Alma und Friedrich bekommen ein Kind, das keinen Schmerz empfinden kann. In ständiger Sorge um ihren Jungen, ist es vor allem Alma, die ihn unaufhörlich auf körperliche Unversehrtheit kontrolliert. Jeden Abend tastet sie das Kind ab, um keine Blessur zu übersehen. Und nichts fürchtet die junge Mutter mehr als die unsichtbare Verletzung eines Organs, die ohne ein Zeichen bleibt. Halt findet Alma bei ihrer Großmutter, die jetzt, hochbetagt und bettlägerig und nach lebenslangem Schweigen, zu erzählen beginnt: vom Aufwachsen im Krieg, von Flucht, Hunger und der Kriegsgefangenschaft des Großvaters. Mit dem Kind auf dem Schoß, das keinen Schmerz kennt, sitzt Alma am Bett der Schwerkranken, die sich nichts mehr wünscht, als ihren Schmerz zu überwinden. Und in den Geschichten der Großmutter findet sie eine Erklärung für jene scheinbar grundlosen Gefühle der Schuld, der Ohnmacht und der Verlorenheit, die sie ihr Leben lang begleiten.
Wie wird ein Kind zum Menschen, zu einem mitfühlenden sozialen Wesen, wenn es die Verwundbarkeit nicht kennt? Wenn es nicht versteht, wie sehr etwas wehtun kann? In eindringlichen Bildern erzählt Valerie Fritsch von einem Trauma, das über die Generationen weiterwirkt, sie lotet die Verletzlichkeit des Menschen aus und fragt nach dem Wesen des Mitgefühls, das unser aller Leben bestimmt.
Bei der finalen Beurteilung des Buchs bin ich sehr zwiegespalten, was sich erst in lauwarmen drei Sterne niederschlug und ein paar Stunden später mich veranlasste, doch nochmal die Review zu editieren und auf vier Sterne zu erhöhen. Ich finde das Leitmotiv „Schmerz und seine Weitervererbung an die nachfolgenden Generationen“ sehr interessant und Vieles hat Valerie Fritsch auch für mich ansprechend gelöst. Doch der Schreibstil ist zwar äußerst eloquent und die Sätze wirken alle wie wohlgefeilt, aber die ganze Schönheit der Ausdrucksweise hat für mich einen Haken: in seiner Kürze bleibt die Familiengeschichte emotional sehr kühl und distanziert, was sicher auch am Verzicht der direkten Rede liegt.
Im Mittelpunkt steht die junge Frau mit Namen Alma, deren Großeltern durch die Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg traumatisiert sind. Insbesondere der Großvater in russischer Gefangenschaft musste Entbehrungen erleben und um sein Leben kämpfen, auch wenn er dafür über Leichen ging. Doch die Generation der Großeltern hat nicht gelernt darüber zu reden und so liegt das Verschweigen über den Schmerz und die Gräuel wie ein Schleier über dem Familienglück. Das gipfelt dann darin, dass Almas Kind Emil durch einen Gendefekt überhaupt keine physischen Schmerzen spüren kann. Nach dem Tod der Großeltern versucht die Enkelin die Opas Orte des Schmerzes zu bereisen, was zu einem etwas seltsamen Roadtrip nach Kasachstan führt.
Im Nachgang las ich, dass Valerie Fritsch auch Fotografin ist, genau wie Almas Mann Friedrich im Roman. Dann war mir auf einmal klar, an was mich das Buch erinnerte: es fühlt sich an, wie wenn man zum Diaschauen bei Freunden eingeladen ist. Über jedes Standbild wird erzählt und erläutert, was da passierte und wie sich die Personen auf dem Foto fühlten und was sie dachten. Und nach vielen Dias der Großeltern im ersten Drittel des Abends, kamen im zweiten Drittel dann Bilder von Friedrich und Emil. Und als man Alma dann als Leser sagen wollte, dass es jetzt eigentlich reicht, kommt noch die Urlaubsbilder aus dem Kaukasus. Alle Aufnahmen künstlerisch wertvoll und die Ausführung prinzipiell interessant, aber nichts ist langweiliger als ein fünfstündiger Diaabend bei Freunden, wenn man doch eigentlich lieber einen Film mit Leben und Emotionen gesehen hätte, bei dem sich Rückschlüsse auf die Einstellung der Menschen aus den Handlungen und Gesprächen ergeben.
Auf jeden Fall war es eine interessante Lektüre, und zurecht war das Buch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Es geht ja eindeutig der Hang zu Büchern, die mutig einen anderen Erzählstil als üblich haben. Insofern ist das Buch zurecht nominiert. Aufgrund der außergewöhnlichen Fähigkeit der Autorin, viele Sätze so zu formulieren, dass man sich am liebsten den Textmarker leer streichen würde, vergebe ich schließlich doch vier Sterne. Lesenswert, keine Frage.
Now Longlisted for the German Book Prize 2020 Fritsch's rather short text is a lyrical meditation on intergenerational trauma and pain, both physical and psychological. We meet four generations of a family: The grandparents are traumatized by WW II where the grandfather not only became guilty, but also lived through a Russian prison camp as a POW -the war turned him into a broken man, and he's the one with the title-giving artificial heart valves. The generation of the parents is entrapped by passive-aggressiveness and a lack of love, while their child, our main character Alma (Latin for "soul"), dreams of a full life as a child, only to become deeply disillusioned. Alma, an illustrator, gives birth to a child who looks like the grandfather and is unable to physically feel pain.
Needless to say, this text mainly relies on its metaphors and allegories which are presented in a dense, heavy language. There is no dialogue, and the narrative restraint that dictates pure descriptiveness is only sometimes permeated by some very indirect speech. This approach evokes a feeling of suffocation, of a thick emotional fog that veils the characters, which is of course fitting. I needed some time to get into Fritsch's language because it is so particular, but once you get the hang of it, it flows very nicely.
Fritsch's main topic is how pain and guilt travel from one generation to the next, and what it does to people. As this is a lyrical, allusive, atmospheric text, the reader needs some tolerance for vagueness and a storyline that hardly deserves the term. Towards the end, the book becomes a little lengthy, but the playful ending of this dark read managed to made me laugh. An interesting text that puts readers to work.
(As an aside: Did the person at Suhrkamp who wrote the description of the book actually read it? The advertisement raises false expectations, which will lead to readers becoming upset - this nonsense will harm the book's reception.)
Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2020 (Longlist)
Ach schade, das war nicht wirklich ein Buch für mich. Dabei hat es durchaus ansprechend angefangen und ist auch grundsätzlich recht schön, im Sinne von fast poetisch geschrieben - das hat mich dann aber letztlich doch eher unbefriedigt zurückgelassen, mehr dazu gleich.
