Nach dem Putsch 1971 hält das Militär nicht nur das Leben, sondern auch die Träume der Menschen in der Türkei gefangen. Künstlerinnen und Künstler, Linke, Intellektuelle fürchten um ihre Existenz; auch die Erzählerin, die aus Istanbul übers Meer nach Europa flieht. Im Gepäck: der Wunsch, Schauspielerin zu werden, und das unbedingte Verlangen, den so jäh gekappten kulturellen Reichtum ihres Landes andernorts bekannt zu machen und lebendig zu halten, ohne sich im »Tiergarten der Sprachen« auf die bloße Herkunft beschränken zu lassen. Und dort, inmitten des geteilten Berlin, auf den Boulevards von Paris, im Zwiegespräch mit bewunderten Dichtern und Denkern, findet sie sich schließlich wieder in der »Pause der Hölle«, in der Kunst, Politik und Leben uneingeschränkt vereinbar scheinen. Emine Sevgi Özdamars neuer Roman ist das vielstimmige Loblied auf ein Nachkriegseuropa, in dem es für kurze Zeit möglich schien, allein mit den Mitteln der Poesie Grenzen einzureißen. Er ist der sehnsuchtsvolle Nachruf auf die Freunde, Künstler, Bekanntschaften, die sie auf ihrem Weg begleiteten. Vor allem aber ist er die wortgewaltige Eröffnung eines Raums zwischen Bedrohung und Geborgenheit, eines von Schatten begrenzten Raums.
Emine Sevgi Özdamar (born 10 August 1946, in Malatya, Turkey), is a Turkish-German actress, director and author.
Özdamar has received a lot of recognition for her work. A lover of poetry, she found great inspiration in the works of Heinrich Heine and Bertolt Brecht, especially from an album of the latter's songs which she had bought in the 1960s in Berlin. She later decided to study with Brecht's disciple Benno Besson in Berlin, where she currently resides.
Bachmann-, Kleist-, Fontane-Preisträgerin Emine Sevgi Özdamar taucht in ihrem Roman „Ein von Schatten begrenzter Raum“ in die Untiefen der eigenen Laufbahn und Künstlerverwirklichung ein. Der Roman ist mehr ein Dokument, eine Zeitreise durch das politisierte, rebellierende, nach Authentizität und Relevanz strebende Künstler- und Theatermilieu der 60er, 70er, und 80er Jahre rundum Benno Besson, Matthias Langhoff, Claus Peymann und Ruth Berghaus. Die Protagonistin, eine Ich-Erzählerin, startet ihre Reise auf einer der Türkei vorgelagerten Insel im Mittelmeer, von der aus Lesbos, die griechische Insel, zu sehen ist:
Und von beiden Küsten aus sehen die Menschen jeden Abend die Lichter der anderen Küste, an der ihre Großeltern gelebt haben, und wenn ein Grieche vor Lesbos ertrinkt, taucht seine Leiche hier an dieser türkischen Insel auf, und wenn ein Türke hier ertrinkt, taucht seine Leiche vor Lesbos auf. Die Winde und das Meer tauschen die Toten und bringen sie zu ihren Ursprungsorten.
Der wahre Protagonist des Romans ist die Leere, der von Schatten begrenzte Raum, die Heimat, das Zuhause, die Zugehörigkeit. Das Meer zwischen Lesbos und der unbenannt bleibenden Insel, die Lücke, die die Türkei von Europa trennt, die Strömung, der Wellengang, sie werden zu einem Sehnsuchtspunkt, der alles möglich werden lässt, der trennt, verbindet, auf eine Brücke hofft. Griechenland repräsentiert als Wiege die europäische Kultur, die für die Ich-Erzählerin zur Ersatzheimat wird. Sie sucht ihr Obdach. Wie eine Fuge komponiert, durchzieht eine Frage den Roman:
Wo wohnen sie, Madame?
