»Politik, Europa, Gegenwart, Alltag, das kann einem ja nun keiner erzählen, dass das keine Auswirkungen hat«, ruft die Erzählerin ihrer Freundin Constanze zu. Zusammen sind sie die proletarischen Prinzessinnen – »Prinzessinnen, wie sie nicht in jedem Buche stehen. Aber wartet nur, wir schreiben uns in die Bücher hinein«. Zusammen wollen sie Widerstand leisten. Eine Revolte anzetteln. Die alten Märchen überschreiben. Denn etwas ist aus den Fugen geraten: Plötzlich drängen sich immer mehr Montage in die Woche. Da sind Riesen, die wie aus dem Schauermärchen in die Wirklichkeit schnellen. Da ist der Tod, der, eben noch erschöpft, immer mehr zum Akteur wird. Da ist ein unsichtbares Kind, das dafür plädiert, geboren zu werden. Da ist der schönste Roman der Welt in weißen Jeans. Höchste Zeit also, jedwede Ohnmacht zu überwinden.
Dies ist der Roman einer ungewöhnlichen Woche in Leipzig, in der auf Montag nicht mehr Dienstag folgt, alte Sicherheiten verloren gehen und neue Formen des Sprechens und Handelns erprobt werden – in Übertreibung, Abschweifung, Torheit und Spiel. Es ist ein luzider Kommentar auf unsere Gegenwart, ein Plädoyer für Spaß, klugen Protest und das Ringen um Lebendigkeit.
Dieses Buch ist unbewertbar. Dieses Buch ist Lyrik. Es ist Prosa. Dieses Buch ist ein Witzebuch. Dieses Buch ist ein Aphorismenschatz. Es ist die absolute Zeitzeugenschaft einer Reihe von Montagen in Ostdeutschland auf die intellektuelle Millenials keine Antwort hatten als ideenpirouettendrehende Texte zu schreiben. Dieses Buch ist genial. Dieses Buch ist unlesbar. Dieses Buch ist nur in kleinen Happen zu essen wie eine Nussnugatstange von Viba. Dieses Buch ist ein Contemporary Challenge und es ist ein Ice Bucket. Auf jeden Fall eine Provokation für alle, die gerne schmökern, für alle die Stories mögen. Auf jeden Fall ein Schmankerl für alle, die gern „luzide Kommentar[e] auf unsere Gegenwart, […] Plädoyer[s] für Spaß, klugen Protest und das Ringen um Lebendigkeit“ (Klappentext) lesen.
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„Wir werden staubig im Kies und liegen grundsätzlich in einer Landschaft aus Verzweiflung und Ratlosigkeit.“
„Wir reden gegen die Bröseligleit aller Dinge an - 19 Euro 33 bitte, sagt der Verkäufer. Oh, sage ich, 1933. ich gebe ihm 20 Euro: 2000 bitte, stimmt so. Und so geht das ab jetzt weiter. So geht das schon die ganze Zeit.“
„Oh weh, da macht sich Hektik breit und lässt mich die Kinder grimmig ansehen, wenn sie die Tür zu meinem Arbeitszimmer öffnen. Ich werde demnächst laut werden und nur noch in die falsche Richtung schreien. Constanze sagt, das könnte aber auch an den Hormonen liegen. Ja, sage ich und erhöhe die Thyroxin-Dosis. Oder ich sage: insofern es an den Hormonen liegt, hängen meine Hormone sehr stark von der deutschen, europäischen und internationalen Politik ab.“
„Wir sind eine Mischkalkulation aus Leben und Tod.“
„Fest steht: wir haben den Montag nicht aufgehalten, wenn unsere Enkel, so wir welche kriegen, uns später fragen, was wir eigentlich unternommen haben, dann werden wir sagen: wir sind trotz großer Müdigkeit und Ressentiments aufgestanden und nicht am Morgen schon liegengeblieben.“
Grandioser Anfang, dann hat sich‘s ein bisschen gezogen, waren aber über das gesamte Buch unheimlich starke Stellen. Ich glaube, es hätte ein wenig kürzer sein können und mit weniger Zitaten auskommen, dann wäre es noch stärker. Dennoch grosse Leseempfehlung!
Brilliant start, then it dragged on a bit, but they were incredibly strong passages throughout the whole book. I think it could have been a little shorter and used fewer quotes and it would have been even stronger. Nonetheless, a great read, I would highly recommend it!
Der Anfang fiel mir etwas schwer, da ich nicht begriff, worum es sich handelt. Als sich diese Frage geklärt hatte, flog ich nur so durch die Seiten. Ein schöner Roman, der viele Facetten zur Sprache bringt. Ob es sich wirklich um einen Roman handelt, ist allerdings eine Frage, die sich bereits auf den ersten Seiten eröffnet. Es sind verschiedene Elemente verschiedener sprachstile in einer Einzigartigkeit vermischt, dass einem die Übergänge kaum auffallen. Der Umgang mit Sprache ist in diesem Buch etwas Besonderes.
Unfassbar, redundant und furchtbar affektiert. Die Erzählerin hat offenbar etwas Wichtiges zu sagen, macht es aber einfach nicht. Die äußerst seltenen lichten Momente des Buches lassen diesen Umstand tragisch erscheinen. Der Rest sind nebulös aufgeblasene Phrasen, von denen keine in Erinnerung bleiben wird.
I managed to read around 100 pages then I stopped. Maybe it wasn‘t the right time, maybe it wasn‘t the right book. The premise still seems interesting to me, but it was just too difficult to get through. Too much thinking to enjoy it.
