Der Leser betritt einen Denkraum, in dem nicht nur Gerhard Gentzen aufritt, sondern auch noch ganz andere Figuren: Dietmar, der seit zehn Jahren an einem Roman über einen berühmten Logiker schreibt, aber auch Frank Schirrmacher, der sich den Kopf über das Internet zerbricht, Jeff Bezos, Ruth Garrett Millikan, eine schiefe Tante und ein geheimnisvolles Wesen, das das Leben auf der Erde erheblich in Gefahr bringen wird.
Das ganze Personal dieses großen Romans stellt sich in den Dienst der Suche nach der Grundlage unseres Lebens in der Gegenwart: der schier unendlich scheinende Rechenleistuneng der Computer. Sie ermöglicht die Flugbuchungen, die Verteilung von Impfstoffen oder Hilfsgütern, die Steuerung der Atomwaffenarsenale oder die detaillierte Abbildungen eines Lebens durch Likes und Kommentare in den sozialen Medien, die es nicht gäbe, wenn Programme nicht die Funktionsweise von Programmen überprüfen könnten.
Dass sie das können, hat wiederum mit Gerhard Gentzen zu tun.
Longlisted for the German Book Prize 2021 Yeaaahhh, I just listened to Robin and Anika discuss this novel, and I will just stop reading this right now, because of, you know, self-care. And why did Dath have to drag Clemens J. Setz and Christian Kracht into this? No no no.
4,5 Sterne Ein Denkmal des logischen Denkens und der Wissenschaft. Im ersten Drittel geht Dietmar auf zufällig gewählte Ereignisse, wie das Verhalten in der Coronapandemie, Rassismus, Gesellschaftsformen (Kapitalismus, Sozialismus, Kommunismus), zwischenmenschliche Beziehungen und generell irrationales Verhalten ein. Alles geschieht, um uns die Unlogik und Widersprüche der menschlichen Natur aufzuzeigen. Einer Gesellschaft, die "von Allem mehr Nichts" will, "immer dümmer dummt".
Wirklich Kopfschmerzen bereitet die elitäre, verintellektualisierte Art dem vielen Stoff über Philosophen (Hegel, Hume, Wittgenstein, Adorno), Wissenschaftlern (Gentzen, Dings und Bums...sorry, kann mir die Namen alle nicht merken) und den mega unzugängigen Dialogen der Protagonisten zu folgen. Dies ist auch der einzige Kritikpunkt an dem Buch, weshalb ich ihm 5 Sterne versage. Ja Dietmar, auch wenn Du am Ende eine kleine Rechtfertigung dafür einbaust. NEIN! das geht eindeutig besser, dem "Nicht-Bildungsbürgertum", Dein Anliegen ans DENKEN zu kommen nahe zu bringen. Wir haben hier nur knappe Kapitel, die mich bis zur Hälfte des Buches mit Tausend ?? zurückgelassen haben. Wer ein plotgetriebenes Buch sucht, ist hier falsch. Es gibt ein paar Personen, zu denen wir häufiger zurück kehren, um deren Geschichte es allerdings nur zweitrangig geht. Alles dient einem höheren Ziel-dem Test! Hihi, was das ist, müsst ihr selber lesen. Was ist Wirklichkeit, was ist Wahrheit, was ist Möglichkeit, was ist Notwendig? Wir können nichts Denken, wozu wir keine Alternative denken können..... Es gibt kein Buch in dem so viele Markierungen kleben wie in Diesem! Es gibt kein Buch über das ich so viel diskutiert, Ideen weitergesponnen habe, wie zu Diesem! Es gibt kein Buch, das mich so herausgefordert und geärgert hat wie Dieses! Es gibt kein Buch, in dem ich so wenig und so so viel begriffen habe!
Ihr findet meine Rezension verwirrend und nichtssagend?? Jahaaa... Denkapparat anschalten und Buch lesen. Mal sehen ob ihrs dann besser hinbekommt 😂 Bei mir ist so einiges durchgeglüht!
