Said Al-Wahid hat seinen Reisepass überall dabei, auch wenn er in Berlin-Neukölln nur in den Supermarkt geht. Als er eines Tages die Nachricht erhält, seine Mutter liege im Sterben, reist er zum ersten Mal seit Jahren in das Land seiner Herkunft. Je näher er seiner in Bagdad verbliebenen Familie kommt, desto tiefer gehen die Erinnerungen zurück, an die Jahre des Ankommens in Deutschland, an die monatelange Flucht und schließlich an die Kindheit im Irak. Welche Erinnerungen fehlen, welche sind erfunden und welche verfälscht? Said weiß es nicht. Es ist seine Rettung bis heute. Eine Lebensgeschichte von enormer Wucht. In diesem bewegenden und poetischen Roman liegt der Klang eines ganzen Lebens.
Abbas Khider was born in 1973 in Baghdad. At the age of seventeen, he was arrested for his political activism. Following his release in 1996, he fled Iraq and lived for several years in various countries with irregular refugee status. He has been living in Germany since 2000. Abbas Khider has received numerous literary awards and currently resides in Berlin.
English: The Forger of Memories German-Iraqi writer Abbas Khider investigates the nature of memory by telling the story of Said Al-Wahid, a refugee from Baghdad whose backstory is rather similar to that of his creator. We meet Said, a writer, as he travels back from a lecture he gave to Berlin, where he lives with his partner and son. A phone call from Iraq informs him that his mother is about to die, so right away, he ventures to his country of birth. During his journey, he evokes (or is haunted by?) memories of his past - but memories are not facts, as Said knows:
"His memories are unfinished events, imprecise sketches of a place, hidden figures and veiled faces. All pieces of one big jigsaw puzzle you have to put together if you want to remember. Many of these parts no longer exist. They got lost through a hole in memory, untraceable. So Said has to make up the connections." (p. 48 in the German edition)
These ideas touch upon important philosophical and psychological issues that have major implications for biographies and history as a whole (you can learn more about this in the non-fiction works of Aleida Assmann and Jan Assmann). Khider has long maintained that everything an author writes is biographical, even his inventions - with this book, he shows how one's own autobiography is an invention. In the case of Said, trauma plays a major role when it comes to his ability to recollect the past.
Through this lense, we hear about Said's escape from Baghdad, his stays in other countries like Jordan and Greece, and finally his experiences in Germany, including marginalization, racism, and insane bureaucratical obstacles - I'm not one to generally bash bureaucracy, but what Khider describes here are facts that make this German wonder whether we have lost our minds, and of course he refers to the German-language bureaucrat who with his writing became the best known critic of a bureaucrarcy out of control: Insurance lawyer Franz Kafka (watch out for "Herr K." in the text).
A novel that plays a major role in Khider's book is The Pigeon, a book that also deals with childhood trauma and historical turmoil. Said's trauma is connected to his family and country of origin, but also to the experiences he made as a refugee, always fearing to be sent away. Khider tells this story with humor and strong images, there is no sentimentality or dramatic tone. The language is effective with short sentences and clear descriptions, it gains strength from all the things it doesn't do.
And while on the surface, this seems like a straightforward story, it is not: The complexity comes from the fact that everything is written in the mode of "maybe", everything becomes a question - what does his limited capacity to remember mean for the identity of Said?
Good stuff, and as this text counts as a meditation on autofiction, the main topic of last year's longlist of the German Book Prize, this might get a nomination in 2022 - and I wouldn't be mad about that! :-)
Said Al-Wahid fliegt aus Deutschland nach Bagdad. Seine Mutter liegt im Sterben. Auf dieser Reise erinnert er sich an seine Kindheit im Irak, an seine Flucht nach Deutschland, den Kämpfen mit der Bürokratie. Aber welche der Erinnerungen sind gefälscht, um das Leben erträglich zu machen oder zu überleben? Said ist ein Schriftsteller, der Erinnerungen fälschen muss, um Lücken aufzufüllen.
"Der Erinnerungsfälscher" ist nach dem großartigen "Ohrfeige" der zweite Roman von Abbas Khider, den ich gelesen habe. Beide Bücher haben mich begeistert. "Der Erinnerungsfälscher" schafft es auf nur 126 Seiten eine ganze Welt zu erschaffen. Die puzzleartigen Erinnerungsblöcke lassen nach und nach ein Leben entstehen. Die Sprache ist mal sachlich, mal bildgewaltig. Nur das Ende war etwas zu abrupt für mich.
Abbas Khider erzählt in diesem Roman die Geschichte von Said, einem aus dem Irak geflüchtet Mann, der sich in Deutschland ein neues zu Hause geschaffen hat. Es ist eigentlich nicht seine Geschichte im Ganzen, sondern vielmehr handelt es sich um Bruchstücke seiner Lebensgeschichte. Über seine Erinnerungen, die, wie er selber einräumt, unzuverlässig sind, nehmen wir an kleinen Ausschnitten seines bisherigen Lebens teil. Parallel folgen wir einem Handlungsstrang in der Gegenwart, in dem Said gerade erfahren hat, dass seine Mutter im Irak im Sterben liegt.
Der sehr kurze Roman konnte mich von der ersten Seite an sehr gut mitnehmen. Khider erzählt sehr eindrücklich und überaus treffend von den Herausforderungen denen sich asylsuchende und sogar eingebürgerte Menschen stellen müssen. Zurecht erklärt der Erzähler an einer Stelle, dass sich in deutschen Behörden anhand derer Anforderungen regelmäßig Pforten zur Hölle öffnen. Wie beispielsweise wenn von dem mittlerweile eingebürgerten deutschen Said eine Geburtsurkunde aus dem Heimatland verlangt wird, damit dem in deutschland geborenen Sohn eine solche ausgestellt werden kann.