Zunächst einmal dies: Das Buch ist leider ein klarer Fall von fehl geleitetem Marketing. Der Klappentext spiegelt die hauptsächliche Thematik eher unzureichend wieder und führt diejenigen, die an dem dort im Mittelpunkt stehenden Thema interessiert sind, in eine frustrierende Irre. Für mich fließt das nicht direkt in meine Bewertung ein, da ich keine besondere Erwartung hatte, Klappentext hin oder her - zumal die Autorin nichts dafür kann. Dennoch hat es meine mit jeder Seite wachsende Verwirrung nicht wirklich reduziert.
Beherrschendes Thema ist der Umgang und das Leben mit Schuld. Im Mittelpunkt stehen Alma, ihre Lebensgeschichte (vom Kindesalter bis zur Mutterschaft) und Beziehungen. Wir erfahren einiges über ihre Kindheit, etwas über ihre Eltern, am meisten aber über ihre Großeltern. Abwechselnd werden Opa und Oma, deren persönliche Schicksale und die wechselnde bzw. wachsende Beziehung zu Alma beleuchtet.
Der Opa, der als junger Mann im Zweiten Weltkrieg kämpfte, dabei viel Schuld auf sich lud, in Kriegsgefangenschaft geriet und als Mann heimkehrte, dessen "Nachher" von eben jenen Faktoren und Erlebnissen geprägt wurde. Die Oma als seine Konstante, die die "Vorher"-Version ihres Mannes nie kennengelernt hat. Valerie Fritsch beschreibt die Gräuel des Krieges und ihre (Spät)folgen. Dieser Teil - gerade die Kontraste der kleinen Alma, die aus dem schweigsamen Opa nicht schlau wird, mit der großen Alma, die sich den Großeltern mit Wissen und Verständnis neu annähert, hat mir gefallen. Geschickt spielt Valerie Fritsch mit Selbst- und Fremdbild und wie sich diese durch Erfahrungen ändern - garniert mit wirklich tollen Sätzen wir zum Beispiel: "Wie alle wollten sie [die Eltern] anders sein als die eigenen Eltern, aber später Kinder haben, die waren wie sie.". So gut, so wahr.
Spätestens, als die Erzählung mehr in die Gegenwart schwenkte und die stets von der Vergangenheit der Geschichte geprägten Großelterngefilde verlässt, fing irgendetwas an, mich zu stören. Alma lernt ihren späteren Mann kennen, sie bekommen einen Sohn (jenen schmerzunempfindlichen Emil)... und dann fiel es mir auf: Hier passte die Erzählung für mich nicht (mehr). Das gesamte Buch kommt komplett ohne Dialoge aus, es findet sich keine einzige direkte und auch kaum indirekte Rede. Alles wird beschrieben, bis ins kleinste Detail, doch mir fehlte die direkte Interaktion, die Kommunikation zwischen den Figuren. Die "neuen" Verbindungen blieben für mich kalt, blass, unnahbar. Was bei den wie Rückblenden wirkenden Passagen gut funktioniert hatte, ja, mir dort nicht mal auffiel, störe mich umso mehr im späteren Teil.
Hinzu kam, dass die Geschichte ca. ab der Hälfte einen Bruch vollzieht und die zweite Hälfte - in der Alma mit ihrer Familie nach Kasachstan reist, um der Vergangenheit des Opas (der einst dort im Einsatz und in Kriegsgefangenschaft war) zu folgen, sich sehr gezogen hat. Da stimme die Gewichtung der Erzählstränge für mich überhaupt nicht mehr. Alma hält die Geschichte(n) zusammen, gleichzeitig fungiert ihr Sohn, der keinen Schmerz empfinden kann, als eine Art Klammer bzw. Spiegelung der "Stumpfheit" des Großvaters. Auch das ging alles nicht so richtig für mich auf. Das Thema postnatale Depression wurde auch noch für ein paar Seiten eingestreut - nun ist das Buch allgemein nicht wirklich lang, aber weniger wäre hier und da vielleicht (noch) mehr gewesen.
Allgemein hinterließ das alles einen sehr unausgegorenen Eindruck bei mir, schade und enttäuschend nach dem viel versprechenden Beginn.
Ich bin noch unschlüssig bezüglich meiner Sternebewertung.
Was ich ganz klar vorweg sagen muss: Der Klappentext ist absolut unpassend und schlecht gewählt. Das sollte jeder wissen, der das Buch zur Hand nimmt, sonst passiert es ganz schnell, dass das Buch aufgrund falscher Erwartungen schlechtere Bewertungen bekommt, als es verdient hätte. Das hatte ich zum Glück vorher auch schon mehrfach gelesen und mich vom Klappentext distanziert. Ein Glück! Sonst wäre ich sehr enttäuscht gewesen.
Aber worum geht es? Im Grunde geht es um eine Familiengeschichte. Es handelt sich um eine transgenerationale Erzählung, wie sich die Geschichten und Hintergründe der einzelnen Familienmitglieder gegenseitig beeinflussen. Es ist ein unaufgeregtes Buch, es ist keine große Story erkennbar, es lebt einzig von der psychologisch ausgeklügelten und geschickten Darstellung der einzelnen Charaktere. Es entschleunigt. Und das tut es auf eine sprachlich absolut umwerfende Art. Zu Beginn war die Sprache ein wenig anstrengend, man hatte das Gefühl, in jedem Satz ein großes Stück sprachlicher Schönheit verpassen zu können, wenn man nicht ganz langsam und bewusst liest, dieses Gefühl hat aber mit der Zeit nachgelassen. Nicht so meine Begeisterung über die Ausdruckskraft.
Auch die Ausarbeitung der Charaktere und ihrer Beziehungen an sich war für mich absolut gelungen und somit ein großer Pluspunkt. Durch ihre sprachliche Wucht und ihr Feingefühl schafft es die Autorin, diese auf nur wenigen Seiten sehr nachvollziehbar und lebensnah darzustellen, mit Licht- wie auch Schattenseiten. Stilistische geschickt werden auch die zwei Enden des Generationen-Spektrums miteinander verwoben.
Leider überzeugt das Buch inhaltlich dafür nicht wirklich. Das müsste es nicht, wenn man bewusst auf wenig Story gesetzt hätte. Leider hatte ich aber zwischendurch immer das Gefühl, dass es an manchen Stellen dann doch mehr wollte. Die Kriegsvergangenheit der Großeltern spielt eine Rolle, sowie Gefühle von Schuld und Vergebung, und die Suche nach Antworten. Das kam für mich leider überhaupt nicht raus. Das letzte Drittel, wo dies fokussiert wurde, war für mich somit das schwächste. Dabei habe ich die ersten beiden Drittel wahnsinnig genießen können.