Die Frage wird vielfach beantwortet. Die Protagonistin wohnt in einem Yasujiro Ozu Gedicht, in Catherine Deneuves Haaren, in Tina Turner, Hannah Arendt, in einem schönen Apfel, im Lächeln eines Drehorgelspielers und vielen weiteren Orten und Personen. Die Komposition ist klar. Die Struktur, von der Insel im Mittelmeer ausgehend, führen konzentrische Kreise hin und zurück nach Europa, eine Reise durch die eigene Empfindsamkeit auf der Suche nach dem verlorenen Ich. Viele Wiederholungen erzeugen Wiedererkennbarkeit, Liedcharakter. Sie bezeugen das Trauma der Wiederkehr der immergleichen Fragen und Ängste. Die Protagonistin findet sich nicht.
Ähnlich wie auf den Bildern von Francis Bacon wachsen aus dem Körper der Frau, die ich bin, aus ihren Armen, Beinen, aus dem Kopf und vom Tisch, vom Stuhl, aus den Blättern vor ihr, vom Telefon, aus den paar Büchern, die auf dem Fensterbrett stehen, Schatten. Sie wachsen ineinander bis zu einem großen Schattenklumpen […] Der Rest des Raumes ist ohne Schatten. Deswegen sieht es nur dort, wo der Schatten gewachsen ist, wie ein Raum aus, ein von Schatten begrenzter Raum.
Özdamars Stil ist repetitiv, eindringlich, wiederkehrend, surreal, traumatisierend. Die Sprache zerstückelt sich selbst. Bruchstücke der Hoffnung, versprengte Sentimentalität, verlorenes Gleichgewicht. Die Sätze brechen auseinander. Sinn versperrt sich. Horizonte öffnen sich ins Leere und verschmelzen mit Angst und Enge zu einem bodenlosen Verfolgt-Sein. Der Roman unterhält nicht. Er konfrontiert. Wären nicht die formalästhetischen Bezugnahmen auf Allegorie und Metaphorik, gliche er konsequent einer Reportage, mit Kamera auf der Flucht zwischen Istanbul, Paris, Berlin, und Bochum. Die formalästhetischen Rahmenbedingungen langen jedoch nicht hin. Das Material erscheint roh, harsch, krass und intensiv. Es springt einem beim Lesen ins Gesicht und läuft einem kalt den Rücken herab.
Die Schatten liefen, Schatten überquerten die Straße, Schatten blieben stehen, Schatten hatten das Leben, das leblose Leben besetzt, die Menschen besiegt, nur der blinde Mann mit dem Loch im Hals und der blassen hellbraunen Haut war als Mensch übrig geblieben. Er saß da zwischen den an ihm vorbeilaufenden Schatten und den unendlichen vielen Baustellen, die die ganze Stadt mit Bohrmaschinen, Hämmern, Zement, lauten Geräuschen unbarmherzig erwürgten. Nur die Toten retteten diese Stadt – wo es Friedhöfe gab, gab es keine Baustellen.
Atemlos verfolgt man die Protagonistin auf der Suche nach Halt, nach einem Zuhause, das sie nicht zu finden vermag. Sie reist nicht gern. Sie ist allein. Sie fühlt sich verfolgt, missverstanden, verbannt. Das Buch entzieht sich der Wertung. Weder unterhält es, noch informiert es, noch bezaubert es. Es ist ein Dokument. Es beschreibt einen Zustand der Angst. Die Kunst, so das Resümee, langt als Heimat nicht hin. Sie ist zu kurzlebig und unverbindlich. Wenn im Theater der Vorhang fällt, beginnt das Grauen von Neuem.
This is a maelstrom book, but probably this maelstrom only attracts a certain type of reader. If you're looking for a straight story line or don't have a sense for the music in language, this won't draw you in. In book reviews, you often hear statements like: "This is a good book, but too long; why didn't the editors convince the author to cut it down?" I could imagine readers to utter such a statements while reading "Ein von Schatten begrenzter Raum", too. With superficial glances at these 750 pages, noticing lots of repetitions, where even whole pages are copied word by word, this seems justified. However, if you know music and/or if you know about the hermeneutic circle, you won't think that repetition is a problem, not at all. It can be a very satisfying artistic construction principle, and here it is so. The content? The life of an intellectual emigrant in Germany and France, encounters with theatre people, fascism, nationalism, prejudice, dreams. Don't read this book, because it is autobiographical; read it if you are interested in reflecting the topics raised by this book, aptly labelled a novel.