Auch offensichtlich willkürliche Polizeigewalt gegenüber dem Erzähler wird eindrücklich und prägnant geschildert. Die personale Erzählperpektive hat hier, neben der Sprachkraft des Autoren, natürlich den Effekt, dass wir uns in tiefer Verbundenheit und Solidarität mit dem Protagonisten wiederfinden. Die Empörung über das, was ihm widerfährt, wird damit umso größer und geht der Leserin umso näher.
Nüchtern betrachtet habe ich aus dem Buch nichts Neues gelernt. Trotzdem habe ich es mit großem Gewinn gelesen, in eigentlich unverhältnismäßigem Ausmaß, schaut man sich die Kürze des Werkes an. Das liegt für mich in erster Linie am Erzähltalent des Autors, der mir die mir bekannten Fakten durch gekonnt eingesetzte Sprachbilder, eher unkonventionelle Erzählstruktur und offenkundige Authentizität auf neue Weise veranschaulicht.
Zwischendurch hat mich zwar die fragmentsrische Erzählweise etwas gestört, aber letztendlich spiegelt das genau wider, worum es in dem Buch geht. Erinnerung sind nicht immer klar und eindeutig und ganz besonders nicht, wenn sie durch Traumata durchzogen sind. Abbas Khider liefert eine kurzweilige Auseinandersetzung über das Erinnern, den Drang danach, seine eigene Geschichte zu erzählen, über Flucht und Immigration. Insgesamt hätte mir eine längere, zusammenhängende Geschichte besser gefallen, also wie gut, dass der Autor schon weitere Werke geschrieben hat. 😊
Huch, das war mal nen abruptes Ende 🙄 Nur mit Erinnerungen fühlen wir uns Vollständig- sind sie vergessen, lückenhaft oder verdrängt, wird aufgefüllt, so dass es für uns stimmig ist. Bürokratie im Endstadium und die typischen Probleme die man als Iraker und der damit einhergehenden Optik in Deutschland so hat - der Terrorverdacht ist nur ein Wimpernschlag entfernt. Spannende und berührende Sequenzen aus Rückschauen im Irak : wenn es denn so stimmt. Die Erinnerung ist halt nen Schlingel.
Das Buch war so kurz, ich habe mich fast erschrocken, als ich merkte, gerade den letzten Satz gelesen zu haben. Das in Frage stellen von Erinnerungen, besonders wenn sie mit traumatischen Ereignissen zusammenhängen, ist glaubwürdig und verständlich. Die Geschichte des Protagonisten in Erinnerungen ist ergreifend, obwohl es sehr nüchtern erzählt wird.
3,8 Sterne von mir. Warmherzig, leicht melancholisch. Über den "objektiven" Wahrheitgehalt von Erinnerungen nachzudenken empfand ich bereichernd. Auch über die manchmal vielleicht notwendige Fähigkeit manches zu verdrängen oder umzuschreiben. Manche Erlebnisse kann man eben nicht "durcharbeiten" und danach ist alles wieder gut! Khider zeigt auch oft nur angedeutet die Schwierigkeiten einer Flucht und den langen Weg. Das hat mich ehrlich gesagt schockiert, gerade weil er es so lakonisch beschreibt. Wie oft muß ein Mensch auf seiner Flucht sich selber" verfälschen" um nicht zum Opfer zu werden? Und wie wirkt sich das auf einen Menschen aus? Kann man danach noch seiner selbst sicher sein?Kann man überhaupt noch wieder Heimat finden? Spürbar die Liebe zur Familie und zum Sohn.
Der Erinnerungsfälscher von Abbas Khider hat mir ausgesprochen gut gefallen. Es geht um Said Al-Wahid. Er ist als Flüchtling schlussendlich in Deutschland angekommen und hat nach etlichen Hürden die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Da seine Mutter im Sterben liegt, reist er zurück in den Irak. Durch diese Situation wird er auf seiner Reise automatisch mit seiner Vergangenheit und einem Land konfrontiert, dem er und das ihm auf gewisse Weise fremd geworden ist.
Ich mochte Khiders Erzählweise sehr gerne. Es war eine Mischung aus informativer Sachlichkeit und tiefgreifenden Emotionen. Zumindest habe ich es so wahrgenommen. In welchem Umfang der Roman autobiografisch ist, kann man nur erahnen. Parallelen gibt es (z.B. war er selbst als Flüchtling nach Deutschland gekommen, hat ein Studium absolviert, trägt lange Haare).
Khider hat meine Neugier auf seine anderen Bücher geweckt.
Wenn die Vergangenheit ruft... "Der Erinnerungsfälscher" von Abbas Khider
In Abbas Khiders neusten Roman "Der Erinnerungsfälscher" erzählt er sehr locker und leicht von den Wirren der deutschen Bürokratie, des deutschen Asylverfahrens, vom Kampf mit den Behörden und irgendwie auch dem, was man hierzulande von Migranten erwartet oder zu wissen glaubt. Und Khider blickt zurück auf das Leben seines Protagonisten Said Al-Wahid, der durch die Nachricht seines Bruders zur sofortigen Reise in sein Heimatland aufgerufen wird. Saids Mutter liegt derzeit in einem Bagdader Krankenhaus im Sterben, die Zeit drängt, doch da gibt es noch so einige Probleme mit dem Reisepass und seinem Asylantrag.
"Saids Leben in Deutschland neigte sich, so schien es, dem Ende zu. Sechs Jahre verloren schlagartig ihre Bedeutung. [...] Es war, als ob Saids Leben kein Leben wäre, sondern ein überflüssiger Satz in den Akten der Behörden: Jeder konnte ihn mit einer flüchtigen Bewegung wegstreichen. Es war ein wertloses Leben, nur ein Furz am Rande aller Welten."