Es wird wohl irgendwas zwischen 3,5 und vielleicht sogar doch 4 Sternen. Aber das Ende hat mich eben nach anfänglicher Begeisterung doch etwas ernüchtert. Und bei einem Buch mit unter 180 Seiten ist ein Drittel eben schon viel...
Trotzdem spreche ich eine Leseempfehlung für alle aus, die entschleunigende Bücher mit viel sprachlicher Schönheit auch ohne groß greifbare Handlung genießen können! :)
"Die Buchstaben zogen sie magisch an, so dass sie noch die Liste der Inhaltsstoffe eines Reinigungsmittels las, das zufällig am Fensterbrett stand, las die Buchrücken in den Regalen und die Zubereitungsanleitung auf den Teebeuteln, als könnte sie die Augen, einmal geöffnet, nicht abstellen beim Entziffern der Welt." - Valerie Fritsch, "Herzklappen von Johnson & Johnson"
Alma wächst in einer Familie auf, in der die Stille viel Raum einnimmt. Ihre Eltern sind sehr schweigsam, bei Familienfeiern verstummt man bei schwierigen Themen. Alma wird von diesem Verschwiegenen magisch angezogen, sie fühlt eine Vergangenheit, die gar nicht die ihre ist und fragt nach, so viel sie kann. Der Umgang mit Schuld und das Erlernen von Mitgefühl nehmen einen großen Teil ihres Lebens, aber auch das all ihrer Familienmitglieder ein.
"Herzklappen von Johnson & Johnson" kommt mit einer sprachlichen Wucht daher, die ich dieses Jahr bisher kaum in einem anderen Roman finden konnte. Valerie Fritsch schreibt sehr verschachtelt, aber gleichzeitig einfach wunderschön, sodass man einige Passagen am liebsten aufsaugen und nie mehr vergessen mag. Jedes Wort strahlt Schönheit aus und bringt viele, viele Emotionen mit sich.
Obwohl ich den Schreibstil der Autorin wirklich nur in den höchsten Tönen loben kann, konnte mich der Inhalt des Romans nicht wirklich überzeugen. Zunächst finde ich den Klappentext schlecht gewählt. Man könnte meinen, der Hauptprotagonist des Buches sei Almas Sohn, tatsächlich geht es aber eher um Alma, die Geschichte ist um sie herum gestrickt. Auch spielt die Krankheit des Jungen (er verspürt keinen Schmerz) keine wirklich tragende Rolle, sie fügt sich eher ein in dieses Geflecht aus Schmerz, Schuld und Vergebung.
Generell kam es mir vor, als hätte Valerie Fritsch vielleicht etwas zu viel gewollt mit ihrem doch sehr schmalen Roman. Das Thema Krieg und der Umgang mit den Nachwehen des Krieges scheinen eigentlich wichtig zu sein, bekommen dann aber doch kaum Raum - was ich sehr schade fand, da der Ansatz der Autorin vielversprechend war.
Es handelt sich bei "Herzklappen von Johnson & Johnson" um einen Roman über eine Familie, man begleitet sie über mehrere Generationen hinweg. Leider inhaltlich nicht ganz ausgeklügelt, dafür aber sprachlich einfach wunderbar. Für mich gibt es 3 / 5 ⭐.
Ich bin tatsächlich WÜTEND auf dieses Buch, weil es etwas komplett anderes verspricht, als es ist und einfach nur unerträglich (und unnötig) lyrisch über Zusammenhänge rumlabert, die ich nicht sehe. (Dieser lange Satz steht repräsentativ für die ewig verschachtelten Sätze in diesem Buch. Schön, oder?) Der Klappentext und der Buchinhalt sind so unterschiedlich, dass ich zwischenzeitlich dachte, sie haben ihn verfasst, bevor das Buch geplottet oder geschrieben wurde. Das was versprochen wird (ein Junge, der keinen Schmerz fühlen kann), wird auf maximal zehn Seiten beschrieben. Die Hälfte davon steht schon auf dem Klappentext. Die Thematik hätte so viel hergegeben; stattdessen wird es oberflächlich ab erzählt, um dann wieder alles drumherum zu schildern. Die unerträgliche Einsamkeit des Seins war im Vergleich dazu ein Hochgenuss.
Bevor ich mich dazu entschlossen habe, "Herzklappen von Johnson & Johnson" von Valerie Fritsch zu lesen, war das Buch bereits auf der Longlist des Deutschen Buchpreises und ich hatte auch schon ein paar Meinungen gehört. Alle waren sich einig, dass der Klappentext nicht den Inhalt widerspiegelt, weshalb ich ihn auch erst nach der Lektüre durchgelesen habe. Und es stimmt, besser nicht lesen, weil man sonst eine andere Vorstellung haben könnte.
Für mich war das Buch mindestens in zwei Abschnitte unterteilt, mitunter kam es mir auch so vor, als würden lose miteinander zusammenhängende Episoden locker verknüpft. Die Protagonistin Alma ist dabei das Bindeglied. Als das große Motiv des Romans würde ich den Umgang mit Schmerz beschreiben. Die erste Hälfte des Buches befasst sich vor allem mit Almas Großeltern und deren Kriegstraumata. In der anderen Hälfte steht Almas Sohn im Vordergrund. Außerdem begibt sie sich auf Spurensuche nach Kasachstan, wo der Großvater einst Kriegsgefangener war.
Mich selbst hat vor allem die poetische Sprache in ihren Bann gezogen. Allerdings musste ich mich sehr konzentrieren, auch der Geschichte zu folgen und mich nicht nur in schönen Phrasen zu verlieren, sodass ich Absätze öfter mehrmals lesen musste. Thematisch konnte ich vor allem dem ersten Teil des Buches viel abgewinnen. Almas Familie ist zwar auf diese Art egozentrisch, wie man sie oft in entsprechenden Romanen findet, im Kern jedoch konnte ich mich gut mit den Gedanken der Protagonistin identifizieren. Ich denke, der Umgang mit den Traumata aus dem Zweiten Weltkrieg ähnelt sich in den meisten deutschen (bzw. in diesem Fall österreichischen) Familien. Die zweite Hälfte, die vor allem durch die Reise nach Kasachstan geprägt ist, hat mich dann aber ziemlich verloren. Die gefühlt immergleichen Beschreibungen der einzelnen Stopps, die Monotonie und die eigentliche Inhaltslosigkeit haben mich dann etwas ratlos zurückgelassen. Mir hat da dann doch der Zusammenhang mit dem Beginn des Buchs gefehlt.