Zwei Wochen lang habe ich dieses Buch gelesen. Es zieht sich wie ein Traum durch mein ganzes Leben. Alles, was ich darin lese, zieht in mich ein, wie es sonst nur eigene Erinnerungen tun und erklärt mir die Welt. Es ist mit Sicherheit das magischste und poetischste Buch, das mir bislang über unsere Zeit, die so intensiv ist, politisch, gesellschaftlich, in die Hände gefallen ist. So dankbar, dass ich es gefunden habe und lesen darf.. So tröstlich, so wunderschön. Jetzt habe ich es beendet, und ich weiß noch nicht so ganz genau, wie ich ohne es klar kommen werde.
Ein etwas verwirrender Roman, der mich schnell begeistert und viel zum Nachdenken angeregt hat. Er ist biografisch angehaucht und beleuchtet das Leben in den 90er/2000er Jahren. Die Protagonistin ist in Istanbul aufgewachsen und schwierige politische Zustände bringen sie dazu nach Westeuropa zu reisen und dort ihre Leidenschaft für das Theater auszuleben. Ich bin total abgetaucht in die Beschreibungen und Eindrücke aus dem Osterberlin vor und nach der Wende oder Paris und mag die sich wiederholenden Textpassagen, die sich durch den ganzen Roman ziehen. Zum Beispiel auch der Titel: Ein von Schatten begrenzter Raum oder: Ich wohne in... (z.B. Edith Piafs Lied: Oh rien de rien). Ich kann auch das Theaterstück empfehlen, aber denke vorher sollte man wenigstens die Hälfte gelesen haben, damit man den Stil schon etwas verinnerlicht hat (hat mir auf jeden Fall geholfen :)).
Bavyera Kitap Ödülü’nü almasıyla dikkatimi çeken bu roman, Özdamar’ı tanımama vesile oldu. “Gölgelerle çevrili bir oda” diye çevrilebileceğini düşündüğüm (umarım yakın zamanda dilimize çevrilir) bu kitapta sesler, görüntüler ve sahnelerle karşılaşıyorsunuz. Âdeta sayfaların sahneye dönüştüğü bir tiyatro romanı. Ölülerin, hayvanların, nesnelerin yürüdüğü ve konuştuğu bir misafir odası. Güzel insanlarla dolu bir dostluk hikâyesi. Muazzam bir şiir koleksiyonu. Avrupa'nın yeniden keşfi ve de bu esnada berbat siyasetinin de aynası. İstanbul, Ayvalık(tahminimce Alibey Adası), Lesvos, Berlin, Paris, Bochum ve nicesi arasında sürekli bir yolculuk hâli. Kelimelerle oynanan teatral ve büyülü bir oyun. Bir kapısından girip diğerinden çıktığımız Kervansaray’ın tasviri ve en nihayetinde bir hayat hikayesi. En acısından, en güzelinden, en azından ve en çoğundan; özlemle yazılmış bir roman.
22 Şubat 2022, saat 21:30 suları, elimde kitap yazarın karşısındayım:
- Emine Hanım merhaba. - A-aaa merhaba! - Son zamanlarda okuduğum en etkileyici romandı, bunun için size gönülden teşekkür ederim. … - Emine Hanım en çok neyi merak ediyorum biliyor musunuz, zira henüz kitabı bitirmedim. Ali Kaptan’a ne oldu? Bir telefonun ucundaki ses hâline dönüşen ananız, babanız bir vücuda kavuşacak mı tekrar? Misal ben babamı en son ses olarak kaybetmek zorunda kaldım. … Her ikimiz de sessiz ve duyguluyuz, hatta ben daha fazla konuşamadım ya, ondan öyle durduk, bakakaldık. … - Boran, kitabı ben “Boran’cığıma” dize imzalamak istiyorum. Ve unutma, mücadeleye devam!
“Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!” (Brecht, “An die Nachgeborenen”) [“Truly, I live in dark times!”]