Eine Schlußfolgerung meinerseits nach der Lektüre: Wir brauchen dringend das bedingungslose Grundeinkommen, da Denken und Logik Zeit benötigt!
Für den seichten Einstieg in die ganze Thematik kann ich das Buch von Daniel Kahneman "schnelles Denken, langsames Denken" empfehlen, der die Denksysteme hervorragend herausarbeitet und viel verständliche Erklärungsarbeit leistet, für das was uns Dietmar hier um zu viele Ecken verklausuliert versucht weiterzuspinnen.
In der Esoterik ist es ja schick, sich wissenschaftlicher Begriffe zu bedienen um abstruse unwissenschaftliche Mythen mit vorgegaukelter Seriosität unter die Leute zu bringen - man denke da nur an die Spiegelneuronen, das quantenphysikalische "Entanglement" und andere komplizierte physikalische Eigenheiten, die falsch gebraucht werden, um seltsame heilsam-energetische Strömungen oder andere Fernwirkungen zu "belegen".
Dietmar Dath macht das so ähnlich in seinem neuen Roman "Gentzen oder betrunken aufräumen". Und, das ist wirklich ein entscheidender Unterschied zum esoterischen Hokuspokus, er macht das wahnsinnig unterhaltsam und detailverliebt. Es ist eine Freude, sich von ihm an der Nase herumführen zu lassen.
Bei Dath sind es Logik und in Teilen auch die Biologie, die ihm sozusagen das Sprungbrett für seine Thesen geben. Die logisch streng formulierten Begriffe, die sich vor allem auch um Fragen wie "was ist Wahrheit?" gruppieren, werden verstreut über die ersten zwei Drittel des Buches korrekt und mit viel Hintergrundwissen beschrieben und eingeführt. Das geschieht fast schon ein bisschen zu poetisch, so dass ich vermute, dass Leser, die mit formaler Logik bisher nur oberflächlich Berührung gekommen sind, spätestens bei den modallogischen Ausführungen aussteigen dürften. Das tut dem Roman im Großen und Ganzen aber keinen Abbruch, auch wenn die teils seitenlangen Ausführungen einer Figur (Bettina) zu ziemlich komplexen wissenschaftlichen Ideen einen manchmal schon auf den Senkel gehen können.
Dath überträgt die logischen Folgerungsmechanismen in die reale, physikalische, biologische Welt. Das geschieht nicht komplett aus dem Nichts, den einige der Zusammenhänge die er aufführt werden in der Wissenschaft tatsächlich diskutiert, wenn auch nie mit dem Gedanken, dass reines formales Denken die physische Realität unmittelbar ändern könnte. Das aber ist es, was im Roman geschieht und Dath beschreibt das auf hohem Niveau in Form einer wunderbar ausgeklügelten Science Fiction Story, deren Komplexität den Leser bis zum Schluss raten und den Atem anhalten lässt.
Das Buch ist eine Sammlung vieler ganz unterschiedlicher Perspektiven - nicht nur Figuren innerhalb der Story treten auf, sondern auch Rezensenten des Buches, der Autor selbst und alle spielen dann auch wieder eine Rolle im Roman. Das Ganze ist dabei wirklich gar nicht plump gemacht, man merkt es fast gar nicht und Dath schafft es hier, weit über die meist seichten Selbstbezüglichkeitsschleifen, wie sie ja in moderner Literatur gerne vorkommen (Autor trifft seine Romanfigur, etc), hinauszugehen. Auch war es für mich als Leser eine reine Freude den Verschlingungen zu folgen und das Geflecht der Handlungsstränge immer wieder zu entwirren. Großer Spaß!