Alles in allem hat das Büchlein dann aber doch trotz der geringen Seitenanzahl einiges zu bieten. Aber ich kann dann doch auch nachvollziehen, weshalb es "Herzklappen von Johnson & Johnson" nicht mehr auf die Shortlist geschafft hat.
Den Anfang und den Mittelteil fand ich echt stark, und habe gedacht das ist wieder ein 5 Sterne Buch. Das Ende mochte ich leider nicht mehr so. Deswegen gibt es "Nur" 4/5 Sternen.
Autorinnen wie Valerie Fritsch gehen so kunstvoll mit Sprache um, dass ich mich beim Lesen nicht selten frage, ob diese Schriftstellerinnen nicht auf geheimnisvolle Art über mehr, oder zumindest andere Worte verfügen als wir. Dass aus dem gleichen Wortschatz, mit dem ich beim Bäcker mein Frühstück bestelle, so beeindruckend kluge, sprachschöne Metaphern entstehen, erscheint mir bei der Lektüre dieser Bücher absurd.
„Während Gewalt einfach war, waren ihre Folgen kompliziert und unübersichtlich, und oft erfuhr man erst, dass die Menschen, die einem nahestanden, auch böse waren, wenn es zu spät war und man sich längst an sie gewöhnt hatte. Wenn Friedrich sie hin und wieder verständnislos fragte, warum sie sich nicht abwandte und lossagte von dieser Vergangenheit, von dieser Familie, als würde sie sich rückwirkend mitschuldig machen, antwortete sie stets mit einem Schulterzucken, dass man manchmal eben auch den Widersprüchen verpflichtet war.“
Thematisch führt der Klappentext leider etwas in die irre. Es geht deutlich weniger um Almas Sohn, der bedingt durch eine Genmutation kein Schmerzempfinden besitzt. Stattdessen ist es seine Mutter, die im Zentrum der Erzählung steht. Trotz der sprachlichen Raffinesse fehlte es mir an rotem Faden, zwischen den Seiten ging ich mehrfach verloren - ein Gefühl, das ich beim Lesen leider einfach nicht schätze.
Grundsätzlich gilt aber: Die Themen wie bspw. generationsübergreifende Kriegstraumata, Schmerz und vor allem auch die Verdrängung und das Nicht-Darüber-Reden-Können/Wollen sind sehr spannend. In vielen messerscharf formulierten Beobachtungen habe ich meine eigenen Großeltern und meine eigene Ohnmacht gegenüber ihrem Schweigen wiedererkannt.
„Er lief durch den Tag wie ein Zeiger und durch die Zimmer des Hauses wie über ein Ziffernblatt, ohne Abweichungen, ohne Überraschungen.“ - 'Herzklappen von Johnson & Johnson' von Valerie Fritsch -
Auf ‚Herzklappen von Johnson & Johnson‘ von Valerie Fritsch wurde ich durch #zusammenlesen von Mona Ameziane aufmerksam. Der Klappentext suggeriert, dass es im Roman hauptsächlich um Alma und Friedrichs Sohn Emil geht, der mit einem Gendefekt geboren wurde. Er empfindet keinerlei Schmerz. Vielmehr geht es jedoch um Alma und ihre Familiengeschichte, die vom Großvater bis zu ihrem Sohn reicht.
Die Sprache, die Valerie Fritsch nutzt, um die Geschichte dieser Familie zu erzählen, ist einfach nur wunder-, wunderschön! Ich habe dafür keine Worte. Ich finde, sie hat eine ganz besondere Gabe. Ich hätte mir so viele Stellen einfach markieren können. Wunderschön!
Wo mich der Sprach- und Schreibstil begeistert und wirklich umhaut, bleibt aber eine Lücke. Denn die Handlung oder vielmehr die Geschichte bleibt ein wenig dahinter zurück. Zwar hat es mir unglaublich gut gefallen, dass Valerie Fritsch eine Geschichte über eine Familie und Schmerz, ausbleibenden Schmerz, verschwiegenen Schmerz und Stille erzählt. Leider habe ich aufgrund des Klappentextes etwas völlig anderes erwartet. Oder zumindest hätte ich mir gewünscht, dass es tatsächlich mehr um den Gendefekt geht. Mir hat der Ansatz der Geschichte wirklich zugesagt, aber in diesem relativ dünnen Buch wurde dann das Thema teilweise etwas zu kurz abgehandelt, für mein Empfinden. Zudem hat mich das Ende sehr ratlos bzw. unzufrieden zurückgelassen.
Insgesamt hat mir ‚Herzklappen von Johnson & Johnson‘ von Valerie Fritsch durchaus gut gefallen. Besonders die Sprache war ein Genuss. Leider konnte die Handlung nicht gänzlich überzeugen. Mich hat die Geschichte leider nicht ganz erreichen können.
Alma wächst in einer Familie des Schweigens auf. Das Leben der Eltern scheint nur hinter verschlossenen Türen vorzukommen, das Zuhause insgesamt erweckte mehr den Anschein einer Kulisse, vor der Leben eher simuliert wurde als dass es tatsächlich stattfindet. Die verrückte Mutter, die mondsüchtig des nächtens aus dem kontrollierten Alltag ausbricht, fasziniert das Mädchen, bringt dies wenigstens ein wenig Bewegung in den ansonsten stillen und nüchternen Alltag. Dieser wird auch von den Großeltern bestimmt, denen die Kriegserfahrung nicht nur in den Knochen steckt, sondern die diese regelrecht auf die Enkelin übertragen, die die Erfahrungen der älteren Generation in Alpträumen nacherlebt. Mit Friedrich erlebt sie schließlich die alles aufzehrende Liebe, Emotionen, die sie zuvor nicht kannte. Die Geburt des gemeinsamen Sohnes Emil jedoch stürzt sie zurück in eine abgeriegelte Welt, deren Grauen vor allem in ihrem Kopf stattfindet. Doch auch mit Emil stimmt etwas nicht, es dauert einige Jahre, bis das Ergebnis der Ärzte feststeht: Emil kann keinen Schmerz empfinden.
Valerie Fritsch wurde für ihren Roman mit einer Nominierung auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2020 honoriert. Es ist die Geschichte vierer Generationen, die durch Alma verbunden und im Schmerz vereint sind. Die Großeltern, die die schmerzlichen Kriegserfahrungen nicht überwinden konnten und versuchten, durch eigenes Schweigen die Stimmen und Bilder im Kopf mundtot zu machen. Die Eltern, die nur hinter Türen reden, aber nicht mit dem Kind. Alma selbst, für die Schweigen und Schmerz identisch werden und die beides überwinden möchte bis zu Emil, der laut, geradezu vorlaut ist und durch das fehlende Schmerzempfinden das gegenteilige Extrem darstellt.