“Wir sind in den Händen von Mördern und Dieben.” (In the novel, attributed to Peter Zadek) [“We are in the hands of murderers and thieves.”]
A mesmerizing, heady novel about living through an age of political disaster. Özdamar depicts the life of an emigrant artist between the 1970s and 1990s, moving between Turkey’s fall to religious nationalism, the ghosts of German fascism, and an approaching age of right-wing power without an organized left to counter it and give hope for a better world.
The shadows of the title encroach on those trying to live in the space of light, hope, reason, socialism. The old voices haunt the narrator, also nurturing the embers of dying hope: “…der DDR-Schriftsteller Heiner Müller sagt in etwa: In einem Land, in dem es keine Hoffnung gibt, sucht man die Hoffnung bei den Mumien.” […the GDR author Heinrich Müller says something like: In a land in which there is no hope, one seeks hope among the mummies.”]
This is a novel for those who regard artworks as both friends and aids to living well. There are also delightful surreal interludes, involving dialogues with crows, mosquitoes, and sea urchins.
wenn man sich an die sprache gewöhnt hat, zieht die geschichte einen richtig rein. ich hab was anderes, lineareres erwartet, aber bin jetzt froh etwas gelesen zu haben, das so anders und anspruchsvoll war. am schönsten fand ich im parisabschnitt wie die protagonistin die welt wahrgenommen hat, ein sehr beobachtender und bedeutungsvoller blickwinkel, wenn man das so sagen kann. die erzählten bilder in großstädten wie istanbul und paris, aber auch kleineren orten haben sich sehr real angefühlt. die politische sphäre war trotz aller faschistischer grausamkeiten so intensiv und poetisch erzählt, dass ich daraus mehr mitnehmen konnte als aus so manchen texten vom unrast-verlag. ich hab es gern gelesen!
„Der Rest des Raumes ist ohne Schatten. Deswegen sieht es nur dort, wo der Schatten gewachsen ist, wie ein Raum aus, wie ein von Schatten begrenzter Raum“ (Zitat Seite 90) „Der Rest des Raumes war ohne Schatten. Deswegen sah er nur dort, so unsere Schatten gewesen waren, wie ein Raum aus, ein von Schatten begrenzter Raum, der sich mit Leben füllte.“ (Zitat Seite 242)
Inhalt Die junge Ich-Erzählerin aus Istanbul flüchtet vor der türkischen Militärregierung über das Meer nach Europa. Sie hat in Istanbul die Schauspielschule besucht und hält an ihrem Traum fest, als Schauspielerin zu arbeiten. In Berlin pendelt sie als Assistentin des Regisseurs Benno Besson zwischen West- und Ostberlin. Dann holt Besson sie für sein nächstes Projekt nach Paris, anschließend kehrt sie nach Deutschland zurück, zu Claus Peymann an das Schauspielhaus Bochum. „Die Bühne ist großherzig, dort reden die Toten, und jede Nacht kommen die Zuschauer, um diese Toten zu sehen und ihnen zuzuhören. Und die Toten mischen sich nur am Theater in des Leben der Lebenden.“ (Zitat Seite 506). In Bochum schreibt sie auch ihr erstes Theaterstück.
Thema und Genre Dieser stark autobiografische Roman handelt von der Suche nach Heimat und eigener Identität in einem fremden kulturellen Umfeld, dem Wunsch, sich selbst auch in neuen, fremden Sprachen zu finden. Auch die politische Vergangenheit und Gegenwart Europas im 20. und aktuellen 21. Jahrhundert sind prägende Themen. Doch vor allem geht es um Kultur, um Literatur und das Leben am Theater.
Charaktere Dieser Roman schildert das Leben und den Werdegang einer vielseitigen Künstlerin als Schauspielerin, Theaterregisseurin und Schriftstellerin. Damit verbunden sind Erinnerungen an befreundete Künstlerpersönlichkeiten, an Menschen, die sie begleitet und gefördert haben.