Ich wünschte, dieser Roman hätte mir mehr gegeben oder besser gesagt einen bleibenderen Eindruck hinterlassen, denn gerade durch Khiders vorherige Romane und das allgemeine, durch die Medien geprägte Bewusstsein über Migration, Asylprobleme und Co, ist es mehr eine kleine, leicht zugängliche Geschichte, die einen Einblick in das komplexe Gefüge aus Bürokratie, Flucht, (Un)Menschlichkeit und Heimat bietet, aber auch nicht wirklich mehr erzählt. Und das ist irgendwie sehr schade, denn der Hintergrund ist schon sehr tragisch. Said hat früh seinen Vater verloren, dieser wurde hingerichtet als er acht Jahre alt war. Er hat alles zuhause aufgegeben, sich über zahlreiche Hürden nach Berlin gekämpft, sehr umständlich eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, sich hier eine neue Heimat aufgebaut, eine eigene Familie gegründet und ist nun gefordert zu seinen Wurzeln zurückzukehren und sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, aber gleichzeitig erkennt Said eben auch, dass kaum noch (echte) Erinnerungen vorhanden sind. Und das wäre in ausführlich wahrscheinlich ein sehr mitreißender Roman gewesen, der gerne an die 300 Seiten hätte haben können und viel über das Schicksal der Geflüchteten verraten hätte. So ist es aber eher ein Rückblick in die Vergangenheit, alles Erkämpfte ist schon da und es werden Möglichkeiten gesucht eine Verbindung zur Vergangenheit herzustellen und das dann auch in einem eher weniger berührenden Schnellverfahren. Daher empfehle ich diesen Roman eher jenen, die noch nichts über Flucht, Migration oder Einbürgerung in Deutschland gelesen haben, denn "Der Erinnerungsfälscher" ist wirklich ein nettes, schnell zu lesendes 'Einsteigerbuch' in die Thematik, es hat einige wirklich schöne, tiefgründige Gedanken, aber sonst... lieber anderes.
"Er ist nie mit seiner kleinen Familie heimgereist und nun liegt seine Mutter im Sterben. Als Said wegging, war das Land ein Loch der Verzweiflung; zwei Jahrzehnte später ist es zu einem Loch der Hoffnungslosigkeit geworden."
Said Al-Wahid kam einst als Flüchtling aus dem Irak nach Deutschland. Er ist voll integriert, besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft, und muss nun kurzfristig zurück in den Irak, da seine Mutter gestorben ist. Wir begleiten ihn auf diesem Weg und erfahren in Rückblicken, wie das für ihn war.... und immer noch ist. Als Flüchtling in Deutschland Fuß zu fassen. Mit den unvermeidlichen bürokratischen Hürden und damit verbundenen teils haarsträubenden Absurditäten, des Alltagsrassismus, der Ressentiments und des Gefühls, sich nie zu 100% sicher zu fühlen. Aber er erzählt auch von seinem Leben vor seiner Ankunft in Deutschland. Seiner Kindheit im Irak, seiner Familie, und seiner haarsträubenden Flucht durch mehrere Länder, die über viele Jahre andauerte. Aber es geht auch um das Thema Erinnerung. Wie erinnern wir uns an Ereignisse in unserem Leben? Ist alles immer genau so passiert, wie wir glauben uns zu erinnern? Wann verfälscht unser Gehirn Erinnerungen? Wann werfen wir vielleicht Ereignisse durcheinander? Dichten ungewollt etwas dazu, was nicht wirklich stattgefunden hat? Wann trügt uns die Erinnerung? Und in Konsequenz: wie autobiografisch ist dieser Roman? Ich hatte den Eindruck, dass in Said Al-Wahid auf jeden Fall ein Teil von Abbas Khider steckt. Wie viel genau, das weiß sicher nur der Autor selbst. Aber am Ende ist das auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass hoffentlich viele Menschen in diesem Land dieses Buch lesen. Es hat mich sehr viel gelehrt. Es hat mich sehr tief berührt.
Timo Weisschnur liest das Hörbuch mit sehr viel Einfühlungsvermögen.
Anmerkung: im Roman wird mehrmals Patrick Süskinds Novelle "Die Taube" erwähnt, die der Protagonist liest. Natürlich habe ich über dieses Buch informiert... und es sofort gekauft. Aber darüber spreche in dann an anderer Stelle.
ENGLISH VERSION BELOW ---------------------------------- "Der Erinnerungsfälscher" von Abbas Khider ist ein dünner Roman über ein sehr aktuelle Themen: Flucht und Asyl sowie die damit verbundenen Ängste, Sorgen und Traumata. Der Roman erzählt die Geschichte eines jungen Irakers, der auf der Flucht vor dem Krieg in seiner Heimat nach Europa kam. Nun reist er nach Hause, da seine Mutter im Sterben liegt. Auf der Reise lässt er seine eigene Geschichte so Art Revué passieren. Dabei muss er feststellen, dass diese viele Lücken hat, er sich an vieles nicht erinnern kann oder sich Teile der Geschichte ausdenkt bzw. die Lücken mit Erinnerungen anderer füllt. Er erzählt also seine Geschichte, die jedoch aus vielen Geschichten besteht, die andere ihm erzählt haben, was andere erlebt haben. Eine Geschichte, wie sie Hunderten passiert sein kann und dennoch eine sehr persönliche. Er stellt fest, dass er ein Erinnerungsfälscher ist, da er eben seine Erinnerungen zum Teil mit Geschichten füllt, die eben gar nicht seine sind und sich daraus seine eigene Lebensgeschichte strickt.
Abbas Khider, welcher nach einer Verhaftung auf Grund von politischem Aktivismus, selbst aus Bagdad geflohen ist, beschreibt in seinem Buch sehr eindringlich und dabei einfühlsam die Erlebnisse und Gefühle der Hauptfigur, welche in einem System sowie in Gedanken gefangen ist, die ihn nicht nur seiner Freiheit beraubt haben, sondern auch seine Erinnerungen manipulieren und ihn dazu zwingt, sich anzupassen und zu vergessen, wer er wirklich ist. Der Roman zeigt die Schwierigkeiten und Hürden auf, die Flüchtlinge auf ihrer Reise nach Europa und während ihres Aufenthalts in Deutschland überwinden müssen.