Darüber hinaus trifft man auf griechische Göttinnen, die Corona Pandemie, zukünftige Superhelden, großartige historische Denkerinnen und Denker, Flüchtlingsschicksale, Lady Gaga (die mit Gerhard Genzen (GeGe) unter anderem ins Kino geht), apokalyptischen Überlebenskämpfen mitten in Europa und jede Menge mehr abgefahrener Figuren und Ereignisse. Neben der Handlung lernt man ganz nebenbei viel über die Entwicklung und Bedeutung der formalen Logik und alles wird geschickt ineinander verwoben. Ein abgedrehtes, geiles Erlebnis, das am Ende leider etwas zusammengerafft und mehr als Rückblende aufgelöst wird - hier hätte ich mir ein bisschen mehr Actionspektakel gewünscht.
Eine Biografie Gerhard Gentzens ist das Buch aber auf keinen Fall, der Name im Titel ist wohl mehr als Verb zu lesen - die von Gentzen weitergeführte logische Methode wird breiter angewandt, es wird also gegentzt.
In einigen der Kapitel geht es dann auch dem Kapitalismus an den Kragen und der Kommunismus wird hochgehalten. Diese Kapitel sind, soweit ich es verstanden habe, für den Rest des Romans unnötig. In einem wird Jeff Bezos beschrieben wie er vor einem Spiegel steht. Die Wortwahl bei der Beschreibung des Multimilliardärs ist dabei so abwertend, dass es mir den Atem verschlagen hat. Ich bin beileibe kein Fan von Bezos und auch kein Verfechter irgendwelcher neoliberaler Träume vom ungebremsten Raubtierkapitalismus, aber es gibt bei aller sachlicher und sozialer Kritik keinen Grund, eine Person dermaßen zu beschreiben und zu demütigen. Dieses Kapitel alleine hat für mich den Roman schwer beschädigt, es taucht aus dem Nichts auf und zeigt leider viel mehr die negativen, unfundierten und erniedrigenden Aburteilungen, die der Autor trifft, statt irgendwas über den Amazon-Gründer auszusagen.
In einem anderen Kapitel geht es um Xi Jinping, den Generalsekretär der KP in China. Ich dachte erst, es wäre Satire, aber Dath scheint sich wirklich für diesen Mann zu begeistern. Jedenfalls gibt es gegen ihn keine verbale Attacke wie gegen Jeff Bezos - ganz im Gegenteil, eine seiner Reden wird praktisch diskutiert und dann auf mystische Art (anders kann man es nicht nennen) steht da plötzlich Walter Ulbricht im Bezugsraum und alles wird ganz groß und wichtig. Der chinesische Überwachungsstaat, die Straflager und ganz allgemein die Straftaten die durch die Diktatur verübt werden, werden zwar im weiteren Verlauf des Buches erwähnt, aber mit dem Argument abgetan, dass der Westen auch nicht besser sei. Hier wird die ideologische Verblendung leider so überdeutlich sichtbar, dass es mir um den überragenden Intellekt des Autors leid tut, der sich hier vollkommen unnötigerweise vor einer Ideologie zum Zwerg macht.
Schließlich - und das ist nun die Esoterik - bedient sich Dath der Logik, die er ja im SciFi Teil des Buches geschickt zu einem recht mächtigen Instrument der Weltbeeinflussung umbaut - und leitet aus ihr die weltgeschichtliche Notwendigkeit des Kommunismus ab. Das geht in einer derart brachialen Art und Weise, die an keiner Grenze zwischen Syntax und Semantik auch nur einen Augenblick zögert, dass es jedem Mitglied einer anderen Partei als der DKP bestenfalls schwindelig werden muss. Dath nimmt seine SciFi Ideen plötzlich politisch ernst, so scheint es, die Logik wird bemüht (sozusagen als Spiegelneuronen und Quantenmechanik) um die eigene Ideologie nicht nur zu unterstützen, sondern als einzige Konsequenz des Daseins, sozusagen als göttliches Endziel des Schöpfungsplans hinzustellen. Na ja, wer's mag.
