie wird sie ihm mit den Lebensmenschen an ihrer Seite begegnen?
Vom Mut, das Leben selbst in die Hand zu nehmen Das Alte abstreifen, sich lösen vom Schmerzhaften, das Neue ins Leben lassen. – Behutsam erkundet Marlen Pelny die Möglichkeit einer Verbundenheit außerhalb der Konstellation Vater-Mutter-Kind. Dieses Buch schickt dich zuerst dorthin, wo du nicht sein willst. Dann überwältigt es dich mit seinem Vertrauen darauf, dass Empathie und Liebe tatsächlich möglich sind. Sascha ist eine wahre Heldin, die nicht aufhört zu glauben: an das Heilen von Wunden, an das Leben und an all die innigen Beziehungen, die es für sie bereithält.
Triggerwarnung: Dieser Roman konfrontiert dich mit sexueller Gewalt, Kindesmissbrauch und Selbstverletzung.
Dieser Roman ist sehr heftig, grausam und von einer lapidaren Gewalttätigkeit, deshalb muss ich gleich eine Triggerwarnung aussprechen, da er sicher nicht für jeden geeignet ist. Dennoch hat er mich persönlich, da ich mich auch oft mit so unangenehmen Geschichten beschäftige, sofort gepackt und mir wirklich gut gefallen, sofern man natürlich von Gefallen in so einem Setting sprechen kann.
Liebe/Liebe ist von der Ausgangssituation her eine furchtbare Missbrauchsgeschichte, die aber nicht von den allmählichen Übergriffen auf das Kind bis zur Eskalation erzählt, sondern etwas ungewöhnlich und recht innovativ dort einsetzt, als das Mädchen dem Wirkungskreis des Kinderschänders, seines Vaters, entzogen wird. Der Plot setzt also dort ein, als Sascha zum Großvater gebracht wird und schildert sukzessive, wie das Kind durch die echte Liebe seines Opas endlich heilen kann. In Rückblenden wird natürlich angedeutet, aus welcher Hölle Sascha entkommen ist, die Küsse und die Vergewaltigungen des Vaters, als er sich schwer auf sie legte und die schon fast katatonische Reaktion ihrer Mutter, die sich wohlwissend als duldende Co-Täterin völlig von dieser Welt verabschiedet hat, indem sie mehr oder weniger starr überhaupt nicht mehr mit ihrer Umwelt und ihrer Tochter kommunizierte. Irgendwie hat sich die Mutter aber doch ein Herz gefasst und die Tochter zu ihrem Großvater geschickt, denn der Ehemann hätte sein Opfer nie laufenlassen.
Beim Opa lernt Sascha endlich Liebe und Aufmerksamkeit kennen, die nichts mit Sex zu tun haben, daran kann sie wachsen und ihr Leben neu aufstellen. Auch in der Schule wird plötzlich vieles leichter, schon am ersten Tag hat sie eine Freundin gefunden, die sie versteht und als Schicksalsgefährtin auch ihre Narben davongetragen hat. Dabei sind Charlies Narben nicht nur metaphorisch, sondern physisch, denn sie ist Opfer von körperlichem Missbrauch, will aber nicht darüber reden. Nach und nach komplettiert ein weiteres Mitglied diese kleine Wahlfamilie, die nach der Schule fast jeden Tag miteinander verbringen, der Rottweilerwelpe Rosa weicht Sascha nicht mehr von der Seite. Es ist sehr rührend, wie dieser positive Entwicklungsprozess Saschas bis zum Erwachsenwerden beschrieben wird.
In einem Aspekt funkt aber jahrelang der abwesende Kinderschänder-Vater immer noch mit Missbrauchsfantasien in das Leben seiner Tochter. Er schickt ihr permanent seine mit Sperma bespritzten Unterhosen und will auch von ihr die Wäsche haben. Dies geht auch mit Beschimpfungen einher. Sascha will diesen bösen Menschen vollständig aus ihrem Leben tilgen und trainiert den Rottweiler Rosa darauf, die Pakete und die Unterhosen zu zerfetzen, um sie zu vernichten. Anschließend verbrennt sie sie. Sascha schafft es bis zum Erwachsenwerden nicht, ihrem Opa die wahre und ganze Geschichte der Probleme mit ihren Eltern zu erzählen, zu tief sitzt die Scham. Nur ihrer Freundin Charlie als Schicksalsgefährtin kann sie sich anvertrauen. Der Großvater weiß auch nicht, was in den Päckchen der Familie ist, so sehr achtet er darauf, die Grenzen seiner Enkelin zu respektieren.