----------------------------- ----------------------------- "Der Erinnerungsfälscher" by Abbas Khider is a thin novel about a very current topic: flight and asylum as well as the fears, worries and traumas associated with them. The novel tells the story of a young Iraqi who came to Europe fleeing the war in his homeland. Now he is travelling home because his mother is dying. On the journey, he revisits his own history. He discovers that there are many gaps in his story, that he cannot remember some things or that he makes up parts of the story or fills in the gaps with the memories of others. So he tells his story, but it consists of many stories that others have told him, what others have experienced. It is a story that could have happened to hundreds and yet it is a very personal one. He realises that he is a faker of memories, because he fills his memories in part with stories that are not his own and uses them to weave his own life story.
Abbas Khider, who himself fled Baghdad after being arrested for political activism, describes in his book very vividly and sensitively the experiences and feelings of the main character, who is trapped in a system and in thoughts that have not only robbed him of his freedom, but also manipulate his memories and force him to adapt and forget who he really is. The novel shows the difficulties and hurdles that refugees have to overcome on their journey to Europe and during their stay in Germany.
Mit knappen Beschreibungen und insgesamt einer kurzen Geschichte lässt uns Abbas Khider eintauchen in (s)eine Welt, die eines ehemaligen Illegalen, der mittlerweile den deutschen Pass, Frau und Kind hat, aber seine Vergangenheit nicht immer hinter sich lassen kann. Und trotz der Knappheit und Kürze sitzt jeder Satz, war ich als Leserin in jeder Situation voll dabei. Beeindruckend! Ich habe eine Geschichte lesen dürfen, die mir sehr autobiografisch erscheint und in der, so mein Gefühl, der Autor mir einen tiefen Einblick in seine schwierige Vergangenheit und seine auch heute noch oft unberechenbare Gegenwart gewährt hat.
Was die Menschen meines Alters (der Autor ist zwei Jahre älter als ich) in ihrer Kindheit und Jugend im Irak erleben mussten, welche Gefahren sie trotzdem auf sich genommen haben indem sie rebellierten, die vereinzelten Beschreibungen der verschiedenen Fluchtetappen bis hin zur Ankunft in Deutschland, wo er auch heute noch Diskriminierung ausgesetzt ist, all das hinterlässt Narben auf der Seele. Und deshalb ist es dem Erzähler nicht immer und/oder nicht mehr möglich, sich an alles genau zu erinnern. Er erzählt und fragt sich immer wieder, was von all dem eigentlich wirklich so oder ähnlich oder gar nicht passiert ist.
Diese Geschichte wird nachhallen, auch wenn ich das Buch innerhalb von nur zwei Tagen verschlungen habe.
Mal wieder ein Schatz von einem Buch, das uns deutschen Lesern im Original geschenkt wurde -- durch den heute wohl bekanntesten nicht-muttersprachlichen Autoren Deutschlands. Gut, da gibt es natürlich immer noch Adelbert von Chamisso; aber der ist heute unter den Lesern nicht mehr so bekannt. Ohne Anklage konfrontiert Khider uns, den weißen deutschen Leser, mit unseren Privilegien, die für seinen Protagonisten eben nicht gelten. Eine Bibliotheksrecherche zum politischen Islam (im Auftrag des Professors) sorgt dann zum Beispiel zu einer Ausleihsperre. Dabei ist das Buch aber kein journalistisches Werk. Es ist ein dicht gefügter Roman über Heimat und Heimatlosigkeit, über die Beziehung zu den Eltern und anderen Familienangehörigen und über den Menschen, der doch eigentlich immer allein in die Welt gestellt ist.
Mit gerade mal 125 Seiten ist "Der Erinnerungsfälscher" von Abbas Khider ein schmaler Band, aber die Geschichte von Said Al-Wahid hat es in sich. Mitten im Alltag kommt die Nachricht des Bruders - die Mutter liegt im Sterben. Das würde vermutlich bei jedem eine ganze Achterbahn der Gefühle in Gang setzen, doch im Falle des Erzählers liegen die Dinge noch ein wenig komplizierter: Die Mutter ist in einem Krankenhaus in Bagdad, er selbst als mittlerweile deutscher Staatsangehöriger in Berlin. Dank einer Lesereise ist der Autor praktischerweise in der Nähe des Frankfurter Flughafens und seinen Pass hat er zum Glück immer dabei: Ein Überbleibsel der Zeit der Flucht und der langen Jahre als Asylbewerber, als er stets dokumentieren musste, wer er war und die Aufenthaltsgenehmigung ein zentrales Stück seiner Existenz war. Die Fremde, so heißt es in dem Buch, ist eine Fahrt auf einer verflixt langen Straße, die sich in Serpentinen schlängelt und ins Nichts führt.
Während Said Reisepläne umschmeißt, einen Flug bucht und sich auf die Reise macht in das Land, das er vor 20 Jahren verlassen hat, blickt er zurück in die Vergangenheit seiner Familie, ihrer Tragödien, seiner Flucht und das lange Ankommen in Deutschland, das auch nach so langer Zeit immer wieder in Frage gestellt wird, wenn ein Polizist nach seinem Ausweis fragt, wenn ihn misstrauische Blicke streifen, wenn es wieder einmal einen islamistischen Anschlag gab.