Leider hört es damit noch nicht ganz auf. Dath fühlt sich auch noch bemüßigt, die Genderdebatte unterschwellig zu kommentieren und lässt sich gegen Ende des Buches zu einer Formulierung hinreißen, die Internetsucht, Antirassismus, Konsumwahn und Gleichstellungsdebatte in einen Topf wirft und darüber das Urteil fällt: alles nur Zeitverschwendung. Ähnliche Urteile klingen auch in anderen Kapitel an. Auch hier lässt sich fragen weshalb der Autor derartiges nötig hat.
Die ganzen politischen Ideen machen nur einen kleinen Teil des Buches aus. Wer die Ideologie des Autors ausblenden kann, wer sich für Logik interessiert und Science Fiction mag, der oder die findet hier sehr viel gute und intellektuell anregende (im positiven Sinne auch aufregende) Unterhaltung.
Dieser Roman ist wie alle Dath Romane keine leichte Kost, aber es lohnt sich diesen Wahnsinns Ritt von Lektüre zu machen. Warum ? Weil man so viel Vielschichtigkeit selten kriegt. Dath mischt hier alle Formen in einen Topf, Zeitungsartikel, Essays und Prosa. Der Roman, ist in viele kurze Kapitel gegliedert. Manche sind Zeitungsartikel, manche Essays, manche einfach Zitate. Und was ist mit einer Story? Die gibt es auch nur das diese Zerfasert ist und an drei Storylines hängt man muss sie selbst ein Stück zusammen denken. Im Großen und Ganzen gibt es drei Story Lines (Je nachdem wie man es sieht, aber auch mehr): Eine Story Line umkreist den Mathematiker Gerhard Gentzen. Hier wird aber nicht die Biografie, als solches runtergerattert, sondern eher Mosaikhaft erzählt. Als zweites gibt es eine Story Line in der Dath selbst vorkommt und er das Verschwinden einer Person versucht aufzuklären. Dieses ist aber nicht, wie ein Krimi erzählt sondern die Figuren, einschließlich Dath diskutieren Wissenschaftliche Theorien und ähnliches. Als drittes gibt es dann die Zukunft, in der falsche Farben die Menschheit bedrohen. So weit so abgedreht. Dazu kommt, dass Dath nicht alles hintereinander erzählt, sondern wild durcheinander, eben zerfasert. Es ist zu dem ein Meta-Meta-Roman der das Autofiktionale auf die Spitze treibt und viele einblicke in den Schreibprozess Dietmar Daths bietet. Der Anfang der Corona Pandemie, wird zudem auch verarbeitet, dass sehr schöne erkläungsansätze liefert, was bei der Covid-19 Pandemie zu beginn nicht alles schief gelaufen ist. Großes Highlight sind die Szenen in der Gentzen mit Lady Gaga Matheproblematiken bespricht. Und am Ende appelliert der Roman an all unsere Herzen, diese doch bitte zu erwärmen, aber natürlich mit Verstand.
Man kann seinen Zitate-Zettelkasten veröffentlichen, indem man die jeweils als Motto den Kapiteln eines Romans voranstellt. Das hat den Nachteil, dass man dann aber auch Texte für die Kapitel schreiben muss.
Das tut aber Dath offensichtlich gern. Denn zu sagen hat er immer etwas, zu erzählen leider nicht so oft. Aber dies ist ja auch kein Roman, jedenfalls kein Romanroman, sondern ein Kalkülroman. Nicht Tolstoi und nicht Balzac, nicht mal Böll, sondern irgendwas anderes. Autofiktion? Jedenfalls ist einer der Helden, oder sagen wir, Protagonisten, Dath, oder wie er gerne genannt wird, der Schreiber. Wobei er vielleicht eine Figur ist, die sich Shvaugh Erin ausgedacht hat? Die selbst eine Gestalt aus der Legion of Super-Heroes ist.