Was zur Hölle ist dieses Buch bitte? Ich bin auf so vielen Ebenen verwirrt & ich hasse alles daran. Ich versteh es einfach nicht. Hätte ich es nicht für die Uni lesen müssen, hätte ich nach 20 Seiten abgebrochen & es direkt auf den Stapel aussortierter Bücher geworfen.
Ein Text der vollendeten Tristesse. Ausführlicher, vielleicht begründeter auf kommunikativeslesen.com
„Die Woche“ als Roman zu bezeichnen, ist bereits eine gewagte Deutung. Aus einem Text besteht das Buch sicherlich. Heike Geißler setzt sich mit der Leipziger Gegenwart auseinander, mit den Montagsdemonstrationen auf dem Augustusplatz, mit Mietenteignungen, der gefährdeten Gesundheit ihrer geborenen und ungeborenen Kinder, mit Baustellen, Protesten, mit Zitaten und Querverweisen, dem Tod und Ende der DDR. Eine Handlung besitzt der Text aber nicht. Es ist der ‚stream of consciousness‘ einer sich ihrer Besessenheit bewussten, selbstkritischen Nachrichtenleserin:
„Und ich werde ihm [meinem Mann] sagen, ein Nachruf auf mich könnte lauten: Ungeachtet der konkreten Situation, in der sie lebte, entschied sie sich dafür, in den Chor der zeittypischen, verfügbaren und folglich leicht abrufbaren Klagen einzustimmen. Sie war nicht einfallsreich im Erfinden neuer Klagen. Egal, wie sehr sie nachdachte und sich umschaute: Sie konnte keine neuen Beschwerden, Anmerkungen, Wünsche liefern. Oder nur sehr wenige.“
Geißlers Stil illustriert Hilflosigkeit von Anfang bis zum Ende. Er ist schlicht. Einfach. Die Sätze sind kurz, schnell, rasen wie Links und Hyperlinks, von Fakt zum Märchen, vom Märchen zum Ereignis, zurück zu Erinnerungen und Befürchtungen wie ein Fähnchen im Wind. Der Text ist atemlos, widersprüchlich, hingeschrieben. Er sagt dies, verneint das, bejaht es zugleich und relativiert die Bejahung sofort zu einem Vielleicht. Er hat nicht viel über die Proteste, die Probleme, die er umkreist, zu sagen: Das Ausweichen als Manifest einer Meinungsenthaltung. Am ehesten noch ähnelt die Problematik der vielen Montage einer Handlung. Die Woche hat schlicht zu viele Montage. Die Montage wiederholen sich.
„Wir rufen das Ordnungsamt an, niemand hebt ab. Das kennen wir schon. Wir sprechen auf Band: Ich möchte mich beschweren. Diese Woche erlebt nun den vierten Montag in Folge. Auf welcher Grundlage geschieht das? Bitte informieren Sie mich. Ich bin unter folgender Nummer erreichbar.“
Wen das „Wir“ bezeichnet, bleibt unklar, vielleicht die Protagonistin und ihre beste Freundin oder Lebensgefährtin, vielleicht den Tod, der mit ihnen zusammenwohnt, oder die beiden Söhne, oder die Riesen vor dem Fenster, gar das laute, störende Karussell oder das ungeborene Kind, das endlich geboren werden will. Von Zitaten zersprengt, übereignet sich die Sprache der Boden- und Sinnlosigkeit. Eine Atempause, eine Besinnung scheint nicht möglich, egal, ob die Reise kurz, für einen Nebensatz, nach Rom, Berlin, Paris, New York oder Bad Belzig geht. Die Zeit sitzt der Protagonistin, also der Sprecherin, denn Akteurin ist sie selbst erklärterweise nicht, im Nacken. Die Nachrichten hetzen die Meute vor sich her. Sie flieht, aber entkommt nicht und winkt ab.
„Wenn wir ganz langsam reden, kommt vielleicht ein Satz dabei heraus, den wir meinen. Von dem wir wissen, dass er zutrifft. Wir suchen diesen Satz, den wir meinen, aber erahnen nach diesem Tag voller Sekt, Schnaps und Todesdrohungen, die wir ausgesprochen, und Todeslisten, die wir erstellt haben, überhaupt nicht mehr, wie er lauten könnte.“
All dies lässt einen unbefriedigt zurück. Es gibt Passagen in „Die Woche“, die kurz aufleuchten, die kurz erzählerisch mitnehmen und befreiend wirken, aber sofort unterbrochen werden. Die Luft ist raus. Der Text ist eher eine Intervention, ein kurzes Abstandnehmen, ein Stop-Schild, eine Performance. Als Theaterstück, gesprochen, gehetzt, geschrien, beweint, vielleicht. Als Improvisation getanzt, als Idee auf die Wände gesprüht, gezeichnet, verdreht, verklausuliert, möglicherweise. Aber als Text ungereimt und haltlos:
„Der Subtext dazu: Wir wollen es gelingen lassen, dieses Gespräch, okay? Und diesen Tag, nicht wahr? Wir reden gegen die Bröseligkeit aller Dinge an – “
Der Text, der seinen eigenen Subtext unterläuft, redet nicht einmal mehr mit sich selbst und treibt die Brüchigkeit und Bröseligkeit der Dinge nur weiter voran. In wenigen Worten: Ein Text der vollendeten Tristesse. Dann lieber Elfriede Jelinek "Die Ausgesperrten" oder gleich Nathalie Sarrautes "sagen die Dummköpfe" oder Francoise Sagans "Bonjour Tristesse".