Wieviel Abbas Khider steckt in Said Al-Wahid? Die Beschreibung der Romanfigur ähnelt dem Bild des Autors auf dem Schutzumschlag des Buches, beide sind Schrifsteller, beide kommen aus dem Irak. Das Nervenflattern in Ausländerbehörden, die Auseinandersetzung mit einer Bürokratie, deren Sprache schon Muttersprachler vor Herausforderungen stellt, die Erfahrung von Fremdheit - das ist geradezu kollektives Gedeächtnis all derer, die entwurzelt wurden und in einem neuen Land einen Neuanfang machen müssen.
Der Titel des Buchs bezieht sich auf eine Besonderheit Saids: Er leidet unter einer Erinnerungsstörung. An vieles aus seiner Vergangenheit, an alte Freunde oder Nachbarn kann er sich nur vage Erinnern. Wenn er autobiografisch angehauchte Texte schreibt, muss er die Lücken seiner Erinnerung mit seiner Vorstellungskraft füllen. Ist es ein neurologisches Problem oder ist die Last der Vergangenheit so groß, dass die Tilgung von Erinnerungen eine Art Selbstschutz ist? Saids Vater ist als Staatsfeind hingerichtet worden, der soziale Tod traf die ganze Familie. Die Schwester und ihre Familie kamen bei einer Bombenexplosion ums Leben. Die Zahl seiner Toten übertrifft die Zahl seiner Lebenden.
Auf der Reise in den Irak erlebt Said die Unterschiede, die sein roter deutscher Reisepass macht, der ihm Türen öffnet, die ihm mit dem blauen Flüchtlingspass oder gar mit dem irakischen versperrt waren. Den Pass trägt er nicht nur immer und überall bei sich, er ließ ihn sogar vor den Bundestagswahlen erneuern, für alle Fälle: "Er hatte Angst, dass sein Pass nach den Wahlen nicht mehr verlängert werden könnte. Said wollte auf alles vorbereitet sein, mit einem Pass, der zehn Jahre lang gültig war."
Das Buch zeigt auch die wachsende Kluft zwischen denen, die gegangen sind und jenen, die geblieben sind. Saids Bruder ist zwar jünger, doch er erlebt ihn gealtert. Das Leben im Irak, die Erfahrung des Bürgerkriegs, der amerikanischen Besatzung, der letzten Jahre des Regimes von Saddam Hussein haben Spuren hinterlassen. Trotz aller Unsicherheiten und Probleme ist es Said, der nach den Jahren der Flucht das bequemere Leben hat. Diese Rückkehr ist keine Heimkehr.
Schnörkellos und eindringlich geht es in diesem Buch um die Erfahrung von Fremdheit, um das Ankommen im mehrfachen Sinn, um Wurzeln und Identität, um die Folgen von Gewalterfahrung und familiären Trauma, ganz ohne Betroffenheitslyrik und Sentimentalität.
Said Al-Wahid ist in Badgag geboren. Inzwischen ist er verheiratet und lebt mit seiner Frau und seinem Kind in Berlin. Als er sich auf dem Rückweg von Mainz nach Berlin befindet, erreicht ihn der Anruf seines Bruders: Seine Mutter liegt im Sterben, Said soll so schnell wie möglich in den Irak kommen. Den Reisepass immer bei sich, bucht Said den nächsten Flug. Das Buch begleitet Said auf seinem Weg vom Bahnhof bis in den Irak, währenddessen er sich an seine Vergangenheit erinnert. Je näher er dem Irak kommt, desto weiter reist Said in seiner Vergangenheit zurück. Ihm fällt auf, dass er sich an wenig aus seiner Kindheit erinnert, er sowieso viele Erinnerungslücken hat, nicht weiß, was wirklich passiert und was erfunden ist. Also füllt er die Lücken auf, versucht einen Sinn in seiner Vergangenheit zu finden. Während seiner Rückblicke zeichnet Said ein wirkungsvolles und furchtbares Bild vom Leben im Irak, seiner Flucht und seinen Strapazen in ein neues, hoffentlich besseres Leben.
Ich gebe zu, Der Erinnerungsfälscher ist ein Buch, zu dem ich auf der Suche nach einem unterhaltsamen, spannenden Buch fürs Wochenende wahrscheinlich nicht gegriffen hätte. Umso mehr bin ich froh darüber, dass ich es auf der Arbeit aus dem Stapel der Leseexemplare herausgegriffen habe – denn es ist ein Buch, das man definitiv lesen sollte! Als privilegierter Mensch sind Krieg, ein Leben als Flüchtling und Einwanderungsprobleme Katastrophen, um die man weiß, die einen traurig und wütend machen, die aber doch nur weitere von vielen Katastrophen sind, mit denen man täglich in den Nachrichten konfrontiert wird. Eine gewisse Distanz bleibt. Dieses Buch bricht diese Distanz auf; ich war gleichzeitig gefesselt und schockiert, musste weiterlesen, mich hineinziehen lassen in den Schmerz. Saids Erlebnisse aus seiner eigenen Sicht derart nüchtern und distanziert beschrieben zu lesen, hat etwas in mir ausgelöst. Wut, Trauer, Fassungslosigkeit, noch mehr Wut. Auf die Welt, vor allem auf die Menschen in ihr, unsere Bürokratie. Ich kann mir nicht vorstellen wie es ist, jeden Tag aufzuwachen und sich nicht sicher zu fühlen. Selbst nach Jahren in einem Land und mit der Staatsbürgerschaft Angst zu haben, doch wieder verschwinden zu müssen. Mir ein Leben und eine Familie in einem neuen Land aufzubauen, hin und her gerissen zu sein, weil ich woanders auf der Welt dafür ein anderes Leben, eine frühere Familie zurücklassen musste. Ein Teil von zwei Welten zu sein und am Ende doch in jeder von ihnen als ein Fremder wahrgenommen zu werden. Mich aus der Hölle eines vom Krieg gebeutelten Landes herauszukämpfen, nur damit am Ende eine andere Form der Hölle in Form von Bürokratie, Unsicherheit, Alltagsrassismus auf mich wartet.