Die grausamen Kriegserlebnisse haben den Großvater gebrochen, so sehr, dass sein Herz es nicht mehr ertragen konnte und nur noch von metallenen Klappen der Firma Johnson&Johnson am Laufen gehalten wird. So wie er innerlich beschädigt wurde, trägt sein Urenkel permanent äußerliche Bandagen als Zeichen der unzähligen Verletzungen, die dem Körper schaden, von ihm aber nicht wahrgenommen werden. Immer wieder spiegelt die Autorin die Figuren an den zentralen Elementen Schmerz und körperlicher Verletzung. Und gerade in den Sprachbildern wird der Roman herausragend, so schreibt sie etwa Alma
„wünschte sich eine Ersatzpsyche, die die Welt besser ertrug, eine Identitätsprothese, die ihr einen sicheren Schritt durch die Tage ermöglichte.“
Die unterschiedlichen Traumata schreiben sich in die Körper ein, bleiben dort als sichtbare Wunden, die sich nicht einfach kosmetisch übertünchen lassen.
Ein bildgewaltiger Roman, der dicht auf wenigen Seiten doch unheimlich viel und dies noch dazu sehr intensiv transportiert. Kein Roman, der mich emotional völlig mitgerissen hätte, sondern eher einer der Sorte, die durch Konstruktion und Sprache am Ende nachwirken und einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Schweigen. Alma wächst in einer Familie auf, die vom schweigen geprägt ist. Die Eltern, die nur hinter verschlossenen Türen sprechen und leben, doch nie wenn Alma dabei ist. Die Großeltern, die von den Kriegsjahren und dem Krieg geprägt sind und nie Worte dafür gefunden haben, weshalb auch sie sich in das Schweigen zurückgezogen haben. Dieses Schweigen durch das Alma maßgebend geprägt ist. Erst durch Friedrich, ihren späteren Mann kehrt sie zu einer Art Leichtigkeit zurück, aber doch nie so, wie man es wohl unter normalen Umständen wohl wäre. Und dann ist da natürlich auch noch Emil, der Sohn, der erst nach vielen Untersuchungen und Vermutungen die Diagnose erhält keinen Schmerz empfinden zu können. Schuld daran ist eine Mutation.
Valerie Fritsch hat mit ihrem Roman „Herzklappen von Johnson & Johnson“ einen Generationenroman geschaffen, einen in dem das Schicksal von vier Generationen auf eine Bildhafte Art und Weise dargestellt wird. Das Besonders daran ist, dass sie nur durch Alma verbunden doch durch das Schweigen vereint sind.
Dieser Bildgewaltigeroman transportiert auf nur wenigen Seiten eine unheimliche Menge. Er beschreibt Orte und Personen bis ins kleinste Detail, geht mit der Sprache besonders um und führt den Leser durch die Leben und Jahre der einzelnen Personen, die mit fast jedem Kapitel wechseln und ihre eigene Geschichte erzählen. Auch die Vergleiche die Valerie Fritsch im Buch zieht sind bemerkenswert! Der Großvater, dem im Krieg das Herz gebrochen wurde und der später nur noch mit den Herzklappen von Johnson & Johnson leben kann, da es ihm sonst das Herzbrechen würde. Äußerlich ist dieser alte, gebrochene Mann jedoch unversehrt. Und dann Almas Sohn, Emil, der Junge der laut und aktiv ist, äußerlich jedoch beschädigt ist. Dies ist er durch seine Krankheit die ihn keinen Schmerz fühlen lässt und die ihn auch nie zum schweigen bringt. Vier Generationen, mehrere Schicksale und doch einen sie sich in der eigenen Geschichte.
Dennoch, der Roman konnte mich nicht so recht mitreißen. Keine Emotionalebindung aufbauen. Er ist eher ein Roman, der durch seinen Aufbau und das Konstrukt , sowie die Sprache mitreißt die am Ende nachwirkt und dem Leser noch lange im Gedächtnis bleibt. Er hinterlässt einen bleibenden Eindruck.
Valerie Fritsch hat ein ausgewogenes Talent, schöne Sätze zu kreieren. Der unglaubliche Genuss, mit dem ich die ersten Seiten verschlungen und dabei fleißig unterstrichen habe, hat sehr lange angehalten. Sie ist eine Künstlerin der Worte, speziell die letzten Sätze ihrer Kapitel oder teilweise auch Absätze haben ganz alleine für sich gestellt eine große Wirkmacht. Die fehlenden Emotionen macht Fritsch durch genaue Beobachtungen und interessante neue Formulierungen wieder wett, beispielsweise, wenn sie in 5 Seiten ohne Gefühle aber doch sehr gefühlvoll von der Liebe zwischen Alma und Friedrich erzählt. Noch nie habe ich eine so nüchterne und gleichsam akkurate Beschreibung von Liebe gelesen. Die fehlenden Gefühle tragen aber mit dem eher schweren Inhalt zu einer melancholischen, gedämpften Lesestimmung bei, für die speziell ich nicht immer in der Stimmung war. Ein heitereres Thema oder mehr Humor hätten eventuell die Sprachgewalt beeinträchtigt, das gilt es aber auszuprobieren. Ich persönlich finde, dass die Aufarbeitung der Schuldthematik zwar sehr gut gelungen ist, darüber aber die Handlung des Romans gelitten hat. Er wirkt bis zu Beginn der Reiseberichte wie eine Einleitung, stellt hauptsächlich die Schicksale der Figuren vor, es passiert aber nicht viel. Mit Beginn der Reiseberichte nimmt der Roman auch ab. Sie bilden das Beschriebene zwar sehr präzise und akkurat ab, vor allem von einer neuen Perspektive (hier liest sich Fritschs eigene Biografie m.M.n. heraus), bieten aber leider keinen Platz mehr für die wunderbaren Sprachspiele. Diese nehmen erst ganz zuletzt wieder zu und erwecken Hoffnung, nur um den Roman dann direkt enden zu lassen. Das Ende ist sehr gut gelungen, es passt wunderbar zum gesamten Roman, trotz allem bleibt die Frage nach der Handlung, nach der eigentlichen Geschichte offen.
Da ich Fritschs Sprachkunst und distanzierte Erzählart sehr bewundere und genossen habe, vergebe ich vier Sterne, der Inhalt wäre aber auch mit drei Sternen ausreichend bewertet.
