Für Eltern, die bindungs- und bedürfnisorientiert erziehen, ist die Selbstbestimmung des Kindes ein wichtiger Wert. Das bedeutet, auch auf Geschlechterstereotype zu verzichten und die freie Herausbildung der kindlichen (Geschlechts-)Identität zu ermöglichen. Diese findet überwiegend während der ersten 10 Lebensjahre statt.
Dass Geschlecht eine soziale Konstruktion und nicht binär, sondern vielfältig ist, beschreibt Ravna Marin Siever anschaulich und einfühlsam anhand der Erkenntnisse der Gender Studies sowie zahlreicher Erfahrungsberichte von Eltern und Situationen im Alltag. Es gibt Kinder, die weder männlich noch weiblich sind, egal welchen Normierungsdruck Mütter, Väter oder die Gesellschaft ausüben. Siever erklärt, wie Kinder lernen, wer sie sind, und warum es wichtig ist, dass sie sich selbst einer Geschlechtsidentität zuordnen können. Das Buch bietet Eltern Entlastung, egal ob ihr Kind alle rosa-hellblau-Klischees auslebt, geschlechtsnonkonform, nicht binär oder trans ist.
Ein schönes, liebevolles Buch, das ermutigt Kinder als Persönlichkeit wahrzunehmen und nicht als ein "Geschlecht".
Ein Buch, das vieles hinterfragt, was als selbstverständlich gilt, aber es eigentlich nicht sein sollte. Auf der einen Seite sei es biologisch festgeschrieben, dass Jungen "so" seien und Mädchen "so" und das könne man auch nicht ändern. Gleichzeitig haben aber offenbar viele Menschen Angst davor, dass "woke Propaganda" ihre Kinder beeinflussen könnte. Was denn nun...? ENTWEDER ist das Kind wie es ist, und das kann man auch nicht ändern, und dann muss man auch keine Angst vor äußerer Beeinflussung haben. ODER Kinder sind SEHR anfällig für Beeinflussung von außen, und dann muss man sich mal an die eigenen Nasenspitze fassen und sich überlegen, ob wirklich alle Jungs SO und alle Mädchen SO sind, oder ob es nicht doch was damit zu tun hat, wie sie seit Geburt von außen beeinflusst werden... Kann man halt nicht beides haben.
Auch traurig wie viele Menschen schwören, dass sie Kinder ganz gleich behandeln, aber Studien immer und immer wieder das Gegenteil herausfinden. Als männlich wahrgenommene Kinder werden überdurchschnittlich oft als "mutig", "forsch", "schlau" beschrieben und aufgefordert sich "was zu trauen", "du schaffst das", "du bist schon groß". Während als weiblich wahrgenommene Kinder vor allem anderen als "süß", "lieb", "hübsch" wahrgenommen werden und sie viel öfter zu hören kriegen "Du bist ja eine ganz Süße", "Ich mach das schon", "Die wird mal eine Schönheit". (Auch wenn es sich dabei um das selbe Kind handelt, was einmal blau und einmal rosa trägt, wohl gemerkt.)
Erschreckend wie schon zweijährigen Mädchen suggeriert wird, dass ihr Wert vor allem darin liegt optisch ansprechend und brav zu sein (dafür gibts halt am meisten Lob) und wie man schon zweijährigen Jungen klar macht, dass es keinen Grund gibt zu Heulen, und sie sind ja ganz tapfer und stark (und sich dann wundert, wieso so viele Männer außer Wut nie gelernt haben irgendeinen Gefühl zuzulassen oder darüber zu reden...). Auch dass Jungen konsequent besser sind in räumlichen Aufgaben.... zumindest so lange, bis man Mädchen Zugang zu den gleichen Spielsachen gewährt und ihnen die gleichen Klettermöglichkeiten einräumt... und sich der angeblich angeborene Unterschied, dann wie Magie ... in Luft auflöst.
Kindern den Raum zu geben sich nicht prädominant als "Junge" oder "Mädchen" zu begreifen sondern zu allererst einfach als eigene Persönlichkeit, als Mensch mit Vorlieben, Abneigungen und Talenten - darum gehts hier. Und dass dieser Raum überhaupt erst möglich macht, dass Kinder irgendwann von sich aus sagen "Ich bin... ein Junge / ein Mädchen / beides / keins von beidem" und "diese Pronomen fühlen sich gut für mich an". Das klingt eigentlich sehr leicht. Und sehr einleuchtend. Und sollte nicht von vielen Stellen so schwer gemacht werden...
Wir werden definitiv versuchen unser Kind geschlechtsoffen zu erziehen und möchten es nicht von Geburt an in irgendwelche Boxen packen oder in eine "blaue" oder "rosa" Ecke schieben. Wenn es irgendwann von selbst in einer Ecke besonders gerne ist, dann darf es das sein, und wenn es eine ganze eigene Ecke möchte oder sich in beiden Ecken wohlfühlt, dann ist das auch in Ordnung. Unseren Rückhalt hat es.
Mein Körper wird weiblich gelesen. Das merke ich daran, dass wenn ich sage, dass ich keine Kinder wolle, ich das erklären muss. Trotzdem habe ich dieses Buch gelesen, da unser Umgang mit jungen Menschen das Fundament für eine bessere Zukunft birgt.
Aber auch für mich als Mensch war es eine erleuchtende Lektüre, habe ich doch dabei vieles über die Funktionen unserer Gesellschaft und das binäre System erfahren. Auch über mich selbst wurde mir einiges klarer. Ein paar alte Wissensbrocken sind zerstört worden (wie das "Mädchen sind halt von Natur aus schlechter in Mathe").
Siever legt ein fundiertes Werk vor, das auch Einblicke in den Alltag der Autorenperson gibt. Diese Szenen liessen mir oft das Herz überlaufen und zeigen gut auf, dass Kinder mehr können, wissen, fühlen, als dass wir Erwachsenen ihnen oft zugestehen.
Es gibt Szenen, die mich zum Lachen gebracht haben, aber leider auch sehr viele mehr, bei denen es mir richtig, richtig schwer ums Herzen wurde. Wie viele Kinder wurden kaputt gemacht, weil sie in ein binäres System gezwängt wurden? Wie viele Leben zerstört?
Mit diesem Buch zeigt Siever auf, dass geschlechtsoffene Erziehung Möglichkeiten für alle birgt, für Kinder, welche sich in ihren Körpern richtig fühlen, und eben auch für jene, welche sich woanders verorten. Wir erfahren, was Eltern für ihre Kinder tun können, und womit wir den üblichen Argumenten begegnen können.
Einer meiner liebsten Sätze ist, dass mehr als zwei Geschlechter für Kinder in etwa so verwirrend sind wie mehr als zwei Pokémon ;)
wichtiges thema, mit dem alle sich mehr auseinandersetzen sollten - eltern, Großeltern, pädagogisches fachpersonal, betroffene, nicht-Betroffene... Eine gute Mischung aus fachlich fundiert und persönlich erfahren, praxisbezogen und konkret und theorie.
Ein so wundervolles Buch, welches veranschaulicht, was wir gewinnen, wenn wir unsere Kinder geschlechtsoffen erziehen. Gleichzeitig gibt es Argumente an die Hand, mit denen Vorurteilen begegnet werden können.
Es ist für alle geeignet, die sich dem Thema öffnen wollen oder schon ein paar Schritte weiter sind und die Haltung konkret in ihr Leben / Arbeiten mit Kindern integrieren wollen oder mit queeren Menschen leben oder im Kontakt stehen.