Als Sascha 18 Jahre alt ist, holt sie plötzlich wieder ihr altes Leben ein. Ihre Mutter liegt im Sterben und sie soll sie ein letztes Mal besuchen. Mit ihrem Großvater und dem Hund begibt sie sich auf einen fürchterlichen Roadtrip, um die Schatten der Vergangenheit aufzuarbeiten und die Täter mit ihrer Schuld zu konfrontieren. Hier wird die Story dann sehr grausam, aber im Prinzip erfährt jeder die Gerechtigkeit und Sühne die er/sie verdient. Mehr möchte ich hier nicht spoilern, aber die Plotkonstruktion ist so genial und logisch, hat fast etwas von Kill Bill, nur besser, weil Sascha sich als Rächerin nicht schuldig macht. Großvater und Enkelin sprechen zwangsläufig endlich die Tabus der Vergangenheit an und vertreiben die letzten Geister des bisherigen Lebens. Das Ende ist wunder- und hoffnungsvoll, denn nun will sich das Dream Team um die Probleme von Charlie kümmern.
Fazit: Wirklich nicht für jeden geeignet, da die Geschichte so heftig ist, aber von mir persönlich gibt es die wärmste Leseempfehlung. Wer Raum, Claustria, Der Zementgarten, Nobody knows und Sal ausgehalten hat, den wird dieser Roman fesseln.
Es war nicht einfach das Buch zu lesen. Die Triggerwarnung ist genau richtig, da die Geschichte von Sascha erzählt wird, die erst durch den Verlust ihrer Eltern wirkliche Freiheit und etwas Glück erfährt. Es geht um Verwahrlosung, Kindesmissbrauch und sexuelle Gewalt. Saschas Gedanken sind einfach, verzweifelt, wütend und neutral; eine kuriose Mischung, wie ein unbewusstes Schutzmechanismus um sich zu schützen. Ich glaube es ist unglaublich schwer bei diesen heiklen Themen den richtigen Ton zu finden und nicht ins Voyeuristische abzurutschen. Was ich gut fand war, dass die Geschichte bis zum Ende seine Atmosphäre behalten hat und nicht plötzlich in ein Hollywood-Happy-End abgedriftet ist. Allerdings hat mich die Geschichte nicht so sehr berührt, wie ich erhofft hatte, und auch die plötzliche Verwandlung des Großvaters fand ich weniger glaubwürdig. Die Lektüre hat mich etwas an „Kukolka“ von Lana Lux erinnert, nur im kleineren Rahmen. Insgesamt eine Geschichte, die lesenswert ist, auch weil es genug Stoff für Diskussionen gibt.
** Dieses Buch wurde mir über NetGalley als E-Book zur Verfügung gestellt **
Das Gewicht unserer Gedanken drückte den Wagen nach unten. Obwohl wir froren, öffneten wir die Fenster. Der Wind hätte nicht stark genug sein können. Er sollte mich neu sortieren. Mir war danach, das Dach abzureißen, mich dem Wind mit aller Kraft entgegenzustellen und ihn gleichzeitig gewähren zu lassen, in meinen Kopf einzudringen, ihn leer zu pusten, ihn wegzupusten, die Dinge aus meinem Körper hinausfegen, mit denen ich nichts mehr zu tun haben wollte: meine Vergangenheit, meiner Erinnerungen. Sie waren der Schnee, der schmolz. Der dreckige Matsch, über den wir schon gefahren waren und weiterfahren würden, so lange, bis nichts mehr von ihm übrig war. S. 93/94
5 Jahre hat es gedauert, bis Marlen Pelny einen Verlag gefunden hat der dieses Buch veröffentlicht hat. Warum? Weil man über sexuellen Missbrauch in Privathaushalten nicht spricht? Gerade solche "Tabuthemen" sollten in der Literatur mehr Raum finden - glücklicherweise sind wir auf einem guten Weg!