Geplagt von Traumata verdrängt Said seine Vergangenheit, füllt die Lücken so aus, dass sie Sinn ergeben, verdrängt den Schmerz und die Erinnerungen, tauscht sie aus, verändert sie, am Ende bleibt trotzdem nur der Schmerz. Vielleicht ist das Buch Saids Geschichte, vielleicht sind Teile davon wahr, vielleicht alles, vielleicht nichts. Welchen Unterschied macht es? Manchmal ist es besser, sich falsch zu erinnern, als die Wahrheit zuzulassen. Dieses Buch hat mich wirklich umgehauen, ist in seiner Kürze derart gewaltig, dass es gar nicht mehr Seiten braucht. Die Geschichte eines einziges Lebens, das stellvertretend für so viele steht.
nennt sich selber so, weil er seine eigenen Erinnerungen nicht abrufen kann, und manchmal auch nicht abrufen will. Um aber beruflichen Erfolg zu haben, muss er sie abrufen, oder eben fälschen. Das Buch hat mich einerseits total berührt, da es sehr anschaulich vermittelt, wie man sich als Mensch fühlt, wenn man zwischen verschiedenen, absolut konträren Weltanschauungen festsitzt, andererseits vermittelt es dem Leser durch die distanzierte Erzählweise in der dritten Person eine Leere und Empathielosigkeit, die mich manchmal sprachlos gemacht hat. Der Protagonist Said Al-Wahid wurde in Bagdad geboren und floh in jungen Jahren nach Deutschland, wo er den ganzen bürokratischen Tücken dieses Staates ausgeliefert war. Zu Hause scheint er sich hier nicht zu fühlen, aber zumindest angekommen. Angekommen in einem Leben, das familiär , sicher und stabil ist. Auch Bagdad scheint nicht mehr seine Heimat zu sein, alles ist anders, war aber noch nie wirklich gut. Hier fehlen Stabilität und Sicherheit völlig. Dafür gibt es wahrscheinlich nur ein Minimum an Bürokratie. All die Zerrissenheit und Heimatlosigkeit waren eindringlich und sehr berührend beschrieben. Ein wenig gefehlt hat mir die Nähe zu Monika, sie fällt leider oben angesprochener Empathielosigkeit zum Opfer. Dieses Buch bespricht auch einige Themen, die ein Land betreffen, welches noch nie wirklich in Frieden lebte. Und den Kontrast der deutschen Mentalität. Schade fand ich auch ein wenig, dass der Autor nie den Mut gefunden hat, seinem Protagonisten den einen Moment der Schwäche einzugestehen, in dem er um Hilfe für sein Gedächtnisproblem ersucht. Hier wäre ein dezenter Hinweis auf das Thema PTBS sehr befreiend gewesen. So wirkt das ganze Buch in großen Teilen ein wenig depressiv und hilflos , da der Protagonist" in keiner Situation wirklich selber richtig aktiv wird", er handelt immer nur nach den Vorschlägen und Maßgaben anderer. Passend hierzu sind die Parallelen zum Buch " Die Taube " von Patrick Süskind, welches der Protagonist dreimal versucht zu lesen.
In Abbas Khiders Roman geht es um die Kraft unserer Erinnerungen, was sie für einen Menschen bedeuten und wie sehr man ihrer Richtigkeit vertrauen kann.
Der Roman handelt von Said Al-Wahid, der als junger Erwachsener aus dem Irak über mehrere Umwege nach Deutschland gelangt ist. Zu Beginn erfährt er vom Tod seiner Mutter und macht sich auf nach Bagdad zu fliegen. Diese Reise ist die Rahmenhandlung des Romans, in die einzelne Erinnerungsabschnitte aus Saids Leben thematisch passend eingeflochten werden. In Saids Leben ging es um Asylanträge, seine Flucht, Rassismus und das Leben in der Fremde. Said ist sich dessen bewusst, dass er einige seiner Erinnerungen nicht mehr richtig greifen kann, nicht mehr weiß, ob bestimmte Ereignisse seines Lebens wirklich so passiert sind, wie er sie erinnert. Doch da er sein "Mienenfeld der Erinnerung" nicht noch einmal betreten will, ist ihm diese Erkenntnis mehr als Recht. Als Leser kann man sich nur vorstellen, welche scherzhaften und präegenden Erlebnisse Said durchlebt hat und wieso er wohl allen Grund hat, diese zu verdrängen.
Khiders Schreibstil ist nüchtern, an einigen Stellen zynisch und leicht zu lesen, die Thematik des Romans, das Vergessen der eigenen Erinnerungen wird auch durch die Sprache immer wieder aufgregriffen. Mir gefällt die Subtilität der Thematik, die einen trotzdem mitnimmt. Said ist in der Fremde zu Hause, aber sein ehemaliges zu Hause ist ihm auch fremd. Khider gibt einen kurzen Einblick in das Leben eines Geflüchteten, der ganz von vorne anfangen muss und währenddessen lernt, mit seinen Erfahrungen umzugehen.