Handlung und Schreibstil Die Geschichte beginnt mit einem Prolog auf einer namentlich nicht genannten Insel ähnlich Alibey Atasi, von der aus man nauf die griechische Insel Lesbos, nach Europa, sehen kann. Dort endet die Geschichte auch mit einem Epilog und dieser Kreis schließt sich wortgenau: „Über uns die Nacht hat aus de dunkelsten Ecken ihrer Erinnerungen etwas herausgeholt und hat dieses Etwas zwischen der Orthodoxkirche, dem Esel, der blinden Frau und mir in der Luft leise verteilt.“ (Zitat Seite 10 und Seite 754). Wortgleiche Wiederholungen wie diese finden sich öfter auf diesen insgesamt 763 Seiten. Die von vielen Rückblenden unterbrochene Handlung der alltäglichen Ereignisse und Beobachtungen wird in einfachen Sätzen erzählt, ähnlich den Einträgen in einem persönlichen Tagebuch. Doch immer wieder gibt es Überblendungen, plötzlich eingeschobenen Fragmente, die Ort, Zeit und Realität durch- und überschreiten. Dies, und der überbordende Stil der Schilderungen und Beschreibungen fordert sprachlich. Die poetische Sprache, ergänzt durch zweisprachige Gedichte, ist bildintensiv wie ein Film, wie expressionistische Theaterkulissen, aber auch surreal und extrem verstörend und beklemmend, wo es um die Träume der Ich-Erzählerin geht, in denen immer Ängste, Traumata und Tod eine Rolle spielen.
Fazit Dieser Roman ist eine Herausforderung, eine wilde, anstrengende Reise zwischen dem Wunsch, das Lesen auf Grund der langen, immer wiederkehrenden Gedankenschlingen, der ausufernden Schilderungen und in ihrem Chaos nicht nachvollziehbaren Gedankenbrüche abzubrechen, und der Faszination gerade dieser imposanten sprachlichen Ausdrucksformen der türkisch-deutschen Schriftstellerin.
Ein schweres Buch. Über drei Monate zieht sich das Lesen dieses Buches, ermüdend und bedrückend. Immer wieder lese ich Passagen, Kapitel und bin absolut eingenommen von der brillianten Sprache und den klaren Bildern - wenn das Buch doch nur aus diesen bestehen würde? Dazwischen liegen Passagen, die müßig und zäh sind, schwer und in Teilen erdrückend. Es geht viel um die Träume (und Wahnvorstellungen?) der Autorin ohne, dass diese klar als solche benannt sind und dadurch verliere ich mich immer wieder dazwischen. Das Buch würde genug Stoff für drei Bücher ausmachen, und trotzdem muss ich sagen, dass mir die bereits gelesenen Passagen sehr vertraut vorkommen und ich sie nicht vergessen habe. Vielleicht hätte ich das Buch zu einer anderen Zeit im Leben lesen sollen, ihm mehr Raum einräumen. Und Parallelen zu Orhan Pamuk sind vorhanden, aber sehr wenige nur. Besonders spannend fand ich die Verflechtung von Berlin, Frankreich und Türkei.
„Ich habe einmal einen Dokumentarfilm gesehen, in dem eine deutsche Aristokratin, eine alte Frau, erzählte, dass Hitler, Goebbels und Göring öfter in das Hotel Adlon zum Essen kamen, wo sie auch aß. Die Aristokratin sagte: ›Wir sahen die drei, aber nahmen sie nie ernst, sie waren für uns Karikaturen.‹ Man muss die Politiker, die wie Karikaturen sind, ernst nehmen.« (S. 570)
„Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer.“ (S. 575)
„Also, ich brachte ihn zur Küstenwache 80, sie sagten mir: »Nein, den musst du zur Küstenwache 54 brin-gen.‹ Ich fuhr eine halbe Stunde zur dieser Kommandantur 54, sie sagten: »Nein, den musst du bei der 80 abgeben, das ist deren Gebiet.‹ Ich fuhr nochmal zur 80, die sagten: »Nein, den musst du bei der 54 abgeben.‹ Ich band mein Boot fest, sagte: ›Ihr müsst den Toten nehmen.« (S. 757)
Viele Impressionen aus den verschiedenen Orten an denen die Autorin gelebt hat. Poetische Sprache (sehr bildhaft, Protagonistin versinkt in Tagträume, in denen Sie ihre Beziehung zu ihrer Umgebung versucht zu bewältigen) Ganz viele skurrile und schöne Anekdoten von Orten und Menschen, die einen Lichtblick gegenüber den Entwicklungen in der Türkei darstellen. (Und gegenüber den negativen Erlebnissen und Ängsten als "Fremde" in Europa) Sehr interessante und einzigartige Perspektive auf Deutschland, Europa, Migration und Selbstfindung.