In ‘Liebe / Liebe’ von Marlen Pelny begleite ich Sascha auf ihrer tiefgreifenden Reise, die Liebe zu suchen und zu finden. Diese Geschichte spricht von der Befreiung, die Sascha erlebt, als ihre Eltern sie zurücklassen. Von Anfang an spürt man das Fehlen der Worte in Saschas stummer Kindheit, während sie für ihre Mutter unsichtbar bleibt. Gleichzeitig quält sie ihr Vater mit überwältigender Nähe, die er als Gute-Nacht-Küsse tarnt, aber in Wirklichkeit sexueller Missbrauch ist.
Die Handlung entfaltet sich in einem Hochhaus, in dem Sascha aufwächst, scheinbar abgeschottet von der Welt draußen. Hier scheint niemand Interesse füreinander zu haben, bis sie bei ihrem Großvater landet. Dieser alte Mensch bringt ihr mit seiner Herzlichkeit das Vertrauen in die Nähe von Menschen zurück. Sie begegnet Charlie, einer Person, die sie an der Hand nimmt und nicht mehr loslässt. Gemeinsam mit Rosa, dem Hund, und dem neuen Ich, das in Sascha wächst, findet sie eine neue Familie. Eine starke Herzverbindung entsteht, die zu Vertrauen fähig ist. Liebe wird für Sascha nun mit Charlie und dem Großvater verbunden. Doch die Schatten der Vergangenheit holen Sascha ein.
Die Geschichte von Sascha ist geprägt von der Suche nach Liebe, ihrem Finden und Verlust, von krankhaften und perversen Formen von Nicht-Liebe, aber auch von großer, bedingungsloser Liebe. Die Erzählung ist intensiv, traurig und manchmal sogar gewalttätig, dennoch auch herzlich und liebevoll. Die Sprache in diesem Buch erreicht fast poetische Höhen und zeigt eine bemerkenswerte Qualität. Es konzentriert sich stark auf die Hauptfigur, Sascha, während viele Details der Nebenfiguren im Dunkeln bleiben, was die Leser*innen dazu bringt, sich voll und ganz auf Sascha und ihre Gedanken, Ideen und Gefühle einzulassen.
Es ist wichtig zu betonen, dass “Liebe / Liebe” aufgrund seiner Thematik nicht für jede Leser*in geeignet ist, da es Missbrauch und Gewalt behandelt. Doch für diejenigen, die diese Geschichte verkraften können, wird sie mit ihrer intensiven Handlung und sprachlichen Brillanz mitreißen. Dieses Buch lässt bewusst vieles offen, einschließlich des Endes, was Raum für eigene Interpretationen und Nachdenken schafft.
📚 Weitere Rezensionen auf Deutsch findest du auf meinem Goodreads- und LovelyBooks-Profil.
Achtung: Das Buch konfrontiert dich mit sexueller Gewalt, Kindesmissbrauch und Selbstverletzung
Ihr Unterleib schmerzt! Jedes 2. Wochenende, wenn sie von ihrem Vater kommt, schmerzt ihr Unterleib. Ihre Tante holt sie von zu Hause ab. Die Tante bringt sie zu Papa. Papa gibt komische Gute-Nacht-Küsse. Die tun weh und dauern so lange. Er bleibt lange auf ihr liegen. Auf dem Rückweg wird sie wieder von ihrer Tante begleitet. Sie kann kaum sprechen, ihr Unterleib tut weh. Sie möchte so gerne bei ihrer Tante wohnen. Zuhause erwartet sie ihre Mutter. Die steht am Fenster, sie steht immer am Fenster und redet nie mit ihr. Mutter geht auch nie aus dem Haus. Sie hat auch einen Grossvater und eine Grossmutter, aber die hat sie bereits seit 5 Jahren nicht mehr gesehen. Ihre Erinnerungen an Grossvater bestehen nur aus Backpfeifen, die sie immerzu bekommen hat. Eines Tages zieht Papa wieder ein. Es gibt wieder Gute-Nacht Küsse. Und dann wird ein Besuch bei Grossvater geplant..