Jedenfalls gibt es 140 Kapitel, leider nicht alle mit einem Motto versehen. Dabei sind die oft schon ziemlich gut, wie das von Lenin, wo er sagt, dass solange es Klassen gibt, selbst bei den aufgeklärtesten, es Vertreter dieser Klasse gibt, die nicht denken können. Darüber muss man mal nachdenken. Zuerst dachte ich, nanu, in der Klassenlosen Gesellschaft können plötzlich alle Menschen denken? Nein, keineswegs, es gibt dann eben nur keine Vertreter von Klassen mehr.
Dath ist Kommunist, was ich nicht besonders tragisch finde, allerdings verstehe ich ihn nicht immer. Die gemäßigten Sozis oder Liberalen sind die Vernünftigsten, sagt er, aber so ein Kommunist, weil der Kommunismus in sich ja schon vernünftig ist, braucht nicht mehr vernünftig zu sein. Ist das Ironie oder Dialektik?
Es geht um Gentzen, jedenfalls am Rande, mehr zumindest als ums Betrinken. Leider erfahren wir nicht viel über den Mann. Aber, das ist Absicht. In seinem Dirac-Roman, sagt uns Dath, habe sein intelligentester Leser und Kritiker die Hauptfigur blass gefunden. Diesmal, so ist er sicher, wird auch der dümmere Leser verstehen, dass das Absicht – eben Kalkül ist.
Zwischendurch, das muss ich gestehen, kam mir schon der Gedanke, dass das eher schwaches Erzählen oder gar schwache Recherche bedeutet. Aber dafür ist Dath zu genial. Ist er. Glaube ich. Zwischendurch dachte ich auch, warum tut er sich und uns das an? Warum muss er Romane schreiben, wo er so gut FAZ-Artikel schreiben kann. Aber von denen lebt er ja.
Also kurze Kapitel, und während ich noch überlegte, wie fade ich die eigentlich finde, überkam mich plötzlich die Gewissheit, dass ich die insgesamt ziemlich prima finde. Und jedenfalls habe ich das in einem Rutsch gelesen, während ich bei Proust immer nur höchstens dreißig Seiten am Stück schaffe.
Und zumindest die Geschichte von dem Schüler, der zu spät zum Französisch-Unterricht kommt, ist literarisch befriedigend.
Die Kapitel über Schirrmacher sind verstörend. Und das sollen sie wohl sein. Zumindest war er wohl kein uneingeschränkter Bewunderer dieses Mannes. Wir müssen zusammenhalten.
Als Mitarbeiter der FAZ muss man, glaube ich, am Anfang seiner Karriere schwören, niemals und unter keinen Umständen, davon auszugehen, dass der Leser weiß, was eine Primzahl ist. Während die obskursten Fakten, sagen wir, der Operngeschichte als allgemein bekannt vorausgesetzt werden dürfen, darf niemals das Wort Primzahl verwendet werden, ohne das sogleich zu erklären. Und so hält Dath das auch hier. Die arme Lady Gaga, hat zwar eine Ahnung, was eine Primzahl ist, ist sich aber nicht sicher und errät nur, dass es davon unendlich viele gibt. Ich kenne Lady Gaga nicht, aber es würde mich sehr wundern, wenn sie hier nicht Grund hätte, arg beleidigt zu sein.
Das ist natürlich immer ein Problem in Romanen, in denen Bildung vermittelt werden sollen, die Figuren, die es eigentlich besser wissen sollten, müssen sich dumm stellen, damit der Autor, die für dumm gehaltenen Leser belehren kann. Wobei ich nicht sagen will, dass Dath uns nicht belehren kann und soll. Aber geht das nicht auch subtiler?
Habe ich was gelernt? Mindestens, dass ich Millikan lesen sollte. „Im November 2010 sitzt die Philosophie Ruth Garrett Milliken an ihrem Schreibtisch und schreibt sich noch einmal selbst auf, wie recht sie hat.”