Da ich schon die "Orangen des Präsidenten" gelesen habe, war dieses Buch für mich ein Muss. Khider schreibt toll, so dass man sich wirklich gut in ihn hineinversetzen kann. Er erzählt in seinem neuveröffentlichten Roman die Geschichte von Said Al-Wahid. Er ist seit zwei Jahren ist Schriftsteller, er hat an einer literarischen Podiumsdiskussion in Mainz teilgenommen und befindet sich auf der Heimreise nach Berlin zu seiner Frau Monica und seinem Sohn Ilias. Während der Zugfahrt bekommt er einen Anruf seines Bruders Hakim aus dem Irak, der ihm mitteilt, dass die Mutter im Krankenhaus liegt und wahrscheinlich nicht mehr lange leben wird. Said macht sich spontan auf den Weg zum Frankfurter Flughafen und nimmt die nächste Maschine nach Bagdad. Auf seiner Reise in die alte Heimat erinnert sich Said an sein bisheriges Leben. Als junger Mann floh er vor dem Terrorregime des Irak. Es dauerte Jahre, bis er auf Umwegen endlich in Deutschland ankam. Aber auch dort war es nicht einfach für ihn, der Bürokratismus war eine ständige Herausforderung, die ersehnte Einbürgerung ein mühsamer, sich über Jahre hinziehender Prozess. Seitdem führt er seinen Reisepass, für den er so lange kämpfen musste, ständig mit sich. Als er mit dem Schreiben beginnt und seine eigene, wahre Geschichte niederschreiben möchte, stellt er fest, dass seine Erinnerungen unvollständig sind. Ein großer Teil ist durch ein Loch im Gedächtnis verloren gegangen, einfach verschwunden. Er muss seine Gedächtnislücken schließen, neu erfinden, bezeichnet sich selbst als einen Erinnerungsfälscher, der die Lücken mit fiktiven Inhalten füllt. Der Schreibstil ist sehr berührend und ergreifend und ein großes Leseerlebnis,
Obwohl „Der Erinnerungsfälscher“ von Abbas Khider relativ wenige Seiten hat, gelingt es dem Autor auf diesen, eine eindrückliche wie auch überzeugende Geschichte zu erzählen. Auf dem Weg an das Sterbebett seiner Mutter von Berlin nach Bagdad, erinnert sich der Protagonist Said Al-Wahid an einzelne Abschnitte seiner früheren Flucht nach Deutschland. Mit nur wenigen Worten entsteht eine greifbare Atmosphäre, welche nicht nur das jeweilige Setting bildhaft erscheinen lässt, sondern besonders gut die Gefühle des Geflüchteten transportiert. Auch wenn nicht jede Station seiner damaligen Reise auserzählt wird, bleibt dennoch alles nachvollziehbar und stimmig. Dabei erstreckt sich die Odyssee über mehrere Länder und auch in Deutschland angekommen muss sich Said Al-Wahid mit Diskriminierung und Anfeindungen auseinandersetzen. Zum Glück stehen dem Gegenüber immer wieder auch positive Erinnerungen, durch welche ein Ausgleich geschaffen wird. Besonders spannend war es für mich mitzuerleben wie sich im Verlauf der Erzählung sein eigenes Weltbild verändert und Said eigene Erinnerungen immer wieder hinterfragt. So ist auch der Titel klug gewählt und wird im Buch gekonnt aufgegriffen. Der Schreibstil liest sich angenehm und obwohl die Handlung immer wieder zeitlich und örtlich hin und her springt, konnte ich ihr stets gut folgen. So war „Der Erinnerungsfälscher“ für mich eine beeindruckende Lektüre, welche dabei auch nachdenklich macht und mir wirklich gut gefiel. Deswegen vergebe ich natürlich 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung!
Saids Mutter liegt im Sterben. Für Said steht fest, dass er in das Land seiner Geburt zurückkehrt, um seiner Familie beizustehen. Auf dem Weg in den Irak kommen alte Erinnerungen wieder hoch - von seiner Kindheit in Bagdad, seiner Flucht aus dem kriegsgebeutelten Land, den bürokratischen Hürden als "Geduldeter" in Deutschland bishin zu seiner Einbürgerung und dem Kennenlernen seiner Frau und der Geburt des gemeinsamen Sohnes. Doch welche Erinnerungen entsprechen tatsächlich der Wahrheit und welche sind ausgeschmückt? Said weiß es nicht....
Ich habe Der Erinnerungsfälscher als Hörbuch, welches sehr eindringlich von Timo Weisschnur vorgelesen wird, gehört. Abbas Khider schreibt sehr nüchtern und klar, sodass man seinen Worten sehr gut folgen kann. Tatsächlich habe ich die knapp 3 Stunden sogar in einem Rutsch durchgehört, weil ich mich der Lebensgeschichte von Said Al-Wahid einfach nicht entziehen konnte. Diese ist eindringlich, intensiv, nachhallend und horizonterweiternd. Es ist die Geschichte eines Mannes, dem die Heimat genommen wurde; der sich weder in seinem Geburtsland, noch in seiner Wahlheimat Deutschland richtig zugehörig fühlt. Was Said Al-Wahid alles erdulden muss, hat mich nachdenklich gestimmt, aber auch ein Stück weit wütend gemacht. Es geht auch um Rassismus und Vorurteile. Said hat sich einen deutschen Reisepass hart erkämpft und dennoch werden ihm immerzu neue Steine in den Weg gelegt. Für mich waren die Stunden, die ich mit dem Hörbuch verbracht habe wirklich sehr emotional.
Von mir gibt es eine uneingeschränkte Lese- bzw. Hörempfehlung für dieses beeindruckende Buch!
Fazit Intensiv, eindringlich, nachhallend und sehr emotional erzählt Abbas Khider die Lebensgeschichte des irakischen Flüchtlings Said Al-Wahid, der zwar in Deutschland eine neue Heimat gefunden hat, aber trotz Einbürgerung mit bürokratischen und politischen Hürden zu kämpfen hat. Mich hat das Buch sehr bewegt und ich kann es uneingeschränkt weiter empfehlen.
Mein erstes Buch von dem Autoren, und ich liebe es.
Eine ganz andere Lebensrealität. Eine ganz andere Sicht auf die Welt. Erfahrungen machen Leute. Schlimme. Trauer. Tot. Krieg. Es ist unglaublich wie schön das Leben eines Menschen beschrieben worden ist. Das Leben eines Asylanten, der Rassismus der ihm wiederfährt, die Traumen die zu Gedächtnislücken führen, der Kampf mit dem Staat um Da sein zu können. Die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Menschen unterschiedlicher Länder.