Chronische Schmerzpatienten wünschen sich oft nichts weiter als einen Tag ohne Beschwerden und auch ich denke mir gerade mit meinen seit 3 Wochen anhaltenden Zahnschmerzen: Könnte ich sie doch einfach ausknipsen. Aber wenn man mal tief in sich geht, wäre das Leben ohne Schmerzen auch nicht wirklich erstrebenswert und doch gibt es Menschen, die diese leidvolle Erfahrung machen müssen und die trifft es oft sehr hart. Wenn nichts mehr weh tut spricht man von Analgesie – ein paar Buchstaben, die für die Abwesenheit von Schmerz stehen. Und genau darum geht es im Buch von Valerie Fritsch und um das Verbindende von Generationen.
Aufgrund einer genetischen Mutation kann der Junge Emil keinen physischen Schmerz spüren. Das heißt, wenn ihn die Erwachsenen bei Familienfeiern immer heftiger in die Backen zwicken, entlockt ihm das nicht die kleinste Reaktion. Dass das aber insofern durchaus schmerzhaft ist, zeigt sich durch Emils Familie, in der der Schmerz als wichtiger Faktor gilt, über den ständig geredet und über den sich definiert wird. Schon Emils Urgroßvater zog in den Krieg gen Osten und verlor im Gefangenenlager zwei Zehen, brachte dafür aber ein unüberhörbares Schweigen mit. Und auch das kann schmerzhaft sein. Zusammen mit Emils Urgroßmutter, einer in Distanz zur Welt lebenden Frau, bildet er im Roman Herzklappen von Johnson & Johnson den Dreh- und Angelpunkt des Schmerzes, der von ihnen ausgehend auf die nachfolgenden Generationen strahlt. Denn schließlich wächst auch Enkelin Alma, Emils Mutter, in einer Umgebung auf, in der es bis auf den Schmerz nichts Authentisches gibt.
So musste Emil immer aufs Neue daran erinnert werden, dass man zu Weihnachten das heiße Backblech mit den Zimtsternen und Husarenkrapfen nicht mit bloßen Händen aus dem Ofen zog (…) Dass der Körper Grenzen hatte und ihm eine Zerbrechlichkeit innewohnte, die es zu beschützen galt. Stück für Stück verstand er, das Schwierigste aber war, ihm beizubringen, dass Selbstverletzung kein Zaubertrick und kein Kunststück war, mit dem man beeindrucken konnte, keine exotische Darbietung, nicht für sich selbst und nicht für andere. (Seite 113)
Grob umrissen könnte man Herzklappen von Johnson & Johnson als Familienroman bezeichnen, aber ich habe das Gefühl, dass dieser Begriff der Geschichte nicht ganz gerecht wird. Vielmehr erzählt Valerie Fritsch hier von vier Generationen, die im Bann einer verschwiegenen und verdrängten Schuld stehen, die bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurückgeht.
In einer zartfühlenden Sprache zeigt die die Autorin ihre Charaktere zwar äußerlich unversehrt, aber innerlich zerrüttet und genau das macht den Roman auch für mich zu etwas besonderem. Der Schreibstil ist hier ganz klar die Stärke, der das Leben und die Schicksale in eine wortmächtige Prosa kleiden, denn hinter fast jedem Satz lauern Metaphern oder grandiose Formulierungen. Bilder entstehen, wenn Emil beispielsweise vor dem zu Bett gehen eine Taucherbrille aufgesetzt bekommt, damit er sich im Schlaf nicht versehentlich die Augenhöhlen auskratzt und erzeugen dadurch eine tief beunruhigende Wirkung aber auch eine einzigartige Brillanz.
Dabei verzichtet sie jedoch gänzlich auf ausschweifende Erklärungen, lange Dialoge oder tiefergehende Charakterdarstellungen, sondern verlässt sich auf die Wirkung der wohl platzierten Worte. Sie benötigt nicht mehr als 170 Seiten, um ihren Protagonisten ein glaubwürdiges Leben zu geben und hat ein besonderes Gespür für den Schmerz, den alltäglichen wie den außergewöhnlichen. Durch sie sieht man, was nicht zusammenpasst, was hätte sein sollen, aber nicht ist. Und wenn man zwischendurch die Zeit hat erstaunt aufzuatmen, nickt man gleichzeitig, so nach dem Motto: Genauso ist es!
Und jetzt fallen mir auch die zwei Worte ein, um den Roman abschließend zu bewerten: Literarisch intensiv, ja das ist Herzklappen von Johnson & Johnson.
Der Roman steht auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2020 – das ist durchaus gerechtfertigt, denn Valerie Fritsch schreibt sehr, sehr gut. Dabei geht es im ersten Teil zunächst um die Kindheit des Mädchens Alma. Diese Schilderungen sind exzellent. Alma fühlt sich betrogen um die Wirklichkeit, ihre Eltern spielen doch nur Eltern oder das liebende Ehepaar? Alma ist sicher, man spielt für sie nur Theater und die Eltern streiten nur im Schutz der Nacht. ---- Gerne wäre ich bei Almas upbringing noch etwas geblieben, doch schnell läuft die Zeit, sie heiratet und bekommt einen Sohn. "Als Emil zur Welt kam, war es nicht das Glück, das sie sich erhofft hatten" – denn der Sohn kann keinen Schmerz empfinden, doch "wie erklärte man ein Gefühl, das nicht erfahrbar war, wie beschrieb man ein Weh, das immer ausblieb." Die Ausformulierungen um den schmerzensfreien Emil sind ganz wunderbar und gut und gerne hätte dieser Teil als stabiles Gerüst für einen ganzen Roman dienen können. Doch wir eilen weiter, auf geht’s nach Russland, zu den Kriegsschauplätzen und schließlich zu dem Gefangenlager, in dem der Großvater einst Jahre verbracht hatte. Insgesamt zeigen diese drei lose verbundenen Teile Valerie Fritschs großes Können, doch wirken sie wie Fingerübungen an denen man vage als Zuschauer teilhaben kann. Das GroßeGanze, das Berühren, die komplette Illusion beim Eintauchen in einen Roman – alles das fehlt mir schmerzlich und das ist so so schade.
Actual rating 2,5 So, you want to know why this beautiful pink book gets such a low rating from me? It's a straightforward yet not an easy answer: I just didn't care about the plot, I didn't like the overly wordy style and it took me nearly as long to read as Wuthering Heights, despite not being a) a classic and b) very thick - in fact, Herzklappen von Johnson & Johnson is just shy of 200 pages. I love lyrical prose but in German writing sometimes it tends to be too distracting for me and clunky to read. It was work. There was a middle section describing the main protagonist Alma getting together with her husband-to-be, which was very well written and that made me want to finish the book, but apart from that I didn't care about what the author was trying to do; all the themes of varying guilt and pain through the generations and the conclusion in Emil, Alma's son who doesn't feel any physical pain. A bit too far-fetched and pseudo-deep for me. Unfortunately, this kind of style is often to be found on the longlist of the Deutscher Buchpreis, I still have to find something on the lists that I absolutely love and that doesn't irk me as too wannabe intellectual.