Wie genial Dath tatsächlich ist, wird am Beispiel seines Harlan Ellison Nachrufs klar. Besser kann man sowas nicht schreiben. Warum er den hier wiedergegeben hat, außer, um genau das zu beweisen, weiß ich nicht. Ist aber auch egal.
Es hat mir sehr, sehr viel Spaß gemacht zu lesen. Verstanden habe ich sehr viel nicht, aber es hat mir so viel Lust auf Mathe und Logik gemacht, wie es das formelle Studium der Informatik nicht hinbekommen hat.Nochmal lesen mit einem anderen Blickwinkel vielleicht. Ich freue mich jetzt schon drauf. Ein bisschen genervt hat mich das häufige, x ist dumm, y versteht nicht, usw.
Gentzen oder: Betrunken aufräumen ist ein sehr ungewöhnliches Buch, zu dem man schwer Zugang findet. Der Untertitel Kalkülroman irritiert zusätzlich.
Der Mathematiker Gerhard Gentzen ist 1945 gestorben. Seine Leistungen haben viel für die Informatik getan. Mir war er vor diesem Roman nicht bekannt. Die wenigen Passagen im Roman, die ihn als handelnde Figur in seiner Zeit zeigen, sind recht interessant. Es werden aber auch andere Personen ins Spiel gebracht. Ditemar Dath geht frei assozierend mit der historischen Figur Gentzen um, z.B. wenn der zusammen mit Lady Gaga ins Kino geht. Dietmar Dath tritt selbst in der Handlung auf. Es geht auch um Frank Schirrmacher. Daher gibt es neben den sehr vielen Diskussionen über Mathematik auch ein wenig um den Literaturbetrieb. Ein unerwartetes Kapitel dreht sich um den Science Fiction-Autor Harlan Ellison.
Das Buch krankt daran, dass es überfrachtet ist und an seiner Überlänge. Es ist sehr speziell. Daher wunderte es mich, dass es für den Deutschen Buchpreis 2021 auf der Longlist stand.
Vielleicht hat ein Kalkülroman einfach mehr Kalkül, als ich über mehrere Wochen zwischen meinem Leben erfassen kann. Die einzelnen Kapitel lesen sich für mich teilweise besser als ich das gesamte Buch so richtig greifen kann. Stilistisch gewohnt toll und gewohnt (über-?)komplex. Was bei mir bleibt, ist die Unsicherheit, ob ich das Buch nicht endgültig verstehe oder ob das sogar die Idee dahinter ist, weil, wie immer wieder erwähnt: Was mathematisch gemeint vollständig aufgeht, verschwindet. Das Buch bleibt damit für mich ein bisschen unabgeschlossen und deswegen ein bisschen da.
Vielleicht traue ich mich bald mal an die Abschaffung der Arten ran, wenn ich jetzt eh wieder lange Sachen kann.
Ich wünschte, ich könnte mehr Sterne vergeben. Einige Kapitel und Zitate waren unfassbar schön, poetisch, clever, haben mich zum Nachdenken und zum Lachen gebracht. Aber dieses Buch ist so anstrengend zu lesen. Es ist für mich, wie eine Serie zu schauen und ich schaue nicht besonders gern Serien. Gefühlte hundert Handlungsstränge laufen parallel, sind nur lose miteinander verknüpft und teilweise völlig innerhalb, teilweise völlig außerhalb meiner Interessen. Einige Kapitel sind lang, ausführlich und bilden eine zusammenhängende Geschichte, aber leider ist diese langweilig. Andere Kapitel sind kurz, knackig, toll und geben mir Lust auf mehr... Aber ich bekomme nicht mehr von ihnen. Schade. Schade. Sehr schade.
Würde 4,5 für dieses bewusst weirde, überfrachtete und stellenweise prätentiose Buch irgendwo zwischen science fiction und wissenschaftsgeschichte als vibe geben. Irgendwie funktioniert das für mich sehr gut