Emine Sevgi Özdamars Roman erzählt vom Leben im Exil, vom Leben in der Fremde. Dieses Leben ist auf die Gegenwart reduziert – eine Zukunft existiert nicht, oder zumindest nicht in den Gedanken der Erzählerin. Besonders eindrücklich wird dies in einer Szene vor dem Tod ihrer Mutter: Die Erzählerin wehrt sich gegen den Gedanken an diesen Verlust, denn der Tod eines geliebten Menschen erschüttert die fragile Existenz eines Menschen im Exil zutiefst.
Der Roman vermittelt dieses Gefühl der Unsicherheit und der existenziellen Gefahr auf eine Weise, die gerade in der heutigen politischen Lage besonders eindringlich wirkt. In dieser Hinsicht empfand ich die Lektüre als bereichernd. Dennoch hat mir das Lesen nicht durchweg Freude bereitet – aus zwei Hauptgründen.
Erstens hätte der Roman inhaltlich deutlich straffer erzählt werden können. Die Themen, die Özdamar behandelt, sind spannend und tiefgehend, doch sie hätten in einer konzentrierteren Form noch wirkungsvoller sein können.
Zweitens überrascht das Buch stilistisch: Während Özdamars frühere Werke für ihre poetische, bildreiche Sprache bekannt sind, verzichtet sie hier weitgehend auf diese Stilmittel. Stattdessen trifft eine ausufernde Erzählweise auf eine für ihre Verhältnisse eher nüchterne Sprache – eine Kombination, die für mich weniger reizvoll war.
Interessanterweise scheint sich Özdamar dieser Veränderung bewusst zu sein und argumentiert gegen die gängige Wahrnehmung ihrer früheren Werke, in denen ihre Sprache und Geschichten oft im Kontext ihrer Migrationsgeschichte gelesen wurden. Sie betont, dass ihre Geschichten nun für sich stehen sollen. Tatsächlich ist Ein von Schatten begrenzter Raum schwierig, auf eine abstraktere, soziologische Ebene zu übertragen.
Für mich ist Lesen aber gerade dann spannend, wenn ich Geschichten als eine Art Schablone auf mein eigenes Leben oder das meiner Mitmenschen legen kann, wenn sie mir neue Perspektiven eröffnen. Dass Özdamar sich bewusst gegen diese Möglichkeit entscheidet – wohl aus Angst, missverstanden und missbraucht zu werden –, ist ihr gutes Recht. Doch für mich persönlich macht es Ein von Schatten begrenzter Raum zu ihrem am wenigsten fesselnden Buch.
Heel interessant boek, met name door de schrijfstijl, die beslist meditatief te noemen is. Maar het is ook een dik boek en ik merk, nu ik halverwege ben, en de schrijfster Parijs heeft verwisselt met Berlijn, dat mijn aandacht verslapt, wegebt, en ik laat de tweede helft dan ook liggen tot een later moment waarop ik met frisse blik de draad weer op zal pakken.
Das Buch hatte einige wirklich gute Passagen. Besonders die Thematiken und Zeilen zum Thema Flucht, Migration und Heimat haben mich stellenweise sehr berührt.
Leider gab es für mich aber zu viele Passagen, die ich persönlich wirklich anstrengend fand. Das bezieht sich quasi auf fast den ganzen Mittelteil. Wirklich schade.
Tolles Buch! Ich bin total begeistert. Leest als een trein, de 750 pp in vijf dagen erdoorheen. Geen moment verveling of langdradigheid ondervonden. Autofictionele roman met zeer geėngageerde ondertoon. Aanbevolen.