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436 pages, Paperback
First published January 1, 1928
“What particularly and astonishingly satisfies me in this book is its atmosphere of naturalness. Everything is terrible, but nothing is forced, and beauty disengages itself from the asphyxiating horror. The people are not aware that they are living in the dark age. They hate their age: they are unhappy and unfortunate in it: but their age is as ordinary to them as ours to us. They have no idea that any other age could be different from theirs. Herein is the supreme excellence of a historical fiction. Jacob Wasserman is indeed an uncommon fellow. He has at once imagination, insight, a fine sense of form and marked dramatic power.”
mit den Augen waren alle Andergasts nicht in Ordnung, die alte Generalin litt schon seit Jahrzehnten an einer Störung des Sehnervs.(...)Vielleicht hatte das eine tiefere Bedeutung: wer bloß mit den Augen lebt, leidet durch die Augen. Hatte doch auch die intensive Veilchenbläue der Augen des Herrn von Andergast etwas Abnormes.
Als achtjähriger Junge schon hat er eine Vorliebe dafür gehabt, jetzt verfällt er nur noch selten darauf, nur wenn er einmal uneins mit sich ist und einer niederschlagenden Stimmung nicht Herr werden kann. Er betrachtet es als einen Atavismus, Rückkehr in infantile Betätigung und verfällt dann in einen Katzenjammer wie nach einer Sauferei. Das Dirigieren besteht darin, daß er aus voller Kehle eine selbstkomponierte, das heißt aus allen möglichen Melodienreminiszenzen zusammengestoppelte Symphonie brüllt.
Der seltsame Junge! Auch hier, gewissermaßen vor seinem Meister, hielt er mit dem Tatsächlichen, dem Schicksalhaften zurück. So wie er gegen Camill Raff und gegen Robert Thielemann damit zurückgehalten hatte. Und wie er im Gespräch mit Thielemann das Verhältnis der Mutter als Paravent benutzt hatte, so schob er jetzt die Beziehung zum Vater vor.
Mut zu der Frage zu finden, das war das Schwerste. Einmal in einer Sache mutig gefragt, hieß für Etzel, Schwungkraft und Freiheit zu Handlungen zu gewinnen...
Spieler, Salonlöwe, Weiberheld, nun, das kennt man, der Typus ist nicht aufregend; zugleich aber Philolog, Philosoph, Dichter, Politiker, und in welchem Format! Kein hergeschneiter Dilettant, kein Gedächtnisakrobat, sondern ein produktiver Geist, etwas wie ein Teufelskerl, ein Universalgenie. Er arbeitet an einer neuen und, wie es heißt, grandiosen Übersetzung des ganzen Plato, aus der er seinen Freunden bisweilen Bruchstücke zum besten gibt, und hält Privatvorlesungen über Hegel und den Hegelianismus, der ja eben im Begriff ist, wieder in Blüte zu treten. Er veröffentlicht einen Band Deutsche Oden von Hölderlinschem Klang und führt in einer Zeitschrift für Altertumskunde den profunden Nachweis, daß die Parsifalsage durchaus nicht rein französischen Ursprungs sei, sondern in altgermanischer Mythe wurzele. Wie man hört, war er persona grata beim Fürstbischof von Breslau und ist durch diesen an den rheinischen hohen Klerus warm empfohlen worden. Als überzeugter Katholik besucht er die Messe, lebt aber dabei geschieden von seiner Frau. Er hat weder Vermögen noch regelmäßiges Einkommen, weigert sich aber, ein Lehramt oder eine dotierte Stellung anzunehmen. Ist es, weil er seine Unabhängigkeit bewahren will (wenn er es beteuert, glaubt man ihm unbedingt), oder fließt ihm Geld aus irgendwelchen dunklen Quellen zu? Auch das könnte man glauben. Seine stärkste Wirksamkeit ist die philosophisch-politische. Mit aller Leidenschaft, die ihm innewohnt, verkündet er die deutsche Weltmission und erklärt, Deutschland müsse in seiner Enge ersticken, an den zerstörenden Elementen im eigenen Haus zugrunde gehen, wenn es sich nicht durch einen Krieg Luft mache. Dieser Krieg ist ihm religiöse Angelegenheit, er nennt
ihn heilig, er fühlt sich als seinen Peter von Amiens. Indem er sich auf die historische Überlieferung stützt, die am Ausgang eines gesegneten Mittelalters durch die lateinisch-keltische Flut unterbrochen worden ist, errichtet er im Geist ein römisch-deutsches Imperium, das von Sizilien bis Livland und von Rotterdam bis an den Bosporus reicht. Alles muß dieser Konstruktion dienen, Kunst und Dichtung, Gotik und Barock, Renaissance und Antike, Christus und die Kirchenväter. Entweder ist es wirklich die Idee, die ihn zum Fanatiker macht (falls er einer ist), oder Fanatismus (falls er ihn hat) ist ein Bestandteil seines Wesens und treibt die Idee aus sich heraus, weil die Zeit dafür reif ist. An Anhängern fehlt es nicht; Bewunderer, können sie auch seiner hungrigen Eitelkeit nie genügen, umschwärmen ihn gelehrig, und die Vermutung einiger kühler Beobachter mag nicht aus der Luft gegriffen sein, daß ihm mächtigere Leute den Rücken decken als eroberungslustige Professoren,...