Ein überaus lesenswertes großartiges Buch. Mit genauen, oftmals überraschenden Sprachbildern "erarbeitet" sich Valerie Fritsch das Kriegstrauma des Großvaters und der Großmutter, eine Fernbeziehung mit ihren Untiefen - die vor allem nach dem, Zusammenziehen sichtbar werden und in einem großartigen Reise-Erzähl-Panorama die Fahrt in den Osten auf den Kriegsspuren des Großvaters. Die im Klappentext vorrangig erwähnte Schmerzunempfindlichkeit des eigenen Sohnes spielt nur eine untergeordnete Rolle in diesem herrlichen Text. Manchen Rezensenten errinnert das Buch an den frühen Peter Handke, mich jedoch mehr an die unglaublich bildhaften Reisebeschreibungen des Wolfgang Büscher. Zitierenswerte Stellen aus dem Buch gibt es viele, hier ein paar Beispiele: Über das in den Krieg ziehen: "Geh und mach uns stolz, schrien viele, komm wieder und mach uns glücklich, murmelten wenige." oder "Man wartete auf das Schicksal, als säße man in einem Würfelbecher." oder "Friedrichs Mutter war eine stillgelegter, leerer Mensch, eine Vakuumkranke, der ihre Krankheit die Biographie herausgefressen hatte".
Auf der einen Seite ist "Herzklappen von Johnson & Johnson" ein wunderschönes Buch. Valerie Fritsch kann so schön mit Worten umgehen und traumhaft mit Sprache jonglieren. Die Bilder, die im Kopf entstehen, sind so präzise, wie ich es selten erlebt habe. Auf der anderen Seite ist die Handlung des Buches leider etwas fad. Es gibt zu viele einzelne Erzählstränge, die - obwohl sie chronologisch aufeinander aufbauen - den roten Faden ein bisschen vermissen lassen. Außerdem verspricht der Klappentext eine Geschichte, die so nicht so recht bei mir ankam. Leider kann die Sprachgewalt der Autorin darüber nicht hinwegtäuschen, sodass das Lesen eher zäh wird. Man ist (leider) froh, dass das Buch verhältnismäßig kurz und nach gerade einmal 170 Seiten schon wieder ausgelesen ist.
Schade, die Prämisse über die ich eigentlich lesen wollte ist nur ein nebengedanke in der Handlung des Buchs. Der klappentext macht Lust auf eine Geschichte die hier nicht erzählt wird. Die Personen und ihre Vergangenheit und Beziehungen sind für mich viel zu kurz geraten und stehen im starken Kontrast zum langatmigen road Trip der das letzte Drittel des Buchs ausmacht. Eine vergeudete Chance, gefüttert durch unrealistische Erwartungen Dank irreführendem klappentext.
Zuerst muss man über die sprachliche Qualität des Romans sprechen. Die Autorin schafft es Momente des Lebens sprachlich genau auf den Punkt zu bringen. Theoretisch hätte man jeden zweiten Satz markieren können. Jedoch verändert sich das Gefühl ab Seite 100. Inhaltlich hatte ich leichte Probleme. Die einzelnen Stränge wurden, meiner Meinung nach, nicht immer sinnvoll miteinander verbunden. Vor allem das Ende konnte mich nicht gänzlich überzeugen. Die Reise in die Vergangenheit und die Suche nach dem Schmerz sind zwar zentrale Elemente der Geschichte, jedoch hätte es eine frühere Einführung gebraucht.
Der Klappentext ist meiner Meinung nach ein wenig irreführend.
das buch hat mich richtig genervt. jeder satz musste mit bildern untermalt werden und 10 mal umschrieben werden, damit es ja irgendwie lyrisch total toll klingt und man versteht nur bahnhof. keine ahnung warum ich es überhaupt zu ende gelesen habe. der klappentext hat null mit dem inhalt zu tun, genauso der titel. was hab ich hier gelesen??? und am ende dieser roadtrip? was hääää
3,5 Sprachlich eine Wucht, inhaltlich leidee zu schwach. Die Autorin weiß, wie man mit Wörtern umgeht, mir hat aber inhaltlich einfach zu viel gefehlt.
Sehr langsam und atmosphärisch, trotzdem passiert viel. Hat mir gefallen, obwohl ich lieber schnellere Bücher lese. Die Reise am Ende und der kleine Junge waren das beste.
„Alma und Friedrich bekommen ein Kind, das keinen Schmerz empfinden kann. In ständiger Sorge um ihren Jungen, ist es vor allem Alma, die ihn unaufhörlich auf körperliche Unversehrtheit kontrolliert. Jeden Abend tastet sie das Kind ab, um keine Blessur zu übersehen. Und nichts fürchtet die junge Mutter mehr als die unsichtbare Verletzung eines Organs, die ohne ein Zeichen bleibt. Halt findet Alma bei ihrer Großmutter, die jetzt, hochbetagt und bettlägerig und nach lebenslangem Schweigen, zu erzählen beginnt: vom Aufwachsen im Krieg, von Flucht, Hunger und der Kriegsgefangenschaft des Großvaters. Mit dem Kind auf dem Schoß, das keinen Schmerz kennt, sitzt Alma am Bett der Schwerkranken, die sich nichts mehr wünscht, als ihren Schmerz zu überwinden. Und in den Geschichten der Großmutter findet sie eine Erklärung für jene scheinbar grundlosen Gefühle der Schuld, der Ohnmacht und der Verlorenheit, die sie ihr Leben lang begleiten.
Wie wird ein Kind zum Menschen, zu einem mitfühlenden sozialen Wesen, wenn es die Verwundbarkeit nicht kennt? Wenn es nicht versteht, wie sehr etwas wehtun kann? In eindringlichen Bildern erzählt Valerie Fritsch von einem Trauma, das über die Generationen weiterwirkt, sie lotet die Verletzlichkeit des Menschen aus und fragt nach dem Wesen des Mitgefühls, das unser aller Leben bestimmt.“
Valerie Fritsch hat mit „Herzklappen von Johnson und Johnson“ ein kleines Meisterwerk geschaffen! Ihre Wortwahl, ihre Ausdrucksweise und das Spiel der Emotionen, lassen diesen Roman wahrlich schweben. Die Geschichte von Alma und Friedrich und dessen Kind Emil, ein besonderes Kind welches keine Schmerzen verspürt, klingt im ersten Moment völlig an den Haaren herbei gezogen. Man merkt aber schneller als man denkt beim lesen des Buches, das hier viel mehr dahinter steckt als Almas Angst. Sie ist so intelligent, so klug aber auch so sehr Alma...Als dann die Geschichten von Almas schwerkranker Oma dazu kommen, hat man das Gefühl, das sich der Kreis der offenen Fragen schließt. Hier geht es erst recht spät um Emil, dafür sehr viel um Alma, da ist der Klappentext etwas verwirrend, da man glaubt, es geht zum Großteil um Emil.