Das Buch hat mich sehr zum nachdenken gebracht. Und ich glaube genau das ist ein Punkt das das Buch so gut macht. Nie habe ich so ein intensives Bild von einem asylanten bekommen. Nie habe ich spüren können wie ekelhaft es ist immer auf Stacheldrahten sitzen zu müssen, mit den Gedanken jederzeit nach Lust und Laune rausgeschmissen zu werden.
Solch eine tiefe. Solch eine Trauer.
Viele Sätze in diesem kurzen Buch sind ein Volltreffer, traurig und poetisch.
Ich denke dieses Buch sollte man in Schulen lesen. Dieses Buch sollte jeder einmal gelesen haben.
Noch nie solch ein kurzes Buch mit so viel Stärke gelesen.
Anfangs würde ich nicht erwarten das ich es mögen würde, es hat sich an einigen Stellen etwas träge angefühlt.
Besonders das Ende hat mir den letzten Tropfen gegeben, genau als Wahid Al Said endlich weinen konnte, konnte ich es auch. Unbeschreiblich gut.
Das Buch "Der Erinnerungsfälscher" ist mit seinen gerade mal 128 Seiten wirklich kurz und knackig geschrieben und ich hatte am Anfang doch so meine Zweifel, ob ein solch heftiges Thema auf so wenig Raum wirken würde, oder ob nicht doch etwas Fehlen würde. Tut es nicht. DIe Geschichte ist von Anfang bis Ende richtig schön rund und gibt einen bestechend tiefen und ehrlichen Einblick in ein menschliches Schicksal. Der Protagonist erzählt aus seiner niemals ganz sicheren Perspektive seine Erlebnisse die zum Verlassen der Heimat führten. Dies beginnt beim Zerbrechen des Alltags während einer brutalen Machtergreifung, dramatischen Verschlimmerungsprozessen der Lebensbedingungen der Familie und einem schließlichen Kampf gegen Windmühlen von Schleppern und deutscher Justiz wie es scheint. Keine leichte Reise. Mich hat vor allem beeindruckt, wie nah und realistisch alles geschrieben wurde. Man ist sich nicht sicher, ob es wirklich nur eine Geschichte ist beim Lesen. Vielmehr eine Geschichte, die genau so hätte sein können. Das hat mich sehr berührt. Sie zeigt für mich auch nochmal die drängende Not, die wie ich finde an eine Notwendigkeit gekoppelt ist, für mehr Menschlichkeit zu sorgen.
Said Al-Wahid ist in Deutschland angekommen. Die Flucht aus dem Irak hat er geschafft. Inzwischen hat er eine Frau und einen Sohn. Eines Tages bekommt er die Nachricht von seinem Bruder, dass seine Mutter im Sterben liegt. Schnellstmöglich will Said nach Bagdad reisen, um sich von seiner Mutter zu verabschieden.
Dieser Roman hat mich sehr berührt. Den Schreibstil fand ich sehr angenehm und poetisch. Die Handlung wird in der Perpektive von Said Al-Wahid erzählt. Ich empfand Said sehr authentisch und konnte mich sehr in ihn reinversetzen, was er alles durchmachen musste. Das hat mich sehr ergriffen. Den Titel des Buches finde ich sehr gelungen. Said erinnert sich an die Vergangenheit. Dabei verwischt seine Erinnerung sehr stark, so dass er nicht mehr sagen kann, welche real oder fiktiv ist. Der Autor Abbas Khider kommt aus Bagdad. Er ist ebenfalls aus dem Irak geflohen und lebt jetzt in Deutschland. Anscheinend hat der Autor in diesem Buch seine Lebensgeschichte verarbeitet.
Sehr berührender und bewegender Roman, der sehr poetisch erzählt ist.
Man erfährt in diesem relativ kurzen, aber intensiven Roman viel vom Leben eines Flüchtlings in Deutschland. Obwohl er sich schnell in Deutschland einlebte, gibt es viele bürokratische Hürden, die Said aber bewältigt. Dann eines Tages als Said schon verheiratet und junger Vater ist, liegt seine alte Mutter im Irak im sterben. Said reist in seine alte Heimat. Dabei kommen ihm die Erinnerungen an die Vergangenheit und seine Flucht. Am Ende stehen die Passagen im Irak bei seiner Familie, die beeindruckend sind, aber auch Saids Entfremdung zeigen.
Obwohl das Buch ein wenig an Khiders früheren Roman Die Ohrfeige erinnert, hat er einen ganz anderen Ton und verzichtet auf parodistische Momente.
Der Deutsch-Iraker Abbas Khider ist für mich einer der interessantesten Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur. Der Erinnerungsfälscher ist ein guter Roman,auch wenn er ruhig etwas länger hätte sein dürfen.
Der in Bagdad geborene Schriftsteller Abbas Khider lebt heute in Deutschland. Seit ich Die Orangen des Präsidenten von ihm gelesen habe, gehört er zu meinen Favoriten.
Der neue Roman „Der Erinnerungsfälscher“ zeigt die Erlebnisse und Erinnerungen des Said Al-Vahid. Er lebt schon 10 Jahre in Deutschland, als er einen Anruf seines Bruders bekommt. Ihre Mutter liegt im Sterben und Said fliegt spontan nach Bagdad. Auf der Reise erfahren wir von seiner Flucht und seiner Einbürgerung.
Said ist Schriftsteller und fragt sich, warum er vieles vergessen hat. So sind einige Erinnerung nicht unbedingt so geschehen.
Da der Autor eine ähnliche Vita hat und im gleichen Alter ist, vermute ich mal, das viele eigene Erlebnisse beschrieben wurden. Sein Schreibstil ist fesselnd. Es ist interessant die Gefühle eines Flüchtlings zu lesen. So lernt man einiges dazu. Den Roman ist unbedingt empfehlenswert.