So beginnt der Roman von Marlen Pelny. Ein unglaublicher Roman. Der Anfang ist wirr, kurze Sätze, mir stellten sich dich Nackenhaare auf. Aber im Verlauf, als Sascha beginnt sich zu entspannen und vertrauen aufbaut, wird Pelnys Schreibstil auf einmal schön. Ich habe gemerkt wie auch ich mich sofort entspannte..
Ich habe das noch nie erlebt, dass ein Buch mich so mitfühlen lässt: Mich so in Panik versetzt, ich war die ganze Zeit in Alarmbereitschaft! Und sowie wieder etwas Schlimmes passiert, wechselt der Schreibstil, man konnte die Panik von Sascha förmlich spüren.
Eine ganz klare Leseempfehlung- auch für Klasse 9-12 als Klassensatz!
Das Buch ist mit einer Triggerwarnung zu sexueller Gewalt, Kindesmissbrauch und Selbstverletzung versehen und das nicht ohne Grund. "Liebe / Liebe" von Marlen Pelny startet schon auf der ersten Seite sehr schonungslos und nimmt den/die Leser/in mit in das Erleben von Protagonistin Sascha, Im Verlauf des Buches wird sie älter, zu Beginn mag sie vermutlich im frühen Grundschulalter sein. Die Handlung ist aus Saschas Perspektive erzählt, die Sprache ist relativ klar und doch poetisch. Mit diesem kindlichen Blick wird man als Leser/in in eine missbrauchende und mishandelnde Familienkonstellation geworfen, die mich emotional sehr berührt hat. Die Beschreibungen haben mich wütend gemacht, man spürt die Ohmnacht dieser Situation. Das Setting ändert sich, nachdem die Eltern Sascha bei ihrem Großvater abliefern und sie verlassen. Die Stimmung des Buches wird etwas freundlicher, auch wenn die Schatten der Vergangenheit sie nicht loslassen... Dieses Buch konnte mich ab dem ersten Satz fesseln und emotional auch sehr mitnehmen. Ich konnte es nicht aus der Hand legen und habe es in einem Rutsch ausgelesen. Hier handelt es sich um ein zutiefst bewegendes Buch, das noch lange in mir nachhallen wird - eine absolute Leseempfehlung!
Sascha wächst in sehr schweren Verhältnissen auf. Zum Glück hat sie ihren Großvater und ihren Hund. Diese helfen ihr durch die schwere Zeit hinweg. Eines Tages muss sie sich jedoch wieder ihrer Vergangenheit stellen.
Das Buch ist in kurze Kapitel unterteilt und dadurch angenehm lesbar. Der Schreibstil ist einfach und gut für zwischendurch. Der Inhalt konnte mich jedoch nicht überzeugen. Bücher müssen nicht realistisch sein, jedoch verliert das Buch durch seine Unplausibiltät und die schnelle Abfolge von Ereignissen seine Emotionalität. Ich konnte die Handlungen der Charaktere oft nicht nachvollziehen, wodurch ich nicht besonders gut mitfühlen konnte.
Die Idee des Buches ist toll, ich hätte mir aber mehr Anspruch gewünscht.
Eines dieser Bücher, die einem den Boden unter den Füßen weghauen. In einer präzisen Sprache, die manchmal wehtut, erzählt die Autorin die Geschichte einer schmerzhaften Erwachsenenwerdung und der Befreiung von den Menschen, die einem Kind eigentlich Sicherheit geben sollten - den Eltern.
Extrem berührend, auch wenn die Zeilen an manchen Stellen nur schwer auszuhalten sind (Trigger Warnung). Die Autorin findet so feinfühlig Worte für Erfahrungen und Gedankenwelten, für die es so oft keine Worte gibt.
Hat mich sehr berührt und ich hab ein bisschen geweint. Das Thema ist nicht einfach, aber die Autorin schafft es durch ihren leichten und trotzdem tiefgründigen Schreibstil die Leser*innen mit auf diese Reise zu nehmen.