Fritsch geht mit so großer Hingabe auf die Verletzlichkeit des Menschen ein, nicht nur körperlich sondern eben auch seelisch, das es einem fast den Atem raubt. Ich habe viele Stellen zwei Mal gelesen, weil ich so beeindruckt davon war.
Dieses Buch strotz vor so vielen Themen die aber alle zusammen gehören und ein wunderbares Ganzes ergeben. Fritsch blickt unheimlich tief in die Menschenseele und das hatte ich eigentlich zuletzt bei Hanya Yanagihara’s „Ein wenig Leben“ erlesen.
Dieser Roman hat mich gepackt und hallt nach, wie es schon lange kein Buch mehr getan hat. Es ist ein anspruchsvoller Roman, auf den man sich einlassen muss um ihn zu verstehen. Man muss genau lesen, mitfühlen und es versuchen zu verstehen....
Ein wahnsinnig toller Roman der von mir 5 von 5 Sterne erhält!
Ein sprachliches Kunstwerk über Schmerz, Trauma und Menschlichkeit. In wunderschönen und eindringlichen Bildern beschreibt Valerie Fritsch die Kriegserlebnisse der Großeltern Generation, die Leere der Enkel Generation und Almas Alltag mit Emil, der keinerlei Schmerz fühlen kann und ein ausgelagertes Schmerzgedächtnis in Form von Röntgenbildern braucht. Beeindruckt an diesem Werk hat mich, dass jede Form von Emotion (Leere, Trauer, Wut) angesprochen und nie in Frage gestellt wurde. Alma musste den Krieg nicht selbst miterleben, um die Auswirkungen davon zu spüren. In diesem Roman steht die Handlung nicht wirklich im Hintergrund (wenn überhaupt findet eigentliche Handlung im zweiten Teil in Form der Reise zu den Kriegsschauplätzen des Großvaters statt, aber dieser Teil gefiel mir nicht wirklich, er war irgendwie gehetzt und oberflächlicher)- stattdessen liefert er ein atmosphärisch dichtes Portrait einer Familie. Vor allem aber versucht die Autorin nicht auf alles eine Antwort zu finden und für jedes Problem eine Lösung aus dem Hut zu zaubern, sondern gesteht den Themen "Krieg" und "Schmerz" ihre Komplexität zu, die es braucht, um sie ansatzweise zu verstehen. Letztendlich ist es ein Spaziergang in menschlichen Empfindungen und Empathie.
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Schmerz. Für den Einen will er nicht versiegen, für den Anderen ist er unbegreiflich. Zwei Generationen liegen zwischen ihnen, getrennt und gleichzeitig verbunden durch ein Erbe der Zeitgeschichte. Zentral dabei ist Alma, die als Bindeglied zwischen den zwei Erzählsträngen wirkt. Sie wächst auf umgeben von den Geschichten des Großvaters, der wirr über einen Krieg erzählt, als könnte man dieses unfassbare Leid nicht in die richtigen Worte kleiden. Emil, Almas Sohn, wird im Gegenzug ganz ohne Schmerzempfinden geboren, ein Gendefekt. Eine Reise soll schlussendlich die beiden Geschichten vereinen.
Sprachlich grandios schreibt Valerie Fritsch über ein familiäre Begebenheit, die sie viele aus ihrem Umfeld noch kennen. Mein Großvater selbst wurde mit 17 noch in den Krieg eingezogen, als es an Leuten mangelte, und sprach später nur äußerst spärlich über seine Zeit an der Front und in Gefangenschaft. Schmerz, ein äußerst subjektives Empfinden, wird im Buch beleuchtet aus zwei so gänzlich unterschiedlichen Perspektiven, die dennoch geschickt miteinander verknüpft wurden. Lediglich das Ende kam mir dann zu abrupt, ansonsten ist es ein wirklich großartiges Werk.
Marcel Reich-Ranicki sagte immer, dass ein Roman niemals langweilen darf. "Herzklappen von Johnson & Johnson", ein Roman ohne Dialoge und fast ohne Namen, ist alles andere als packend. Ob er langweilig ist, wird wahrscheinlich jeder Leser anders beurteilen. Es ist auf jeden Fall ein sehr beschreibendes, statisches Buch, wo ganze Leben erzählt werden, ohne irgendwo konkret verankert zu werden, wo das Innenleben der wenigen Personen dominiert, auch bei dem Reiseteil, fast Reisebericht, wird emotionslos aufgezählt, was alles im jeweiligen Land zu sehen war. Die Schicksale der einzelnen Figuren haben mich wenig berührt, vielleicht mit Ausnahme von Emil, dem außergewöhnlichen Kind ohne Schmerzempfinden, vom dem ich mir mehr gewünscht hätte. Andererseits waren da auch diese absolut perfekten, wunderbaren Sätze, jeder davon wie ein geschlossenes Meisterwerk, wie geschaffen um zu ewigen Wortperlen zu werden, hinreißend, wunderschön. Aber machen alleine die Sätze, so wunderschön sie auch sind, den ganzen Roman aus? Irgendwas hat hier gefehlt, diese erzählerische Leichtigkeit, die ich so sehr bei angelsächsischen Autoren bewundere.
Warum habe ich das erst jetzt gelesen, obwohl es seit Erscheinen bei mir rumliegt ?! Sprachlich das Beste, was ich dieses Jahr gelesen habe, auch wenn es nur an die 180 Seiten sind, kann man das nicht einfach schnell runterlesen, man muss sich auf jedes Wort einlassen, weil man sonst Wertvolles verpasst. Das ist weniger anstrengend als es sich anhört, dennn Valerie Fritschs Geschichte liest sich trotz der hohen Sprachkunst unglaublich leicht zugänglich und schön, obwohl die Handlung eigentlich nicht "schön" ist. Sie ist auch kein Weltuntergang, aber so wie das Leben halt ist. Ein Roman, der mich wieder daran erinnert hat, was Sprache kann, denn würde man ihn verfilmen, wäre es wahrscheinlich der langweiligste Film ever, eigentlich gibt es fast keine Handlung - aber zum Glück gibt es ja Worte und die machen aus ganz wenig ganz viel! Muss ganz dringend noch mehr von ihr lesen!!